Krebs-Kompass-Forum seit 1997  


Zurück   Krebs-Kompass-Forum seit 1997 > Spezielle Nutzergruppen > Forum für Hinterbliebene

Antwort
 
Themen-Optionen Ansicht
  #1  
Alt 11.08.2009, 15:39
Mapa Mapa ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 29.01.2008
Beiträge: 1.086
Standard AW: Suizid nach 1. Chemo-Block

Hallo Stefans,
ich kann Deinen Auführungen nur zustimmen. Ich hatte das Wort kämpfen bewusst in Anführungszeichen gesetzt, weil es eben etwas zwiedeutig ist. Aber es wird eben gerne benutzt, wie Du an den Worten der Onkologin bei Euch auch sehen konntest.
Zitat:
Manche Ärzte vertragen es nunmal nicht, wenn man ihnen sagt, was man von ihrer sozialen Kompetenz hält.
Auch hier kann ich Dir nur uneingeschränkt (aus mehreren eigenen Erfahrungen) zustimmen. Ich würde die soziale Kompetenz sogar noch auf medizinische Kompetenz erweitern. Wobei ich betonen möchte, dass Ausnahmen die Regel bestätigen.
Zitat:
Aber wie ich mich fühlen würde, wenn umgekehrt meine Frau das bei mir tun müßte, weiss ich ganz genau. Ich würde schnellstmöglich sterben wollen, als jemandem so zur Last fallen...
Das meinte ich mit eigener Grenze. Auch ich hätte das jederzeit für meinen Mann gemacht (wenn es nötig gewesen wäre). Ich weiß auch, dass mein Mann das jederzeit für mich gemacht hätte. Aber ich persönlich würde das nicht wollen. Weniger wegen meines Mannes, der es wahrscheinlich gar nicht als Last empfunden hätte (doch, möglicherweise seelisch, das bestimmt), als wegen meiner eigenen Einstellung dazu. Ich würde das nicht wollen, weil es für mich eine unmögliche Vorstellung ist, nicht mehr selbst für mich entscheiden zu können und nur noch durch die Dienste anderer, zum größten Teil auch fremden Menschen, am Leben erhalten zu werden. Unter Bedingungen, die ich gar nicht will. Und für meine eigene Menschenwürde ist es wichtig, den Zeitpunkt selber entscheiden zu können, wenn ich einem Zustand, den ich nicht will, mit einer anderen Lösung zuvor komme. So traurig es für die Angehörigen oder Außenstehenden auch sein mag, dass ich nicht mehr "kämpfen" will, darauf könnte ich dann leider keine Rücksicht nehmen.
Liebe Grüße,
Mapa
__________________
_____________________________________________
Mit Zitat antworten
  #2  
Alt 11.08.2009, 21:29
Benutzerbild von HelmutL
HelmutL HelmutL ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 03.03.2007
Ort: Dreiländereck
Beiträge: 2.019
Beitrag AW: Suizid nach 1. Chemo-Block

Hallo Mapa, hallo Stefans,

GsD. gibt es diese Ärzte mit sozialer Kompetenz. Ich kenne mehrere Beispiele dafür.

Zum ersten mein Schwiegervater. Mehrere Herzinfarkte, Schlaganfälle, Steinstaub-Silikose 100%. Bis einige Monate vor seinem Tod immer lebensbejahend. 35 Jahre ist er immer wieder aufgestanden. Bis es dann auch für ihn so weit war. Das kurz zum Verständnis. Als er dann auf der Intensivstation untersucht und verschiedene Dinge medizinisch abgeklärt waren, kam der leitende Arzt zu uns (wir warteten vor der Tür auf Einlasss, mein Schwiegervater lag da bereits im Koma) und sagte sinngemäss folgendes zu meiner Schwiegermutter: "Wir können versuchen ihren Mann auf Biegen und Brechen solange wie möglich am Leben halten. Ihr Mann wird hier sterben, so oder so. Ich bin Arzt geworden um den Menschen zu helfen, nicht um sie zu quälen. Ich, als Arzt, nehme mir die Freiheit die Kompetenz zu besitzen entscheiden zu können, ab wann eine Behandlung nicht mehr für sondern gegen den Patienten ist. Und genau das ist der Zeitpunkt dem Patienten ein würdiges, friedliches Sterben zu ermöglichen. Wenn sie damit einverstanden sind, werde ich für ihren Mann diesen Zeitpunkt bestimmen."

Meine Frau und ich waren bei einem Onkologen um eine Zweitmeinung einzuholen: "Ich wäge sehr genau ab zwischen Sinn und Unsinn einer Behandlung. In bestimmten Fällen geht es nicht darum, den Krebspatienten mit allem, was uns zur Verfügung steht, möglichst lange am Leben zu erhalten, sondern ihm zu ermöglichen, die ihm verbleibende Zeit mit möglichst hoher Lebensqualität zu verbringen. Ab einem bestimmten Zeitpunkt ist eben nicht mehr die Quantität sondern die Qualität des Lebens das Kriterium für Entscheidungen. Ich habe den Fall eines jungen Krebspatienten. Ich kann sein Leben vielleicht noch ein Jahr verlängern, nur zu welchen Bedingungen. Ich kann aber auch dafür sorgen, dass er die vielleicht letzten 3 Monate seines Lebens mit einer relativ hohen Lebensqualität erleben darf. Ich werde ihm beides anbieten, ich muss das tun, jedoch das zweite vorschlagen. Ich sage ihnen das, damit sie wirklich verstehen, was ich ihnen, nach meiner Kenntnis ihrer Krankengeschichte und nach meinem persönlichen Eindruck, den ich mir von ihnen machen konnte, jetzt sage: Ich würde ihnen empfehlen, den Behandlungsvorschlag meines Kollegen anzunehmen. Die letztendliche Entscheidung liegt selbstverständlich bei ihnen."

Genau das bestätigte mir in einem privaten Gespräch nach dem Tod meiner Frau auch ihr behandelnder Professor.

Genau dasgleiche tat der Arzt bei meiner Frau auf der Intensivstation. Er entschied, sie ins künstliche Koma zu legen und ihr eine hohe Sauerstoffgabe zu verabreichen. Er wusste sehr genau, was er damit tat: sie würde daraus auf keinen Fall wieder erwachen, er ermöglichte ihr ein friedliches Sterben. Er wusste und erklärte es uns, dass sie sich durch den Sauerstoff selbst vergiftete. Klingt paradox, ist aber so in diesem Fall. Es gab keine andere Möglichkeit mehr ihr Sterben menschlich zu gestalten, in Würde, ohne Qualen.

Ob sie selbst jemals über Suizid nachgedacht hat, weiss ich nicht. Vielleicht ist es jedoch auch eine Art des Suizids, sich in ein Krankenhaus zu begeben, wohlwissend, dass man da lebend nicht mehr herauskommt. Vielleicht mit der begründeten Hoffnung, dann dort die Möglichkeit für ein menschiches Sterben zu haben?

Die Aussagen der Ärzte, die ich hier niedergeschrieben habe, sind natürlich nicht wörtlich so in meiner Erinnerung. Sie treffen aber auf jeden Fall den Sinn des Gesprächs mit ihnen.


alles Liebe

Helmut
__________________
Zeit zum Weinen, Zeit zum Lachen.
http://www.krebs-kompass.org/howthread.php?t=31376
http://www.krebs-kompass.de/showthread.php?t=48070

Die von mir im Krebs-Kompass verfassten Texte dürfen auf anderen Homepages und in anderen Foren ohne meine ausdrückliche Zustimmung weder verwendet noch veröffentlicht werden. Auch nicht auszugsweise.
Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen


Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1)
 

Forumregeln
Es ist Ihnen nicht erlaubt, neue Themen zu verfassen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, auf Beiträge zu antworten.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Anhänge hochzuladen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Ihre Beiträge zu bearbeiten.

BB-Code ist an.
Smileys sind an.
[IMG] Code ist an.
HTML-Code ist aus.

Gehe zu


Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 12:04 Uhr.


Für die Inhalte der einzelnen Beiträge ist der jeweilige Autor verantwortlich. Mit allgemeinen Fragen, Ergänzungen oder Kommentaren wenden Sie sich bitte an Marcus Oehlrich. Diese Informationen wurden sorgfältig ausgewählt und werden regelmäßig überarbeitet. Dennoch kann die Richtigkeit der Inhalte keine Gewähr übernommen werden. Insbesondere für Links (Verweise) auf andere Informationsangebote kann keine Haftung übernommen werden. Mit der Nutzung erkennen Sie unsere Nutzungsbedingungen an.
Powered by vBulletin® Version 3.8.7 (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, vBulletin Solutions, Inc.
Gehostet bei der 1&1 Internet AG
Copyright © 1997-2024 Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V.
Impressum: Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V. · Eisenacher Str. 8 · 64560 Riedstadt / Vertretungsberechtigter Vorstand: Marcus Oehlrich / Datenschutzerklärung
Spendenkonto: Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V. · Volksbank Darmstadt Mainz eG · IBAN DE74 5519 0000 0172 5250 16 · BIC: MVBMDE55