Es bleibt die Liebe

[Lissi 2]

Meine geliebter Peter,
ein trauriges WE ist mal wieder geschafft. Der Freitag war sehr eigenartig diesmal, Gefühle irgendwie nicht zu beschreiben, einerseits tiefe Traurigkeit, dann wieder so ein richtiges Sch... egalgefühl, Kälte und Wärme zugleich. Musste ja um 8:00 im KH zur Broncho sein und dachte, nun gut das machste auch mal so eben nebenbei, kein Gedanken daran das ich hinterher nicht fit genug sein werde um wieder selbst fahren zu können. Schrecklich dieses Gefühl: und was machste nun, wie und vor allem wer kann dich nach Hause kutschieren und det Auto gleich mit? Ach und dann lieg ich da auf der Liege in dem Raum in dem auch du sooft gelegen hast, sehe aus dieser Perspektive die auch du gesehen hast. Von der Station sind fast alle hoch gekommen und hatten viele liebe Worte und echte Anteilnahme für mich, besonders Schwester Anne und Schwester Elvira waren unwahrscheinlich lieb, aber auch Andreas kam und hatte Tränen in den Augen, ja der Andreas den ich mal so angeschnauzt hatte, weißt sicher noch, von wegen Blutdruck messen und nix merken. Habe ihm gesagt er soll nicht sauer deswegen sein, aber es ging ja nun mal um das Liebste was ich auf dieser Welt noch hatte, um dich, er hat sich noch entschuldigt und er wäre überhaupt nicht sauer gewesen, denn ich hätte ja recht gehabt. Deine Lieblingsstationsärztin hatte auch Dienst und sie hat meine Steine behütet während der Broncho, ja deinen hatte ich mit und meinen Kasselstein. Als sie sah was ich da fest in meinen Händen hielt hat sie geschluckt und gesagt das ist doch der Talisman von ihrem Mann, sie würde ihn wiedererkennen und sie würde noch deine Stimme hören als du zu ihr sagtest: Frau Doktor, egal was sie mit mir machen der Stein muss mit und wenn ich ihn nicht in der Hand behalten darf dann müssen sie ihn mitnehmen, schmuggeln sie ihn in den OP egal wie. Ich hab ihr erzählt das ich ihn dir am Abend vor der ersten Chemo geschenkt hatte, damit du immer etwas bei dir hast um dich daran festzuhalten wenn es Dicke kommt und ich mal gerade nicht bei dir sein kann. Auch sie hatte Tränen in den Augen. Die Geschichte von meinem Kasselstein fand sie sehr erstaunlich und bewundernswert. Sie hat auch diesmal Wort gehalten und als ich aufwachte hatte ich beide Steine wieder in der Hand. Unser Doc kam dann später sehr zufrieden und über das ganze Gesicht strahlend um mir zu erzählen das sich dieser ominöse Rundherd als Narbengewebe entpuppt hat, zwar kann er sich nicht ganz erklären wie dieser sich gebildet hat, da ja in der letzten großen Lungenuntersuchung von 02 absolut nichts zusehen war und ich zwischenzeitlich auch nichts hatte was dieses hätte bewirken können, aber nun gut, es ist halt wie es ist und nun gibt er auch Ruhe. Ja es war viel Wärme zuspüren dort an diesem kalten Ort und ganz besonders Frau V. hat sich ganz reizend um mich gekümmert, alles organisiert das ich wieder nach Hause konnte auch mit Auto, obwohl sie schon Feierabend hatte. Sie mochte dich so gerne, weil egal wie dreckig es dir ging, du hättest immer einen netten Spruch für alle gehabt. Tja du warst nicht nur für mich ein Sonnenschein...
Hab dann den Rest vom Freitag verschlafen, verdöst, mit eigenartigen Träumen und Gedankengänge. Aber es als gnädig empfunden diesen Tag nur im Halbschlaf zu erleben. Das Trauertier schlich sich dann gestern wieder an und heute hat es mir wieder einmal arg zugesetzt, es gibt kein weglaufen vor den Gefühlen, ständig zahlt man seinen Preis und wenn es nur für einen verschlafenen Freitag ist, es holt mich ein. Und was wird Morgen sein????

Ach Göga du weißt ja wo ich jetzt schreibe und auch sehr viel lese, diese vielen schlimmen Schicksalsschläge hier, sie sind nicht fassbar und ich frag mich so oft warum ist das Leben so unfair, wer lässt es zu das ein kleiner, großer tapferer Ritter den Kampf um sein so junges Leben verliert, wieso darf ein kleiner Junge dessen Name eigentlich der Glücklich bedeutet, nur vier Jahre hier auf Erden der Sonnenschein seiner Eltern sein???? Warum müssen Mütter und Väter auf diese schmerzliche Art gehen obwohl die Töchter und Söhne sie noch so sehr brauchen. Warum werden junge Menschen die sich gerade in Liebe gefunden haben so auseinander gerissen, warum bekommen sie keine Chance ihre Liebe zusammen zuleben wie wir es getan haben. Warum müssen so viele Frauen und Männer um ihre Liebsten weinen???? Warum durfte Regina nicht noch den ersten Schnee überleben???? Ja ich weiß, Göga, diese "Warumfragen"... nicht zu beantworten hier unten auf dieser Erde, aber vielleicht dort wo du jetzt bist, vielleicht gibt es ja dort eine Antwort... Wenn ich hier Nachts lese und oft weinen muss dann möchte ich schon gerne wissen wer oder was ist so grausam, so unerbittlich und bringt soviel Leid über Menschen die doch nur eines wollten....ihr Leben mit ihren Lieben zuteilen.
Nein das Leben ist nicht Fair....
und du fehlst mir so sehr
Dein Engel Lissi

[Ekaka]

Liebe Lissi, Fühl Dich in den Arm genommen und gedrückt,ich denke viel an Dich.Liebe Grüsse: Erika.

[Quirin]

Liebe Lissi,

Leider gibt es auf die Frage des "Warum" nie eine Antwort.
Die Kirche liefert dir dann die Floskel "Gottes Wege sind unergründlich".
Die alten Germanen hatten das Bild von den Nornen. Diese
Schicksalsgöttinen hatten unsichtbare Fäden in der Hand,an denen die Menschen hingen. Willkürlich wurden
dann Fäden gezogen und wen es traf,für den war es vorbei.
Und so kommt mir das Krebsgeschehen vor. Egal wer,es
kann jeden treffen.
Ein sinnvolles göttliches Walten ist leider nicht erkennbar.
Liebe Lissi,ich kann dir nicht helfen,niemand kann dir den Schmerz nehmen,die Wunden sind zu tief.
Und dass die Zeit den Schmerz heilt? Auch nur ein Phrase?
Ich wünsche dir,dass du irgendwann wenigstens eine innere Ausgeglichenheit erfährst.
Liebe Grüße

Jobst

[Sanni412]

Liebe Lissi!

Deine vielen Warum-Fragen haben mir die Tränen in die Augen geschubbst!
Warum? Ja! Warum?
Wie oft hab ich mir diese Frage schon gestellt und keine Antwort gefunden?

Ich weiß darauf natürlich auch keine Antwort, aber alleine sind wir damit nicht!
Vlt finden wir die Antwort irgendwann in den Sternen, wenn wir selbst hingereist sind?!

Ich möchte Dich einfach einmal ganz lieb drücken, wenn ich darf?

Habe bei Dani gelesen, dass Du ursprünglich aus Berlin stammst?
Das löst bei mir gleich noch mehr Wärme aus, auch wenn ich Berlin nicht sonderlich mag, steuert doch ein gleicher Geburtsort zur Gemeinsamkeit bei!

Wärmende und tröstende Grüße, Sanni

[Mapa]

Liebe Lissi,
es ist zwar kein Trost (denn wir wissen ja Beide, dass uns nichts trösten kann), aber die Frage nach dem "warum" ist zwar berechtigt, jedoch selbst dann, wenn sie jemand beantworten könnte, wäre der Schmerz der ganzen Menschen, die jemanden verloren haben, bestimmt nicht weniger. Das Leben ist einfach nicht fair.
Ich sende Dir eine herzliche Umarmung und verbundene Grüße
Deine Mapa

[dani33]

Sei lieb gedrückt, suche leider auch erfolglos jemanden, der das "Warum " beantworten kann.
Alles Liebe
Dani

[Lissi 2]

Ihr Lieben alle,
eine Antwort auf dieses "Warum" werden wir nie finden, ich weiß das sehr wohl und eigentlich stelle ich mir diese Frage nach Möglichkeit auch nicht, habe ja leider sehr häufig in meinem Leben erkennen müssen das es nichts bringt sich mit dieser Frage den Kopp zu zermartern. Aber nun sitze ich ja nun mal hier, allein, so voller Schmerz, ausgebrannt, leer, müde und doch so oft schlaflos und lese hier im Forum. Bin nun seit einem Jahr hier, durch Zufall auf dieses Forum damals gestoßen und habe lange Zeit noch nicht mal bemerkt das es außer dem Lungenkrebs-Forum hier noch andere gibt. Na und als ich mich hier besser zurechtfand habe ich um das Hinterbliebene-Forum einen Riesen bogen gemacht, immer in der Hoffnung noch ganz lange nicht dazu zugehören. Geradezu panisch habe ich oft gedacht: nee klick das bloß nicht an... nichts herauf beschwören... die Hoffnung das uns noch eine lange Zeit bleibt trug ich im Herzen und doch wusste mein Kopf schon ziemlich schnell das dieser Weg kein sehr langer werden würde. Und Peter wusste es auch schon damals als er noch in der Bestrahlung war. Die ganzen Strapazen nur für mich auf sich genommen und durchgestanden, man dieser Gedanke macht mich heute noch blind vor Trauer, Schmerz und Wut, einer wahnsinnigen Wut auf diesen sch... Krebs. Tja nun lese ich hier und jedes Schicksal ist für sich so schwer, so unermesslich traurig, da drängt sich diese "Warum" Frage ganz von alleine in den Vordergrund und ich habe in den letzten Nächten gespürt das sich daraus auch eine Wut entwickelt, die ich mit ins reale Leben trage. Im Augenblick bin ich sehr grantig um es einmal nett zu umschreiben, möchte jeden der mir so blöde Phrasen an den Kopf knallt, wie das Leben geht weiter... oder das wird schon wieder... oder oder...
gegen das Schienbein treten, mit voller Wucht und im Sekundentakt und dabei möchte ich ihn dann anschreien und fragen ob er mit solchen Schmerz in jeder Faser seines Körpers bis an das Ende seiner Tag leben könnte... Und dann dieser Blick, ist Euch schon mal aufgefallen das es besondere Blicke für Trauernde gibt, so als wenn man einem kleinem unwissendem Kind etwas beibringen möchte, als wenn man nicht alle Tassen im Schrank hätte, wäre vielleicht besser formuliert. Meine Güte ich hoffe ja nur das ich im meinem Leben nie jemanden in solcher Situation so angeschaut habe, grausam, nur grausam. Und nein es sind nicht alle Menschen so, aber an manchen Tagen habe ich das Gefühl die Meute hat sich verabredet und man trifft von morgens bis abends nur auf diese Sorte Mitleid heuchelnde Menschen. Sorry das ich nun vom eigentlichen Thema abgekommen bin, oder ja auch nicht denn diese "Warum" Frage zieht vieles mit sich... es wird keine Antwort darauf geben, nie, hier nicht und im Regenbogenland wird man sie vielleicht nie mehr stellen müssen.

Lieber Jobst,
"Ein sinnvolles göttliches Walten ist leider nicht erkennbar." Wie recht Du doch hast und man könnte wirklich meinen die Schicksalsgöttinnen der ollen Germanen sind immer noch aktiv.
Und zu dem Satz: Die Kirche liefert dir dann die Floskel "Gottes Wege sind unergründlich" fällt mir auch noch ein das mir damals als ich selber mitten in der Krebserkrankung steckte, eine Psychotherapeutin nach der ersten Sitzung als Hausaufgabe mit auf dem Weg gab, ich sollte mal darüber nachdenken für was mich Gott mit dieser Krankheit strafen wolle. Ha, det war mir dann doch zu unergründlich und ich hab mich bis heute standhaft geweigert diesen Pfad zu begehen. Ich möchte niemanden der an Gott glaubt zu nahe treten, aber ich bin nun mal nicht gläubig im sinne einer Kirche. Wenn ich mir das Elend dieser Welt ansehe das die Kirche, egal welcher Religon, seit Jahrhunderten angerichtet hat, dreht sich mir der Magen um. Heute kommt niemand mehr auf den Scheiterhaufen, wird dafür aber mit solchen Fragen und Phrasen wie oben malträtiert und klein, unwissend und ängstlich gehalten. Immer nach dem Motto ein zitternder, ängstlicher Mitmensch ist ein guter Gläubiger, alle anderen kommen in die Hölle.
"Und dass die Zeit den Schmerz heilt? Auch nur ein Phrase?" ja lieber Jobst, es ist nur eine Phrase, die Zeit heilt den Schmerz nicht, sie verändert ihn manchmal, so ähnlich wie bei einem Schmerzmittel, mal hilft es hervorragend, mal überhaupt nicht, aber ein Schmerzmittel kann nie heilen und die Zeit kann diesen Schmerz auch nie heilen. Auch eine der Erfahrungen die ich lieber nie gemacht hätte.
Aber Du hilfst mir so viel und ich bin so froh wenn ich Dich lesen kann, Deine Geschichten drüben und auch Deine, liebe Erika ( ich drück Dich auch ganz lieb) sie zaubern ein Lächeln zwischen die Tränen. Danke!!!


Liebe Sanni,
ja es stimmt ich bin ein "Berliner", genau gesagt aus Steglitz. Wir sind 1987 hierher gezogen und mir geht es mit Berlin immer so, bin ich wech hab ich Sehnsucht nach Berlin und bin ich einpaar Tage dort will ich ganz schnell wieder wech. Ein Hassliebe, die wohl nie enden wird. Aber wir haben ja noch etwas gemeinsames, wenn ich richtig gelesen habe hat Dein Papa am 26.11. Geburtstag, mein Peter auch.
Ich hoffe Du hast immer zum richtigen Zeitpunkt ganz viele Seifenblasen um Dich herum, die Deine Seele sanft und liebevoll beschützen. Drück den tapferen Sternenmaler Kevin mal lieb von mir.


Liebe Mapa,
meine Schwester im Leid und Kummer, wie recht Du doch hast, was sollte eine Antwort uns auch nützen, der Schmerz bliebe doch. Ich umarme dich und hoffe bald wieder von Dir zu lesen, noch schöner wäre es von Dir zuhören.


Liebe Dani,
für Dich muss ich nach Worten suchen, wie schwer müssen nun für Dich und Deinen Bruder diese Aufgaben sein vor denen Ihr jetzt steht. Hoffe sehr das Ihr es bald geschafft habt die Wohnung aufzulösen, weiß ich doch nur zu gut wie schmerzlich das ist, jedes Stück erzählt eine Geschichte, mit jedem Handgriff hat man eine Erinnerung in der Hand und greift doch so grausam ins leere. Man kann es noch gar nicht realisieren und muss doch das alles erledigen. Ich wünsche Dir ganz viel Kraft und denke immer daran du hast einen wunderbaren an Deiner Seite.



Ich danke Euch allen das ihr hier für mich da seit, für die Zeit die Ihr Euch nehmt hier zu lesen und mir zuschreiben, für Eure Umarmungen und für die Wärme die Ihr mir sendet.

LG Lissi