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  #1  
Alt 30.07.2008, 21:36
Annika0211 Annika0211 ist offline
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Registriert seit: 06.02.2008
Beiträge: 884
Standard AW: 3 Monate und die Trauer fängt jetzt erst an

Liebe Petra.
Vielen herzlichen Dank für deine lieben Worte.
Es ist immer etwas schwierig zu versuchen, anderen mit den eigenen Erfahrungen zu helfen. Umso mehr freut es mich, dass meine Worte genauso ankommen, wie ich das auch gedacht habe.
Bei dir ist es nun 1,5 Jahre her, dass dein Papa nicht mehr da ist - und du sagst, dass dich diese Zeit bis heute geprägt hat.
Ich glaube das auch. Die Kraft, die man während dieser Krankheit des lieben Menschen aufbringt, kommt aus einer mir unbekannten Quelle. Man gönnt sich so gut wie nichts, will immer springen, muss hier und da aktiv sein, muss sich teilen wie ein Oktopuss - nein, man will sich teilen!! Oder besser: man teilt sich.
Die Zeit des Abschniednehmens war für euch sehr kurz, aber sie war da.
Für uns, respektive meine Mama war sie bereits seit August 2007 da. Papas letzte sehr schwere OP ließ schon nichts gutes verheißen und Mama sagte ab da, dass man Papa anmerken könne, dass er immer mehr abbauen würde.
Mir ist es nicht aufgefallen. Vielleicht wollte es mir auch nicht auffallen.
Sie war ja 24h täglich mit ihm zusammen und hat ihn gehegt und bemuttert.
Aber die Zeit, die wir seit August 2007 noch intensiver zusammen verbrachten, hat uns viel Kraft gekostet, aber auch wieder Kraft geschenkt. Es ist, wie ich es empfinde, ein unglaubliches, übermenschliches Geschenk, dass man im Nachhinein daraus Kraft schöpfen kann.
Ich denke immer, im Leben hat alles seinen Platz und seinen Sinn.
Auch wenn geliebte Menschen von uns gehen, hat das Schicksal es so vorgesehen und schickt uns gleichzeitig ein gutes Stück zurück. Was auch immer dann kommen mag und woher das Gute kommt, kann sich jeder selbst erklären.
Anfangs sieht man es vielleicht noch nicht, weil noch zu viel Trauer um den Verlust dabei ist, aber wenn ganz langsam die Schleier der Trauer durchsichtiger werden und man sich wieder an die schönen Erlebnisse während der ganzen Hölle erinnern kann, ist das der erste Weg der Besserung.
Ich trauere meinem Papa sehr stark nach, aber ich weiß auch, dass mich die ganze Erfahrung gestärkt hat und ich lebe mit dem Gedanken, dass mein Papa ganz genau weiß, dass wir alles möglich gemacht haben, um ihm gutes zu tun. Und das macht mich stark, hab ich ja schonmal geschrieben.

Wenn ich darüber nachdenke, dass ich auch gerne mal von Papa träumen möchte, bekomme ich allerdings Angst. Angst davor, wie es mir nachher geht, wenn ich wieder wach bin, ob ich depressiv werden könnte, ob ich traurig wäre, ob ich vielleicht glücklich wäre? Ich weiß es nicht.
Aber ich freue mich wirklich ernsthaft mit jedem, der die Erfahrung macht, im Traum mit seinen Liebsten zusammen zu sein und sie nochmal zu erleben, sie zu hören und sie zu berühren. Dazu gehört – glaube ich – auch eine besondere Empfindsamkeit, die mir fehlt.

Ich drücke euch alle ganz lieb und wünsche euch ganz viel Kraft zum Weitermachen, Leben und Annehmen.
__________________
Alles Liebe.
**********************
Papa, für immer in meinem Herzen - 31.12.2007
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  #2  
Alt 31.07.2008, 14:33
Ronnya Ronnya ist offline
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Standard AW: 3 Monate und die Trauer fängt jetzt erst an

Liebe Daggi...
Du sprichst mir aus der Seele...

Da gibt es nichts mehr hinzuzufügen...

Einen lieben Gruß
Von Regina
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  #3  
Alt 31.07.2008, 19:17
vulcano vulcano ist offline
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Beiträge: 44
Standard AW: 3 Monate und die Trauer fängt jetzt erst an

Liebe Daggi,
vielen Dank für deine liebe Antwort. Mein Vater starb im Dezember 1996 - viele werden sich denken, nach so langer Zeit ist die Trauer noch so intensiv...??..ich kann nur antworten, sie ist zu präsent...es tut oft so weh, dass es beinahe nicht auszuhalten ist. Ich wünsche mir ständig, dass ich die Zeit zurückdrehen könnte. Es soll alles wieder "normal "sein, nur die Tatsache ist anders. Anfangs waren die Träume schlimm, es waren Verarbeitungsprozesse, die mich stumpf aus den Schlaf gerissen haben, anscheinend hab ich versucht mit den Dingen fertig zu werden, die einen bewegen und sorgen, aber irgendwie haben sie für mein seelisches Gleichgewicht gesorgt.
Es gibt Tage, wo mich der Schmerz so überfährt, ich tränenüberströmt da sitze und nur denke, was ich verbrochen hab, um dies alles ertragen zu müssen. Leider habe keine Antwort auf diese Frage gefunden..
Traurigen Gruß,
Petra
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  #4  
Alt 31.07.2008, 20:27
Annika0211 Annika0211 ist offline
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Beiträge: 884
Standard AW: 3 Monate und die Trauer fängt jetzt erst an

Liebe Petra.
Du fragst dich manchmal, was du schlimmes verbrochen hast, weil dir das widerfahren ist?
Ich kann dir keine Antwort darauf geben, aber ich glaube, dass diese Frage keine Berechtigung bei dir haben sollte.
Das Leben passiert einfach - mit seinen Höhen und Tiefen. Wir haben keine Wahl als es einfach anzunehmen und das Beste daraus zu machen.
Ich glaube, das ist uns bislang allen gut gelungen - wir alle hier können und konnten das Wichtigste, das was zählt, einem lieben Menschen geben und damit sollten wir zufrieden sein. Wir können diesen Zustand nicht ändern.

Was mir allerdings spontan einfiel, als ich deinen Satz las, war folgendes - mein Papa erzählte es mal:
Mein lieber Papa war aus erster Ehe verwitwet mit 4 kleinen Kindern. Der jüngste war grade 1,5 Jahre alt - die Älteste 11.
Als mein Papa (Prostestant, nicht gläubig) sich mit einem katholischen Pfarrer unterhielt und ihn fragte, was er denn verbrochen hätte, dass der liebe Gott ihm seine gute Frau und den Kindern die liebende Mutter genommen hätte, antwortete dieser: Jeder bekommt DAS aufgebürdet, von dem Gott glaubt, dass er es schafft.

Tja... ich war im ersten Moment sprachlos - mein Papa belächelte die Situation, die er damit beschrieb und sagte mir: In der Bibel steht auch "Du sollst glauben..." - das heißt, du sollst glauben, dass es so war, wie es dort steht.
Mir sind keine Beweise für die Existenz und das geführte Leben von Jesus bekannt, aber ich erkläre mir das alles so: die Menschen brauchen einen Glauben, dem sie sich anvertrauen können. Und da viele von ihnen seit Jahr und Tag fast von und mit der Bibel leben und erwachsen wurden, glauben sie das, was da geschrieben steht. Andere glauben an andere Dinge, die ihnen Halt geben.
Und trotzdem finde ich die Frage meines Papas an den Pfarrer nicht beantwortet. Zumal kaum ein Mensch diese Krankheit "schafft".

Du darfst dich niemals für irgendetwas schuldig fühlen, weil dein lieber Papa diese Bürde auf sich nahm.

Ich bin auch davon überzeugt, dass selbst bei mir die Phase der temporären unendlichen Trauer mal wiederkommt. Silvester jährt sich Papas Todestag. Obwohl es ein schreckliches Datum ist (wie jedes schreckliche Todesdatum), finde ich dieses Datum irgendwie magisch. Magisch für Papas letzte Reise.
Ich schrieb in meinem Erfahrungsbericht, dass Papa immer ein ordentlicher, korrekter und sehr gerechter Mann war, der uns mit viel Liebe erzogen hat.
Mit diesem Datum hat nicht nur das Jahr 2007 geendet - es hat auch Papas Leben geendet bzw. seine Reise hinter den Horizont begonnen. Sauber und korrekt schloss er das verdammte Jahr ab, damit seine Lieben in ein neues, freieres, glückliches und kraftvolles Leben starten können.
Was Mama und ich an diesem Jahrestag machen werden, weiß ich noch nicht... vielleicht mit ihr zusammen um 0.00 Uhr ein Feuerwerk zum Gedenken an unseren geliebten Papa anschauen, zahlreiche Tränen vergießen und ihm in die Sterne schicken, dass wir ihn unendlich lieben.

Wie begehst du, liebe Petra, den Todestag deines Vaters?
Gibt es Rituale für dich und/oder deine Familie?

Liebe Grüße und
__________________
Alles Liebe.
**********************
Papa, für immer in meinem Herzen - 31.12.2007

Geändert von Annika0211 (31.07.2008 um 20:34 Uhr)
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  #5  
Alt 02.08.2008, 19:43
Noroelle Noroelle ist offline
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Registriert seit: 27.07.2008
Beiträge: 3
Standard AW: 3 Monate und die Trauer fängt jetzt erst an

Hallo Ihr Lieben!

Ich bin sehr froh darüber, daß hier so ein intensiver Austausch stattfindet!!
Leider (oder zum Glück) werde ich in den nächsten 2 Wochen nicht schreiben können, da mein Mann und ich Urlaub machen , aber vorher wollte ich noch auf ein Buch hinweisen, was ich gekauft habe und was ich absolut wohltuend finde: Roland Kachler: Meine Trauer wird dich finden. Ein neuer Ansatz in der Trauerarbeit (Kreuz Verlag).
Der Autor ist Psychotherapeut aber in erster Linie selbst Betroffener (sein Sohn starb mit 16). Schnell fand er heraus, das die "gängige" Trauerliteratur ihm nicht helfen konnte, weil oft die gängige Meinung vorherrscht, daß man lernen muß "loszulassen" (was immer das auch heißt). Der Autor spricht sich dafür aus, das man eine neue, andersartige und auch sehr emotionale, intensive Beziehung zu dem Verstorbenen aufbauen soll.
Ich habe das Buch in fast einem Rutsch durchgelesen und fühlte mich sehr gut verstanden; der Autor hat auch sehr schöne praktische Übungen und Tips entwickelt. Ich kann es absolut empfehlen und freue mich, wenn der/die ein oder andere/r auch davon profitieren kann!!
Alles Liebe,
Noroelle
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  #6  
Alt 08.08.2008, 16:39
Ronnya Ronnya ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 13.04.2008
Beiträge: 985
Standard AW: 3 Monate und die Trauer fängt jetzt erst an

Hallo Noroelle...
Hoffe du hast einen schönen Urlaub und kannst ein bißchen abschalten.....,
Meld dich wenn du wieder im Land bist....

Einen lieben Gruß
Regina
__________________
______________________
Erinnerungen ,die nicht verblassen,
bilden ein festes Fundament in unserem Inneren
Mein geliebter Vater - 16.6.2008
Und immer sind da Spuren deines Lebens
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