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Alt 19.06.2008, 11:30
Annika0211 Annika0211 ist offline
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Registriert seit: 06.02.2008
Beiträge: 884
Standard AW: Es lässt mich nicht los

Liebe Luise57.
Ich nehm dich ganz fest in den Arm und möchte dir sagen, dass es mir unendlich leid tut, dass du deinen geliebten Papa verloren hast.
Du lädst mit deinen Gedanken sehr viel Schuld auf dich und bietest in deiner Trauer eine gewisse Angriffsfläche für Menschen wie deine Schwester, die ihre Verzweiflung und Wut über das Erlebte an dir auslässt.

Ich kann dir deine schlimmen Gedanken leider nicht nehmen, aber ich möchte dir Dinge mitgeben, die dir vielleicht beim Überdenken helfen können. Und die dir vielleicht helfen, das Geschehene aus einer anderen Sicht zu betrachten...

Dein armer Papa hat viel erdulden und leiden müssen und ich kann dich sehr gut verstehen, dass du seine Erlösung mit einem tiefen Frieden in dir beschreibst. Du hast das wunderbar ausgedrückt.
Ich (38) habe es am Silvestermorgen 2007, als mein geliebter Papi (76) starb, ebenso empfunden. Endlich hatte er alles überstanden - endlich musste er nicht mehr leiden - endlich konnte er in Ruhe schlafen und trotzdem für immer bei uns sein und seine schützende Hand über uns halten!

Es liest sich sehr traurig, dass du denkst, dass dein Papi nach all diesen Qualen einsam und alleine „sterben musste“, weil ihr es „versäumt“ habt, ihm beizustehen.
Denk bitte nicht so.
Dein Papa hat euch sicher am Besten gekannt. Er wusste, was und wieviel davon er euch sogar in seinem letzten schlechten Zustand zumuten konnte. Er war sich bewusst, dass ihr vorher immer bei ihm ward.
Weißt du, ich bin ganz fest davon überzeugt, dass sich der Sterbende aussuchen kann, wann es für ihn der richtige Zeitpunkt zum Gehen ist und ob jemand dabei sein soll oder nicht.

Für meinen Papa waren wir (seine 5 Kinder und unsere Mama) das Wichtigste in seinem Leben.
Er war 4 Tage im Hospiz, wo er dann gestorben ist. Bei ihm war sein ältester Sohn, sein Ebenbild, sein Debattier-Partner, das Kind, was ihm von der Art und dem Aussehen am Ähnlichsten ist.
Er wusste, dass er ihm zumuten konnte, sich in seiner Anwesenheit fallen zu lassen und sich auf seine Reise hinter den Horizont zu begeben. Er wusste, dass sein Großer stark genug ist, diese Erfahrung mit in sein Leben zu tragen.
Ich bin mir sicher, dass Papa nicht gewollt hätte, dass ICH es miterlebt hätte. Er wusste, dass ich eine mega Heulsuse und sentimentale Kuh bin, die diese Erfahrung schlechter weggesteckt hätte.
Und ich habe ihm bis in seinen Tod hinein vertraut – er wusste immer, was gut für mich war. Selbst da.
Auch wenn dein Papa seine Reise durch einen Herzinfarkt begonnen haben soll, denke ich, dass es ihm recht war, dass er sich nicht vor seinen Liebsten „bloß stellen“ musste. Er wollte vielleicht nicht, dass ihm jemand beim Gehen zuschaut und versucht, ihn daran zu hindern.


Beim nochmaligen Lesen deiner Mail möchte ich dir schreiben, was mir weiterhin durch den Kopf geht, wenn ich lese, dass dein Papa um 22 Uhr verstarb – ihr aber um 23.30 Uhr erst benachrichtigt wurde – dass deine Schwester euren Papa in einem anderen, erschreckenden Zustand vorfand als ihr – dass euch niemand nach eurem Eintreffen im Krankenhaus zur Seite nahm und euch wirklich sagte, wie er gestorben ist und euch beruhigt hat.
Das erschreckt mich ALLES!
Und ich bin immer wieder aufs Neue froh, dass wir damals eine so wunderbare Erfahrung mit dem Hospiz gemacht haben.
Ich möchte auf keinen Fall die Ärzte und das Pflegeteam in diesem KH angreifen, aber wenn das alles so stattgefunden hat, wie du deine Gefühle so wiedergibst, dann bin ich sehr enttäuscht von dieser Art und Weise dort.
Mir tut es leid, wenn ich ungerechterweise jemanden hiermit angreife – das ist nicht meine Absicht.

Fragen nach dem Warum und Weshalb sind hinfällig – die Antworten darauf helfen dir nicht mehr, das Erlebte zu verstehen oder den Schmerz „erträglicher“ zu machen.
Ich finde es sehr schade, dass ihr vom Pflegeteam nicht rechtzeitig informiert wurdet, als man bemerkte, dass dein Papa seine Reise antritt. Dass dein Papa bei Ankunft deiner Schwester anders aussah, ist natürlich. Darauf gehe ich jetzt nicht näher ein. Das euch niemand über seine letzten Stunden, Minuten berichtet hat, finde ich einfach nur traurig.

Lass dich in deiner Trauer bitte nicht durch solche Vorwürfe, wie die deiner Schwester, runterziehen. Das, was sie gesehen hat, ist ganz natürlich. Und du kannst da überhaupt nix für.

Ich wünsche dir ganz viel Kraft für die neue Zeit, das neue Leben ohne deinen Papa. Die Gedanken an die vielen schönen Momente mit ihm werden langsam immer mehr und du wirst irgendwann fühlen, wie nah er dir ist und immer über dich wacht. Wie mein Papa über uns.
__________________
Alles Liebe.
**********************
Papa, für immer in meinem Herzen - 31.12.2007

Geändert von Annika0211 (19.06.2008 um 11:38 Uhr)
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