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#1
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AW: Lieber Paps, liebe Mama
9.1.06
Da habe ich die Einwilligung zur Studie unterschrieben und es wurde Blut abgenommen etc. Vier Tage später sollte es losgehen. Am Abend war ich zu einer Selbsthilfegruppe. Da habe ich schlimme Geschichten gehört, aber trotzdem beschlossen regelmäßig dorthin zu gehen. Monika |
#2
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AW: Lieber Paps, liebe Mama
12.1.06
An diesem Tag habe ich mir eine Perücke ausgesucht. Dann war ich noch beim Zahnarzt und habe ab da meine Ernährung umgestellt. Ich hatte beschlossen meinen Konsum an Zucker und tierischen Fetten extrem einzuschränken. Das habe ich bis heute durchgehalten und dabei einige Kilo Übergewicht abgebaut. Monika |
#3
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AW: Lieber Paps, liebe Mama
13.1.06
Liebe Mama, wir waren auf dem Weg zu meiner ersten Chemo und schon in Sichtweite zur Klinik, als der Anruf aufs Handy vom Heim kam, du wärst soeben verstorben. Was nun? Ich ging, ohne jemandem etwas zu sagen zu meiner Chemo und mein Mann fuhr zu dir. Nahm Abschied, und organisierte alles Weitere. Ich saß da, und versuchte zu trauern und zu weinen, aber es ging nicht, ich war einfach völlig durcheinander. Am Nachmittag dann das Gespräch mit dem Bestatter. Ich musste doch deine Beerdigung planen. Da konnte ich mir gar keine Gedanken über die Chemo machen und hatte auch keine Beschwerden. Mama, du bist geboren und aufgewachsen in einen kleinen Dorf in Schlesien. Bei Kriegsende bist du mit deinen Eltern in einen Ort in Brandenburg geflohen. Deine drei älteren Geschwister waren da schon außer Haus. Du bliebst einige Jahre dort und machtest eine Ausbildung zur Schneiderin. Mit 22 Jahren kamst du über Berlin nach Hamburg. Bald lerntest du Papa kennen und ein paar Jahre später war unsere Familie komplett. Du hast nicht gearbeitet bis ich 13 Jahre alt war, warst nur für mich da. Dann fingst du an als Verkäuferin im Kaufhaus. Die Arbeit machte dir Spaß, und half dir später auch über Papas Tod hinweg. Als meine Kinder kamen warst du die beste Oma. Hast dich viel um die Beiden gekümmert. Nachdem deine Schwester 1995 plötzlich in deinem Wohnzimmer verstorben war, warst du nicht mehr die Alte. Langsam begannst du dich zu verändern. Es sollte noch ein paar Jahre dauern, bis ich begriff, dass du krank warst und schließlich die Diagnose Alzheimer gestellt wurde. 2002 ging es nicht mehr anders, du musstest ins Heim. Dort hattest du noch zwei schöne Jahre, bis du fast alles verlorst, was dich mal ausgemacht hatte. Irgendwie bist du da schon für mich gestorben, obwohl ich mich natürlich weiterhin um dich kümmerte. Aber trotzdem konnte ich am Ende nicht trauern. Deine Moni |
#4
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AW: Lieber Paps, liebe Mama
Liebe Mama,
heute vor fünf Jahren habe ich dich ins Heim gebracht. Das ist mir unendlich schwer gefallen, aber du konntest nicht mehr in deiner Wohnung bleiben, das war für dich und deine Nachbarn zu gefährlich. Du wusstest ja nicht mehr , was du machtest. Im letzten Jahr habe ich in diesen Tagen mit einigen Freunden telefoniert und an diverse Bekannte und Verwandte geschrieben, um sie über dein Ableben und den Beerdigungstermin zu informieren. Mit dem Pastor habe ich auch gesprochen und mit meiner Familie Trauerkleidung gekauft. Von der Chemo habe ich kaum was bemerkt. Moni |
#5
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AW: Lieber Paps, liebe Mama
Heute war meine erste Mammografie " danach ", und es ist alles in Ordnung. Ich bin froh und glücklich darüber.
Vor einem Jahr war ich weiter mit Beerdigungsvorbereitungen beschäftigt. Wir haben ein Lokal ausgesucht und mit diversen Leuten telefoniert. Monika |
#6
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AW: Lieber Paps, liebe Mama
Liebe Mama,
heute vor einem Jahr war deine Beerdigung. Leider war weder dein Bruder noch jemand von seinen Nachkommen dabei, nur eine entfernte Cousine von dir. Dafür aber Verwandte von Papa, deine Kolleginnen und einige Bekannte von uns. Bei sehr kaltem aber schön sonnigen Wetter haben wir Abschied genommen. Es war eine schöne Trauerfeier. Der Pastor aus dem Heim hat gut gesprochen, und ich konnte endlich weinen. Sonst war ich froh, dass mir noch nicht die Haare ausgingen und ich mich körperlich gut fühlte. Deine Moni |
#7
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AW: Lieber Paps, liebe Mama
26.1.06
Da sind mir die ersten Haare ausgegangen. Das war ein ganz komisches Gefühl. Außerdem ist mein Sohn durch die Führerscheinprüfung gefallen, da war er schon über ein Jahr dabei. Ich war in Sorge, denn in Kürze stand sein schriftliches Abitur bevor. Monika |
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