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  #1  
Alt 01.03.2006, 13:58
shalom shalom ist offline
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Standard AW: Gemeinsame/einsame Wege bei Krankheit

Auf meinem Trauerweg gab es Phasen, da mochte ich nichts aber auch gar nichts ändern, weil alles mit unendlicher Mühe verbunden war und ich wollte generell entschuldigt sein für mein vielleicht augenblicklich seltsames Verhalten, weil ich eben so bin wie ich bin und meinte ich könne mich nicht ändern (zumindest bitte jetzt gerade nicht) und genauso und nicht anders mögen die anderen Menschen das doch bitte auch sehen. Ich bekam Zuwendung, aber weiter kam ich kaum, und ich fragte mich warum.

Durch frühere Erlebnisse gewarnt, versuchte ich mir auf die Schliche zu kommen. Ich KONNTE nichts ändern, weil ich nicht WOLLTE. Ich WOLLTE nicht, weil ich überall nur den Abgrund und riesige Berge ungelöster Gefühle und Probleme vor mir sah. Ich sah zunächst kein Ziel und auch keinen Weg, daher verhielt ich mich regungslos, unverändert, wie versteinert. Ich fühlte mich zwar unwohl dabei, aber das Gefühl war mir vertraut und gewohnt.

Manchmal brauchte ich dann einen Impuls von aussen (siehe das folgende Gleichnis), für mich bildhaft und überzeugend, einen ganz kleinen Neuanfang meiner Sichtweisen zu wagen, damit die Angst vor dem Leben und vor mir selbst nicht gewinnt.

ZITATANFANG:

Gleichnis

Der Frosch und der Skorpion
Ein Skorpion trifft am Ufer eines Flusses einen Frosch. "Lieber Frosch, nimmst du mich auf deinem Rücken mit ans andere Ufer?", fragt der Skorpion. "Ich bin doch nicht lebensmüde. Wenn wir auf dem Wasser sind, dann stichst du mich und dann sterbe ich", antwortet der Frosch. "Nein, wenn ich dich steche, dann gehe ich doch auch unter und sterbe", sagte der Skorpion. "Das leuchtet mir ein. Steig auf meinen Rücken", sagt der Frosch. Kaum sind sie ein paar Meter geschwommen, verspürt der Frosch einen stechenden Schmerz. "Verdammt, jetzt hast du mich ja doch gestochen. Jetzt sterben wir beide", sagt der Frosch. "Ich weiss. Tut mir leid, aber ich bin ein Skorpion, und Skorpione stechen nun mal", antwortet der Skorpion.


Wir Menschen sind keine Skorpione. Unser Denken, Fühlen und Handeln wird nicht von genetischen Programmen gesteuert. Wie wir denken, fühlen und handeln, haben wir gelernt. Wir müssen nicht das Opfer unserer Vergangenheit oder vergangener Erfahrungen sein. Was wir gelernt haben, können wir auch wieder verlernen.

Wenn wir mit uns, unserem Verhalten oder der Art, wie wir fühlen, unzufrieden sind, dann können wir heute beginnen, unser Denken, Fühlen und Handeln zu verändern. Voraussetzung ist jedoch, dass wir die Verantwortung für uns und unsere Gefühle übernehmen und nicht, wie der Skorpion, unser Verhalten damit entschuldigen, dass wir nun mal so sind und daran nichts ändern können. Wir können uns ändern. Wir sind unseren Gefühlen nicht hilflos ausgeliefert.

....

Wenn wir etwas für schwer halten, dann tun wir uns schwer.
Wenn wir etwas als langweilig ansehen, dann langweilen wir uns.
Wenn wir etwas als lästig ansehen, dann fühlen wir uns belästigt.

Das heißt nicht, dass wir alles positiv sehen sollen. Das heißt nur, dass unsere Sichtweise über unser Befinden entscheidet. Manchmal können wir an einer Situation nichts ändern, was wir jedoch immer ändern können, ist unsere Einstellung zu ihr.

ZITATENDE

entnommen aus:
http://www.palverlag.de/Gleichnisse_Seite1.html
__________________
Es ist nicht genug zu wissen, man muß es auch anwenden.
Es ist nicht genug zu wollen, man muß es auch tun.


(Johann Wolfgang von Goethe)
"Wilhelm Meisters Wanderjahre", 3. Buch, 18. Kapitel
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  #2  
Alt 01.03.2006, 15:11
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AndreaS AndreaS ist offline
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Standard AW: Gemeinsame/einsame Wege bei Krankheit

Nachfolgende Geschichte habe ich vor einiger Zeit hier im Forum gefunden. Ich halte sie für sehr passend und hoffe, dass sie auch euch ein wenig anspricht:

Als ich eines Tages, wie immer traurig, durch den Park schlenderte und mich auf einer Parkbank niederließ, um über alles nachzudenken was in meinem Leben schief läuft, setzte sich ein fröhliches kleines Mädchen zu mir. Sie spürte meine Stimmung und fragte: " Warum bist Du traurig?" "Ach", sagte ich "ich habe keine Freude im Leben. Alle sind gegen mich. Alles läuft schief. Ich habe kein Glück und ich weiß nicht wie es weitergehen soll."

"Hmmm ", meinte das Mädchen, "wo hast Du denn Dein rosa Tütchen? Zeig es mir mal. Ich möchte da mal hineinschauen." "Was für ein rosa Tütchen?", fragte ich sie verwundert. "Ich habe nur ein schwarzes Tütchen."

Wortlos reichte ich es ihr. Vorsichtig öffnet sie mit ihren zarten kleinen Fingern den Verschluss und sah in mein schwarzes Tütchen hinein. Ich bemerkte wie sie erschrak. "Es ist ja voller Alpträume, voller Unglück und voller schlimmer Erlebnisse!" "Was soll ich machen? Es ist eben so. Daran kann ich doch nichts ändern."

"Hier nimm," meinte das Mädchen und reichte mir ein rosa Tütchen. "Sieh hinein!" Mit etwas zitternden Händen öffnete ich das rosa Tütchen und konnte sehen, dass es voll war mit Erinnerungen an schöne Momente des Lebens. Und das, obwohl das Mädchen noch jung an Menschenjahren.

"Wo ist Dein schwarzes Tütchen?" fragte ich neugierig. "Das werfe ich jede Woche in den Müll und kümmere mich nicht weiter drum", sagte sie. "Für mich besteht der Sinn des Lebens darin, mein rosa Tütchen im Laufe des Lebens voll zu bekommen. Da stopfe ich soviel wie möglich hinein. Und immer wenn ich Lust dazu habe oder ich beginne traurig zu werden, dann öffne ich mein rosa Tütchen und schaue hinein. Dann geht es mir sofort wieder besser. Wenn ich einmal alt bin und mein Ende droht, dann habe ich immer noch mein rosa Tütchen. Es wird voll sein bis obenhin und ich kann sagen, ja , ich hatte etwas vom Leben. Mein Leben hatte einen Sinn!"

Noch während ich verwundert über ihre Worte nachdachte gab sie mir einen Kuss auf die Wange und war verschwunden. Neben mir auf der Bank lag ein rosa Tütchen mit der Aufschrift: Für Dich! Ich öffnete es zaghaft und warf einen Blick hinein. Es war fast leer, bis auf einen kleinen zärtlichen Kuss, den ich von einem kleinen Mädchen auf einer Parkbank erhalten hatte. Bei dem Gedanken daran musste ich schmunzeln und mir wurde warm ums Herz. Glücklich machte ich mich auf dem Heimweg, nicht vergessend, am nächsten Papierkorb mich meines schwarzen Tütchens zu entledigen.

Ich wünsche uns allen, dass unsere schwarzen Tütchen im Laufe der Zeit immer weniger werden.

LG
Andrea
__________________
Που να 'σαι τώρα που κρυώνω και φοβάμαι
και δεν επέστρεψες
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  #3  
Alt 01.03.2006, 15:29
Dieter1712 Dieter1712 ist offline
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Standard AW: Gemeinsame/einsame Wege bei Krankheit

Einfach wunderschön!!!
Das hat mich so sehr berührt, dass mir die Tränen kamen.

Danke

Dieter
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  #4  
Alt 12.04.2006, 00:11
Elly Elly ist offline
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Standard AW: Gemeinsame/einsame Wege bei Krankheit

Hallo Seelenverwandte,

lange habe ich nicht in das Forum geschaut.
Es war einfach zu schmerzhaft zu sehen, wie immer mehr lieb gewordene Menschen es nicht geschafft haben.

Zu meiner/unserer Geschichte:

Im Februar 2005 wurde bei meinem Mann Bauchspeicheldrüsenkrebs diagnostiziert.
Unsere ganze Hoffnung setzten wir in eine OP. Aber leider waren schon zu viele Metastasen vorhanden, so dass die Whipple-OP nicht durchgeführt werden konnte.
Auch eine Chemotherapie war erfolglos gegen diesen Krebs.
Mein Mann verstarb im Juni 2005 im Alter von 55 Jahren.

In den 5 Monaten der Krankheit sind wir alle Wege der Krankheit, des Hoffens und Bangens gemeinsam gegangen, unsere beiden Kinder immer mit dabei.
Ich hatte das Glück, bis zur letzten Minute bei meinem Mann sein zu können. Wir konnten uns voneinander verabschieden. Das betrachte ich als das größte Geschenk Gottes. Mein Mann war nicht allein und das ist trotz des großen Verlustschmerzes ein Trost und ein Halt für das "Weiterleben".

Zur Trauer:

Kurz, es geht mir ganz genau wie Euch.
Freunde und Verwandte standen uns lieb und hilfreich zur Seite. Es hat uns alle zusammengeschweißt.
Doch die eigentliche Traurigkeit kann sicher nur ein Betroffener nachempfinden.
Das "Thema" wird kaum noch erwähnt, weil es ja schon eine Weile vorbei ist und die meisten nicht verletzten wollen, indem sie es wieder erwähnen.
Bin manchmal richtig traurig und auch wütend geworden, wenn immer wieder Sätze, wie:"Denk an Deine Kinder...", "Das Leben geht doch weiter, Du musst jetzt an Dich denken...", Versuch doch, nicht immer daran zu denken..." und noch ähliches...
Jetzt bin ich versöhnlicher gestimmt, weil ich einfach nicht von anderen verlangen kann, sich in meine Gefühlswelt hineinzuversetzen. Es kam mir aber ganz automatisch aus der Seele, dass sich doch alle Welt nach meinem Mann erkundigen müsste und auch danach, wie es mir geht. Mit seiner Trauer ist man allein und das ist auch gut so.
Trost finde ich bei genau den Gedichten und Geschichten, die Ihr aufgeschrieben habt. E. Kübler-Ross war sehr hilfreich zum Verstehen der Gedanken und Gefühle von Sterbenden.
Besonders aber ist mir Dietrich Bonhoeffer ein wichtiger Trauerbegleiter.
Seine Gedanken und besonders auch "Von guten Mächten..." trösten und spenden Hoffnung. "Von guten Mächten" war auch der Abschiedsspruch, den unser Pfarrer am Grab gesprochen hat.

Da während der Zeit der Krankheit meines Mannes auch noch meine Mutter Ende April 2005 verstarb und im November 2005 noch meine Schwiegermutter, sah ich mich am Ende meiner Kräfte. Plötzlich waren alle Menschen, die noch ein Bindeglied in die Vergangenheit darstellten, nicht mehr da. Auch da hat mir ein Gedicht von D. Bonhoeffer so sehr geholfen, nicht zu verzweifeln:

Ich glaube

Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten,
Gutes entstehen lassen kann und will. Dafür braucht er
Menschen, die sich alles zum Besten dienen lassen.

Ich glaube,
das Gott uns
in jeder Notlage
soviel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen.

Aber er gibt sie nicht im voraus,
damit wir uns nicht auf uns selbst,
sondern allein auf ihn verlassen.

In solchem Glauben müsste
alle Angst vor der Zukunft überwunden sein.

Ich glaube, dass auch unsere Fehler und Irrtümer nicht
vergeblich sind, und dass es Gott nicht schwerer ist, mit ihnen
fertig zu werden, als mit unseren vermeintlichen Guttaten.

Ich glaube, dass Gott kein zeitloses Fatum ist, sondern dass
er auf aufrichtige Gebete und verantwortliche Taten wartet und antwortet.

Dietrich Bonhoeffer


Im Moment erlebe ich meine Trauer sehr intensiv. Tagsüber bin ich an der Arbeit abgelenkt, muss mich konzentrieren.
Doch oft kommt die Traurigkeit anfallartig. Kann gar nichts dagegen machen und will es auch nicht. Die Gefühle muss ich spüren, um sie verarbeiten zu können. Das habe ich jetzt begriffen.

Wie Ihr auch, gehe ich alte Wege nun allein und nur so kann ich Ruhe finden.
Viele Freunde raten mir davon ab, mich wieder bewusst in diese schmerzlichen Erinnerungen zu stürzen.
Für mich sind sie ein sehr wichtiger Bestandteil meiner Trauer geworden und nur so bin ich in der Lage, Schritt für Schritt die Gedanken zu ordnen.

Es ist so wohltuend, Eure Beiträge zu lesen.
Besonders die Worte von Dir, "shalom" , haben mir geholfen, indem Du schreibst, dass wir das Produkt unserer Gedanken sind.
Wenn wir es wollen, können wir unsere Gedanken beeinflussen. Daran glaube ich auch. Es fällt sehr schwer, sich nicht gehen zu lassen.
Dankbarkeit, dass wir den Partner (32 Jahre Ehe) bei uns haben durften, ist das Ziel, das die Traurigkeit mildern oder sogar besiegen soll.
Nicht zusammen alt werden zu können, ist sehr schmerzhaft. Aber es ist eben Gottes Bestimmung gewesen. Mit Gottes Hilfe wird es auch weitergehen. Darauf vertraue ich bei all der Traurigkeit im Herzen.

Euch allen herzlichen Dank für Eure Worte. Viel Kraft!

Elly

Geändert von Elly (12.04.2006 um 00:14 Uhr)
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  #5  
Alt 13.04.2006, 14:17
shalom shalom ist offline
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Standard AW: Gemeinsame/einsame Wege bei Krankheit

Kritische Nachbetrachtung meiner hier im öffentlichen Forum geschilderten Trauerarbeit.

Es wurde meine "Nüchternheit", das "strukturierte" Vorgehen, die "gefühlsmäßige Distanz" und diverse andere Dinge angemerkt.

Es wurde die systematische Gliederung meines Erfahrungswegs hinterfragt, die dann zum Teil als "absolut setzend" und "missionierend" ankam. Dabei ist zu bedenken , daß ich nur den (gedanklich geordneten) Ablauf meiner Erfahrung, weniger die Rückschritte, Seitwärtsschritte usw. aus der zeitlichen Distanz beschrieben habe. Ich bin zudem erst drei Jahre nach dem Tod meiner Frau zum Krebsforum gestossen und habe dann im eigenen Thread meine Erfahrungen aus der Rückschau geschildert. Jetzt nach sechs Jahren ist die Bearbeitung meiner Trauer wieder ein Stück fortgeschritten.

Vernunft und Gefühl in Balance zu halten, war (ist) für mich schwierig. Neben anderen wichtigen Richtschnüren ist das Nachdenken, das Hinterfragen (das Einschalten der Vernunft) jedoch eine wesentliche Leitlinie in meinem beruflichen und auch privaten Leben. Gefühl und Vernunft miteinander wirken zu lassen war(ist) ein sehr mühsamer Prozeß. Ja, manchmal eilt die Vernunft dem Gefühl weit voraus, dann war es Zeit für mich, die Seele nachkommen zu lassen.

Die öffentliche Darstellung der eigenen Erfahrung mit Krankheits- (Trauer)erfahrungen und -konflikten (das habe ich wohl hier im Krebsforum lernen müssen) trifft Menschen in den unterschiedlichsten (und oft äußerst sensiblen und labilen) Seelenzuständen. Die konnte ich jedoch nicht in jedem Fall erahnen. Daher auch nachträglich meine Entschuldigung an die Teilnehmer in diesem Hinterbliebenenforum, daß ich durch die Darstellung MEINER Erfahrungen eventuell die Befindlichkeiten anderer "überrannt" habe.

Hier im Trauerforum sind eher Betroffene, die frisch trauern. So wie es mal in meine Richtung beschrieben wurde, lag mein Antrieb nicht darin, zu "missionieren" oder ein "Trauergesetz zu verkünden", sondern eher MUT zum Leben zu machen, geschildert an meinem Erfahrungsweg.

Wo und wie sich jeder hier wiederfindet (wenn überhaupt) um ein paar dieser persönlich geschilderten Schritte nachzuvollziehen, muß jedem selbst überlassen bleiben. Keiner muß sich durch die Erfahrungen anderer eingezwängt fühlen. Was für einen Trauernden geeignet erscheint, muß es für andere jedoch nicht unbedingt sein. Die Trauerexperten sprechen von Trauerphasen, aber diese Phasen gestalten sich für jeden Trauernden wohl ganz individuell oder auch mal ähnlich zu einem "Nachbartrauernden".

Es wurde meine "Nüchternheit" oder "Coolness" angesprochen.

Nüchternheit und systematische Gliederung meiner Aussagen sind sicher bei mir auch beruflich bedingt. Ich bin sensibel, aber nicht empfindlich. Wie man in verschiedenen Threads merken konnte, weiche ich auch Konflikten nicht aus, sondern spreche sie an. Dabei wurde von mir nicht die Art der Trauer, wohl aber die zeitweilige Art des öffentlichen Umgehens miteinander im Forum kritisiert. Ich habe ein Gespür dafür, wenn in der Kommunikation eine Schieflage auftritt. Da war ich auch nicht ganz alleine mit meiner Ansicht.

Die außerordentlichen Chancen in dieses Forum liegen darin, uns austauschen zu können, mitnehmen zu können, was wir benötigen, beiseite zu legen, was uns nicht geeignet erscheint.

Es ist doch eine gute Seite dieses Forums, sich zur Seite zu stehen. Dabei braucht Trauer sehr viel Zeit: für die Nachbearbeitung des bisherigen gemeinsamen Lebens mit unseren Verstorbenen, aber auch für das Nachdenken und für die Vorbereitung auf das weitere Leben nach dem traurigen Ereignis.

LG
Shalom

Alles hat seine Zeit

Es gibt eine Zeit der Freude,
Es gibt eine Zeit der Stille,
Es gibt eine Zeit des Schmerzes, der Trauer,
und eine Zeit der dankbaren Erinnerung.
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Es ist nicht genug zu wollen, man muß es auch tun.


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  #6  
Alt 15.04.2006, 08:32
shalom shalom ist offline
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Standard AW: Gemeinsame/einsame Wege bei Krankheit

Vielleicht lassen sich die folgenden Geschichten auch auf die Trauer und die Beobachtung(sweisen) der Wege aus der Trauer übertragen. Überall spielt die Zeit eine Rolle und damit die Veränderung.

Bis die Seele nachkommt

Ein europäischer Biologe hatte für eine Himalaja- Expedition eine Gruppe indischer Träger angeheuert. Der Forscher war in großer Eile, denn er wollte schnell an sein Ziel kommen. Nachdem die Gruppe den ersten großen Pass überschritten hatte, erlaubte er ihnen eine kurze Rast. Nach einigen Minuten rief er aber wieder zum Aufbruch. Die indischen Träger blieben aber einfach auf dem Boden sitzen, als hätten sie ihn gar nicht gehört. Sie schwiegen und ihr Blick war zu Boden gerichtet. Als der Forscher die Inder schärfer aufforderte, weiterzugehen, schauten ihn einige von ihnen verwundert an.
Schließlich sagte einer: "Wir können nicht weitergehen. Wir müssen warten, bis unsere Seelen nachgekommen sind."


Über das Sehen

Die Schüler hatten den Meister bereits eine Weile beobachtet und wollten nun von ihm wissen, welche Art der Meditation er denn jeden Morgen im Garten praktiziere. Der Meister antwortete ihnen: "Wenn ich aufmerksam schaue, sehe ich den Rosenstrauch in voller Blüte." Darauf fragte einer seiner Schüler:" Aber warum muss man denn aufmerksam schauen, um den Rosenstrauch zu
sehen? Die Blüten sind doch wirklich auffällig."
Der Meister lächelte und sagte dann: "Damit man wirklich den Rosenstrauch sieht, und nicht die eigene Vorstellung davon."


Die Schnecke und der Kirschbaum

Der Meister wurde einmal gefragt, ob er es nicht manchmal leid sei und sich entmutigt fühle, wenn all seine Mühe kaum Früchte trägt. Da erzählte er die folgende Geschichte: Es war einmal eine Schnecke, die sich an einem nasskalten, grauen und stürmischen Frühjahrstag aufmachte, am Stamm eines Kirschbaumes hinaufzuklettern. Die Spatzen, die überall im Garten saßen, lachten über die Schnecke und zwitscherten: "Du bist ja ein Dummkopf - schau doch, da sind überhaupt keine Kirschen am Baum! Warum machst du dir die Mühe, da hochzuklettern?" Die Schnecke kroch unbeirrt weiter und sagte zu den Spatzen: "Das macht mir nichts - bis ich oben angekommen bin, sind Kirschen dran!"

entnommen aus: http://www.zeitzuleben.de/inhalte/in/geschichten
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Es ist nicht genug zu wollen, man muß es auch tun.


(Johann Wolfgang von Goethe)
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  #7  
Alt 02.05.2006, 14:11
shalom shalom ist offline
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Standard AW: Gemeinsame/einsame Wege bei Krankheit

Nachdenkliches zum Wechselspiel zwischen Verstand, Gefühl, Trauer und Glück

Wer meine Beiträge in diesem und anderen Threads verfolgt hat, konnte herauslesen, daß Gedanken UND Gefühle aktiv gewesen sind, wenn ich meine Beiträge schrieb.

Wer (Denken, Gefühl), Wann und Wie mal die augenblickliche Überhand hat und mein Verhalten damit steuert, ist nicht einfach vorher zu sagen.

Vielleicht ist eine "abgeklärtere" Darstellung nicht so leicht zu akzeptieren wie eine augenblickliche sehr gefühlsbetonte Stimmung.

Ich habe versucht in meinen Beiträgen offen und ehrlich dasjenige darzustellen, wie es mir aus jetziger Sicht und einer offenen Nachschau nun erscheint.

Ich will die Chance weiter zu leben NUTZEN. Das tue ich im Blick zurück in Liebe und nach vorne in Liebe.

Wege zum Leben (nach dem Tod meiner Frau) zu finden hieß auch MICH ZU ÖFFNEN ohne mich der Vergangenheit zu verweigern oder mir die Zukunft zu verbieten.

Es waren (sind) die kleinen Dinge, die mich glücklich machen konnten (können), wenn ich sie denn sehen (wollte) will. Es hing (hängt) sehr viel davon ab, wie ich die Welt sehe und erlebe. Vielleicht konnte (kann) ich mich durch meine Haltung zum Leben sogar für Glück öffnen und "vorbereiten" wieder zu LEBEN.

Glück ist gar nicht mal so selten,
Glück wird überall beschert,
vieles kann als Glück uns gelten,
was das Leben uns so lehrt.

Glück ist jeder neue Morgen,
Glück ist bunte Blumenpracht
Glück sind Tage ohne Sorgen,
Glück ist, wenn man fröhlich lacht.

Glück ist Regen, wenn es heiß ist,
Glück ist Sonne nach dem Guß,
Glück ist, wenn ein Kind ein Eis ißt,
Glück ist auch ein lieber Gruß.

Glück ist Wärme, wenn es kalt ist,
Glück ist weißer Meeresstrand,
Glück ist Ruhe, die im Wald ist,
Glück ist eines Freundes Hand.

Glück ist eine stille Stunde,
Glück ist auch ein gutes Buch,
Glück ist Spaß in froher Runde,
Glück ist freundlicher Besuch.

Glück ist niemals ortsgebunden,
Glück kennt keine Jahreszeit,
Glück hat immer der gefunden,
der sich seines Lebens freut.

(Clemens von Brentano)

Aus dem Zusammentreffen von
Vorbereitung und Gelegenheit
entsteht das, was wir Glück nennen.


(Anthony Robbins)


Mit lieben Grüßen
Shalom
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Geändert von shalom (02.05.2006 um 14:19 Uhr)
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  #8  
Alt 04.03.2006, 04:01
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Standard AW: Gemeinsame/einsame Wege bei Krankheit

Hallo Shalom,


ich bekenne mich schuldig , das ist eines meiner Gedichte, das ich vor der Einführung der Registrierpflicht schrieb, bzw. noch nicht an das Copyright dachte.


Zusatz zu Zusatz von Shalom:
Guten Morgen Shalom, kein Problem, das Gedicht war ja *namenslos*
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Jutta
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  #9  
Alt 07.03.2006, 13:38
shalom shalom ist offline
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Standard AW: Gemeinsame/einsame Wege bei Krankheit

Die folgenden Verse sind sicher schon mal im Forum irgendwo zitiert worden und umschreiben sehr gut, was meine Frau mir sagen würde, wenn sie noch direkt zu mir sprechen könnte.

Wenn ich am Grab meiner Frau stehe oder auf andere Weise mit ihr kommuniziere, frage ich mich manchmal, ob ich mich anders verhalte, als wenn sie mir direkt gegenüber stünde oder ob wir beide die gleichen geblieben sind. Manches bleibt, wie es immer zwischen uns war -- nur ich nun auf der einen Seite, sie auf der anderen Seite des Weges -- .

Auf der anderen Seite des Weges

Der Tod ist nichts,
ich bin nur in das Zimmer nebenan gegangen.
Ich bin ich, ihr seid ihr.
Das, was ich für euch war, bin ich immer noch.
Gebt mir den Namen, den ihr mir immer gegeben habt.
Sprecht mit mir, wie ihr es immer getan habt.
Gebraucht nicht eine andere Redensweise, seid nicht feierlich oder traurig.
Lacht weiterhin über das, worüber wir gemeinsam gelacht haben.
Betet, lacht, denkt an mich, betet für mich,
damit mein Name im Hause ausgesprochen wird,
so wie es immer war,
ohne die Spur eines Schattens.
Das Leben bedeutet das, was es immer war.
Der Faden ist nicht durchschnitten.
Warum soll ich nicht mehr in euren Gedanken sein,
nur weil ich nicht mehr in eurem Blickfeld bin?
Ich bin nicht weit weg, nur auf der anderen Seite des Weges.
( Charles Pegeay )




In früheren Beiträgen wurden Phasenmodelle der Trauer beschrieben. Doch läuft für jeden die Trauer anders und ganz persönlich ab. Modelle können meine Gefühle einordnen helfen, mehr aber auch nicht. Sie helfen mir jedoch leider nicht, meine Trauer zu bewältigen. Lösungswege aus der Trauer sind dort auch nicht enthalten, die muß ich mühsam für mich selber finden.

Damit setzen sich nachdenklich die folgenden Bemerkungen auseinander:

ZITATANFANG:

.....Andererseits sind solche Modelle aber nicht ganz unproblematisch. Durch das schematische Abbild können sie dazu verleiten, die Individualität und die ureigene persönliche Form der Auseinandersetzung aus dem Blick zu verlieren. Ein Modell darf niemals als vorgeschriebenen Marschroute, als ein Prinzip und ein "Muss" verstanden werden. Ein brauchbarer Umgang ist nur dann möglich, wenn Raum für Individualität bleibt.

Hinzu kommt, dass solche Modelle einen bestimmten Maßstab des "richtigen" oder vertretbaren Trauerns unterstellen können. So gewinnbringend ein Modell sein kann, um die eigenen Reaktionen einzuordnen, so irritierend kann es sein, wenn die eigene Einordnung scheinbar nicht gelingen will.

Modelle bieten Orientierung und erste Anhaltspunkte. Sie dürfen nicht missverstanden werden als Patentrezepte oder Vorschriften; Sie leisten lediglich den Versuch einer Darstellung - und dieser kann dann entlastend und hilfreich sein, wenn das eigene individuelle Erleben darin seinen Platz behalten darf.

ZITATENDE

(aus: http://www.ricardas-homepage.de/Dorothee/)
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Geändert von shalom (07.03.2006 um 13:44 Uhr)
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  #10  
Alt 12.03.2006, 22:14
Benutzerbild von AndreaS
AndreaS AndreaS ist offline
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Standard AW: Gemeinsame/einsame Wege bei Krankheit

Ich habe heute auch wieder ein paar schöne Zeilen gefunden

Zwei Wölfe ...

Ein alter Indianer saß mit seinem Enkelsohn am Lagerfeuer. Es war schon dunkel geworden und das Feuer knackte, während die Flammen in den Himmel züngelten.
Der Alte sagte nach einer Weile des Schweigens: „ Weißt du, wie ich mich manchmal fühle? Es ist, als ob da zwei Wölfe in meinem Herzen miteinander kämpfen würden. Einer der beiden ist rachsüchtig, aggressiv und grausam. Der andere hingegen ist liebevoll, sanft und mitfühlend.“
„Welcher der beiden wird den Kampf um dein Herz gewinnen?“ fragte der Junge.
„Der Wolf, den ich füttere.“ antwortete der Alte.

gefunden auf:
http://radine.privat.t-online.de/index.html
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  #11  
Alt 13.03.2006, 07:46
shalom shalom ist offline
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Standard AW: Gemeinsame/einsame Wege bei Krankheit

Liebe Andrea,

diese kleine Geschichte macht Mut. Geschichten dieser Art lassen Spielräume für Phantasien, für Gefühle und für das Nachdenken. Sie drücken häufig etwas viel feinfühliger und feinsinniger aus, als ich es selbst nur holzschnittartig ausdrücken kann.

Mir sind spontan mal wieder die drei W-Fragen eingefallen, die mir helfen, kompliziertere Knoten (dieses Mal auf die Trauer bezogen) aufzulösen:


WAS HABE ICH in mir, wenn ich Trauer in mir trage ?
(Beides: Aggression UND Liebe.)

WOHIN WILL ICH überhaupt?

WIE ERREICHE ICH MEIN ZIEL ?

Die Antwort auf die erste Frage habe ich sofort in mir gespürt.

Die zweite Frage konnte ich auch bald beantworten: ICH WILL LEBEN. Meine Frau wünschte mir vor ihrem Tod, dass ich wieder fröhlich und glücklich werden möge. Das war schwer zu ertragen, wollte ich doch mit ihr glücklich vereint gemeinsam alt werden.

Die Beantwortung der dritten Frage ist noch nicht beendet. Es ist ein dauernder Prozess. Ich versuche jeden Tag das Glück ein wenig einzufangen, dazu habe ich alle meine Sinne auf Empfang gestellt. Nichts Wertvolles möchte ich versäumen. In Dankbarkeit und Wehmut blicke ich zurück und sehe jeden Tag ganz bewußt als Gabe an, aus der ich etwas Positives für mich machen möchte. Ich gebe zu, am Anfang meiner Trauer war es nicht leicht, Licht in den dunklen Wolken der Trauer zu erspähen, aber mit der Zeit bekam ich einen Blick dafür.

Danke Andrea

LG
Shalom
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