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  #1  
Alt 23.11.2017, 21:54
Gerbera Gerbera ist offline
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Standard AW: Mami

Liebe Desireh

Du schreibst, dass du die Erinnerungen nicht erzählen kannst... Ich weiss genau was du fühlst.

Ich habe ganz stark gespürt, dass ich es nicht aushalten werde, meinem Vater nichts mehr erzählen zu können. Deshalb habe ich mir gestern ein schönes Notizbuch gekauft, so ein richtig teures mit wunderschönem Einband ;-), und ich schreibe ihm jetzt immer in diesem Notizbuch.... Mir hilft das sehr! So kann ich ihm alles erzählen.
Vielleicht wäre so was auch was für dich.... nur so als Idee.

Fühl dich umarmt.
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  #2  
Alt 08.12.2017, 17:51
desireh desireh ist offline
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Standard AW: Mami

Liebes Mami

Schon wieder sind einige Wochen verstrichen und übermorgen sind es schon 2 Monate. Der Schmerz ist aber noch derselbe. Ich denke täglich an dich, manchmal lächle ich dabei und habe eine lustige Erinnerung.

Paris steht nun endlich vor der Tür und ich freue mich auf die nächsten Tage. Ich freue mich auch aufs Disneyland. Bin gespannt auf die Bahnen und werde mich sicher an unsere Zeit dort erinnern. An die Piratenbahn die du zweimal machen musstest, weil ich so ein Angsthase war und das erste mal nicht mitwollte (aber nachher uuuuunbedingt auch drauf wollte, weil der kleine Cousin so begeistert war )

Irgendwie ging es mir diese Woche besser. Auch wenns draussen stürmt und schneit, denke ich an dich. "Hütt gömmer sicher nöd use, es windet!!", und ich schmunzle wieder.

Aber so nah die Freude ist, überkommt mich auch wieder die Trauer. Habe vorhin meine Mails sortiert und eine vom 28.6. gefunden. Am 27.6. haben wir dir die Diagnose erzählt, zusammen mit deiner Betreuungsperson. Es war so ein schöner Sommertag auf dem Balkon. Aber du hast gewusst, dass etwas gar nicht gut ist. Wir haben es dir erzählt, da dein blöder Hausarzt überhaupt keine Empathie hatte. Du hast so schrecklich geweint und ich ich habe nur leer geschluckt. Ich wollte dir keine Angst vermitteln. Ich musste doch für dich stark sein und dich trösten. Mein Freund hatte selber ganz rote Augen und wir haben dir versprochen, dass wir immer für dich da sind.

Der Tag ist nicht einmal sechs Monate her und dein Todestag ist schon fast zwei Monate her... In so einem Moment möchte ich es noch immer nicht glauben. Ich habe deine Nummer noch immer im Handy. Wahrscheinlich denke ich mir, solange "Mami Zuhause" steht, bist du auch noch da.

Ich habe ein schlechtes Gewissen, dass ich am Sonntag nicht da bin und dir eine Kerze am Grab anzünden kann. Aber warscheinlich hast du sowieso ganz viele (auch wenn es nur die von deinem sehr jungen Nachbarn sind). Vielleicht bringt dir mein Freund ja eine. Er denkt auch viel an dich.

Shira vermisst dich glaub auch fest. Sie darf ja nicht in den Friedhof rein, aber wartet immer ganz brav vor dem Tor. Als wüsste sie, dass sie jetzt nicht rumjaulen sollte.


-
Je schöner und voller die Erinnerung, desto schwerer ist die Trennung. Aber die Dankbarkeit verwandelt die Erinnerung in eine stille Freude.
__________________
Mami, nicht-kleinzelliger Lungenkrebs
28.8.1950-10.10.2017

Papi, Prostatakrebs
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  #3  
Alt 14.12.2017, 13:48
desireh desireh ist offline
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Standard AW: Mami

Liebs Mami

Heute war ich zum ersten mal ganz alleine bei dir auf dem Friedhof. Hab dir zwei Kerzen mitgebracht und als hättest du es bemerkt, begann es zu schneien. Es macht mich so unendlich traurig. Habe im Disneyland so oft an dich gedacht, wie du mich als kleines Kind motiviert hast, damit ich auch auf die Bahnen mitkomme. Heute Morgen ging auch alles glatt auf dem Notariat! Wir sind jetzt tatsächlich Wohnungseigentümer. Auch wenn es noch 13 Monate dauert. Ich freu mich. Ich seh dich dauernd vor mir, wie du die Pläne kurz angeschaut hast. "Schön!", hast du nur gesagt. Papa's CT war soweit auch gut. Zwei geschwollene Lymphknoten aber der PSA Wert soweit einigermassen stabil. Er hat heute auch über dich gesprochen.

Ich würde dir so gerne alles erzählen und dein Lachen hören. Am Wochenende fliegen wir nach Wien, da nehme ich dich natürlich auch mit. Es ist so komisch ohne dich. Kein Uno mehr, keine "lästigen" Pflegeheim-Events mehr.

Von dir geträumt habe ich auch noch nicht. Ich hoffe dir gehts gut, wo du bist.
__________________
Mami, nicht-kleinzelliger Lungenkrebs
28.8.1950-10.10.2017

Papi, Prostatakrebs
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  #4  
Alt 15.12.2017, 20:39
Gerbera Gerbera ist offline
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Standard AW: Mami

Hoi Desireh

Ich wollte dir vor ein paar Tagen schon schreiben aber es hat dann alles gelöscht...

Mir geht es sehr ähnlich wie dir. Ich hab auch noch seine Handynummer und kann noch die SMS lesen von ihm. Sein lachendes Gesicht ist auch mein Hintergrundbild auf meinem Handy.
ich vermisse ihn auch so schrecklich!

Ich wünsche dir eine tolle Zeit in Wien!
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  #5  
Alt 20.12.2017, 10:22
desireh desireh ist offline
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Standard AW: Mami

Danke für deine lieben Worte, Gerbera! Sie muntern mich immer etwas auf.
Es gibt Tage da geht es mir gut und ich denke mit einem guten Gefühl an Mami. Und dann gibt es wieder die Tage wir heute.


Liebes Mami

Wien war wunderschön. Was für eine tolle kulturelle Stadt mit vielen feinen Sachen zum Essen. Ich bin jetzt sicher 3 Kilo schwerer.
Du warst immer dabei und wir haben viel an dich gedacht. Ich musste keine Postkarte kaufen, in den Himmel kann ich ja leider keine schicken.

Es waren schöne Tage aber heute kann ich es wieder nicht glauben. Am Samstag warst du noch ansprechbar und hast Witze gerissen.
Sonntag, nach dem Morphium hast du nur noch geschlafen und am Montag, warst du manchmal nur Sekunden "wach" und hast vor Schmerzen (?) geschrien.
Und am Dienstagmorgen - war alles vorbei. Manchmal beschleicht mich das Gefühl, ob sie das Morphium zu hoch und falsch eingestellt haben?

Ich wollte dir doch noch sagen, dass alles gut ist und du dir keine Sorgen mehr machen musst und ich dankbar bin.
Dankbar, dass ich für dich da sein durfte.

__________________
Mami, nicht-kleinzelliger Lungenkrebs
28.8.1950-10.10.2017

Papi, Prostatakrebs

Geändert von desireh (20.12.2017 um 10:26 Uhr)
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  #6  
Alt 20.12.2017, 19:04
rocketpocket rocketpocket ist offline
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Standard AW: Mami

Liebe Desi ,

das hast du so schön geschrieben. In den Himmel kann man leider keine Postkarten schicken. Leider.

Melde mich nach Weihnachten!

Ganz liebe Grüße
rocketpocket

Geändert von gitti2002 (21.12.2017 um 01:24 Uhr)
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  #7  
Alt 21.12.2017, 12:00
Clea Clea ist offline
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Standard AW: Mami

Liebe Desi,
ich wollte das mit dem Morphium auch nicht so recht...
Im Nachhinein denke ich, dass es egoistisch von mir war.
Ich wollte sie bei mir haben, wollte nicht, dass sie ihre letzten Tage einfach verschläft. Aber zu welchem Preis? Hat sienunmeinetwegen mehr gelitten als unbedingt nötig?
Ja, zuviel Morphin schränkt die Atmung ein, es sammelt sich CO2 in der Lunge an und der Patient wird atemdepressiv... aber er schläft. Und ist es nicht eine Gnade, dass wirdasfür sie tun können? Leidverkürzen? Auch wenn wir sie dann ein paar Tage weniger bei uns haben?
Denn das ist so, es passiert sowieso, ob früher oder später...
Das sind meine Gedanken dazu und sie tun weh.
Mach dir keine Vorwürfe. Das macht nichts besser und deine Mami hätte das nicht gewollt. Ich drück dich!
__________________
Meine Ma
17.9.1957-19.2.2017, 59 Jahre, Lungenkrebs mit Hirnmetastasen
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  #8  
Alt 05.01.2018, 20:27
Ceddy Ceddy ist offline
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Beiträge: 73
Standard AW: Mami

Hallo Desireh,

du schreibst so schön von deiner Mutter, ich bin ganz traurig,
dass du sie nicht länger bei dir hattest.
Oft stelle ich mir dir Frage, warum müssen die Guten soooo gehen......

leider bekomme ich keine Antwort.

Ich wünsche dir weiterhin viel Kraft für deinen Vater.

Andrea
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  #9  
Alt 09.01.2018, 22:01
desireh desireh ist offline
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Standard AW: Mami

Liebe Andrea,
vielen Dank für deine lieben Worte! Es hört sich jetzt schlimm an, was ich sage, aber mein Mami und ich waren uns vor allem die letzten 3 Monate nah.
Wir waren sonst nicht so eng. Da sich unsere Rollen von Mutter/Kind schon sehr, sehr früh irgendwie tauschten.
Danke auch wegen meinem Vater. Er muss wohl den Karpaltunnel an der zweiten Hand operieren, hoffen wir der Arm wird dann besser.
Wie geht es dir? Und wie geht es mit deiner Schwester?


Liebes Mami

Morgen sind es schon drei Monate, seit dem du gegangen bist. Wie verging nur diese Zeit? Es kommt mir vor wie gestern. Ich habe Angst vor Morgen.
Auch wenn es mir zur Zeit viel besser geht, fürchte ich mich, dass ich morgen wieder ins Loch falle und den ganzen Tag von der Rolle bin.
Du bist nicht mehr da und manchmal habe ich das Gefühl, ich verdräng es einfach? Es sterben im Dorf viele Leute. Auch Mütter und Väter. In deinem Alter oder Jünger.
Es erschreckt mich, dass ich plötzlich so viele Leute "kenne" in deinem unmittelbaren Umfeld am Grab.

Am Sonntag waren wir am Grab. Der Sturm "Burglind" hat ganze Arbeit geleistet und dem Engel ist der Kopf abgefallen (den, den wir schon mal leimen musste, als du den plötzlich in der Hand hattest!).
Naja, wir versuchen ihn nochmals zu leimen... Der Friedhofsgärtner hat beim aufräumen, ein paar Pflanzen die eigentlich zu dir gehören, einem anderen aufs Grab gelegt.
Musste ich dann schon richtig stellen! Aber ist ja auch schwer zu wissen, der junge Mann hat noch immer mindestens 20 Kerzen und 5 Pflanzen/Sträusse bei sich.
Unglaublich wenn so jemand Junges einfach aus dem Leben gerissen wird, durch einen tragischen Unfall.

Am Samstag war ich kurz durch den Wind. Ich wusste plötzlich nicht mehr, wie dein Lachen klingt... Ich hatte Panik. Habe ich etwa schon fertig getrauert? Vergesse ich dich jetzt?
Werde ich nur noch die letzten 3 Monate von dir im Kopf haben? Die Bilder mit dem aufgedunsenen Hals, wegen dem Kortison?

Wie erwähnt geht es mir einiges besser. Trotzdem frage ich mich, ob ich mal therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen sollte? Rückblickend waren die letzten zwei Jahre mit dir die schönsten.
Wir waren uns näher. Ich habe plötzlich die Geduld gefunden und habe dich mit dem Schlaganfall so genommen wie du warst.
Ich habe mich nicht mehr genervt und es war mir nicht mehr peinlich oder unangenehmen, wenn etwas in die Hose ging oder du im Restaurant alles über den Tisch verschüttet hast...
Es war halt einfach so, es war für mich normal. Und wie gesagt, die letzten drei Monate mit dem Krebs, waren so intensiv. Plötzlich so nah, wir brauchten das beide.
Damit wir (oder ich?) merkten, dass es eben mehr gibt auf der Welt als ein "normales" Mami zu haben und damals eine "normale" Kindheit.
Nämlich das Bewusstsein, dass man verzeiht, liebt und auch gütig ist. Egal was war. Drüber steht und hilft. Irgendwie bin ich froh.

Irgendwie finde ich es aber nur tragisch, dass wir solange dafür brauchten und früher immer mit einer gewissen "Aggression" miteinander umgingen.
Manchmal denke ich an die Worte des Pfarrers. Dass es mehr Menschen geben müsste wie mich, die verzeihen und tolerieren, obwohl man nicht müsste - sind wir eigentlich nicht alle so?
Das ist doch gar nichts besonderes. Menschen die man liebt, für die opfert man sich doch einfach auf?! Egal ob sie es "verdienen" oder nicht.

Ich vermisse dich und denke morgen noch mehr an dich.
__________________
Mami, nicht-kleinzelliger Lungenkrebs
28.8.1950-10.10.2017

Papi, Prostatakrebs

Geändert von desireh (09.01.2018 um 22:10 Uhr)
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