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  #1  
Alt 04.10.2016, 12:16
Adlumia Adlumia ist offline
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Standard AW: Wie und wie lange "darf" man trauern?

Ja, jeder trauert anders, unterschiedlich lange etc. aber genau das ist doch der Punkt: Wer sagt: So ab jetzt musst du wieder unter Leute, weil es sonst nicht ok ist?
Denkst du nicht, dass deine Mama diesen Zeitpunkt vielleicht sogar selbst wählt, bestimmt? Klar kann eine Trauer auch schnell in eine behandlungsbedürftige Depression, ich denke hier gibt es schon Unterschiede. Z.B. ob man überhaupt keine Momente der Freude hat, wenn auch nur kurze, einem alles nur noch sinnlos erscheint. Vielleicht ist es auch manchmal ein Mischmasch aus Trauer und Depression aber grundsätzlich gehe ich bei meiner Mama nun einfach davon aus, dass sie weiß was nun für sich gut ist. Und wenn ich mir Sorgen machen würde, würde ich es ansprechen aber letztendlich entscheidet auch sie über ihren Weg der Trauer und wenn ihr nicht danach ist in 4 Monaten mit mir dieses oder jenes zu unternehmen, dann ist es so. Klar gab es auch schon Momente wo ich enttäuscht war, weil sie zunächst gesagt hatte, dass sie zu einer bestimmten Sache mit mir mit kommt, dann aber doch nicht. Aber dann hab ich eingesehen, wie schwer das alles für sie sein muss: ohne ihren geliebten Mann zu funktionieren, es ist alles so neu, plötzlich alleine im Haus etc.

Und für mich habe ich erkannt: Ich darf meine Trauer und meine Art der Trauer nicht auf sie oder jmd anderes aus der Familie projezieren. Der eine möchte drüber reden, der andere nicht. Der eine möchte gleich rausgehen, der andere nicht. So lange ein Vertrauensverhältnis da ist, so dass man weiß, dass man füreinander da ist, darüber reden kann (wenn es von beiden gewünscht ist) mache ich mir keine Sorgen, ob sie jetzt schon unter Leute will oder nicht. Aber das war mir von Anfang so nicht klar, muss ich zugeben.

Dennoch Riesenschnuffel hast du Recht, wenn du sagst, es sollte nicht das ganze Leben bestimmen aber es wird ein Teil des Lebens sein, diesen Verlust trägt man für immer - wahrscheinlich ändert sich nur mit dem Jahren der Umgang mit diesem Verlust.
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  #2  
Alt 04.10.2016, 16:46
Riesenschnuffel Riesenschnuffel ist offline
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Standard AW: Wie und wie lange "darf" man trauern?

Adlumia, grundsätzlich gebe ich dir ja recht.
Aber meine Mama hat vor 40 Jahren ihr erstes Kind am plötzlichen Kindstod verloren und seitdem mehr oder weniger einen psychischen Knacks, sie hat das bis heute noch nicht wirklich verarbeitet. Ich möchte nicht, dass sie sich komplett zurückzieht und das wird passieren, wenn ich sie machen lasse.
Normalerweise gestehe ich jedem zu, dass er weiss was gut für einen ist. Nur bei meiner Mama sehe ich das halt nicht so. Die Gründe dafür zu erläutern würde jetzt den Rahmen sprengen.
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  #3  
Alt 04.10.2016, 17:35
Adlumia Adlumia ist offline
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Standard AW: Wie und wie lange "darf" man trauern?

Ok, ja das sind Hintergründe die man als Außenstehender nicht beurteilen kann und du kennst deine Mama am besten. Hilft es denn deiner Mama darüber zu sprechen oder macht die den kompletten Rückzug?
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  #4  
Alt 04.10.2016, 18:13
Riesenschnuffel Riesenschnuffel ist offline
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Standard AW: Wie und wie lange "darf" man trauern?

Über den Tod meines Bruders hat sie in der Todesnacht meines Vaters zum allerersten Mal gesprochen. Vorher wurde das Thema immer totgeschwiegen, auch wenn ich der Meinung bin, über Gefühle etc sprechen hätte ihr gutgetan.
Bei meinem Vater ist es tagesabhängig. Manchmal blockt sie, manchmal redet sie darüber. Ist ganz schwierig bei meiner Mama
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  #5  
Alt 19.10.2016, 14:20
Mym78 Mym78 ist offline
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Standard AW: Wie und wie lange "darf" man trauern?

Hallo Ihr,

zunächst einmal danke für all eure Antworten.... Es tut wirklich gut, zu lesen, dass man nicht allein ist mit allem.

Ich habe mittlerweile einen Termin bei einer Familienberatungsstelle ausgemacht, um mir mal alles von der Seele reden zu können. Leider ist der erst in knapp 3 Wochen.
Um mich herum ist mittlerweile so sehr wieder Alltag, dass die Gedanken an meine Mama kaum noch Platz, bzw Gehör finden. Niemand fragt mehr, wie es mir geht.
Es gibt jeden Tag bestimmt 100 Momente, in denen ich an meine Mama denke. Das ist auch gar nicht immer schmerzhaft, manchmal sind es einfach so kleine Blitze...
Nun geht es aber damit los, die Wohnung auszuräumen... Ich habe schon ein paar Kleinigkeiten mit zu mir nach Hause genommen, aber jetzt geht es um größere Sachen. Ich finde das so schlimm. Bisher konnte ich einfach in die Wohnung meiner Mutter gehen und mich auf die Couch setzen, heulen und in ihren Sachen wühlen, testen, ob in ihrer Kleidung noch ihr Geruch hängt... Das war furchtbar Traurug, gab mir gleichzeiig aber auch Trost.
Nun wird es diesen Ort bald nicht mehr geben... Ich muss entscheiden, was mit ihren Sachen passiert... Das ist so schwer.
Sie hatte sich ihre Wohnung gerade erst eingerichtet und war so stolz. alles ist so schön, aufeinander abgestimmt und nun wird es zerrissen...
Meine Mama hatte nicht viel Geld, hat sich aber, weil sie oft gar nicht raus konnte, eine ganz tolle Couch gegönnt. Das war ihr ganzer Stolz.
Und die Überlegungen, wohin diese Couch nun geht, verursachen mir in wirklich wahrstem Sinne Bauchweh.
Wir können sie nicht nehmen, dafür sind wir zu wenig sorgsam... Das ist eine echte, schwere aufgabe, auch wenn es aus der Distanz heraus vermutlich banal anmutet....

Wir werden am WE tatsächlich unser Wohnzimmer renovieren (was ohnehin angedacht war, aber nicht so bald), damit die Dinge, die ich von ihr zu uns hole, einen schönen Ort bekommen. So, dass es auch meiner Mama gefallen hätte (uns natürlich auch)

Vor 2 Wochen war ich auf der Palli und im Hospiz, um jeweils Blumen, Karte und Spenden abzugeben. Ich hatte erstaunlicherweise in beiden Häusern das große Glück, dass Mamas Zimmer frei war und ich noch einmal hinein konnte. Das tat gut. Ich bin sehr dankbar, so bewusst Abschied nehmen zu können.
Ich hatte ja gedacht, das Hospiz würde für mich der Ort sein, an dem ich Mama nah sein kann, aber so ganz hat sich das bei dem Besuch dort nicht bewahrheitet, auch wenn ich mich diesem Ort und den Menschen dort sehr verbunden fühle und sicher immer wieder dort sein werde.
Ich war am gleichen Tag aber auch mit meiner Oma am Grab und leider traf mich dort die Erkenntnis, dass dieser Ort eine Bedeutung für mich hat. Das hätte ich nicht geglaubt.
Aus diesem Grund habe ich micht auch für ein Wiesengrab entschieden (etwas wurde ich auch von meinem Vater in diese Richtung gedrängt und ich dachte, es wäre mir "egal"). Das bereue ich nun sehr. Ich hätte nun so gerne ein Stück, das ich bepflanzen und um das ich mich kümmern könnte. Leider lässt sich diese Entscheidung nicht rückgängig machen...
Ich werde mir wohl etwas anderes überlegen müssen.

So ist derzeit der Stand der Dinge bei mir....
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  #6  
Alt 20.10.2016, 10:12
Adlumia Adlumia ist offline
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Registriert seit: 10.11.2015
Beiträge: 305
Standard AW: Wie und wie lange "darf" man trauern?

Hallo Mym,

danke, dass du uns an deinem Weg teilhaben lässt.
Vieles von dem, was du schreibst, kann ich so nachvollziehen. Im Alltag hat die Trauer keinen Platz, nirgendwo spreche ich darüber, was passiert ist etc., zu oft habe ich bei der kleinsten Äußerung schon Unverständnis geerntet und ich möchte mich schützen, ich will nicht dauernd mich verletzt fühlen.

Es erfordert sehr sehr viel Stärke, dass du nun die Wohnung auflöst, und nein es ist nicht banal. Es sind nicht nur Gegenstände sondern viele Erinnerungen sind damit verknüpft.
Ich wünsche dir so viel Kraft diesen Weg weiterzugehen, du bist sehr stark. Und schön ist es, dass du mit dem Grab auch einen Ort für deine Trauer gefunden hast, wenn es auch für dich vielleicht nicht so erwartet wurde, dass dieser Ort dir etwas bedeutet.
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