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  #1  
Alt 09.11.2005, 18:41
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Ylva Ylva ist offline
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Standard Alltags bewältigung

Hallo,

letztes jahr ende mai anfang juni bekam meine mama die diagnose brustkrebs.
seitdem ist alles anders und irgendwie nicht.
alles anders in mir drinnen und bei uns zuhause. aber das "andere leben" geht weiter. mit oder ohne krebs.
Fällt es euch auch so schwer den alltag zu bewältigen?

Am schwersten ist es für mich im Krankenhaus. (mache eine ausbildung zur krankenschwester) momentan bin ich auf einer Inneren Station. Wir haben viele Patienten mit CA´s und überall Metastasen. Ich sehe viele Stadien von Krebs.
Mir fällt es so schwer die Tränen zu unterdrücken. Ich sehe die Angehörigen dieser Patienten,habe meine Familie vor Augen,versinke in Selbstmitleid und habe einfach keine Kraft mehr.
Alltägliche dinge fallen mir schwer und auch die Konzentration in der Schule liess immer mehr nach. (anatomie klausur eine 5 geschrieben usw.)

Wie ist das bei euch?
Wie geht ihr damit um?
Verdrängt ihr "den Krebs" aus eurem Alltag?

Verdammt nochmal wie schafft ihr es zu leben? Wie schaffe ich es zu leben?

Ylva
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  #2  
Alt 09.11.2005, 21:09
Laura5555 Laura5555 ist offline
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Standard AW: Alltags bewältigung

Liebe Ylva,
die Antwort auf diesen Fragen suche ich auch verzweifelt, seit ich erfahren habe, daß meine Mama wieder Krebs hat. Ich fühle mich so unverstanden und einsam, daß mich meine Traurigkeit so sehr beeinflußt, daß ich meinen Alltag einfach nicht mehr bewältigen kann. Meine Gedanken sind immer bei meiner Mama und ich heule ständig los, egal, wo ich gerade bin. Momentan igle ich mich komplett zu Hause ein. Ich weiß, daß das sicher die falsche Lösung ist, aber ich kann zur Zeit nicht anders. Ich kann es nicht ertragen, die Menschen in meiner Umgebung glücklich zu sehen und mich mit ihnen über banale Dinge zu unterhalten. Auch habe ich keine Lust, zu telefonieren, weil ich nichts erlebe und nichts zu erzählen habe, außer eben DEM einen Thema, was langsam keiner mehr hören will und kann. Oft habe ich das Gefühl, daß es meinen Freunden auch lieber ist, ich spreche das Thema nicht mehr an, damit ich sie nicht aus ihrer heilen Welt reißen und sie mit Dingen konfrontieren kann, über die sie lieber nicht nachdenken möchten. Um mein Studium kümmere ich mich auch momentan nicht. Ich habe ein Amerika-Semester geplant, was ich wohl nicht mache. Eigenltich kann ich es mir nicht erlauben, aber es ist mir irgenwie alles egal. Es gibt Momente, in denen ich ersthaft glaube, verrückt zu werden und den Bezug zur Realität vollkommen zu verlieren. Momente, in denen ich nicht mal mehr weinen kann und alles anfängt, zu verschwimmen. Aber es kann so nicht weitergehen. Ich habe mir jetzt vorgenommen, in meiner Stadt nach einer Selbsthilfegruppe für Angehörige zu suchen. Vielleicht findet man dort eher Unterstützung bei Gleichaltrigen, denen es ähnlich geht. Ich denke zwar auch, daß vieles einfach festgelegt ist, ob man besser oder schlechter mit solch einer Situation umgehen kann, aber ein Versuch ist es auf jeden Fall wert.

Jetzt habe ich Dir leider auch keine Lösung nennen können, denn mein Leben ist auch weit von dem entfernt, was ich mir vorgestellt habe, aber vielleicht hilft es ja schon, wenn wir uns ein bißchen austauschen und merken, daß wir nicht ganz allein auf der Welt sind mit diesen Problemen.

Liebe Grüße von Laura.
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  #3  
Alt 09.11.2005, 21:48
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Ylva Ylva ist offline
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Standard AW: Alltags bewältigung

Liebe Laura.

es hilft mir ungemein!
Es ist zwar nicht schön zu lesen,dass es dir ähnlich geht,denn ich kenn deine Gefühle,Ängste und auch die Wut nur zu gut, aber ich fühle mich so verstanden wie schon lange nicht mehr.
Erkläre das mal einem Aussenstehenden,deinen achsotollenimmerfürdichdaseienden freunden,die nur party im kopf haben.
mein leben hat sich gewendet,mein leben hat andere schwerpunkte bekommen und das versteht keiner. ich soll stark sein,weitermachen - warum darf ich nicht auchmal am ende sein? Warum darf ich nicht auch mal keine kraft haben? Warum sind da keine Arme die mich auffangen?Und mittendrin die Wut und der Hass auf den Krebs (ich muss aufpassen,dass ich den krebs nicht so reell sehe das mein hass noch grösser wird) und irgendwo dazwischen noch der Alltag,dem du dein wahres Gesicht nicht zeigen darfst (bsp. auf der arbeit)
Vielleicht sollte ich endlich anfangen,versucbhen zu akzeptieren das es jetzt so ist,dass es nie wieder wie früher sein wird.Theoretisch klappt es ganz gut,praktisch hingegen gar nicht.

Ich wünsch dir alles Liebe & würde mich freuen,wenn wir uns öfter lesen!
Ylva
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  #4  
Alt 10.11.2005, 09:40
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Kerstin63 Kerstin63 ist offline
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Standard AW: Alltags bewältigung

Hallo Ylva und Laura,

ich kenne die Empfindungen die ihr beschreibt auch sehr gut. Nun gehöre ich allerdings inzwischen zu den Hinterbliebenen weil mein Vater am 13.6.04 gestorben ist. Hoffe, es ist trotzdem OK wenn ich Euch hier antworte. Ich stecke da ja im Grunde auch drin - auch wenn ich es z.T. hinter mir habe, jedenfalls das aktuelle Geschehen in dem ihr im Moment drinsteckt. Aber es war genauso, mit der Krankheit und eigentlich noch extremer später mit Sterben und Tod. Gespräch über den Verstorbenen und alles was passiert ist, über Grabpflege usw. sind ungefähr genauso "beliebt" wie die über Krebs und Behandlungen und all die Sorgen und Nöte und das Entsetzen....

Ich war auch schon oft ganz wütend und enttäuscht von meinem Umfeld. Andererseits: ich kann nicht behaupten dass ich es so viel besser gemacht hätte, wenn das einer Bekannten oder Freundin von mir passiert wäre. Ich hatte immer grosse Berührungsängste mit Tod und Krankheit und all dem. Meine Tante (Schwester meiner Mutter) an der ich sehr hing war schon jahrelang krank und starb schliesslich 1/2 Jahr vor meinem Vater. Ich wusste überhaupt nicht wie ich mich verhalten sollte, hab mich schliesslich gedrückt davor am Ende noch zu ihr ins KH zu gehen (hatte innerlich alle möglichen Ausreden, dass ich ihre Söhne nicht stören will usw.). Bei meinem Vater führte dann kein Weg mehr dran vorbei.

Was ich nur sagen will: wenn man selbst richtig drin steckt ist es ganz anders als wenn man nur am Rande berührt wird. Und ich bin nicht mal besonders konfliktscheu oder so... aber dieses Thema weckt in jedem tiefe Ängste und Unsicherheiten, da ist es doch einfacher wegzukucken.... Das ist bestimmt bei den meisten Menschen keine Gleichgültigkeit (ich hatte meine Tante lieb aber die Angst war offenbar grösser, wofür ich mich immer noch schäme, aber so war es nun mal).

Ich erlebe das auch ständig dass das was mich bewegt keiner hören will. Ich habe jetzt das Gefühl, dass sich in mir so eine parallele Gefühlswelt aufgebaut hat. Natürlich ist das Leben jetzt anders als es jemals war, man entdeckt an sich Empfindungen die man nicht kannte, man wird zutiefst erschüttert und zugleich auch stärker, auch wenn man das in dieser Zeit der Hilflosigkeit sicher nicht so empfindet, aber später kann man das merken... Das Leben gewinnt merkwürdigerweise an Tiefe - und die macht es einem oft schwer mit dem Alltag und all den Banalitäten klar zu kommen. Ich habe auch so oft an einem Kaffeetisch gesessen und wusste rein garnix zu sagen weil mich das alles nicht interessierte und ich wusste das was MICH bewegte konnte ich da unmöglich über die Torte hinweg sagen (schade eigentlich...). Zu grausam, zu gruselig....

Aber ich versuche inzwischen das Unvermögen der anderen wohlwollender zu sehen - wie gesagt, ich hätte bzw. hatte es kein Stück besser gemacht. Ich versuche ihnen zugute zu halten, dass es weniger mit Gleichgültigkeit zu tun hat, als mit den eigenen Grenzen die sie nicht überwinden können: Scheu, Ängste, Unsicherheit.... Was bringt einem denn auch der Zorn? Man kann ja niemanden dazu zwingen. Das soll sich jetzt nicht total abgeklärt anhören... ich habe auch schon oft (fies) gedacht "wart's nur ab....." wenn ich mich im Stich gelassen fühlte und so allein....

In gewissem Sinne ist man auch allein damit, ausser man hat das Glück eben doch einige wenige Menschen zu finden die auch offen sind für das ganze Thema. Als mein Vater schwer krank wurde, bekam ich plötzlich Zuwendung und Unterstützung aus ganz unerwarteten Ecken (langjährige Kolleginnen meines Vaters z.B. die mich sehr gestützt haben) während andere die man selbst lange kennt "schlapp gemacht haben".... sogar mein Bruder. Aber so war es eben nun mal. (Wie gesagt, ich war auch nicht besser gewesen).

Ich wollte Euch nur mal versuchen meine Sichtweise zu erklären. Wenn man wütend ist, entfremdet man sich nur noch weiter von "den anderen". Ich finde es inzwischen leichter (für meinen inneren Frieden und für das Miteinander) das zu verzeihen. Es gibt schon Leute denen ich (noch) nicht verzeihen kann was da z.T. passiert ist. Aber so banal es klingt: das andere normale Leben geht eben auch weiter und muss und soll es ja auch. Das innere Erleben wird sicher für immer verändert bleiben. Inzwischen denke ich auch, all das hat mich auch reicher gemacht, innerlich. Ich weiss z.B., wenn das jetzt einer Freundin passieren würde, könnte ich sie auf allen Wegen begleiten. Ich weiss nicht ob ihr versteht was ich meine.

Ich habe inzwischen akzeptiert, dass es Dinge gibt die ich trotz allem Mitteilungsdrang (der manchmal durchbricht je nachdem was mich gerade bewegt) nicht erwarten kann und darf dass jeder das mit mir teilen kann. Ich kann das hier im KK und bei wenigen "echten" Menschen, das muss reichen. Ich versuche, diese neue Gefühlswelt zu akzeptieren, auch dass man sich damit manchmal einsam fühlen kann. Am allermeisten hat mir glaube ich geholfen, dass ich zu der Zeit wegen anderen Problemen in psychotherapeutischer Behandlung war. In meinem Thera hatte ich einen Menschen bei dem ich jederzeit ALLES loswerden konnte (ist ja sein Job - aber er hat es auch gut gemacht), und immer und immer wieder. Kann ich nur empfehlen...vor allem wenn man das Gefühl hat, es allein wirklich nicht mehr zu schaffen.

Ich weiss nicht, ob ihr damit jetzt was anfangen konntet.

Viele Grüsse
Kerstin
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  #5  
Alt 11.11.2005, 20:06
Laura5555 Laura5555 ist offline
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Standard AW: Alltags bewältigung

Liebe Ylva,
ich würde mich auch sehr freuen, wenn wir uns in Zukunft öfter schreiben, denn ich habe auch das Gefühl, daß wir uns in unseren Empfindungen sehr ähnlich sind. Es tut gut, zu merken, daß es doch noch andere Gleichaltrige gibt, die das gleiche durchmachen. In meiner Umgebung fühle ich mich immer wie ein Mensch von einer andren Welt, die mit dem Leben hier nichts zu tun hat. Mein Leben ist so anders als das von allen anderen, die ich kenne und ich werde wahnsinnig bei dem Gedanken, daß ich immer älter werde und sich mein Leben aber absolut nicht verändert, und wenn, dann nur zum Negativen. Ich hatte so viele Pläne und plötzlich ist da nur noch Leere und Gleichgültigkeit. Ich frage mich so oft, warum das Leben so schwer und so anstrengend ist, und warum ich oder auch meine Familie überhaupt auf dieser Welt sind, wenn wir doch nur hier sind, um zu leiden und nichts Schönes erleben. Ich fühle mich wie ein Hamster im Käfig. Ich laufe und laufe, aber ich komme nie an und alles, was ich tue, ergibt keinen Sinn.
Nochmal zu den Freunden: Kennst Du das Gefühl, daß du manchmal richtig eifersüchtig/wütend bist auf die Leute in Deiner Umgebung oder auch auf Deine Freunde, wenn Du siehst, wie sie leben und darüber reden? Ich habe Freunde, von denen ich eigentlich immer dachte, daß wir uns sehr nah sind, aber komischerweise bekomme ich jetzt von ihnen kaum Unterstützung. Im Gegenteil, sie quatschten mich ständig mit ihren "Problemen" in ihrer Beziehung voll, nur um mir im nächsten Moment wieder zu sagen, wie wunderbar ihr Freund doch ist und daß sie ihn bestimmt heiraten werden und daß das Leben ja sooooo toll ist.... Normalerweise würde mir das ja auch nichts ausmachen, aber es ist so, daß ich auch so gerne einfach mal ein bißchen getröstet werden würde von ihnen, aber irgendwie kommt da nicht so viel. Können sie mit meiner Situation einfach nicht umgehen oder sind sie wirklich so oberflächlich?
Ich freue mich, wieder von Dir zu hören.
Liebe Grüße
Laura.
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  #6  
Alt 11.11.2005, 20:08
Laura5555 Laura5555 ist offline
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Standard AW: Alltags bewältigung

Liebe Kerstin,
ich bewundere Dich so sehr für Deine Stärke und dafür, wie Du mit all dem umgehst. Du hast so Recht mit dem was Du schreibst. Das Leben bekommt auf einmal eine ganz andere Wendung und andere Schwerpunkte und man nimmt Dinge ganz anders wahr. Das, was früher mal von Bedeutung war, wird auf einmal nebensächlich und man beschäftigt sich nur noch mit ein und demselben Thema. Ich finde es nur so schwierig, nebenbei noch ein bißchen eigenständig sein zu können. Mir macht einfach nichts mehr Spaß und es macht mich nur traurig, das normale Leben meiner Freunde teilen zu müssen, wenn ich sie sehe. Ich weiß nicht, ich wäre wahrscheinlich auch sehr hilflos gewesen, wenn eine Freundin in solch eine Situation geraten wäre, aber ich glaube, ich hätte ihr in solchen Momenten nicht permanent von meinen, im Vergleich dazu, banalen Problemen erzählt und noch von meiner tollen Beziehung vorgeschwärmt. Wie bist Du damit umgegangen und gehst Du heute damit um? Ich habe immer das Gefühl, alle bedauern mich irgendwie, aber da sie nichts ändern können, tun sie so, als wäre alles normal. Ich habe immer das Gefühl, es keinem erzählen zu können, was wirklich in mir vorgeht, weil es keiner nachvollziehen kann und es aber trotzdem loswerden will

Ich wünsche Dir weiterhin so viel Kraft und Stärke, die ich aus Deinen Zeilen gelesen habe.

Liebe Grüße
Laura.
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