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  #1  
Alt 23.03.2004, 15:08
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Standard Weiß nicht weiter...

Ich weiß, ihr alle habt ein schweres Schicksal zu tragen. Was ihr alle durchlebt, tut mir so unendlich leid. Mein Gott, wenn ich doch nur helfen könnte - Euch allen und meiner Familie - vielleicht auch irgendwie mir selber. Ich fühle mich so schuldig und hilflos, so klein und so allein. Ich kann's gar nicht richtig ausdrücken, heute ist ein sehr trauriger Tag für mich. Mein Bruder ist jetzt 1 1/2 Monate tod und jeden Tag wird es schlimmer. Ich verliere den Boden unter den Füßen. Warum stehe ich überhaupt noch auf? Er war der Einzige in meinem Leben, der mich wirklich 100%ig verstanden hat. Ich ertrag das nicht mehr ihn zu vermissen. Hätte ich ihm doch helfen können, ich hätte so gerne mit ihm getauscht. Ich wollte nicht zusehen, wie er stirbt. Es ist alles so sinnlos. Ich weiß nicht mehr, warum ich morgens aufstehe, hab das Gefühl der Schmerz und die Sehnsucht werden immer schlimmer. Es zerreißt mich momentan. Ich will bei ihm sein. Ich halte das nicht aus ohne ihn und kann nicht mehr in den Spiegel gucken, weil ich lebe und er ist tod.

Es tut mir leid, dass ich Euch mit meinem Text so überfallen hab. Ich habe oft einfach still mitgelesen, aber jetzt weiß ich einfach nicht mehr weiter. Ich zitter nur noch und schüttel mit dem Kopf. Langsam wird mir alles klar und ich weiß nicht, was ich machen soll.

Ich weiß, Euch allen sitzt der Kummer auch so in der Seele und ich schäme mich, weil ich mit dem Tod nicht umgehen kann und Euch noch mehr belaste. Vielleicht weil ich so jung bin, aber ich hab das Gefühl, mein Leben ist vorbei. Heute ist so ein verdammt schlimmer Tag, ich weiß nicht mehr weiter. Mit meiner Ma kann ich nicht darüber reden, es zerreißt mich bald , aber in ihrer Gegenwart ist mein Hals wie zugeschnürt. Ich finde dann keine Worte...
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  #2  
Alt 23.03.2004, 16:13
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Liebe Steffi,

vorerst tut es mir innigst leid, dass es dir sehr schlecht geht. Ich kann sehr gut nachfühlen wie es im Moment in Dir aussieht.
Bitte schäme Dich nicht hier zu schreiben und denke nicht, dass Du uns damit belastet. Wir fühlen ja eigentlich alle dasselbe.
Weine, wenn Dir zumute ist, versuche mit einer besten Freundin darüber zu reden. Gib Dir einen Stoß und rede mit Deiner Ma, vielleicht möchte auch sie mit Dir darüber sprechen und traut sich nicht so wie Du. Versuch es bitte mit jemanden zu reden, es hilft. Du kannst nicht alles mit dir alleine ausmachen.
Gebrauche auch dieses Forum um zu schreiben, hier bist du gut aufgehoben.
Wenn Du in den Spiegel siehst denke Dir, dass Dein Bruder nicht mehr leiden muß. Ich weiß ja nicht genau woran er gestorben ist, aber jetzt muß er nicht mehr leiden. Es ist wirklich kein Trost, aber ich denke mir auch immer: Meiner Mum konnte man nicht mehr helfen und jetzt muß sie nicht mehr leiden. Es tröstet zwar nicht wirklich, aber hilft doch ein wenig. Denn leiden wollte ich sie ja auch nicht sehen.
Wenn schon die Ärzte nicht mehr helfen konnten, mache Dir bitte keine Vorwürfe, denn wir können es schon gar nicht. Wir können nur helfen wenn wir füreinander da sind und jetzt mußt Du stark sein, denn Deine restliche Familie braucht Dich jetzt, glaub mir.
Sei gedrückt und halte bitte den Kopf hoch
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  #3  
Alt 23.03.2004, 16:24
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Liebe Steffi,meinen Schwiegervater mußten wir vor 16 Wochen beerdigen.Meinem Mann fällt es heute noch schwer,auch nur ein Wort über ihn zu sagen,aber er zieht seine Hemden und Pullover ständig an,es ist wohl seine Art bei ihm zu sein,zu trauern.Unserer siebenjährigen Tochter,die in den vier Sterbetagen auch immer mit beim Opa war,habe ich gezeigt,das jeden Abend am Himmel ein Stern ganz hell leuchtet und ihr Opa ihr so Gute Nacht sagt.Such Dir einen Weg für Deine Trauer,ich denke den ersten Schritt dazu hast Du schon getan,indem Du uns teilnehmen läßt und keinen hier belastest.Ich wünsche Dir für heute Abend einen blinkenden Stern,deine Susanne
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  #4  
Alt 24.03.2004, 07:54
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Danke für Eure lieben Antworten! Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll... Das Sprechen fällt mir so schwer zur Zeit, kann mich nicht so gut ausdrücken. Mein Bruder hatte ein Nebennierenrindenkarzinom und hat sich so gequält das letzte halbe Jahr. Konnte nicht mehr aufstehen, überall guckten die Metastasen aus seinem Körper, hat fast ständig wirr gesprochen und ohne Morphium hätte er keine Stunde überstanden. Ich konnte ihm nicht helfen, deswegen schäme ich mich so. Ich sitze hier und er? Er hat alles versucht, an Studien teilgenommen, Chemo, Operationen und niemand konnte ihm helfen. Selbst sein Tod war so qualvoll, dass es mich auch nicht trösten kann, dass er jetzt keine Schmerzen mehr hat. Ich kann ohne ihn nicht leben, mir ist den ganzen Tag schlecht, ich kann nichts essen, kann nicht schlafen. Was ist das für eine Zukunft ohne ihn?

Wenn ich am Friedhof bin, ist es am schlimmsten. Nachts schlafe ich nur mit seiner Lieblinsstrickjacke im Arm ein, dann ist er bei mir irgendwie. Aber am Friedhof, da liegt er jetzt verbrannt in einer Urne. Nein, ich schaff das nicht, ich wil bei ihm sein. Warum trifft es immer die Guten? Warum hat der liebe Gott nicht mich genommen? Ich wollte ihm nicht beim Sterben zugucken, ich ertrag die Bilder nachts nicht. Das frisst mich auf! Ich lebe und er ist tod, das ist doch nicht gerecht! Das poltert jetzt alles auf mich ein, die Gefühle erschlagen mich, ich kann damit nicht umgehen.

Es tut mir so leid, dass ihr auch so liebe Menschen verloren habt, ich wünschte ich könnte irgendwie helfen. Aber nicht mal das kann ich. Es tut mir leid!

Ich kann jetzt nicht mehr weiterschreiben, muss erstmal an die frische Luft.

Danke für Eure offenen Ohren! Ich weiß gar nicht, wie ich Euch danken soll!
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  #5  
Alt 24.03.2004, 08:29
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Guten Morgen Steffi,ich schreibe ganz bewußt "Guten Morgen ",denn es ist wieder ein neuer Tag,den Du mit uns verbringst.Du hilfst uns,indem Du uns an deiner Trauer teilhaben läßst und wir auch alle so spüren können,nicht allein zu sein.Steffi,kein Mensch weiß,wann sein Ende da ist,ob gut oder schlecht,jeder Mensch hat nur ein Leben.Wollte Dein Bruder,das Du bei ihm wärst?Ich denke,Du schaffst Deinen Weg,Du bist mittendrin und hast ja den ersten Schritt getan.Schreib Deinem Bruder einen Brief,verbuddle ihn im Grab,so kannst Du ihm alles sagen,was Dir wichtig ist.Du warst bei ihm,mehr können wir alle nicht wünschen,wenn der Tod naht.Wieviele Menschen streben allein,in Krankenhäusern oder auch zu Hause,er war nicht allein,Du bist den wichtigen,letzten Weg mit ihm gegangen,das nimmt Dir keiner und Du hast ihn immer in deinem Herzen,nur,ihm folgen wäre bestimmt nicht in seinem Sinne.Ich wünsche Dir für HEUTE einen Sonnenstrahl,der Dich umarmt,morgen sehen wir dann weiter,dann ist wieder ein neuer Tag,ich denke fest an Dich,Susanne
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  #6  
Alt 24.03.2004, 08:40
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Liebe Steffi,

Auch ich wünsche Dir einen guten Morgen, egal ob es regnet, schneit oder stürmt. Du bist hier im Forum, und das ist das Wichtigste.
Keiner von uns erwartet so früh nach Deinem Abschied von Deinem Bruder, daß Du Dich unserer Trauer, unserem Schmerz annehmen sollst. Komm einfach rein, schreib Dir Deinen Schmerz von der Seele.
Wir alle suchen für uns den "besten" Weg damit umzugehen. Bitte laße Deine ganze Trauer so zu, wie sie Dich überkommt.

ganz liebe Grüße
laß Dich still umarmen
Jutta
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  #7  
Alt 24.03.2004, 14:33
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Liebe Steffi, ich bin noch total ergriffen über Deine Worte. Beim Lesen sind die Tränen nur so aus den Augen geschossen! Was bist Du doch für ein wertvoller Mensch! Dein Bruder ist ganz bestimmt unheimlich stolz auf Dich, Du bist so voller Gefühle und Liebe für ihn - über den Tod hinaus- Ich glaube ganz fest daran, daß er nun
von oben ebenso voller Liebe auf Dich herabschaut.Laß Deine Trauer und Deinen Schmerz über seinen Tod zu!Ich bin "Gott sei Dank" auch mit so einer Schwester belohnt worden. Du glaubst gar nicht, wie schön es ist, so geliebt zu werden, Du hast Deinem Bruder das wertvollste der Welt gegeben - Deine LIEBE!!
Ich drück Dich ganz doll, der liebe Gott gibt Dir bestimmt die Kraft, zu lernen damit zu leben.Liebe Grüße, Karin
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  #8  
Alt 24.03.2004, 18:04
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Ich bin ganz gerührt wie ihr Anteil nehmt und der STEEFI Mut zusprecht.Ich kann keine schöneren Worte finden.
Ich wollte dir Stffi aber noch einen praktischen Tipp geben: Ge zum Arzt und lass dir für die nächsten Wochen etwas zum Schlafen verschreiben.Es gibt gute Medikamente die nicht abhängig machen. Und wenn du wenigstens schlafen kannst ist der halbe Tag gerettet.
Ich muste nach dem Tod meiner Mutter auch 4 Wochen was nehmen-das hilft wirklich weiter!

Viele liebe Grüße
Simone
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  #9  
Alt 25.03.2004, 10:39
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Hallo ihr Lieben!

Es fällt mir auch heute wieder so schwer zu schreiben. Ihr seit alle so lieb zu mir, ich finde gar nicht die richtigen Worte Danke zu sagen, denn ihr gebt mir so viel Halt und Nähe damit, meine Traurigkeit zu ertragen.

Hab das Gefühl mein Leben aus dem Blick zu verlieren. In den letzten zwei Jahren gab es für mich nur meinen Bruder. Ich habe alles andere aus meinem Kopf verbannt, vieles aufgegeben und hab jeden Blick von ihm aufgesogen. Ich hab doch sonst niemanden, der mich versteht und der immer für mich da ist.

Das mit den Medikamenten zum schlafen werde ich versuchen. Ich habe jede Nacht so schreckliche Träume. Letzte Nacht habe ich geträumt, dass mein Bruder ertrinkt und ich ihm nicht helfen kann. Er hat mich angesehen, als er untergegangen ist.

Mir ist so kalt! Er fehlt mir so und ich verachte mich, weil ich nicht helfen konnte...

Danke für alles, ich kann schon wieder nicht weiterschreiben. Muss erstmal wieder etwas frische Luft tanken.
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  #10  
Alt 25.03.2004, 11:40
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Hallo Steffi,
nach dem schmerzlichen Verlust, den ich durch den Krebstod meines einzigen Bruders erleben mußte, habe ich tiefe Trauer erlebt -und ich habe überlebt. Nun ist mir auch noch mein einziges Kind durch diese schreckliche Krankheit genommen. Ich weiß nicht, wie ich weiterleben soll. Auch ich konnte nicht helfen und das war am schwersten zu ertragen. Deshalb kann ich mich jedoch nicht verachten, weil das Sterben und der Tod nicht in unserer Macht stehen.
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  #11  
Alt 25.03.2004, 12:13
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Kiebe Steffi,

Ich hoffe, daß Dir das frische-Luft-tanken ein wenig geholfen hat.
Du brauchst Dich bei uns nicht bedanken, wenn wir Dir schreiben. Wir wollen Dir nur sagen, wir sind hier, wir verstehen Dich und nehmen Dich mit unseren Worten liebvoll in den Arm.

Steffi, hast Du Dich in Deiner Umgebung einmal umgehört, ob es eine Selbsthilfegruppe für Hinterbliebene gibt? Vielleicht würde Dir das auch etwas helfen?

Du sollst Dich niemals verachten für etwas, über das Du keine Kontrolle hast. Zur tiefen Trauer gehören alle Gefühle, auch das Selbstmitleid, die Angst, oftmals die Alpträume. Sie all sind eine Begleiterscheinung, und zeigen Dir wie sehr Du Deinen Bruder geliebt hast.

Komme wieder rein, schreibe ohne zu denken, wie Du Dich fühlst.

eine liebe Umarmung
Jutta
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  #12  
Alt 26.03.2004, 09:30
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Liebe Steffi,

ich weiß wie es Dir geht. Mein über alles geliebter großer Bruder (35 J.) ist vor 7 Monaten an einem Hirntumor verstorben. Oh ja, ich kenne die Bilder die des Nachts auftauchen, ich weiß wie es ist ganze Nächte wach zu liegen und sich die Seele aus dem Leib zu weinen. Doch glaube mir, die Bilder (auch wenn sie nie ganz verschwinden werden) werden nach und nach verblassen.

Ich habe auch noch täglich diese Momente in denen ich denke es müsste mich jeden Augenblich zerreißen, wo ich mich immer und immer wieder frage: Haben wir auch alles richtig gemacht??? Diese Fragen werden immer bleiben, aber ich bin davon überzeugt das mein Bruder in jeder Sekunde meines Lebens bei mir ist. Um es kurz zu erklären:

Ich habe im letzte Jahr geheiratet. Als wir den Termin gemacht haben wussten wir noch nichts von der Krankheit meines Bruders. Ich wollte die Hochzeit dann absagen, doch mein Bruder, obwohl er schon nicht mehr sprechen konnte, bestand darauf das die Hochzeit so statt findet wie geplant. Der Zustand meines Bruders verschlechterte sich täglich, er lag nun schon mit Windel und Kathedar im Hospiz, konnte lediglich noch den linken Arm und den Kopf bewegen. Keiner konnte ihm mehr helfen. Aber er bestand weiter darauf das wir heiraten. Es war eine merkwürdige Hochzeit, viele Tränen, teils aus Freude, teils aus Trauer. Nach der Trauung fuhr ich erstmal ins Hospiz, wollte ich doch meinem Bruder zeigen das ich nun verheiratet bin. Der Anblick riß mich schier von den Beinen. Er hatte mittlerweile Wasser in der Lunge, konnte kaum noch atmen, dieses blubbernde Geräusch verfolgt mich in meinen Träumen. Nach viel Überzeugungsarbeit meiner Schwägerin fuhr ich dann doch zurück zu unseren Gästen und versuchte irgendwie diese Hochzeitsfeier zu überstehen. Um 0.30 Uhr sah ich meinen Mann mit dem Handy am Ohr und wusste was los ist. Wir rasten wie verückt ins Hospiz, stürzten aus dem Fahstuhl und wurden dort schon von einer Schwester empfangen. Mein Bruder war um 1.15 Uhr für immer eingeschlafen. Es zeriß mich, ich bekam keine Luft, wollte schreien und lag dann doch nur weinend an der kalten Brust meines geliebten Bruders.

Ich werde nun damit Leben müssen das mein Hochzeitstag für mich nie ein so schöner und fröhlicher Tag sein wird, wie er es eigentlich sein sollte. Aber ich weiß genau ich habe meinem Bruder einen seiner letzten Wünsche erfüllt. Und das ist es wert!!! Was ich Dir damit nur sagen wollte ist: Mein Bruder hat mich sehr geliebt, er konnte erst dann beruhigt einschlafen, als er mich in guten Händen wusste. Meinst Du denn Dein Bruder würde wollen das Du Dir solche Vorwürfe für etwas machst, an dem NIEMAND hätte etwas ändern können??? Meinst Du nicht er würde sich für Dich vielmehr ein schönes, fröhliches, sonniges Leben wünschen? Ich denke wenn Dein Bruder Dich nur halb so viel geliebt hat wie Du ihn, dann wird er wollen das Du Dein junges Leben geniesst. Denn wie Du ja selber schmerzlich erfahren hast, kann es schneller vorbei sein als man denkt. Trauere um Deinen Bruder, aber lebe weiter. Das ist es was unsere Lieben von uns erwarten!!!

Fühl Dich gedrückt!!!

Silke
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  #13  
Alt 26.03.2004, 09:57
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Guten Morgen Steffi,Guten Morgen Silke,Silke es ist das erste Mal,seit einiger Zeit,das ich wieder etwas von Dir lese.Ich bin auch Hirntumor-Patientin und habe Deine Seite dann auch im vergangenen Jahr still verfolgt.Du schreibst heute kraftvoller und anders als in der akuten Trauerphase.Darf man sich darüber freuen?Steffi,mein Gefühl sagt mir das Silke anders schreibt,positiver,Du spürst,auch die Trauer verändert sich immer wieder,wie sich das ganze Leben immer wieder wandelt.Dein Bruder hat Dir geholfen,diesen Weg zu finden,mit uns allen wirst Du ihn gehen lernen.Ich wünsche Dir und allen anderen einen sonnigen Tag und einen blinkenden Stern am Abendhimmel.Susanne
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  #14  
Alt 26.03.2004, 10:59
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Ein liebes Hallo an Alle,

ich hab es gestern nicht mehr über's Herz gebracht weiterzuschreiben. Zu schreiben kostet viel Kraft und dann wird immer erst alles viel schlimmer. Aber heute denke ich, es hat geholfen - ein kleines Bisschen. Ihr helft mir alle auf so liebe Art dabei, zu verstehen, was passiert ist.

Die ersten Wochen nach dem Tod von meinem Ralfi, hab ich alles verdrängt, mich in meiner Wohnung verkrochen, den ganzen Tag an die Wand gestarrt, bin nicht ans Telefon gegangen. Jetzt merke ich, dass das vielleicht ein Fehler war, weil ich wenn ich alleine bin, in meiner Scheinwelt lebe, in der er noch da ist. Ich kann das gar nicht beschreiben, aber irgendwie streiche ich seinen Tod aus meinem Kopf, bilde mir ein, dass er noch lebt, höre unsere Lieblingsmusik, gucke unsere Lieblingsserien im Fernseher.

Erst dann, wenn ich hier schreibe oder bei meiner Mutti bin, wird die Wahrheit für mich sichtbar und schockiert mich jedes Mal auf's neue. Dann fange ich an zu zittern, zu weinen und möchte so schnell es geht wieder in meine (Schein-)Welt zurück. Er war für mich - oder nein - er ist für mich der wertvollste Mensch der Welt, von dem ich viel gelernt habe, dessen lachen, wenn sein Schwesterchen den Raum betreten hat, mir soviel gegeben hat. Das sind die Dinge, an die ich pausenlos denke.

Sein langer Kampf, seine Schmerzen, ja sogar die letzten Stunden mit ihm, als ich sah, wie nach und nach der Krebs und der Tod ihren Kampf gewonnen haben, das alles sind Bilder, die schiebe ich so oft es geht und so gut es geht weg.

Ich komme aus meiner Welt nicht raus und ich fühle mich jedes Mal wie gelähmt, wenn mich jemand "weckt".

Ich würde es gerne verstehen und ich würde auch gerne den Mut wiederfinden, aber mein Bruder hat mein Leben komplett gemacht und ich weiß nicht, wie ich das schaffen soll.

Habt ihr auch in zwei Welten gelebt? In meiner Welt, in der er noch lebt, kann ich arbeiten gehen, den Alltag bewältigen, manchmal sogar lächeln. Aber sobald ich nicht mehr alleine bin, mit jemandem spreche, jemand mich "weckt", komm ich nicht mehr zurecht, habe das Gefühl vor lauter Traurigkeit durchzudrehen. Dann wird mir schwindling und ich fange an zu zittern.

Und das schlimmste ist, dass ich mit meiner Mutti nicht reden kann, es geht einfach nicht, keine Träne kommt, ich fühle mich wie ein Roboter. Das ist nicht schlimm für mich, aber für sie glaub ich sehr. Sie denkt bestimmt, ich bin kalt und habe kein Herz.

Ich kann daran aber irgendwie auch nichts ändern, ich möchte nur in meine (Schein-)Welt, nur so kann ich irgendwie leben, weil er da ist.

Liegt das dran, dass ich ihn nicht loslassen kann? Aber wie soll ich denn...

Ich bin so verzweifelt. Wie soll das Leben nur weitergehen ohne meinen Ralfi?

Danke für die lieben Umarmungen! Ihr gebt mir mehr Kraft als ihr Euch vorstellen könnt! Vielen Dank und viele Grüße

Steffi
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  #15  
Alt 26.03.2004, 16:53
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Hallo Steffi,

hab` gestern auch kurz was geschrieben, aber gar nicht geschnallt, dass Du schon einige (sehr gute, liebe und treffende) Antworten bekommen hast. Dein erster Eintrag ist dreimal drin; zweimal habe ich noch registriert, aber mehr nicht. Bin gerade auch nicht gut drauf, weil mein Vater nur noch kurze Zeit zu leben hat.
Bestimmt hast Du Dir alle Antworten aufmerksam durchgelesen. Ist Dir da auch was aufgefallen? Niemand macht Dir irgendwelche Vorwürfe, dass Du was falsch gemacht hättest. Du hast nichts falsch gemacht, da bin ich mir ganz sicher. Du hast alles für Deinen Ralfi getan was nur menschenmöglich war, warst immer für ihn da, hast ihm immer beigestanden und ihn bis zum bitteren Ende begleitet. Viele Menschen müssen einsam und allein sterben. Dein Bruder hatte immer einen wundervollen Menschen in seiner Nähe; nämlich Dich! Ich bin sicher, niemand auf dieser Welt hätte ihm ein größeres und wertvolleres Geschenk machen können.
Ich weiß, wir schwer es ist, helfen zu wollen, aber doch nichts tun zu können. Ich verdiene meine Brötchen als Ingenieur, bin aber seit meinem Zivildienst ehrenamtlich im Rettungsdienst tätig. Es ist selbst bei fremden Leuten schwer zu akzeptieren, dass manchmal das Schicksal und der Tod einfach stärker sind als alle moderne Technik und persönlicher Einsatz. Dann fragt man sich, warum, wieso? Warum gerade der oder die, oder gar mein Bruder, mein Vater oder wer auch immer uns sehr am Herzen liegt. Es gibt so viele Schweinebacken auf dieser Welt, die werden 70, 80, 90 oder noch älter. Und ganz wunderbare Menschen müssen viel zu früh gehen. Ist das gerecht? Nein verdammt nochmal, das ist es absolut nicht! Warum das trotzdem so ist, ich weiß es nicht; ich glaube, das weiß niemand. Je nach Weltanschauung kann das einfach nur Zufall und statistische Wahrscheinlichkeit sein. Oder es gibt doch einen Gott, der alles lenkt. Ich persönlich glaube zwar nicht daran, aber ausschließen kann ich es auch nicht. Keine Ahnung, ob Du an Gott glaubst. Falls Du es tust, fragst Du Dich bestimmt, wie er sowas zulassen kann!? Vielleicht hat er ja auch so seine kleinen Schwächen und ist ein bisschen egoistisch. Und möchte einfach die besten Menschen um sich haben.
Dein Bruder ist nicht mehr auf dieser Welt. Aber irgendwo ist er noch. Vielleicht nur „einen Stock höher“, oder in einer anderen Dimension. Ganz bestimmt aber in Deinen Gedanken. Sicher sprichst Du oft im Stillen mit ihm. Ich weiß nicht, ob er Dir antwortet. Aber Du und Dein Bruder, ihr habt Euch doch so total gut, blind und auch ohne Worte verstanden. Du weißt, was er Dir antworten würde auf die Frage, ob Du was falsch gemacht hast. Und ob er das möchte, dass Du jetzt so total verzweifelt bist. Bitte frag ihn!!!
Du wirst Deinen Bruder bestimmt niemals vergessen; das sollst Du auch nicht und das ist gut so. Ich wünsche Dir nur von ganzem Herzen, dass irgendwann die schrecklichen Erinnerungen und Deine Selbstvorwürfe verblassen. Und die Erinnerungen an die gute Zeit mit ihm, an sein Lachen und seine Wärme bis ans Ende Deiner Tage in leuchtenden Farben erhalten bleiben. Das wird irgendwann so sein, ganz sicher.
Hab` noch nie einen so langen Beitrag geschrieben. Wahrscheinlich deshalb, weil mich bisher noch kein Eintrag so berührt hat wie Deiner. Und weil ich ein bisschen Angst um Dich habe. Ich hoffe ganz arg, dass ich da was falsch interpretiert habe. Nämlich dass Dein Lebensmut total auf dem Nullpunkt ist. Weiter oben hab` ich von den vielen Schweinebacken geschrieben. Soll irgendwann die Welt nur noch aus Schweinebacken bestehen!? Hey, die Welt braucht Menschen wie Dich!!! Menschen mit Hirn und vor allem mit Herz!

Liebe Grüße, Knuddels und einen dicken Sonnenstrahl!
(Leider nur eine Konserve, weil`s im Schwabenländle schon wieder schneit)

Joachim
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