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  #1  
Alt 13.11.2009, 18:50
loewi loewi ist offline
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Standard 15. september 2009

so, nun sind wieder einige tage vergangen. tage in denen ich nicht online kommen konnte (und ich glaube wenn ich ehrlich bin auch gar nicht wollte). denn ich merke, dass ich wieder aufpassen muss. ich spüre wieder diese mir verhasste und gleichzeitig vertraute sprachlosigkeit! sie macht mir eine scheiß angst, und gleichzeitig fühle ich in mir drinnen einen solchen trotz, dieser sprachlosigkeit diesmal paroli zu bieten, auch wenn ich "nur" versuche zu schreiben, was mich bewegt. doch auch das ist verdammt schwierig! es ist aber einfach unfassbar schwer in worte zu fassen, wenn man solch eine todesangst gespürt hat. sie lässt sich einfach mit nichts beschreiben außer vielleicht mit grässlich. ich habe immer gesagt, ich habe keine angst zu sterben: das stimmt nicht. wenn es sich so anfühlt, dann habe ich angst! ich habe ja schon früher ängste und auch hin und wieder panik gehabt. das aber hat und hatte eine ganz andere "qualität"... ich weiß noch nicht mal ob diese todesängste und die angst zu sterben das gleiche ist. jedenfalls ist es so, als ob es dir die luft zum atmen nimmt. obwohl fast eine woche seit dem befund vergangen ist, kehren in sehr regelmäßigen abständen diese zustände wieder, auch wenn sie nicht mehr ganz so krass sind. aber sie erwischen mich in allen möglichen alltagssituationen, letztens auch beim einkaufen. schlagartig diese in wellen aufsteigende panik, das gefühl umzufallen und zu sterben...wirklich sterben, nicht wie ich es von den anderen panikanfällen kennen, wo ich weiß, sie erreichen irgendwann ihren höhepunkt und dann wird es besser... diese schien ihren höhepunkt überhaupt nicht zu erreichen... gott sei dank war eine freundin mit mir einkaufen, ich konnt nur noch sagen, anja ich muss hier raus...hab mich dann aber noch angestellt an der kasse um zu bezahlen ... oben in der wohnung angekommen drehte sich nur noch alles, durchfall und weiter dieses gefühl zu sterben...anja kam dann vorbei und hat mir noch geholfen, die schuhe wenigstens auszuziehen. selbst das ging nicht mehr. ich merke gerade, wie schwer es ist, das wirklich in worte zu fassen, all diese gefühle. es wirkt so emotionslos, ich fühle mich so emotionslos, wenn ich davon schreibe. und trotzdem: ich werde meiner sprachlosigkeit diesmal keine chance geben!
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Mitfreude, nicht Mitleid, macht den Freund aus. (Nietzsche)
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  #2  
Alt 13.11.2009, 18:51
loewi loewi ist offline
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Standard AW: Yes I Can

gerade habe ich meinem alten schulleiter noch eine mail geschrieben die setz ich hier mal rein, bevor ich los muss:

hallo herr w.,
endlich gibt es auch mal wieder gute nachrichten von mir: meine op ist jetzt gute zwei wochen vorbei und vor sechs tagen habe ich den befund bekommen: alle 30 entfernten lymphknoten sind tumorfrei! welch ein gutes gefühl. und trotz der schweren op, habe ich mich sehr gut davon erholt, war von anfang an fast schmerzfrei zur großen verwunderung der ärzte. nachdem mich die narkose diesmal volle zwei tage flachliegen gekostet hat (für mich grausamkeit pur! ich bewegungsliebender mensch), habe ich mich nacher umso schneller wieder berappelt und runde um runde mich über den flur gekämpft. die station ist so angelegt, dass man immer im kreis gehen kann...
in diesen zehn tagen in denen ich diesmal im krankenhaus war, ist es richtig herbst geworden und es macht mich sehr nachdenklich, wenn mir einmal mehr bewusst wird, wie schnell dieses jahr vorbei gegangen ist. doch nun beginnt für mich die allerschönste jahreszeit - mein geliebter herbst und dann der winter.
komisch als ich damals ende januar entlassen wurde und mit der bahn nach hause fuhr, begegnete mir ein schwarm wildgänse, die ersten die wieder von süden kamen. und als ich jetzt im krankenhaus lag, begegneten sie mir wieder. ich liebe wildgänse, finde es immer wieder, jahr für jahr, faszinierend, wie sie sich finden und dann in ihrer formation tausende kilometer zurücklegen. sie wissen intuitiv wann sie sich sammeln, wie sie sich formieren müssen und wenn sie im frühjahr zurückkehren, landen sie wieder auf exakt dersdelben wiese. wie sehr hätte ich gerne eine solche sicherheit zu wissen, dort gehöre ich hin und mit diesen menschen kann ich dort sein. wissen sie was ich meine? doch gerade dieses jahr hat mich gelehrt, dass es niemals im leben eine solche sicherheit im äußeren geben kann. diese kann es nur in mir selber geben. wie gerne hätte ich beten wollen, doch ich konnte es nicht. ich finde und fand es immer schrecklich, sich dann an gott zu wenden, wenn mir meine sicherheit auf grundeis geht. und mir fehlten auch die worte zu beten. doch als ich dann den befund hatte bin ich am nächsten tag in die kapelle der uni (die ich persönlich sehr schön finde) und da ging das beten. danken, dass alles gut gegangen ist, danken, dass es menschen gibt, die mich mit all meinen macken und ängsten in den vergangenen wochen und monaten mit all ihrer geduld getragen haben. danken für mitmenschlichkeit und vieles mehr. auch ihnen möchte ich danken, dass sie immer wieder zeit für wärmende worte finden. wie wichtig solche menschen in einem leben sein können das wissen sie sicherlich am besten. trotzdem danke ich ihnen noch einmal von ganzem herzen.
für heute muss ich erstmal schluss machen. bitte grüßen sie ihre frau unbekannter weise! ich wünsche ihnen nur das beste und melde mich die tage nochmal.
viele liebe grüße
c.s.
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  #3  
Alt 13.11.2009, 18:53
loewi loewi ist offline
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Standard 17. september 2009

...diese verdammte sprachlosigkeit fängt wieder an mich zu zernagen, aufzufressen .
meine betreuerin meinte gestern vielleicht ist auch jetzt eher zeit zum fühlen und nicht zum reden vielleicht hat sie recht...

noch einmal versuche ich es mit thomas´methode, meine gefühle mit farben, formen und gestalten zu beschreiben:

tief atmen, in mich rein fühlen. einatmen, ausatmen. atmen, das mir noch vor wenigen tagen kaum möglich war, vor lauter angst, panik. doch gerade in einer totalen panik ist atmen die einzige therapie.

wenn ich atme, ist es gerade, als brennt alles in mir . ja es fühlt sich an wie feuer. feuer, das mir die luft zum atmen nimmt, sich in meinem körper ausbreitet. ich spüre es bis in meine fingerspitzen. möchte mir die haut vom körper reißen, um dem feuer platz zu machen. und das inferno in mir hat in meiner seele schon großen schaden angerichtet, große flächen einfach verbrannt. diese verbrannten flächen bilden narben. diese narben sind weit schmerzhafter, als die körperlichen, äußerlich sichtbaren. nichts hat mir bisher jemals solche schmerzen bereitet...
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  #4  
Alt 13.11.2009, 18:54
loewi loewi ist offline
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Standard 18. september 2009

so, neuer tag, neue gedanken. heute hatte ich zum ersten mal wieder thera. ich kam mit großem gefühlsdurcheinander, gefühlsschmerzen, wie ich sie inzwischen nenne, und wollte, dass alles einfach aus mir raus sprudelt und statt dessen? SCHEISS DISSOS!!!!! meine therapeutin hat mich mit einer engelsgeduld aber irgendwie auf den boden geholt. ich werde jetzt anfangen ein DIS-Tagebuch zu führen, wann und in welchen situationen ich dissoziiere. denn unser erstes ziel wird sein, dass ich mich von den dissos weitgehend lösen kann und es ist nicht schlimm, dass ich nicht gleich an meine gefühle komme, bzw. bei ihr sie zeige. ja, verstehe ich alles, und es war, als würde sie mir symbolisch die hand reichen. ich muss sie nur ergreifen. es wird viel geduld erfordern, zu akzeptieren, dass nun erst einmal meine dissos im vordergrund stehen. bloß habe ich das gefühl, dass mich meine gefühlsschmerzen auffressen...
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  #5  
Alt 13.11.2009, 18:58
loewi loewi ist offline
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Standard 19. september 2009

so, nu gehts weiter. ich tue jetzt etwas, über das ich lange nachgedacht habe, und auch mit meiner freundin carina abgesprochen habe. ich möchte den brief, den carina mir ins krankenhaus geschickt hat unbedingt auch im krebstagebuch festhalten. ich habe carina gefragt, ob es ok für sie ist, wenn ich ihn hier rein stelle und da ich ihr ok habe (carina) kommt hier einer der schönsten briefe, die ich jemals bekommen habe . und ich habe ihn an dem mittwoch bekommen und gelesen, kurz bevor ich den befund bekommen habe...es war in diesem moment balsam für die seele ... also los gehts:

meine liebe christine - löwi,
vielleicht fragst du dich, was ich jetzt schreiben möchte, während du über den krankenhausflur schlenderst. kein liebesbriefchen, nein. "nur" ein paar zeilen an eine wundervolle frau, die vielleicht mutigste und bewundernswerteste, die ich je kennenlernen durfte.
so gerne hätte ich eine tolle postkarte mit meeresmotiv für dich gefunden. und als ich das nirgends finden konnte, dann wenigstens eine andere tolle, bei der ich gleich an dich denken muss. leider ist mir auch das nicht gelungen...so bleibt es bei einem langweiligen briefchen mit schwer leserlicher handschrift... (stimmt gar nicht carina )
aber schau dieses motiv am boden des blattes strahlt so viel fröhlichkeit und leichtigkeit aus...also habe ich es für dich gewählt, auch wenn ich eigentlich kein diddl-fan bin.
du weißt, wie sehr ich dich bewundere. für alles, was du bist und tust. du bist mein ganz großes vorbild, liebe christine. ich neige dazu, an winzigen kleinigkeiten zu verzweifeln und meine kleine welt über mir zusammenstürzen zu sehen. und du? du kämpfst gegen eine übermacht und klagst nie. selbst den schlimmsten situationen und schmerzen stellst du dich entgegen, nimmst den kampf auf, wie eine löwin. ohne zu klagen. allem weißt du stets etwas optimistisches abzugewinnen.
daran versuche ich mich zu halten. wenn mich mal wieder nichtigkeiten versuchen aufzufressen, versuche ich daran zu denken, was "meine löwi" gerade durchstehen muss, ohne aufzugeben.
es hilft mir, weißt du das? und wie gerne würde ich dir etwas davon zurück geben können...aber ich fühle mich so hilflos...
meine liebe, ich lege dir eine kleine feder bei. bitte erschrick nicht, sie ist nicht besonders schön und inzwischen ziemlich ramponiert. ramponiert, weil sie schon einiges mit mir durchstehen musste.ich habe sie von freunden geschenkt bekommen, meinen besten und wichtigsten freunden. sie sind ein paar und die liebsten menschen, die ich je getroffen habe. immer waren sie für mich da, zu jeder tages- und nachtzeit. nun reisen sie um die welt und kommen leider nur noch sehr selten nach hause. in einer zeit, als ich am liebsten nicht mehr leben wollte, haben sie mir diese feder geschenkt. sie hat mich begleitet durch alle höhen und tiefen im letzten jahr, war immer an meiner seite. nun brauche ich sie nicht mehr. ich glaube, ich bin auf einem guten weg, mich selbst zu finden...und nun würde ich mir wünschen, wenn sie dich ein stück begleiten darf...ich sollte noch dazu sagen, dass eine der beiden schamanin ist. ich bilde mir ein, ihre kraft und ihr licht in der hand zu spüren, wenn man ihre feder hält. vielleicht ist es einbildung...aber vielleicht wirklich eine art magie.
ich drück dich ganz, ganz fest, liebe christine...von ganzem herzen alle kraft der welt für dich
deine carina
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  #6  
Alt 14.11.2009, 16:40
loewi loewi ist offline
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Standard 20. september 2009

bei uns kehrt echt keine ruhe ein
heute ist mama in die uni zur notfallambulanz in der gyn, weil sie im bereich der operierten brust bläschen bekommen hat - und wie sie richtig vermutet hat: gürtelrose ...ist ja auch nichts sooooo weltbewegendes aber trotzdem hört das denn eigentlich gar nicht auf? naja, jetzt war sie schnell daheim hat die nötigsten sachen gepackt und ist mit dem taxi in die uni zurück. dort wird sie wohl die nächsten 14 tage verbringen "dürfen"... besuchen darf ich sie nicht, weil mein immunsystem selber noch voll im keller ist. naja
so und ich gehe jetzt ins bett.
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  #7  
Alt 14.11.2009, 16:41
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Standard 21. september 2009

heute wieder ein neuer tag. eigentlich habe ich die nacht in dem großen haus gut überstanden. aber einfach ist es nicht, auch mama nicht besuchen zu dürfen. sie hat so viel für mich getan in all den monaten und ich will ihr so gern was zurück geben. naja ein stück weit habe ich es gestern ja getan. als sie wie ein aufgescheuchtes huhn durchs haus gerannt ist, habe ich ihr drei spiegeleier gemacht, weil sie so hunger hatte. was zu trinken und brot hin gestellt. wenigstens eine kleine geste . aber ich habe das gefühl, dass ich ihr mehr "schuldig" bin. und jetzt kann ich nichts machen, als abwarten...
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