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Alt 24.07.2004, 00:30
Eva-KK Eva-KK ist offline
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Standard Presseartikel zum NHL

Multiples Myelom: Proteasom-Inhibition mit Bortezomib
Aus OnkoJournal

Nachzulesen unter http://www.journalonko.de/newsview.php?id=855


Das multiple Myelom ist eine der 20 häufigsten Krebserkrankungen und unheilbar: Die therapeutischen Bemühungen zielen bisher auf eine Verlängerung der symptomfreien Zeit ab. Erstmals seit vielen Jahren ist jetzt mit dem ersten Proteasom-Inhibitor Bortezomib ein therapeutischer Durchbruch gelungen: In einer Studie wurde gezeigt, dass Bortezomib bei austherapierten Patienten ein Ansprechrate von 35 Prozent erreichte und die krankheitsfreie Zeit im Vergleich zur letzten Vortherapie von drei auf sieben Monate verlängerte.

Das Gesamtüberleben lag bei 17,5 Monaten. Seit Mai 2004 ist Bortezomib auch in Deutschland erhältlich.
Wie Professor Dr. med. Mathias Freund, Rostock, auf einem wissenschaftlichen Symposium erläuterte, leben in Deutschland etwa 12.000 Menschen mit einem multiplen Myelom und jährlich kommen etwa 3.500 neue Patienten hinzu. Betroffen von dieser lymphoproliferativen Erkrankung des B-Zellsystems sind überwiegend ältere Patienten jenseits der fünfzig mit alterskorrelierendem Inzidenzanstieg. Die genauen Ursachen für die Entstehung sind nicht bekannt. Die Diagnose wird in etwa 80 Prozent der Fälle erst in einem fortgeschrittenen Stadium gestellt. Hier sieht Freund unbedingt Aufklärungsbedarf hinsichtlich eines frühzeitigen Erkennens und einer verbesserten Diagnostik.

Das multiple Myelom wird in drei Stadien eingeteilt, wobei Stadium I nicht als behandlungsbedürftig gilt. Patienten mit Progress im Stadium II und im Stadium III erhalten eine konventionelle Chemotherapie oder eine Hochdosis-Chemotherapie (HDT) mit Stammzelltransplantation (SZT); häufige Komplikationen wie Osteolysen, Antikörpermangelsyndrom mit Infektneigung und Hyperkalzämie, Niereninsuffizienz, Hyperviskositätssyndrom werden ebenfalls therapiert.

Trotz zahlreicher Kombinationsmöglichkeiten und Substanzen können Patienten bisher nicht dauerhaft symptomfrei stabilisiert werden, vielmehr kommt es in der Regel nach jeder Behandlung irgendwann zum Rezidiv mit zunehmend ungünstiger Prognose. Mit Bortezomib (Velcade®) ist jetzt erstmals eine neue Therapieoption verfügbar, die vielen Patienten die Perspektive einer Verlängerung des symptomfreien Intervalls oder einer Krankheitsstabilisierung und Lebensverlängerung bieten könnte.


Proteasom-Inhibition: Neue Therapieoption mit Bortezomib

Bortezomib ist zugelassen für die Behandlung von Patienten mit multiplem Myelom, die mindestens zwei vorangehende Therapien durchlaufen haben und bei denen während der letzten Behandlung eine Krankheitsprogression aufgetreten ist. „Mit Bortezomib ist eine neue Therapieoption erhältlich, die im Rezidiv des multiplen Myeloms dem bisherigen Therapiestandard deutlich überlegen ist“, so PD Dr. Orhan Sezer, Berlin.

Bortezomib ist ein spezifischer und reversibler Inhibitor des sogenannten Proteasoms und damit der erste Vertreter einer neuen Substanzklasse. Wie Sezer erkärte, arbeitet das Proteasom wie eine Mühle in der Zelle, die nicht mehr benötigte Eiweiße erkennt und abbaut. Damit reguliert das Proteasom die Signalprozesse, die für Zellteilung, Zelldifferenzierung und Zelltod von maßgeblicher Bedeutung sind. „Wenn durch die Inhibition des Proteasoms diese überflüssigen Eiweiße nicht abgebaut werden können“, so Sezer, „erstickt die Tumorzelle praktisch an ihrem Müll und stirbt ab, während gesunde Zellen sich in den therapiefreien Tagen wieder erholen können.“ Außerdem führt die Proteasom-Inhibition mit Bortezomib dazu, dass die Angiogenese gehemmt und die Interaktion von Myelomzellen mit gesunden Zellen des umgebenden Knochenmarks unterbunden wird, so dass die Tumorzellen keine Unterstützung mehr für ihr Wachstum erhalten – und letztlich absterben.


Zulassung auf Basis von Phase II Daten

Wie Professor Dr. med. Hermann Einsele, Tübingen, erklärte, zeigten die Ergebnisse einer Phase II Studie, dass Bortezomib die Krankheitsprogression bei vortherapierten Patienten verlangsamen, aufhalten oder zurückbilden kann. In der SUMMIT-Studie mit 202 Patienten mit rezidiviertem refraktärem multiplen Myelom sprachen 35% auf Bortezomib an, 4% erreichten eine Komplettremission, 6% nahezu eine Vollremission mit positiver Immunfixation. Die mediane Zeit bis zum Ansprechen betrug 38 Tage (2 Zyklen); 80 Prozent der Responder erreichten die erste Response innerhalb von 59 Tagen (3 Zyklen). Die Linderung von Schmerzen und anderen Symptomen war signifikant, auch das individuelle Befinden der Patienten besserte sich deutlich. Die mediane Überlebenszeit liegt nach dem aktuellen Stand der Daten bei 17,5 Monaten.
Einsele führte zudem an, dass Bortezomib die Zeit bis zum Progress (TTP = Time To Progress) gegenüber Vortherapie mehr als verdoppelt: „In der SUMMIT-Studie lag die mediane Zeit bis zum Progress unter Vortherapie bei 3 Monaten, während die Patienten unter Bortezomib 7 Monate erreichten.“ Bortezomib zeigt hinsichtlich der Toxizitäten ein vorhersehbares und beherrschbares Nebenwirkungsprofil. Die häufigsten Nebenwirkungen Grad 3 oder 4 waren gastrointestinale Symptome, Thrombozytopenie, Periphere Neuropathie, Fatigue.
Diese überzeugende Datenlage hat die FDA im vergangenen Jahr veranlasst, Bortezomib innerhalb von vier Monaten beschleunigt zuzulassen.


Praxisbeispiel: Remission mit Bortezomib bei einem männlichen Patienten

Professor Dr. med. Wolfgang Knauf, Frankfurt, berichtete als niedergelassener Onkologe anhand eines Fallbeispiels von einer positiven Anwendungserfahrung mit Bortezomib bei einem männlichen Patienten mit multiplen Myelom (61 Jahre) im Stadium III. Kombinationschemotherapie und intensivierte Chemotherapie blieben ohne Ansprechen, auch HDT konnte die weiter persistierende und aktive Erkrankung nicht beeinflussen. Im Anschluss an eine Stammzelltransplantation mit nachfolgendem Rezidiv setzte er Bortezomib ein: Nach insgesamt 4 Zyklen war, so Knauf, im Knochenmark keine pathologische Vermehrung von Plasmazellen mehr nachweisbar. Der Patient ist zwei Jahre nach Diagnosestellung erstmals in einer kompletten Remission. Knauf resümierte: „Bortezomib bietet auch dem intensiv vorbehandelten Patienten mit aktiver Myelomerkrankung die Chance, eine Remission und damit Krankheitskontrolle zu erreichen. Die Behandlung erfolgt ambulant, der Therapieerfolg ist schnell abzuschätzen.“


Perspektiven für die Zukunft: Primär- und Zweilinientherapie sowie weitere Tumorentitäten

Die APEX-Studie, in der Bortezomib mit hochdosiertem Dexamethason verglichen wurde, ist aufgrund signifikant besserer Ergebnisse im Bortezomib-Arm bereits vorzeitig beendet worden. In Kürze wird ein Studienprogramm aufgelegt, das die Wirkung von Bortezomib auch in der Primärtherapie von Patienten mit multiplem Myelom untersucht. Auch über das multiple Myelom hinaus wird derzeit die klinische Wirkung der Substanz in weiteren Tumorentitäten geprüft. Bortezomib isoll nsbesondere bei Non-Hodgkin-Lymphomen, aber auch bei soliden Tumoren wie Bronchialkarzinomen, Mammakarzinomen und Prostatakarzinomen klinisch überprüft werden.
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