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  #1  
Alt 10.11.2007, 10:07
Benutzerbild von Biba
Biba Biba ist offline
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Registriert seit: 27.05.2003
Ort: Schleswig Holstein
Beiträge: 341
Standard AW: Wie geht Ihr mit Prognosen um?

Hallo Patrick !

So wie Du halte ich es auch .
Dieses ewige nach dem Warum fragen
zermürbt doch nur und macht zusätzlich krank .

Als vor fast 5 Jahren mein Lungenkrebs
erschien , entfuhren mir die Worte :
"Da bist du ja" . Irgendwie habe ich wohl
immer mit noch einer Krebserkrankung gerechnet .

Dir wünsche ich alles erdenklich Gute !
Liebe Grüsse
Biba
  #2  
Alt 13.11.2007, 23:46
Benutzerbild von Karin55
Karin55 Karin55 ist offline
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Registriert seit: 15.08.2005
Ort: Berlin
Beiträge: 599
Standard AW: Wie geht Ihr mit Prognosen um?

Hallo zusammen,

erst jetzt entdecke ich den Thread hier. (Auch) ich weiß nicht, wie ich mit meiner Prognose fertig werden soll. Bisher kann ich sie zeitweise verdrängen, wenn ich gut und erfolgreich abgelenkt bin; aber ich glaube, ich stehe unter Schock, weil ich seitdem noch nicht einmal geweint habe.

Hier in Stichpunkten meine "Laufbahn":

2000 Brustkrebs beidseitig, aber mit allerbester Prognose bei 90 % (G1, T1, N0 usw.) Kurz vor der OP Ehescheidung (unabhängig von der Erkrankung)

Ich hatte danach zwar mehrere kleine und größere OPs, die zwar alle nicht lebensgefährlich waren (mehrere misslungene Brustaufbauten, Ovarial-Ektomie usw.), aber mein Leben wirklich versauten.

Nach 6 Jahren habe ich (außer, dass ich an diversen OP-Folgen (Schmerzen) litt) eigentlich das Kapitel "Rezidiv" abgeschlossen; fühlte mich also so gut wie geheilt.

2006 zunehmende Übelkeit und Schwäche. Hohe Leber- und Gallenwerte, Lipasewerte (Bauchspeicheldrüsenwerte) erhöht. Künstliche Ernährung, tausend Magenspiegelungen, ERCP, Endoskopien, CTs, MRTs, Sonos usw. Man dokterte ein halbes Jahr an mir herum und zweimal wurde mir eine große Bauch-OP angekündigt, zweimal abgesagt.

Flucht vom hiesigen Virchow-KH in eine Pankreas-Spezialabteilung nach Bochum. OP im September 2006. Großer Bauchschnitt mit dem Ziel einer Whipple-OP bei Verdacht auf Bauchspeicheldrüsenkrebs. Ergebnis: Fernmetastasen im Bauchfell und Bereich der Bauchspeicheldrüse. Diese Metastasen waren Mamma-Metastasen und nicht zu operieren. Prognose: 2 bis 5 Jahre.


Obwohl mir später hier in Berlin jeder Arzt Mut zusprach ("Man kann überhaupt keine Prognosen stellen; es gibt Leute, die leben schon 10 Jahre mit Ihrer Erkrankung"), empfinde ich mein erstes Aufklärungsgespräch in Bochum noch heute verheerend:

Der (junge) Arzt bat mich (ich total geschwächt im Nachthemd und Bademantel) in sein Zimmer, klickte an seinem Computer herum und besprach mit mir die Therapien. Ich sollte zunächst einen Aromatasehemmer nehmen, der das Tumorwachstum eindämmen könnte (kannte ich ohnehin schon alles). Ich fragte, wie lange die AH wirken würde. "Ein Jahr". Das wusste ich nicht, dachte vielleicht 5 Jahre. "Um eine Chemo kommen Sie nicht herum." Und wie lange würde eine Chemo das Überleben ermöglichen? "Auch so ein Jahr." Ich zitterte, war wie betäubt. "Sie müssen außerdem wissen, dass Sie an dieser Krankheit sterben werden." Und (in dieser Reihenfolge): "Geben Sie nie auf; ich habe noch keinen Patienten erlebt, der überlebt hat, wenn er aufgegeben hat." 15 Minuten Gespräch. Als ich wieder auf die Station zurückwankte (aus körperlichen und seelischen Gründen), fragte die Krankenschwester in lautem Ton, was sie das Essen hinstellen solle.

Es ist mir selbst nicht erklärlich, wieso ich mich an diese Unterhaltung so festbeiße. Die Situation ist über ein Jahr her; selbst ein anderer Arzt auf der Station sagte zu mir, er selbst hätte das niemals so gesagt oder sagen können, weil jeder Mensch anders ist.

Also habe ich mir gesagt, dass es zwei Jahre wohl werden könnten und die wollte ich jetzt leben. Ich bin bei karger Rente in den Vorruhestand gegangen und habe das Gefühl, wie es Nikita beschrieben hat. Die Zeit rast davon, ich will viel zu viel machen und mich gleichzeitig ausruhen und Bücher lesen, oder Sachen wegwerfen oder verschenken, um nicht allen Kram meinem Sohn zu überlassen. Jeden Tag habe ich was meist Angenehmes vor, aber mir verrinnt die Zeit unter den Fingern.

Kranke ohne diese schlechte Prognose können berechtigt denken, dass sie, je länger sie die Krankheit überstanden haben, eine immer bessere Überlebenschance erreichen. Ich renne dagegen gegen eine Wand, die im schlechten Fall schon zu 50 % erreicht ist. Meine Tumormarker sind zwar momentan gut und Metastasen sogar etwas rückläufig, aber mich quälen Magenschmerzen und Übelkeit. Und schon fällt mir das Verdrängen wieder schwer.

Schöne Grüße

Karin
  #3  
Alt 14.11.2007, 08:07
Ilse Racek Ilse Racek ist offline
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Rotes Gesicht AW: Wie geht Ihr mit Prognosen um?

Hallo Karin,

ich habe nicht all die vielen Beiträge zu o.a. Thema gelesen, aber was Du schreibst, hat mich doch sehr berührt.
Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass ja schon die eigenen Urängste ausreichen, man nicht mehr "frei im Kopp" und damit latent belastet ist.

Mir sagte man im Klinikum nach der OP - dass ich "das volle Programm durchziehen" müsse und so wusste ich schon, dass ich mit befallenen Lymphknoten nicht gerade einen Spaziergang vor mir hatte......

Wenn dann aber auch noch Ärzte Prognosen stellen, wie von Dir dargestellt, so finde ich das unverantwortlich.

Ich bin in den vergangenen 5 Jahren nach dem BK sehr unterschiedlichen Verhaltensmustern bei Ärzten begegnet und so kann ich sagen, dass natrülich auch d i e die überhaupt keine Stellung nehmen wollen und das große Schulterzucken üben, nicht gerade tröstlich sind

Dir und allen Betroffenen wünsche ich alles erdenklich Gute
mit herzlichem Gruß
__________________
Ilse
  #4  
Alt 19.11.2007, 17:25
Benutzerbild von suze2
suze2 suze2 ist offline
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Beiträge: 2.447
Standard AW: Wie geht Ihr mit Prognosen um?

hallo karin,
ich hab auch nicht alles in dem thread gelesen, aber ich glaub, dass ich ein bissl verstehen kann, wies dir geht.
die wand, gegen die du läufst - der unterschied zu denen, die - je länger es her ist, umso sicherer werden (zu denen ich ja gehöre - im augenblick - und morgen kanns schon anders sein)...

verstehe auch, dass dir dieses eine gespräch so nachhängt - mir ist sogar das lächeln des arztes, der mir mitteilte, dass "es doch nicht so ganz gutartig ist" absolut in erinnerung geblieben - ein schiefes lächeln, ich dachte, der übt grad das "wie sag ichs der patientin".

aber was tun - das ist die frage - wie freude am leben finden, in der ganzen misere, das ist ja die entscheidende frage.
bist du in psychischer betreuung?
mir ist das sehr wichtig.
auch wenn ich letztlich alleine in meinem körper bin, so hab ich doch ein bisschen daraus lernen können. ein bisschen.

einerseits will man oft zahlen hören, ich wollte das auch.
gut, ich hab 80%, dass ich in 7,5 jahren noch lebe, 18% sterben an dem krebs, den ich hatte, 2% an anderen ursachen.

diese prognose ist ja ganz gut.

jetzt ist mein tumormarker gestiegen - wieder zahlen, so und so viel prozent der TM anstiege haben nichts mit krebs zu tun, so und so viele prozent weisen auf metastasierung hin und und und -

ich lebe zwar bewusster, aber, ehrlich gesagt, ich würde sofort mein altes leben wieder zurücknehmen, und auf alle bewusstheit pfeifen, wenn damit auch der krebs rückgängig gemacht wäre.
ich war glücklich vorher und jetzt bin ichs auch - oft - und anders -
aber das glück vorher hat für mich durchaus gereicht.

liebe karin, ich wünsche dir alles liebe, und euch anderen natürlich auch
suzie
  #5  
Alt 09.12.2007, 19:57
Mona66 Mona66 ist offline
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Standard AW: Wie geht Ihr mit Prognosen um?

Hallo zusammen,

ich hab in den letzten Wochen ein bisschen über Prognosen und Hoffnung-Haben nachgedacht. Irgendwie kam ich mir komisch vor... einerseits ist meine Prognose auf unheilbar und Lebensverlängerung... also nicht so wirklich klasse. Andererseits ist in meinem Kopf noch "lange leben". Und irgendwie ist da auch immer noch der Gedanke gesund zu werden. Und da war dann immer die Frage... ist das schlimmer Realitätsverlust? Wie "realitätsfern" "darf" man fühlen? Ist das Verdrängung? Ist das schlecht? Ist das gut?

Ich hab das letztens mal mit meiner psychologischen Unterstützerin diskutiert und sie hat mir einen für mich hilfreichen Gedanken mitgegeben. Sie meinte, Hoffnung ist einfach ein Stück Leben. Das ist wie Liebe. Das braucht nicht unbedingt eine Berechtigung. Zumindest nicht in allen Details. Ihrer Erfahrung ist es auch eher so, dass wenn die Hoffnung schwindet, es gar nicht nur so sehr an den Fakten bzgl. der Lebenserwartung liegt, sondern dass eher andere Unterstützung fehlt. Z.B. dass Schmerzen nicht behandelt werden. Sowas nimmt dann die Hoffnung.

Ich habe darüber noch nachgedacht und habe festgestellt, dass es in unserer Gesellschaft völlig normal ist, dass man nicht immer ganz faktengetrieben mit Hoffnung umgeht. Niemand (oder fast niemand) käme auf die Idee auf eine Hochzeit zu gehen und rumzuproblematisieren, dass doch jede dritte Ehe (oder mehr) geschieden wird, dass man den Realitäten ins Auge sehen muss und wie man denn auf die Idee käme, auf eine lebenslange Bindung zu hoffen... nee, da ist das ganz okay, dass es romantisch ist und Statistiken sind eben Statistiken. Diese Gelassenheit in die Zukunft ist für Krebskranke sicher schwerer... dennoch, ich fand den Gedanken schön, dass es gerade bei den schönen Dingen des Lebens nicht auf schnöde Fakten ankommt und es völlig okay und anerkannt ist auch ein bisschen fern der Fakten Hoffnung zu haben...

LG
Mona
  #6  
Alt 10.12.2007, 09:50
Benutzerbild von hope38
hope38 hope38 ist offline
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Standard AW: Wie geht Ihr mit Prognosen um?

Ihr Lieben!
Mir fällt dazu ein Satz ein, der ich neulich irgendwo las:

"Solange es Hoffnung gibt, gibt es keine Hoffnungslosigkeit"

Das Schwierige ist aber, diese Hoffnung immer wieder zu pflegen, zu nähren, wenn der Nährboden denkbar schlecht ist. Und doch sehe ich gern das Bild der zuasphaltierten Straße, aus deren kleinster Rille sich ein Blümchen nach oben schiebt.

Liebe Mona, der Angang an das "Prinzip Hoffnung" ist schon ein guter, den Du Dir zurecht gelegt hast. Ich werde mir das auch mal durch den Kopf gehen lassen.


Einen schönen Tag,
hope
  #7  
Alt 10.12.2007, 14:57
Benutzerbild von nikita1
nikita1 nikita1 ist offline
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Beiträge: 1.748
Standard AW: Wie geht Ihr mit Prognosen um?

ja, Hoffnung ist das Gegenstück zu den Prognosen , denn die Hoffnung teilt uns die ersehnten 100 % zu
Ohne Hoffnung wird der Tag grau, nichts macht mehr Spass, egal in welchem Stadium der Erkrankung man sich befindet.
Düstere Gedanken kommen und gehen - die Hoffnung bleibt.
__________________
Liebe Grüße
Nikita


Tapferkeit ist die Fähigkeit, von der eigenen Furcht keine Notiz zu nehmen.
George Patton
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