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  #1  
Alt 23.05.2017, 12:41
Catalie Catalie ist offline
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Registriert seit: 23.05.2017
Beiträge: 3
Standard Meine Mama stirbt...

Jetzt habe ich mich doch auch angemeldet, weil ich es alleine nicht mehr schaffe. Ich glaube, ich habe in den letzten Tagen mehr geweint, als in meinem 44jährigem Leben davor. Ich bin traurig, überlastet, unsicher...

Nachdem kurz vor Weihnachten mein Vater (74) ganz überraschend tot in seiner Wohnung gefunden wurde, wurde ich Anfang März mit der ebenfalls sehr überraschenden Krebsdiagnose meiner Mutter (73) konfrontiert: Brustkrebs im Endstadium. Ich holte sie aus Süddeutschland nach Berlin "zu mir" in ein sehr gutes Pflegeheim 300 Meter entfernt, zuerst war das als Übergangslösung gedacht.

Seitdem geht mir alles viel zu schnell... Anfang April schauten wir uns noch einige Einrichtungen mit Betreutem Wohnen an, meine Mutter war schwach, machte aber mit mir und den Kindern Ausflüge über mehrere Stunden, konnte auch mit Krücken einige hundert Meter laufen.

Sie bekam eine palliative Chemo, die sie schlecht vertrug. Nach dem zweiten Mal wurde der Abstand auf drei Wochen vergrößert. Sie war nur dreimal dort.

Vor zehn Tagen wurde mir das erste Mal klar - einfach nur gefühlt -, dass es wesentlich schneller gehen würde, als ich und auch meine Mutter gedacht hatten. Mein Gefühl sagte mir, noch ein paar Monate. Ich sprach mit der Ärztin und sie bestätigte mein Gefühl.

Vor vier Tagen bekam ich dann das Gefühl, aus den Monaten könnten Wochen werden. Am Samstag habe ich mit Mama noch einmal einen dreistündigen Ausflug in den Park zum großen Rhododendronhain gemacht. Sie wäre früher ob der Blütenpracht ausgeflippt, jetzt bringt sie kaum mehr ein Lächeln zustande. Ich hatte schon während dieser Stunden das Gefühl, das ist das letzte Mal. Und tatsächlich kommt sie seit Sonntag nicht mehr aus dem Bett.

Sie hat schon seit langem Atemnot (aufgrund des Pleuraergusses wurde überhaupt der Krebs diagnostiziert), Metastasen sind im der Leber und in der Lunge. Eventuell gibt es einen zweiten Tumor in der Gebärmutter. Übel ist ihr schon sehr lange. Seit ca. einer Woche kann sie kaum mehr was essen, weil die Verdauung nicht mehr funktioniert.

In dem Heim gibt es eine Palliativstation und ich vertraue der Ärztin sehr, die zwei- bis dreimal die Woche dort ist. Es ist ein Jonglieren zwischen Schmerzen, Übelkeit, Verdauung und Kraft. Aber ich glaube, sie macht das ganz gut. Sehr starke Schmerzen hat meine Mutter glücklicherweise nicht - zumindest sind sie ihr nicht anzumerken. Sie jammert, aber unspezifisch...

Seit der Diagnose ist meine Mutter depressiv. Was mir einerseits das Herz bricht, andererseits aber auch veranlasst, dass wir nun wirklich gut miteinander auskommen. Es macht sie "weicher". Ich habe sie sonst nur 1-2 Mal im Jahr besucht, weil es öfter aufgrund ihrer psychischen Labilität einfach nicht ging.

Gestern bin ich neben ihr ins Bett gekrochen (und habe gleichzeitig gedacht, lange wird sie nicht mehr rutschen können) und lag einfach nur neben ihr. Ein Teil meines Abschiedes ist dort passiert. Mama döste immer wieder weg, ist aber noch ganz klar (wenn auch sehr unkonzentiert und vergesslich, das gedankliche Fokussieren fällt Ihr schwer) und hat mir einmal ganz lieb über die Wange gestreichelt. Ein Moment, den ich für immer in mir tragen werde.

Ich hatte ihr gebrannte Mandeln mitgebracht, die sie immer so liebte. Sie hat nicht gelächelt, aber sie hat sie fast alle aufgegessen.

Mit meiner Mutter kann ich über ihr Sterben nicht reden. Sie war noch nie ein reflektierter Mensch und Gespräche über ihr "sein" wollte sie nie führen. Ich höre sie in Gedanken förmlich sagen: "Wir wissen doch, was ist... darüber müssen wir doch nicht reden." Ich möchte Ihren unausgesprochenen Wunsch aktzeptieren.

Ich bin hochsensibel, gehe 1:1 mit meiner Mama mit und habe das Gefühl, ich sterbe auch. Ich spüre ihre Angst, Ihre Trauer, Ihr Bedauern über nicht gewesenes und vor allem über die verlorenen Träume. Ich kann mich nicht abgrenzen!!!

Es gibt hier keine weiteren Angehörigen. Meine Schwester wohnt weit weg und kann aus verschiedenen Gründen nur selten hier sein. Ich bin alleinerziehend und habe zwei kleine angenommene Kinder (bald 3 und 6), eins davon mit großen emotionalen Problemen (und damit eine große Herausforderung).

Ich möchte so viel wie möglich bei meiner Mutter sein und gleichzeitig weiß ich auch, dass ich es nur sehr begrenzt schaffe. Dabei geht es nicht so sehr um die Zeit, sondern eher um die Kraft, die es mir raubt. Ich fühle mich ausgelutscht, ohne Energie, als ob ich durch Watte gehe. So bin ich seit ein paar Tagen täglich 1 1/2 bis 2 Stunden bei ihr.

Ich bin sehr traurig, dass meine Mutter geht, aber schlimmer ist, ihr beim Sterben zuzusehen. Ich habe nicht nur großes Mitgefühl, ich leide wirklich sehr mit - gegen besseres Wissen. Natürlich hilft ihr das nicht!

Auch dieser "Abschied auf Raten" macht mich so fertig. Ich habe das Gefühl, ich kann nicht mehr zur Ruhe kommen, als ob es eine unaufhörliche Qual ist. Ich verabschiede mich täglich von Mama und brauche dann 6-12 Stunden, um mich wieder einigermaßen zu sammeln - und dann geht es von vorne los.

Jetzt war eigentlich geplant, dass ich übermorgen mit den Kindern für fünf Tage an die Ostsee fahre. Ich drehe mich jetzt hier im Kreis, weil ich nicht weiß, was ich machen soll.

Ich möchte meine Mutter so ungerne so lange alleine lassen. Meine Besuche strengen sie an, aber sie freut sich auch. Und ich kann ihre Angst spüren. Ich möchte sie nicht "im Stich lassen"... Vor allem möchte ich später nicht bereuen, dass ich nicht da war.

Ich rechne nicht damit, dass meine Mutter "vollständig" stirbt, während ich weg bin. Aber Teile von ihr wird es danach nicht mehr geben...

Auf der anderen Seite aber freuen sich die Kinder so auf die Tage. Und ich selbst könnte eine Pause gut vertragen. Meine Schwester kann in der Hälfte der Zeit für einen halben Tag zu ihr kommen. Und ich habe auch das Auto mit und könnte innerhalb weniger Stunden wieder hier sein.

Mein Kopf sagt: "Geh", aber mein Herz ist zerrissen!

Ein paar Worte würden mir sehr helfen! Ich fühle mich sehr allein!
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  #2  
Alt 23.05.2017, 13:07
Benutzerbild von Tinele
Tinele Tinele ist offline
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Standard AW: Meine Mama stirbt...

Hallo du Liebe ,

lass dich mal drücken . Du hast sehr viel Kraft verloren seit Ende letzten Jahres . Ich würde dir dringend raten zu fahren . Deine Kinder und du ihr braucht diese Auszeit und deine Mama wird es verstehen . Denn wenn man es so schwer hat wie du gerade , dann ist es megawichtig - trotz allem gut für sich zu sorgen ! Sonst kommt ein Zusammenbruch . Man darf sich nicht zu 100% im Krebs des Angehörigen zerreiben , sondern braucht Krebsfreie Zonen , trotz oder wegen aller Liebe .....



Sei lieb gegrüßt , Tinele
__________________
Mein Mohle - Diagnose von SPK Krebs am 3.6.2014

Seither ist nichts mehr , wie es vorher war .

Du weißt erst wie stark du bist , bis stark sein die einzige Option ist , die dir noch bleibt !
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  #3  
Alt 23.05.2017, 13:47
vintage vintage ist offline
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Standard AW: Meine Mama stirbt...

liebe catalie,

deine zeilen sind sehr rührend.
du machst alles gut und ein paar tage am meer sind gut für dich und die kinder.
deine mama stirbt, wie es zu ihr passt: entweder, wenn du dabei bist oder wenn du weg bist. aber alles wichtige hast du ihr ja schon gesagt! und sie hat es gspürt.

viel kraft dir und euch!
__________________
lieben gruß, vintage



Mein geliebter Mann wurde nur 49 Jahre alt und
starb knapp fünf Monate nach der Diagnose.
* Juli 1965 - + Mai 2015

ED Weihnachten 2014 Darmkrebs mit zu vielen Lebermetastasen,
dann auch Lungenmetastasen...
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  #4  
Alt 23.05.2017, 19:05
Drea1971 Drea1971 ist offline
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Standard AW: Meine Mama stirbt...

Liebe Catalie,

du kannst nur für deine Mama da sein und stark sein, wenn du selbst noch genügend Kraft hast. Ich kann zu gut verstehen, dass du Angst hast zu fahren. Aber ja, wenn deine Mama gehen will, dann wird sie gehen. Du aber brauchst Kraft. Mach auch, dass du sofort zurück kannst, wenn etwas ist. Aber dann fahr ruhig. Atme ruhig durch, schöpfe am Meer etwas Kraft.
Fühle dich umarmt
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  #5  
Alt 24.05.2017, 01:57
lotol lotol ist offline
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Beiträge: 716
Standard AW: Meine Mama stirbt...

Liebe Catalie,

Zitat:
Ich bin hochsensibel, gehe 1:1 mit meiner Mama mit und habe das Gefühl, ich sterbe auch. Ich spüre ihre Angst, Ihre Trauer, Ihr Bedauern über nicht gewesenes und vor allem über die verlorenen Träume. Ich kann mich nicht abgrenzen!!!...
"Abgrenzen" würdest Du Dich ja nicht, wenn Du an die Ostsee fährst.
Könntest jederzeit zurückfahren.

Zitat:
Ich möchte so viel wie möglich bei meiner Mutter sein und gleichzeitig weiß ich auch, dass ich es nur sehr begrenzt schaffe. Dabei geht es nicht so sehr um die Zeit, sondern eher um die Kraft, die es mir raubt. Ich fühle mich ausgelutscht, ohne Energie, als ob ich durch Watte gehe. So bin ich seit ein paar Tagen täglich 1 1/2 bis 2 Stunden bei ihr...
Denke, die Kraft kommt aus dem Kopf.
Wenn man mal von Bier, Eiern, Essen, Kuchen, Schokolade, Süßigkeiten und Zucker (Energie pur) absieht.

Zitat:
Auch dieser "Abschied auf Raten" macht mich so fertig. Ich habe das Gefühl, ich kann nicht mehr zur Ruhe kommen, als ob es eine unaufhörliche Qual ist. Ich verabschiede mich täglich von Mama und brauche dann 6-12 Stunden, um mich wieder einigermaßen zu sammeln - und dann geht es von vorne los.
Ich weiß nun nicht, ob die 6 - 12 h die Schlafzeit beinhalten.
Ist aber eigentlich auch egal.
Das alles "treibt Dich um".
Typisch dafür ist, was Du nanntest:
Gefühl, wie in Watte gehend. => Alles irgendwie "unwirklich".

Zitat:
Jetzt war eigentlich geplant, dass ich übermorgen mit den Kindern für fünf Tage an die Ostsee fahre. Ich drehe mich jetzt hier im Kreis, weil ich nicht weiß, was ich machen soll.

Ich möchte meine Mutter so ungerne so lange alleine lassen. Meine Besuche strengen sie an, aber sie freut sich auch. Und ich kann ihre Angst spüren. Ich möchte sie nicht "im Stich lassen"... Vor allem möchte ich später nicht bereuen, dass ich nicht da war.

Ich rechne nicht damit, dass meine Mutter "vollständig" stirbt, während ich weg bin. Aber Teile von ihr wird es danach nicht mehr geben...

Auf der anderen Seite aber freuen sich die Kinder so auf die Tage. Und ich selbst könnte eine Pause gut vertragen. Meine Schwester kann in der Hälfte der Zeit für einen halben Tag zu ihr kommen. Und ich habe auch das Auto mit und könnte innerhalb weniger Stunden wieder hier sein.

Mein Kopf sagt: "Geh", aber mein Herz ist zerrissen!

Ein paar Worte würden mir sehr helfen! Ich fühle mich sehr allein!
Du befindest Dich in einer recht schwierigen Entscheidungs-Situation, in der es auch schwierig ist, Dir zu Deinem Handeln einen Rat geben zu wollen.
Dennoch will ich es versuchen.


Nehmen wir mal an, Du würdest Deine Mutter fragen, ob Du mit den Kindern an die Ostsee fahren sollst oder nicht.
Wie Mütter nun mal so "gestrickt" sind, würde sie wohl antworten:
Fahr ruhig los.

Würde Dir das irgendetwas helfen können?
Sozusagen mit "Absolution und Segen" Deiner Mutter loszufahren.
Würdest Du im Ernst glauben, daß Deine Mutter das auch wirklich so meint?
Und Dich nicht viel lieber in ihrer schwersten Zeit (bei ihrem Sterben) um sich haben würde??

Sicher sagt der Kopf:
Zitat:
Ich rechne nicht damit, dass meine Mutter "vollständig" stirbt, während ich weg bin.
Er sagt aber auch:
Zitat:
Aber Teile von ihr wird es danach nicht mehr geben...
Bestenfalls, weil Du nicht ausschließen/ermessen kannst, was geschehen könnte, während Du evtl. von der Ostsee nach einer "Alarm-Meldung" zurückfährst.

Nachdem Du Dich im 1. Zitat als hochsensibel... beschriebst, bezweifele ich, daß Du recht viel Freude an dem Kurzurlaub haben würdest.
Weil Dich all das höchstwahrscheinlich einfach nicht losläßt.

Es geht dabei m.E. nicht um die Kinder oder um den evtl. "Erholungswert" des Kurzurlaubs.
Sondern um etwas ganz anderes:
Agape. => https://de.wikipedia.org/wiki/Agape


Nehmen wir mal an, Du würdest nach einer Alarm-Meldung zurückfahren, währenddessen Deine Mutter aber stirbt.
Wie beschissen würdest Du Dich dann für den Rest Deines Lebens fühlen?
Obwohl evtl. Deine Mutter in selbstloser Liebe (=Agape) sagte:
Fahr ruhig los.

Auch wenn Du sie nicht nach ihrer Absolution fragst:
Willst Du Dir selbst so etwas ggf. wirklich antun?
Das evtl. Bewußtsein, die bedingungslose Selbstlosigkeit der Liebe Deiner Mutter zu Dir nicht adäquat "zurückgegeben" zu haben.

Sieh mal:
Deine Mutter hat Dich (aus dem Dreck) großgezogen.
In Liebe gegeben, gegeben und immer wieder gegeben.
Und nun willst Du sie allein lassen?

Du bist Mitt-Vierzigerin.
Und kannst vielleicht noch 100 Mal oder mehr nach dem Tod Deiner Mutter mitsamt Deinen Kindern an die Ostsee fahren.
Völlig unbeschwert.

Derzeit kannst Du das aber m.E. nicht tun.
Bleib besser bei Deiner Mutter.
Im beiderseitigen Interesse.


Liebe Grüße
lotol
__________________
Krieger haben Narben.
---
1. Therapie (2016): 6 Zyklen R-CHOP (Standard) => CR
Nach ca. 3 Jahren Rezidiv

2. Therapie (2019/2020): 6 Zyklen Obinutuzumab + Bendamustin => CR
Nach ca. 1 Jahr Rezidiv, räumlich begrenzt in der rechten Achsel

3. Therapie (2021): Bestrahlung
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  #6  
Alt 24.05.2017, 10:16
Dirk_Berlin Dirk_Berlin ist offline
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Standard AW: Meine Mama stirbt...

Liebe Catalie,

ich wünsche Dir für die schwere Zeit viel Kraft.
Ich bin mir sicher, dass Deine Mam weiß, wie sehr Du sie liebst und spürst die Liebe auch.

Das letzte ist, was ich von meiner Mam erlebt habe, ist, dass sie zur mir sagte, sie möchte nicht mehr. Ich habe ihr daraufhin gesagt, es ist vollkommen in Ordnung. Dann ist sie bewusstlos geworden und nie wieder wache geworden. Gut 14 Stunden später ist sie für immer friedlich eingeschlafen.
Man muss den Menschen auch gehen lassen. Es ist ein Prozess für ein Mensch, wenn er so stirbt.

Ich kann Dir nur viel Kraft wünschen.
Die Zeit wird auch in der nächsten Zeit noch schwer für Dich werden.

LG Dirk
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  #7  
Alt 24.05.2017, 10:49
Zuckerspinne Zuckerspinne ist offline
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Beiträge: 12
Standard AW: Meine Mama stirbt...

Liebe Catalie,
Dein Beitrag ist wie ein Dejavu für mich: Ich habe das Gleiche erlebt und die gleichen Gefühle gehabt wie Du, selbst die Kinder sind gleich. Ich will Dir auch die Wahrheit sagen. Auch ich konnte nie mit meiner Mutter über ihr Sterben reden, obwohl wir beide es wußten, das es bald soweit ist. Wir taten immer so, als würde alles noch lange gut gehen. Selbst als meine Mutter 3 Tage vor ihrem Tod das Bett nicht mehr verlassen hat.. sie aß und trank nichts mehr, döste und schlief abwechselnd und sprach auch mit niemandem mehr. Leider hat sie mich nicht mehr gestreichelt...unser Verhältnis war immer etwas angespannt. Ich habe diese Besuche kaum noch ertragen, sie so leiden zu sehen. Sie hatte große Atemnot durch immer wiederkehrende Pleuraergüsse, Metastasen in den Knochen und Lunge und war nur noch Haut und Knochen. Ja, der Abschied war auf Raten und passierte eigentlich schon in den Tagen vorher. Ich bin irgendwie mitgestorben...Noch am Tage ihres Todes habe ich sie morgens ins KH gebracht, weil ich nicht wollte das sie zu Hause erstickt und auch weil ich Angst hatte, vor dem was kommt. Im KH sagten mir die Ärzte, sie wäre schon in der finalen Phase, die Schnappatmung setze ein und sie war sehr verwirrt. Meine Mutter wurde palliativ sediert, d.h. sie schlief seelenruhig und bekam ihre Atemnot nicht mit. So ist sie friedlich noch am selben Tag eingeschlafen. Sie war 72. Aber: Sie war allein. Ich hätte bleiben können, aber habs nicht getan. Ich war einfach zu feige, dabei zu sein. Ich hatte solche Angst davor, ihren letzten Atemzug miterleben zu müssen. Heute bereue ich das und mache mir Vorwürfe: Sie war doch meine MUTTER! Hätte ich als einziges Kind nicht bei ihr sein müssen?!
Ich bin an dem Abend nochmal ins KH, 10 Minuten vorher ist sie verstorben, der Arzt war noch im Zimmer. Ich hatte vorher noch nie einen Toten gesehen und immer Angst davor gehabt, aber ich wollte es trotzdem. So habe ich mich von meiner toten noch ganz warmen Mutter verabschieden können. Diesen Moment werde ich mein ganzes Leben in mir tragen.
Vielleicht hilft Dir meine Geschichte bei Deiner Entscheidungsfindung. Ich wünsche Dir viel Kraft.
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  #8  
Alt 24.05.2017, 11:37
Nale1976 Nale1976 ist offline
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Standard AW: Meine Mama stirbt...

Liebe Catalie!

Mein Mann ist vor 6,5 Wochen verstorben. Er war 51 und ich bin 41. Er hat ein Adenokarzinom in der Lunge und Knochenmetastasen. Es hat bei ihm 7 Monate gedauert und die Krankheit ist am Ende explodiert. Ich wollte sein Sterben nicht wahrhaben und habe bis zum Schluss gehofft, dass sich das Blatt nochmal wendet. Mein Mann ist zuhause in meinem Beisein eingeschlafen und ich bin froh, dass ich ihn mit ganz viel Liebe und vielen Worten und Streicheln rüberbegleitet habe.... ich war in dieser Zeit auch oft am Ende meiner Kräfte... aber zu wissen, dass er in diesem Moment nicht alleine war und wir gemeinsam Abschied genommen haben, hilft mir jetzt sehr.

Versuche deine Kraft zu sammeln... bei deiner Mutter zu sein und sie mit Liebe rüberzubrgleiten ist das schönste Geschenk was du ihr machen kannst...

Liebe Grüße
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  #9  
Alt 24.05.2017, 16:09
Clea Clea ist offline
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Beiträge: 561
Standard AW: Meine Mama stirbt...

Liebe Catalie,

meine Mutter ist vor drei Monaten gestorben.
Den ganzen Morgen war ich bei ihr, sie war schon final,
das Todesrasseln schon seit einem Tag da, kaum noch Reaktion.
Um 12.30 Uhr bin ich gefahren, gleichzeitig mit ihrer Freundin.
Mein Bruder blieb eine halbe Stunde länger, bis 13.00 Uhr.
Meine Mutter ging dann um 13.47 Uhr, nur Papa war bei ihr.
Ich wäre gern da gewesen, aber ich glaube, sie hat nur durchgehalten,
bis wir weg waren. Sie wollte uns das nicht antun.
Sie war ein harter Hund. Immer schon.
Wir waren uns in ihren letzten Wochen so nah wie noch nie.
Auch ich habe mich zu ihr gelegt, sie könnte sich nicht mehr wehren,
aber ich glaube, sie hat es genossen.
Nie im Leben hätte zugegeben, Angst vor dem Sterben zu haben.
Und natürlich hätte sie mich fahren lassen.
Aber wäre sie während meines Urlaubs gestorben, ich würde meines Lebens nicht mehr froh.
Schlimm genug, so, wie es war.
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  #10  
Alt 29.05.2017, 02:00
Catalie Catalie ist offline
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Beiträge: 3
Standard AW: Meine Mama stirbt...

Ich danke Euch alle für Eure Antworten und auch für die sehr nette PN!

Durch die Vielfältigkeit Eurer Antworten und Ratschläge ist mir einmal mehr bewusst geworden, wie verschieden die Menschen doch sind und wie verschieden die Situationen, in denen sie sich befinden - auch, wenn das Thema "Sterben" das Selbe ist...

Ihr alle habt mir dabei geholfen, meine persönliche Entscheidung zu treffen. Und damit auch, mir meiner persönlichen Situation/Position klar zu werden. Als das passierte, ging es mir schlagartig besser und ich bekam meine innere Ruhe wieder.

Mir wurde klar, dass ich nicht das Gefühl habe, beim Sterben meiner Mutter dabei sein zu müssen. WAS mir sehr, sehr wichtig wäre ist, dass ich da bin, wenn sie Panik bekommt und nach mir ruft.

Ich glaube weiterhin, dass die meisten Menschen kurz vor dem Tod schon so sehr "wo anders" sind, dass das hier und unsere Welt an Bedeutung verliert. Man liest immer wieder davon, dass Menschen sterben, wenn sie gerade mal "kurz alleine gelassen wurden". Oft wird das gedeutet mit "er/sie wollte uns das nicht antun"... ich glaube aber eher daran, dass das Sterben eine sehr persönliche Sache ist und es viele einfach lieber in Ruhe und ohne Zuschauer tun.

Ich vermute auch, meine Mutter wird ihr Sterben bis zum Schluss verdrängen und verleumden - das entspricht ihrem Umgang mit Dingen, denen sie nicht ins Auge sehen will. Ich hoffe, dass Ihre "Überlebensstrategie" ihr diesmal hilft, keine bewusste Angst zu erleben.

Auch habe ich das Gefühl, es kommt bei meiner Mutter nicht auf MEINE Anwesenheit an, sondern nur darauf, dass jemand Freundliches, Zugewandtes bei ihr ist. Das war auch das, was meine Schwester sagte, als sie Mama das erste Mal nach zwei Wochen wieder sah - das erste Mal in ihrem jetzigen Zustand. Da meine Mutter in einem teuren und wirklich guten Heim ist (die Palliativstation dort hat 12 Betten), in dem die freundlichen Pfleger tatsächlich noch Zeit für persönliche Gespräche haben, ist sie dort in dieser Hinsicht gut versorgt. 2-3 mal die Woche kommt die Palliativärztin, die sich wirklich sehr viel Zeit nimmt.

Ich habe auch keine Verlustangst. Meine Trauer ist riesengroß und die Erinnerungen schneiden wie Schwerter. Aber ich kann meine Mama gut gehen lassen. Es scheint ihre Zeit zu sein - so wie jeder seine hier auf Erden hat -, wir hatten immerhin 44 Jahre zusammen und sie ist zwar noch nicht wirklich alt, aber auch nicht mehr jung.

Ganz praktisch gesehen wäre meine Zeit bei Mama über das lange Wochenende aufgrund der Kita-Schließung auch nur sehr begrenzt gewesen...

Soviel zu meinen Gedanken.

Dazu kam dann noch, dass die Ärztin meinte, wenn sie von einem klassischen Verlauf ausgeht, wird sich in den fünf Tagen nichts tun. Sie gibt meiner Mutter zwar keine Monate mehr, sieht ihr Ende aber auch noch nicht so nahe wie ich.
Dann konnte meine Schwester doch noch zwei Tage bleiben, so dass meine Mutter jetzt nur zwei Tage hat, an denen keine von uns kommt. Außerdem ging es meiner Mutter die beiden Tage vor meiner Abfahrt auch wieder etwas besser.

Und so bin ich dann vor drei Tagen gefahren und erlebe nun sehr wertvolle, erholsame und geruhsame Tage an der Ostsee. Der Ärztin und der Stationsschwester nahm ich das Versprechen ab, mich sofort zu benachrichtigen, wenn meine Mutter verwirrt oder unruhig wird oder nach mir fragt. Gestern und heute war meine Schwester bei ihr. Am Donnerstag war ich noch einmal mit den Kindern dort, um mich vor der Reise zu verabschieden. (Vermutlich werde ich die Kinder nicht mehr mitnehmen. Für eine Interaktion ist meine Mutter zu schwach und der Große hat sich auch ziemlich erschrocken). Und am Dienstag gleich nach unserer Ankunft gehe ich sie besuchen.

Als wir gingen, lächelte sie mich an (das hatte sie die Tage davor nicht mehr) und wünschte uns viel Spaß. Das war so ein schönes Bild, eine so schöne Erinnerung, dass ich mir fast wünsche, es wäre die letzte. Zu groß ist meine Angst vor der kommenden Zeit.

Das wird noch ein schwerer Weg und vermutlich doch länger, als ich im ersten Schrecken annahm. Ich bin froh über diese Tage hier und konnte meine Batterien doch sehr gut aufladen. Durch den räumlichen Abstand dreht sich mein Gedankenkarussell auch wesentlich weniger als zuhause.

Ab Übermorgen stelle ich mich dann wieder - trotz großer Angst - der schwierigen Aufgabe, meine Mutter zu begleiten..

Geändert von Catalie (29.05.2017 um 02:15 Uhr)
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  #11  
Alt 29.05.2017, 05:54
Benutzerbild von Tinele
Tinele Tinele ist offline
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Beiträge: 822
Standard AW: Meine Mama stirbt...

Prima das du gefahren bist .
__________________
Mein Mohle - Diagnose von SPK Krebs am 3.6.2014

Seither ist nichts mehr , wie es vorher war .

Du weißt erst wie stark du bist , bis stark sein die einzige Option ist , die dir noch bleibt !
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  #12  
Alt 31.05.2017, 22:23
benario benario ist offline
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Registriert seit: 31.05.2017
Beiträge: 1
Standard AW: Meine Mama stirbt...

hallo, ich bin neu hier, und das thema passt auch zu meiner situation. ich bin 46, meine mutter 81, und sie hat bauchspeicheldrüsenkrebs mit metastasen in der leber. wir wissen es seit ein paar wochen. wir haben ein sehr gutes verhältnis, und meine kinder (8 und 10) sind ihre jüngsten enkelkinder, besonders an meinem sohn (der ältere) hängt sie besonders und er an ihr.
ich habe das gefühl, dass ich das alles noch nicht richtig begreife, sie und mein vater sind seit 61 jahren verheiratet, er ist 92, ich kann mir ihn nicht ohne sie vorstellen... ich konnte auch bisher nur einmal richtig weinen, als ich die diagnose erfahren habe. ich glaube, ich verdränge die wahrheit, aber ich weiß nicht, wie ich sie ertragen soll...?
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  #13  
Alt 31.05.2017, 22:35
Gerbera Gerbera ist offline
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Beiträge: 169
Standard AW: Meine Mama stirbt...

Liebe Catalie

Ich finde es sehr schön für dich dass du fahren konntest!
Meine Grossmutter ist gestorben, als alle ihre 3 Kinder zusammen in Spanien in den Ferien waren. Sie hat das wohl so "geplant". Meine Mutter (ihre Schwiegertochter) war bei ihr beim Sterben und sie ist friedlich eingeschlafen.
Meine Mutter ist übrigens Krankenschwester und hat im Altersheim gearbeitet. Sie hat erzählt, dass es viele gibt die nicht sterben können, weil ihre Angehörigen sie nicht gehen lassen wollen/können. Das sei sehr schlimm für die Kranken.
Ich finde es gut, dass du sie gehen lassen kannst. Das wird ihr helfen.

Wünsche dir weiterhin viel Kraft!
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