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Alt 01.06.2016, 14:26
Amy1991 Amy1991 ist offline
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Registriert seit: 25.05.2016
Beiträge: 13
Standard Tschüß, Ciao, Adieu ... ein letzter Gruß ...

Hallo ihr Lieben,

ja ich darf mich seit längerem als "Hinterbliebene" bezeichnen.
Achtung - es wird ein bisschen länger ... mein Opa meinte immer ich bin die beste "Erzählungen" - Schreiberin

Ich bin inzwischen 24 Jahre jung und der ganze Horror begann im Jahre 2013.

Mein Opa, geb. 1940 hatte schon immer etwas Probleme mit seinem Magen. Damals - als ich noch mit den Mücken flog - hatte er ein recht großes Magengeschwür. Zur damaligen Zeit, machte man hier kurzen Prozess - 3/4 vom Magen einfach mal entfernt. Ja...da waren natürlich Magenprobleme nicht ganz abwegig. Jedes Jahr ging mein Opa zur "Kontroll-Magenspiegelung" und im Grunde hatte er durch seine "Mampferei" wieder einen Magen in fast normaler Größe.

Mein Opa war mein Held - nein, er IST mein Held. Viele Kinder hätten sich solch einen Opa wünschten können. Da mein Papa eine Spedition in der Familie hat, war er leider immer ziemlich viel unterwegs. Dafür ist halt mein Opa (der Papa meiner Mama) eingesprungen. Mein Opa hat mir das schwimmen gelernt, stand mir bei als ich mein Seepferdchen und mein Bronzenes Schwimmabzeichen machte, brachte mir mehr oder weniger das Fahrradfahren bei (Bruchpilot hallo ), war mit mir Ski fahren und und und. (Was nicht heißt das mein Papa nie zuhause war - mit Ihm sind wir dann halt Motorrad gefahren etc.).

Ja, da ich die älteste Enkelin war, war ich das ganz besondere Schätzelein von meinem Opi ... was ich sagte, hatte Hand und Fuß. Ich möchte sogar behaupten, dass mein Opa ein wenig mehr auf mich hörte als auf meine Mama und meine Oma.

Juli 2013 klagte mein Opa über Bauchweh ... nein leider keine üblichen Bauchschmerzen ... Der Hausarzt meines Opas nahm Blut und teilte ihm mit, dass alles in Ordnung sei. Anfang August war es immer noch nicht besser und zum Glück war Opas Hausarzt im Urlaub. Er ging zu einem anderen Arzt, der natürlich bei Opas Symptome (Fettstuhl etc.) sofort hellhörig wurde. 2 Tage später kam der Anruf - Tumormarker drastisch erhöht. Einen Tag später war mein Opa im Krankenhaus. Magenspiegelung, Darmspiegelung - Unauffällig. Tag 4 - ich wanderte wie jeden Tag zu meinem Opa ins Krankenhaus. Da saß er auf seinem Bett - lachte mich an und sagte "Ja hallo meine Große, kommst du schon wieder ?" .... "Hey Opa, klaro, ich nerve dich jeden Tag aufs Neue. Was ist denn los, dass du so gut drauf bis ?" "Ja man hat heute was gefunden - endlich kann man mir helfen" ... ich wurde etwas stutzig. "Echt ? Cool, und wo genau?" "Die Bauchspeicheldrüse ists" .... NEIN - NEIN - NEIN - NEIN! Nicht das! Ja es liegt in meiner Natur, dass ich ein absoluter Pessimist bin, natürlich habe ich gleich das Schlimmste vermutet. Mein Opa nicht ... aber er sah es mir an, dass ich momentan keine Worte dafür finden kann. Einen Tag später, hatte meine Mama einen Termin bei der Ärztin. Diese sagte ihr, dass sie uns nicht beunruhigen wolle, aber am Kopf der Bauchspeicheldrüse haben Sie einen Knoten entdeckt. Ja nicht beunruhigen ... klar ... Knoten ... Am Freitag, den 13. September 2013 wurde mein Opa operiert. Wir saßen natürlich auf Kohlen - konnte man das "Etwas" entfernen ? Wie schlimm steht es wirklich um Ihn? ... nach 6,5 Stunden war er fertig. Er lag auf Intensiv. Das "Etwas" konnte man gut abschneiden vom Kopf, Metastasen nicht sichtbar, 12 Lymphknoten wurden entfernt. - Im Grunde genommen war mir das egal - hauptsache mein Opa lebt, und alles ist wieder gut - einfach vergessen was da war. Opa war schneller auf der normalen Station als von jeder Seite vermutet. Er sah aus wie ein Schweizer Käse... aber machte doch alles nichts, solange er wieder wird - mein geliebter Opi.
Opa bekam dann sein Morphin-Pflaster.Nach 4 Tagen waren die Schmerzen weg, aber Opa hatte keinen Hunger mehr. Er weigerte sich etwas zu essen. Dabei hätte er doch nach Hause kommen sollen und dort dann seine Chemo beginnen. Tja Pustekuchen. Opa kam als Kläppergestell zu Hause an, keinen Hunger, trinken nur gegen Widerwillen. Der Chefarzt im Krankenhaus in welchem mein Opa immer zur Magenspiegelung war, sah ihn und war entsetzt darüber wie er aussah. Er kam sofort stationär (was ihm natürlich gar nicht passte) und wurde mit Astronauten-Nahrung vollgepumpt. Ich glaube so sauer habe ich meinen Opa noch nie erlebt. Nach doch 2 Wochen kamen wir darauf, dass mein Opa sein Pflaster nicht verträgt. Sofort abgezogen - Opa war auf furchtbarem Entzug. Nur noch geweint, depressiv und alles was dazu gehört. Es besserte sich langsam aber sicher. Gemeinsam feierten wir am 7.10.13 seinen Geburtstag. Alles wird gut - alles .... Im Februar begann seine Chemo. Er steckte sie recht gut weg. Haarausfall bekam er nicht - hatte ja eh kaum noch Haare auf dem Kopf . Ja Anfang Mai war sie vorbei. Seine Werte super! Tumormarker niedrig. Perfekt! .... dachten wir.

Am 18.06.2014 bekamen wir einen Anruf von meiner Schwester (wir waren im Urlaub) - Opa lag im Krankenhaus. Er hatte wieder Bauchschmerzen. Natürlich haben wir unsere 7 Sachen gepackt und sind zu meinem Opa gefahren. Als wir ankamen, war sein erster Satz "Seid Ihr jetzt wegen mir und meinem Freund gekommen?" .... Ja er nannte das "Etwas" seinen Freund ... Er ist wieder da sagte er nur .... Nein, das konnte nicht möglich sein - war doch alles so super verlaufen. Einen Tag später die schlimme Gewissheit - Rezidiv. Und dieses Mal richtig. Der "Arsch" hatte sich so extrem ausgebreitet, dass wir keine Chance auf eine Heilung hatten. Warum ? Warum gerade mein Opa ?

Ich versuchte tapfer zu sein, tapfer für meinen Opa, denn er war es oft genug. Ich wollte nicht weinen in seiner Anwesenheit und wenn es doch geschah, nahm er mich in den Arm und sagte "Meine Große, was ist denn los ? Ich habe keine Angst vor dem sterben, ich habe nur Angst euch alleine zu lassen, so viel nicht mehr zu erleben. Machen wir das Beste daraus, irgendwann ist jedem seine Zeit gekommen" (Mein Opa hatte einmal eine Nahtod-Erfahrung, daher hatte er keine Angst vor dem sterben) ... Ja natürlich ist jedem seine Zeit irgendwann gekommen. Aber warum genau jetzt? 74 ist doch kein Alter ...

Wir genossen unsere Zeit, feierten unsere letzten gemeinsamen Geburtstage, genossen jede Sekunde mit unserem Opa. Jede freie Minute war ich bei Ihm, habe mich mit Ihm unterhalten, in Erinnerungen geschwelgt, über seine und meine Kindheit gequatscht. Wir haben so viel gelacht und auch so viel geweint. Er hat seinen Garten geliebt. Ende August ging es dann einfach nicht mehr. Er hatte Schmerzen. Meine Mama und ich wollten ihn besuchen. Er war so wütend. Weinte, warf seinen Strohhut in den Keller. Mama ging, ich war bei Opa. Er nahm mich einfach in den Arm und wir weinten gemeinsam - und weinten. Ich wusste über kurz oder lang, ist der Moment da. Der Moment, an dem ich meinem Opa "Adieu" sagen musste. Im September findet bei uns jährlich ein Feuerwerk statt. Dort wollten meine Schwester und ich unseren Opa ein letztes Mal mitnehmen. Als wir ihm dies sagten, kam am Telefon nur ein "Nein meine 2 Lieben. Ich schaffe das nicht mehr. Aber wenn Ihr ein ganz großes Feuerwerk seht, denkt an mich. Das bin dann ich" ... Ich konnte das Feuerwerk nicht anschauen. Nicht mit dem Gedanken das mein Opa bald weg ist.

Alles ging so schnell - die Zeit war nicht aufzuhalten ... nein.

Am 07.10.2014 hatte mein Opa seinen 75. Geburtstag. Er lag auf dem Sofa (zum Glück dank der verödung der Nerven ohne Schmerzen) und meinte als wir kamen, dass er jetzt dann zu den Engeln gehe. Nein, der Horror war wirklich wahr ... ja es kam näher ... nur wann, wann war der letzte Augenblick gekommen ?
Am 11.10.2014 um 11:10 Uhr schloss mein Opa nach nächtlicher Morphin Gabe für immer die Augen.

Es ist immer noch unfassbar für mich - ich kann und will es trotzdem nicht nach fast 2 Jahren nicht wahr haben, dass ich meinen Opa nicht mehr habe. Mein Engel auf Erden... Ich muss mir dann immer die Bilder beim Bestatter ansehen ... aber das ist auch nicht mein Opa. Mein Opa lebt für mich noch. Er lebt ganz tief in meinem Herzen. Oft besucht er mich noch im Traum und wir haben so viel Spaß, als ob niemals etwas gewesen ist.

Eine Woche später fand meine Oma Zwei Abschiedsbriefe .... einen für Oma, seine Kinder und seine Enkelkinder und einen für unsere Hunde, die er sehr liebte.

Immer wenn ich seine Zeilen lese, steht er neben mir und liest mit.

Ich liebe Ihn und mein Opa wird niemals in Vergessenheit geraten, da er mir die schönste Kindheit bereiten konnte, mir so viele Dinge gelernt hat und mir so viel über Menschen beigebracht hat. Mein Opa war ein wundervoller Mensch.

Falls jemand hier angekommen ist mit lesen, bedanke ich mich recht herzlich.

Das war das erste Mal, dass ich mir meine Sorgen und Gedanken vom Herzen geschrieben habe....

Vielen Dank für Eure Geduld und Aufmerksamkeit.

Tschüß, Ciao, Adieu (so pflegte es mein Opa sich immer zu verabschieden)

In liebe "Deine Große"
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