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  #1  
Alt 13.11.2009, 12:59
loewi loewi ist offline
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Standard 7. juli 2009

habe mich heut mit meiner betreuerin getroffen. und wir beide hatten das gefühl, dass meine sprachlosigkeit etwas löst, ich klarer und sortierter wirke. vielleicht ein guter anfang
sie hatte sich wirklich sorgen gemacht die letzte zeit.
vor anderthalb jahren habe ich ein buch angefangen, das meine kusine mir so sehr ans herz gelegt hat "gespräche mit gott" naja klang interessant und so, aber beim reinlesen schnell gemerkt dass es bei mir nicht ankommt. es ist an einigen stellen sehr abgefahren und so...naja also wieder weg gelegt. und gestern saß ich am pc, schau in mein bücherregal, sehe das buch, schau weg, schau nochmal hin sehe es wieder und dachte: OK, versuch es nochmal. und was soll ich sagen, es ist immer noch abgefahren aber zutiefst faszinierend. sind zum teil nur einzelne sätze, aber die haben richtig tiefgang. und vielleicht hat es den krebs gebraucht, um dieses buch zu begreifen
aber irgendwas ist anders seit gestern...ich habe so gemerkt in den letzten wochen, dass irgendwas in mir zerbrochen ist. doch seit gestern hat sich dieses gefühl verändert. es gibt eine zweite seite. vielleicht ist nicht nur etwas zerbrochen sondern aufgebrochen???

es verwirrt mich dieser wandel aber beflügelt mich.
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Mitfreude, nicht Mitleid, macht den Freund aus. (Nietzsche)
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  #2  
Alt 13.11.2009, 13:00
loewi loewi ist offline
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Standard 19. juli 2009

am freitag hatte ich meine zweite therapiestunde und es ging, darum, was genau für ängste ich habe.

und da hörte ich mich zum ersten mal sagen:

ICH HABE ANGST DARAN ZU STERBEN


oh ja, diese angst habe ich seit dem moment, als ich am 24. februar um 7.32 Uhr diese diagnose bekommen habe, aber habe sie bis vorgestern nicht ausgesprochen. nun da ich sie ausgesprochen habe, verliert sie keineswegs ihren schrecken...
komisch, hatte ich doch in den letzten wochen dieser unglaublich tiefen depression, den wunsch, durchaus meinem leben ein ende zu bereiten...nein, sterben wollte ich nicht wirklich, aber einfach nichts mehr spüren und der gedanke daran, den tod diesen seelischen schmerzen und der angst vorzuziehen, schien übermächtig!
es ist auch nicht vorüber, doch weiß ich eben, dass es um das nicht fühlen geht. es bringt mich sehr durcheinander, doch habe ich aus den vergangenen wochen der krise viel neue stärke gewonnen.
doch die angst, DARAN zu sterben (es fällt mir immer noch schwer das wort auszusprechen - krebs) die ist da. und wie gegenwärtig und auch abstoßend ich sie erlebe, wurde mir gestern bewusst, als meine mutter mir eine patientenverfügung aufs bett legte. es war nicht böse gemeint von ihr, doch - ja, ich habe es als abstoßend empfunden. aber was macht die angst mit mir?
was für folgen hat das wissen über meine eigene sterblichkeit für mich? bin ich bereit für das leben vor dem tod, denn das ist das einzige, von dem ich garantiert weiß, dass es existiert
mehr gedanken folgen
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  #3  
Alt 13.11.2009, 13:01
loewi loewi ist offline
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Standard 31. juli 2009

untersuchungen

waren scheiße...

ergebnis noch bescheidener
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  #4  
Alt 13.11.2009, 13:02
loewi loewi ist offline
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Standard 5. august 2009

so, gestern war es soweit und ich hatte die "endgültige" befundbesprechung... wirklich befriedigende Ergebnisse habe ich nicht bekommen...

a) die Lymphknoten sind also de facto vergrößert (2 - 2,5 cm). und liegen an Arterien und Venen und was weiß ich aber da habe ich genug Vertrauen in das Können der Ärzte.
b) auf dem Knochenszintigramm haben sie Auffälligkeiten entdeckt (drei Anreicherungen von knochenmaterial oder was auch immer) an Schien- und Wadenbein), aber es sieht zumindest nicht nach Metastasen aus. Trotzdem mag man dem natürlich auf den Grund gehen.

Die weitere Vorgehensweise ist, dass der Oberarzt am Donnerstag Nachmittag alles noch einmal in der Tumorkonferenz vorstellt und sie dann entscheiden wie das weitere Vorgehen ist:
a) entfernt man die Lymphknoten direkt. Das würde bedeuten, dass sie versuchen es minimalinvasiv zu machen, aber bei meinen Verwachsungen sei der Längsschnitt wohl doch eher zu erwarten (so oder so) oder
b) ob man in vier bis sechs Wochen noch einmal ein CT macht und wenn sie sich (nicht) verändert haben und nicht kleiner geworden sind, dass man dann auf alle Fälle operiert.

Weder das eine noch das andere sind tolle Aussichten wobei ich Variante A der Variante B vorziehen würde, um nicht noch weitere vier bis sechs Wochen unter Hochspannung zu stehen. Das habe ich dem Oberarzt auch gesagt und er meinte, dass das auf jeden Fall in der Tumorkonferenz auch berücksichtigt werden wird.

naja, aber wie gesagt alles in allem nicht besonders befriedigend
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  #5  
Alt 13.11.2009, 13:03
loewi loewi ist offline
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Standard 8. august 2009

... am donnerstag wollte er ja alle befunde in der tumorkonferenz vorstellen. es sollte beraten werden wegen der lymphknoten ob man sie noch vier bis sechs wochen beobachtet und wenn sie weiter vergrößert sind operiert oder sie doch gleich vorsichtshalber entfernt. nach der tumorkonferenz wollte er sich dann melden.bin also am donnerstag bald vollkommen durchgedreht...

gestern früh habe ich dann gleich um acht in der ambulanz angerufen und dr. f. um rückruf gebeten. sie sagten er sei bis mittags bestimmt im OP . aber dann klingelte mein handy um viertel vor neun und es war dr.f.

also:
a) sie machen noch eine darmspiegelung wegen verdickungen an den darmwänden, um auszuschließen, dass ich evtl. seit jahren an einer chronischen darmentzündung leide, die die lymphknoten natürlich anschwellen lassen kann. die ist für nächsten donnerstag angesetzt.
b) dann machen sie noch ein ct der lunge um zu gucken ob da evtl. auch noch lymphknoten vergrößert sind.

aber das wichtigste:

sie entfernen zur vorsicht auf alle fälle meine vier hausbesetzer!!!!!! (voll sich so über eine OP zu freuen )

um es für mich möglichst schonend zu machen wollen sie es endoskopisch machen, aber diese spezielle methode, die sie anwenden wollen haben sie in der frauenklinik noch nicht gemacht, das würde in der urologie gemacht. der schaut sich die bilder an und entscheidet dann, ob er es machen kann oder nicht.
wenn nicht macht dr. f. es auf die konventionelle art und ich habe dann einen anker auf meinem bauch.

(jaja, carina, ich weiß andere zahlen dafür eine menge geld )

aber egal wie: sie kommen raus!!!

ach ja und was die knochenverdichtungen angeht handelt es sich dabei um einen gendefekt - da gibt es wohl auch einen tollen fachausdruck den dr. f. auch noch nie gehört hatte - jedenfalls führt der eben zu solchen knochenveränderungen und eben den schmerzen! wieder was dazu gelernt
und das werde ich mir schriftlich geben lassen und das dann diesem knalldeppen von arzt vorlegen der mich als simulantin dargestellt hat und demzufolge ich medikamentenmissbrauch betreiben würde.
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  #6  
Alt 13.11.2009, 13:04
loewi loewi ist offline
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Standard 5. august 2009

heute habe ich eine email an meinen ehemaligen schulleiter geschrieben. er ist selber an krebs erkrankt und weiß oder ahnt um meine ängste. wir tauschen uns regelmäßig aus und mir ist wichtig, nicht nur die antwort, die ich von ihm bekommen habe hier mit aufzunehmen sondern meine mit der alles anfing vor wenigen tagen (die mir schon endlos vorkommen):

Lieber Herr W.,
ich hoffe Ihnen geht es gut und Sie genießen den Sommer auf Lanzarote. Man was beneide ich Sie Im Moment ist bei mir auf medizinischer Ebene wieder high life angesagt, viel Unsicherheit und Angst.
Bei mir wurde ein CT gemacht wo man dann vier oder fünf doppelt so große Lymphknoten entdeckte. Das hat natürlich die ganze Maschinerie ins rollen gebracht, sprich Knochenszintigrafie und Mammografie. In der Mammografie was entdeckt, was sich dann beim Ultraschall gott sei Dank "nur" als Lymphknoten herausstellte aber der eine normale Größe hat. Also da Entwarnung. Auf dem Knochenszintigramm haben sie an Schien- und Wadenbein Knochenanreicherungen entdeckt, was genau es ist und wie man da weiter Ursachenforschung betreibt entscheidet der Chefradiologe. Gestern dann war die "endgültige" Befundbesprechung und weitere Planung. Mit für mich noch recht unbefriedigendem Ergebnis
a) die Lymphknoten sind also de facto vergrößert (2 - 2,5 cm). und liegen an Arterien und Venen und was weiß ich aber da habe ich genug Vertrauen in das Können der Ärzte.
Die weitere Vorgehensweise ist, dass der Oberarzt am Donnerstag Nachmittag alle Ergebnisse noch einmal in der Tumorkonferenz vorstellt und sie dann entscheiden wie das weitere Vorgehen ist:
a) entfernt man die Lymphknoten direkt. Das würde bedeuten, dass sie versuchen es minimalinvasiv zu machen, aber wohl doch eher ein Längsschnitt gemacht wird (dann habe ich einen Anker auf meinem Bauch )
b) ob man in vier bis sechs Wochen noch einmal ein CT macht und wenn sie sich (nicht) verändert haben und nicht kleiner geworden sind, dass man dann auf alle Fälle operiert.
Weder das eine noch das andere sind tolle Aussichten wobei ich Variante A der Variante B vorziehen würde, um nicht noch weitere vier bis sechs Wochen unter Hochspannung zu stehen.
Naja, alles sehr aufwühlend und ich habe jetzt am Montag für mich die Entscheidung getroffen, doch noch ein Krankheitssemester zu beantragen.
Ich hätte Ihnen gerne ein paar schönere Neuigkeiten erzählt, aber die gibt es leider nicht. Doch eine gibt es: ich habe eine hervorragende Psychoonkologin gefunden.
So, lieber Herr W. Viele Grüße in die Sonne nach Lanzarote

C.S.
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  #7  
Alt 13.11.2009, 13:06
loewi loewi ist offline
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Standard 9. august 2009

heut habe ich von herrn w. eine antwort auf meine email bekommen, die mich sehr bewegt hat und ich glaube auch etwas ausgelöst hat in mir. sie ist sehr feinfühlig geschrieben und besonders der fett markierte satz ist für mich von großer bedeutung:

Liebe Frau S.,
als ich sah, dass da endlich mal wieder ein Lebenszeichen von Ihnen war, freute ich mich gleich, was dann aber bei der Lektüre Ihres nüchtern medizinischen Textes einer eher ernsten Stimmung wich.
Wenn ich daran denke, dass Sie mich kurz vor meinem schulischen Abgang im Juni letzten Jahres noch besuchten und ein Geschenk mitbrachten, dann war die Welt da sicher auch nicht mehr heil, aber ich wusste ja andererseits nicht besonders viel über Ihre Stimmung und Situation damals und täuschte mich vermutlich daher, wunderte mich eher, das Sie einen Tag vor meinem Fest und nicht an diesem kamen und erfuhr erst danach peu a peu und auch verständlicherweise nicht immer vollständig, was Sie bewegte und warum. In diesem Jahr danach haben Sie jetzt so viel erlebt und verkraften müssen - und hoffentlich auch leidlich können - , was einer jungen Frau wie Ihnen besser erspart geblieben wäre, aber leider nicht ist. Das tut mir sehr leid. Das hilft Ihnen aber gar nicht. Ich weiß auch nicht, was ihnen bei der Bewältigung dieser sehr schwierigen persönlichen Situation helfen kann, vielleicht die Kommunikation mit Ihrer Psychoonkologin, hoffentlich.
Ich weiß nur, was mir selber damals geholfen hat, mit der lebensbedrohlichen Situation umzugehen:
Für mich gab es keine Alternative zur absoluten Klarheit bezüglich der Größe der Gefahr und zur Auseinandersetzung mit der Möglichkeit des Todes. Kein Selbstmitleid, das hatte ich bei einem japanischen Autor gelesen und mir immer wieder in Erinnerung gerufen.
Nun war ich damals natürlich viel älter als Sie es sind, ohne dass ich eigentlich meiner Frau jetzt sagen konnte, wie alt Sie denn tatsächlich mittlerweile sind. Ich sehe Sie immer noch bei unseren Lehrereinstellungstreffen, die doch in guter Atmosphäre liefen und bei denen die Welt für Sie noch in Ordnung war und ich mit der Drohung des möglicherweise bevorstehenden Todes lebte und arbeitete, was man aber sicher nicht gemerkt hat. Das sage ich als ein nach 7,5 Jahren vorerst Davongekommener. Damals haben wir gemeinsam manche gute Entscheidung getroffen, auch manche eher schlechte, das sah man erst später, zu spät.
Die Angst ist ganz normal. Im Knochenszintigramm hatte man auch bei mir schon mal „Anreicherungen“ im Bereich der Hüfte festgestellt, die man dann für „altersgemäß“ erklärte. Was ihre Lymphknoten betrifft, so hoffe ich mit Ihnen, dass ihre Ärzte die richtige Entscheidung treffen und ihr Handwerk verstehen.
Ich hoffe auf demnächst mal bessere Nachrichten von Ihnen. Wünsche ich mir, genauer gesagt.
Passt kaum zu dieser Mail, dass ich erwähne, dass es mir sehr gut geht. Am Ende des Monats werden wir ein Jahr hier sein, nur durch zwei Wochen in Düsseldorf Anfang April unterbrochen. Wenn das Haus nicht doch noch verkauft werden sollte, werden wir wohl auch im nächsten Jahr noch hier sein. Wenn ich mich für gesund halten würde, würde ich es selber kaufen, so wohl fühlen wir uns hier. Wenn ich mich dabei aber täuschen sollte, wäre meine Frau danach die Dumme, das will ich auf keinen Fall. Also mieten wir so lange bis man uns rausschmeißt. Sollte es vielleicht im nächsten Jahr dazu kommen, erwägen wir, den Jakobsweg zu probieren oder vielleicht Teile davon.
Letzte Woche hatten wir von Donnerstagnacht bis Samstagmittag 36 Stunden Horror. Mitten in der Nacht kam plötzlich ein Sturm mit heißem Wind aus der Sahelzone auf, die Temperaturen stiegen innerhalb weniger Minuten von 27 Grad um 2 Uhr auf 35 Grad um 2.30 Uhr. Den ganzen Freitag konnten wir nicht raus, alle Türen und Fenster zu, am Nachmittag waren es im Haus dennoch 36 Grad, draußen aber 48 Grad im Schatten bei sehr heißem starkem Wind. Der Spuk dauerte bis Samstagmittag, dann fielen die Temperaturen auf unter 40 Grad, erst mal vorbei. Ergebnisse u.a.: etliche z.T. neu gezogene Pflanzen völlig verbrannt, z.B. war eine halbe Wand voller Prunkbohnen innerhalb eines Tages verdorrt. Seitdem sind wir dabei, von Palmen und anderen großen Pflanzen Blätter abzusägen bzw. zu schneiden und überall die verbrannten Blätter aufzuheben. Das Ganze nennt sich Calima, zuletzt war dieser heiße Sturm Ende Januar/Anfang Februar, da war er aber willkommen, weil er damals den „Winter“ ablöste. Seitdem ist übrigens kein Tropfen Regen mehr gefallen.
Genug für heute Nacht.
Meine besten Wünsche für Sie
M.W.


hier meine antwort an herrn w., einer seele von mensch

Lieber Herr W.,
vielen, vielen lieben Dank für Ihre wunderbare email. Sie hat mich sehr berührt. Besonders dieser Satz:
Für mich gab es keine Alternative zur absoluten Klarheit bezüglich der Größe der Gefahr und zur Auseinandersetzung mit der Möglichkeit des Todes.
ja besonders die Größe der Gefahr und die Auseinandersetzung mit der Möglichkeit des Todes ist das, was mir unglaublich zu schaffen macht und was leider kaum ein Mensch verstehen kann, der nicht einmal mit einer solchen Todesangst konfrontiert war. Und ich glaube, dass die Todesangst sich noch einmal von der Todesangst durch Krebs unterscheidet.
Ich war jetzt einige Tage mit einer Freundin in München und es war für mich unglaublich anstrengend und belastend, denn da ist mir zum ersten Mal deutlich vor Augen geführt worden, dass ich mich sehr verändert habe. Ich frage mich, bin ich härter geworden? Oder erwachsener? Was ich in den vergangenen Monaten erlebt habe war eine immer größere Sprachlosigkeit - vielleicht auch der Grund, warum ich mich erst nach so einer langen Pause gemeldet habe. Und dann mit diesem nüchternen medizinischen Bericht. Es ist mir erst beim zweiten Lesen mal aufgefallen, wie nüchtern er in der Tat ist. Nur keine Gefühle da rein bringen, keine Angst (mich selber) spüren lassen. Was aber berechtigt ist: ich habe allen Grund dazu, Angst zu haben! Und Selbstmitleid...nein, Selbstmitleid habe ich nicht! Ich verstehe meinen Krebs als eine Aufgabe und auch nicht (mehr) als eine Strafe von Gott.
Gott - mein Glaube - etwas, das mir leider kaum Möglichkeiten schafft, meine Ängste zu lindern. Wie soll ich beten? ich habe immer gelernt, Gott nicht um etwas zu bitten, sondern ihm zu danken. Ich weiß nicht in welchem Buch ich das gelesen habe, doch ich fand es gut, denn wie oft wende ich mich und wenden sich viele Menschen gerade dann an Gott, wenn sie sich in einer ausweglosen Situatuion wähnen?
Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass ich an dem Morgen, bevor ich die Diagnose bekommen habe, am 24. Februar, mir geschworen habe, wenn das alles gut ausgeht (ironischerweise war bis zu dem Zeitpunkt nie die Rede von Krebs), ich wieder in die Kirche eintreten werde. Eingetreten bin ich bis heute nicht wieder, doch nicht wegen der Diagnose, sondern da ich merke, dass ich für mich alleine kaum beten kann. Doch ich setze mich einfach gerne in eine Kirche und genieße die wenigen Minuten der Stille. Derzeit überlege ich, einmal Exerzitien in einem nahegelegenen Kloster zu machen - in Mariendonk. Deswegen finde ich Ihre Idee sehr schön, den Jakobsweg zu gehen, egal wie weit. Ich selber habe einmal von den Dominikaneren an einer Pilger"reise" von Düsseldorf nach Knechtsteden teilgenommen und alleine dieses Erlebnis war sehr bewegend. Besonders die schweigenden Momente bringen einen näher zu sich selbst, als jemals zuvor.
Sehr hilfreich für mich sind die Gespräche mit meiner Psychoonkologin, denn wie gesagt, bis vor einigen Wochen war ich in einer vollkommenen Sprachlosigkeit gefangen, es hat mich beinahe an den Rand des Wahnsinns gebracht. Dann kam der erlösende Anruf, dass ich ab Ende Juli einsteigen kann und sie hat etwas an sich, dass ich sehr ehrlich mit ihr, aber vor allem mit mir selber sein kann. Ich rede und rede und rede: über meine Angst mit der Krankheit zu leben, aber auch über meine Angst, daran zu sterben. Ich verurteile mich oft für diese Angst, denn ich empfinde sie als unrealistisch, da ich doch eine sehr gute Prognose habe. Doch meine Therapeutin ermutigt mich darin, diese Ängste an- und ernst zu nehmen, denn sie sind realistisch und berechtigt.
Inzwischen habe ich auch die Befunde so gut wie zusammen und in der Tumorkonferenz am Donnerstag haben sie nun endgültig entschieden, dass sie mir die Hausbesetzer (vier oder fünf Stück) entfernen um auf Nummer sicher zu gehen. Ja inzwischen gebe ich meiner Krankheit Namen. Natürlich weiß ich nicht, ob die Lymphknoten befallen sind, aber da sie meines Erachtens nichts in meinem Körper zu suchen haben, nenne ich sie Hausbesetzer oder Mietnomaden (da sie ja nicht mal miete zahlen) - hoffentlich hinterlassen sie dann nicht auch noch so einen Dreck, wenn sie ausgezogen sind. Ach so, und was die Knochen angeht hat der Radiologe diagnostiziert, dass es sich dabei um einen genetischen Defekt handelt.
Inzwischen komme ich auch alles in allem gut damit klar, dass ich nun keine eigenen Kinder mehr werde bekommen können. Ich habe in meinem Freundeskreis einige Freundinnen mit Babys/Kleinkindern. Sicher wenn ich sie sehe und mit ihnen spiele, sie mir ihr Vertrauen schenken (so wie die kleine 10 Monate alte Tochter, die mich am Mittwoch das erste Mal gesehen hat. Wir waren schwimmen und sie wollte von sich aus auch von mir gehalten werden. Ich war so berührt. sie kennt mich nicht, aber sie hat ein unsagbares Vertrauen. Sie zu halten, ihre weiche Haut, der besondere Babyduft... klar das alles tut sehr weh (aber erst im Nachhinein) und in diesem Moment bin ich hell und weg und glücklich und und und). Zudem merke ich, dass es eben nicht alles so einfach ist, weder eine Schwangerschaft, noch dann Mutter sein. Sicherlich wäre es schön, aber ich kann es jetzt annehmen dass es eben nicht so ist. Und ich weiß, warum ich diesen "Preis" bezahlt habe. Ich bin (vermutlich) geheilt!
Ach so, ich bin übrigens 33 .
So, noch einmal lieben Dank für Ihre email. Sie hat sehr viel ausgelöst bei mir -im positiven! Vielen vielen Dank und schöne Grüße unbekannter Weise an Ihre Frau!

C.S.
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Mitfreude, nicht Mitleid, macht den Freund aus. (Nietzsche)

Geändert von loewi (13.11.2009 um 13:07 Uhr) Grund: ergänzung
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