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  #1  
Alt 27.11.2005, 20:33
Krabbe Krabbe ist offline
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Beiträge: 74
Standard Demenz, Depressionen und Krebs

Hallo,

ich will mich im Angehörigenforum zunächst einmal vorstellen und meine Geschichte erzählen.

Der Grund meines Schreibens ist, dass mein Mann schon vor seiner Krebserkrankung an Depressionen und einer beginnenden Demenz litt, so dass sich die Geschichte vielleicht von anderen unterscheidet. Sie ist leider etwas länger, aber vielleicht findet sich jemand im Forum, der eine ähnliche Konstellation hat.

Ich bin 43 Jahre alt und seit 12 Jahren mit meinem Mann (60 Jahre) verheiratet. Kurz vor unserer Hochzeit hatte er einen schweren Herzinfarkt von dem er sich nie wieder so richtig erholt hat. Vor 3 1/2 Jahren hat er dann einen Schlaganfall erlitten. Er hatte zwar keine Lähmungserscheinungen, jedoch war sein Kurzzeitgedächtnis und das Sehen eingeschränkt. 1/2 Jahr nach dem Schlaganfall hat sich die zuvor latente Depression sehr verstärkt, so dass er 1/4 Jahr in einer psychiatrischen Klinik war. Dazu kam eine Angsterkrankung. Leider konnte die psychische Situation nicht wirklich verbessert werden. Aufgrund der Einschränkung des Kurzzeitgedächtnisses war eine Gesprächstherapie nicht möglich, denn zwischen den Sitzungen hatte er immer alles wieder vergessen. So konnte die Psychotherapeutin lediglich helfen, bestimmte Situationen zu meistern, z.B. wenn wir längeren Besuch bekamen. Er hatte immer Angst, dass er es nicht aushält, wenn der Besuch dann aber da war, hat er es genossen. Bis zum nächsten Besuch hatte er dies jedoch auch wieder vergessen, so dass alles wieder von vorn begann. So war es mit allem. Ich kam kaum noch raus und Freundschaften lösten sich auf, wobei meine Freundinnen, die ich überwiegend über die Arbeit kennengelernt habe, viel Verständnis dafür haben und sich immer wieder melden.

Wir haben also bis dahin unser Leben Stück für Stück verloren.

Im April diesen Jahres fielen dann deutlich erhöhte Lipasewerte auf. Man ging zunächst von einer Pankreatitis aus. Mein Mann war 3 Wochen im Krankenhaus und unter der Therapie besserten sich die Werte. Im Mai jedoch bekam er eine Gelbfärbung, so dass ein Gallengangsverschluss vermutet wurde. Er kam wieder ins Krankenhaus. Zunächst konnte weder mittels ERCP, CT oder Kernspintomographie eine Diagnose gestellt werden, da jedoch die Tumormarker leicht erhöht waren, bestand schon der Verdacht auf eine Krebserkrankung. Nach ca. 14 Tagen wurde dann in einem anderen Krankenhaus ein s.g. Endoschall durchgeführt. Direkt im Anschluss daran wurden wir mit der Diagnose Pankreaskopfkarzinom konfrontiert, wobei mein Mann aufgrund seiner eingeschränkten Möglichkeiten dies zunächst gar nicht so realisiert hat. Er wurde dann nach Bochum verlegt, wo zunächst weitere Untersuchungen gemacht wurden, da mein Mann aufgrund seiner vielen Vorerkrankungen ein deutlich erhöhtes OP-Risiko hat. Am 20.06.2005 dann die OP, die er eigentlich recht gut überstanden hat. Da jedoch der Tumor wichtige Gefäße ummauert hat und es immer wieder zu Blutungen kam, wurde die OP verkürzt. Wenigstens konnten die Gallenwege und auch den Magenausgang verlegt werden, so dass es von der Seite keine Beschwerden mehr gab.

Eigentlich war im Anschluss eine Chemo geplant, da jedoch zunächst die Wunde nicht heilte (eigentlich hat es bis heute gedauert), konnte damit nicht begonnen werden, zumal mein Mann körperlich in einem sehr schlechten Zustand war. Als er nach Hause kam, war er ein kompletter Pflegefall. Er erholte sich langsam, jedoch seine Psyche verschlechterte sich zunehmend. Es hat fast 3 Monate gedauert, bis ich ihn überreden konnte, mit vor die Tür zu gehen. Dem schönen Wetter im Oktober sei dank. So waren wir jedoch Tag Eis essen und Leute gucken. Ich war so froh, weil ich mir wünschte, dass sich seine Lebensqualität doch noch wieder verbessert und wir noch einige Tage geniessen könnten. Von seiten der Krebserkrankung geht es ihm eigentlich noch recht gut und er hat "nur" die nach einer solchen Operation üblichen Verdauungsbeschwerden. Vor ca. 3 Wochen ist auch noch der Bruder meines Mannes an einem Herzinfarkt plötzlich gestorben. Wir hatten zwar nicht viel Kontakt, aber trotzdem hat es vor allem meinen Mann und natürlich seine Mutter (82 J) schwer getroffen.
Vor ca. 1 1/2 Wochen erlitt er einen weiteren kleinen Schlaganfall. Seitdem hat er sich wieder sehr verändert. Er wirkt sehr verwirrt, wobei dies auch eine Folge von den vielen Medikamenten in Verbindung mit den Durchblutungsstörungen sein kann.

Obwohl er lebensbedrohlich an Krebs erkrankt ist, steht diese Erkrankung im Hintergrund, da wir nicht darüber reden können und er jetzt immer mehr vergisst.

Aufgrund seiner langen Krankheitsgeschichte und der damit verbundenen Einschränkung unserer Lebensqualität glaube ich schon, dass ich loslassen werde können. Sicher habe ich Angst vor dem Weg, aber ich habe meinen Mann nie im Stich gelassen und werde es jetzt auch nicht tun, obwohl ich vieles allein machen muss, denn meine Familie wohnt weit weg und die Mutter meines Mannes unterstützt micht zwar, ist aber mit ihren fast 83 Jahren und dem jetzt erlebten auch nicht mehr so belastbar.

Ich hoffe, die Geschichte ist nicht zu lang geworden, aber es tat sehr gut, sie einfach mal aufzuschreiben.

Ich habe schon viel im Forum gelesen und finde die gegenseitige Unterstützung absolut klasse. Ich weiß, dass mein Bericht nicht dazu geeignet ist, Mut zu machen, aber vielleicht findet sich jemand in einer ähnlichen Situation, der/die gern darüber sprechen möchte.

Krabbe
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  #2  
Alt 27.11.2005, 22:09
Benutzerbild von DaskleineÄnnchen
DaskleineÄnnchen DaskleineÄnnchen ist offline
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Standard AW: Demenz, Depressionen und Krebs

Hallo Krabbe....
oh man, ihr habt ja wirklich viel durchmachen müssen und müsst es immer noch....
Mein Vater hat vor drei Monaten die Diagnose Krebs bekommen, er konnte damit nicht umgehen, wurde zunehmend depressiver.....
Am 10.11. dann der Suizidversuch...ich konnte ihn retten, aber er wurde ebenfalls in eine Psychiatrie eingewiesen. Dort ist er seit zwei Wochen und es geht ihm langsam aber sicher besser....
Das war die Kurzfassung meiner Geschichte...
Ich finde es auch toll dass es den Krebskompass gibt, ich bekomme hier unheimlich viel Unterstützung und kann mir alles von der Seele schreiben...
Ich wünsche dir viel Kraft....
Anna
__________________
Dies ist ein
Akt der Verzweiflung
Ein stummer Schrei
Eines Menschen voller Leid und
seiner Wunde die nicht heilt
Es ist ein
letzter Kampf gegen das woran es liegt
Wie ein Vogel mit nur einem Flügel der bestimmt nicht fliegt
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  #3  
Alt 28.11.2005, 20:43
Krabbe Krabbe ist offline
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Standard AW: Demenz, Depressionen und Krebs

Liebe Anna,

vielen Dank für deine lieben Zeilen. Man kann schon verstehen, dass eine solche Diagnose voll in die Psycho schlägt. Bei meinem Mann bestanden ja schon vorher Depressionen. Es war uns sofort klar, dass er nicht kämpfen konnte. Dazu hatte er einfach keine Kraft. Also versuchen wir, es ihm so gut wie möglich gehen zu lassen. Er ist halt viel auf Hilfe angewiesen, da er durch die zunehmende Demenz alles vergißt. Außerdem ist er manchmal hypernervös, was mich dann auch nervös macht, dabei nimmt er schon jede Menge Psychopharmaka und Beruhigungstabletten.

Es ist halt schwer, da es auch mein Leben so einschränkt, da ich nur zur Arbeit rauskomme. Jetzt ist mein Mann noch einmal aufgestanden, so dass ich erst einmal Schluss machen muss.

Vielen Dank noch einmal und ich drücke deinem Vater die Daumen, dass er die Kraft für diesen Kampf findet.

Liebe Grüße

Krabbe
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  #4  
Alt 29.11.2005, 12:50
sanne2 sanne2 ist offline
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Standard AW: Demenz, Depressionen und Krebs

Hallo Krabbe,
da hast Du ja einiges zu "meistern"!
Dein Mann ist wirklich sehr krank, dazu noch dement, da frage ich mich, wo Du die Kraft hernimmst das alles zu bewältigen?
Helfen kann ich Dir nicht und in einer ähnlichen Situation bin ich auch nicht.
Mein Mann ist vorletztes Jahr an Krebs erkrankt, es geht ihm aber wieder gut.
Ich stelle es mir sehr schwer für Dich vor, vor allem ist es sicher sehr anstrengend für Dich, gerade durch die Demenz Deines Mannes.
Da ich Dein Jahrgang bin und mich noch immer sehr jung fühle, frage ich mich wie Du dich in dieser Situation fühlst?
Wer kümmert sich denn um Deinen Mann wenn Du arbeiten gehst?
Kann er alleine bleiben?
Liebe Grüße!
Sanne
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  #5  
Alt 29.11.2005, 19:37
Krabbe Krabbe ist offline
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Standard AW: Demenz, Depressionen und Krebs

Liebe Sanne,

es freut mich, dass es deinem Mann wieder gut geht ud ich hoffe, ihr genießt das Leben.

Tja, wie fühle ich mich eigentlich? Meistens verdränge ich es wohl, da es sonst nicht auszuhalten wäre. Ich arbeite 6 Stunden täglich und nach sehr viel Ärger im Büro hat es sich aufgrund der Krebserkrankung dort wenigstens beruhigt. Sie nehmen sehr viel Rücksicht auf meine Situation und ich kann recht flexibel arbeiten. Eigentlich müsste ich bis 14.00 Uhr arbeiten, aber um 13.30 Uhr ruft Matthes an, wann ich denn nach hause komme. Mit der Wahlwiederholung klappt es noch. Wir wohnen mit meiner Schwiegermutter in einem Haus und sie schaut morgens nach ihm, wobei er die meiste Zeit, wenn ich weg bin im Bett liegt.

Wenn ich zu hause bin, dreht sich aber alles um seiner Krankheit, wobei die Krebserkrankung sehr im Hintergrund steht. Häufig beschäftigt er sich mit seinem Blutdruck, denn er manchmal in Minutenabstand misst oder jetzt auch um die Blutzuckerwerte, die aufgrund der Krebserkrankung jetzt ansteigen. Anfangs habe ich immer versucht, die Messungen hinauszuschieben, aber die Diskussionen kosten so viel Energie, die ich gar nicht mehr habe. Er hat schon ganz zerstochene Fingerkuppen.

Da Problem ist, dass ich nur noch das Leben von Matthes lebe und meins ganz auf der Strecke geblieben ist. Von daher ist es für mich auch sehr wichtig, dass ich arbeiten gehe. Wenigstens ein Stück "gesundes Leben". Ich fühle mich natürlich auch noch jung (sind wir ja auch noch!) und vieles fehlt mir auch, so z.B. ein Besuch bei meinen Eltern, die leider weiter entfernt leben.
Endlich mal wieder am Strand rumtoben und mal so richtig ausgelassen sein, das wär schon was. Meine Geschwister, die leider auch alle nicht in der Nähe leben, besuchen uns jetzt in unregelmäßigen Abständen und vorletztes Wochenende waren meine Eltern da. Das war richtig schön.

Mal sehen, am Samstag habe ich Konzertkarten für Runrig (machen schottischen Folkrock), hoffe, dass ich hingehen kann, mal einmal wieder abschalten.

Ich hoffe, das war jetzt nicht zu ausführlich, manchmal quell ich einfach über und es tut gut hier zu schreiben.

Liebe Grüße und weiterhin alles erdenklich gute für euch

Krabbe (im wirklichen Leben Maike, aber der Name war schon vergeben und auf die Nummerierung bin ich nicht gekommen)

Geändert von Krabbe (29.11.2005 um 19:39 Uhr)
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  #6  
Alt 11.12.2005, 17:06
Krabbe Krabbe ist offline
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Unglücklich AW: Demenz, Depressionen und Krebs

Hallo,

heute muss ich mal was schreiben, da ich sonst platze.

Es ist im Moment so schwer. Matthes ist so auf seinen Blutdruck fixiert, der eigentlich nie so schlecht ist, aber er misst ihn andauernd, manchmal im Abstand von 1 min. Hinzu kommt, dass er ja immer sofort wieder vergisst, wie hoch der Wert jetzt war. Gestern hat er dann mit dem zweiten Gerät immer noch mal gegengemessen, ob die Werte auch korrekt sind. Ich weiß, dass es eine Zwangshandlung ist, aber trotzdem fällt es mir schwer es hinzunehmen, da es mich so traurig macht, das er die ihm verbleibende Zeit nicht besser nutzen kann.

Auch ist es so schwer, dass ich kaum weg kann. Wenn ich nur mit dem Hund spazieren gehe, geht nach 1/2 Stunde das Handy, wann ich denn wieder zurück sei. Mit dem Konzert hat es nicht geklappt, aber das läuft mir ja nicht weg. Da ich ja arbeite, geht spätestens um 13.00 Uhr das Telefon, ob ich nicht nach hause kommen könne.Das führt dazu, dass ich immer ein schlechtes Gewissen habe. Gehe ich, habe ich ein schlechtes Gewissen meinem Arbeitgeber gegenüber, bleibe ich, habe ich es Matthes gegenüber. Es geht schon über so viele Jahre so. Jedes Weggehen ist mit Kampf verbunden und immer ein schlechtes Gewissen. Es kostet viel Kraft und
manchmal ist es wirklich schwer zu ertragen und heute ist so ein Tag.

Morgen bekommen wir die Blutwerte der letzten Untersuchung. Beim Ultraschall ist der Tumor weiter gewachsen, was ja auch zu erwarten war. Matthes fragt wenig nach und manchmal denke ich, er lenkt sich mit seinen Blutdruckmessungen von der Krebserkrankung ab.

Am Telefon kann ich kaum darüber reden, da Matthes es förmlich riecht, wenn ich telefoniere und mir dann auch nicht von der Seite weicht.

Es tat gut, es einfach niederzuschreiben.

Wünsche allen alles gute und trotz aller Widrigkeiten einen schönen 3. Advent.

Maike
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