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  #1  
Alt 30.08.2012, 13:21
Jaecky Jaecky ist offline
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Ort: Land Brandenburg
Beiträge: 454
Standard Am 25.07.12 haben wir verloren

Hallo,

ich hatte bereits im Angehörigen-Forum einen Thread mit dem Namen "Ich habe solche Angst". Nun gehöre ich aber hier her und hab mich entschlossen einen neuen zu öffnen, das mit dem Verschieben nicht geklappt hat.

Nun zu meiner Geschichte.

Am 25.07.12 um 15.00 Uhr hat mein Papa diesen elendslangen und grausamen Kampf gegen den Krebs verloren. 2006 bekam er die Diagnose Multiples Myelom und 2009 kam dann noch das Myelodysplastisches Syndrom dazu. Er hat alles ertragen - von Bestrahlung über Chemo, von Stammzellentransplantation bis hin zur Hochdosischemo, Bluttransfusionen, Thrombozytenzugabe usw. Nie hat er gejammert oder sich selbst bemitleidet. Er war so unheimlich stark und hat so sehr gekämpft. Sogar auf der Palliativstation hat er zu den Schwestern noch gesagt, wenn sie ihn fragten wie es ihm ginge, ach mir gehts gut. Und nun? Ist er tot.

Seine letzten 6 Tage waren sehr schlimm. Er hat nur geschlafen, konnte nicht mehr aufstehen, hat nichts gegessen oder getrunken. Mama war die ganze Zeit bei ihm und ist nur zum Schlafen nach Hause gefahren. Mein Bruder und ich sind jeden Tag hin gefahren und waren bis abends bei ihm. Jeden Tag sagten die Ärzte, wir müssen uns drauf vorbereiten. Drauf vorbereiten, kann man das? Ich denke nicht.

Am 24.07. hat Papa dann angefangen zu röcheln, so als ob er Schleim im Hals hätte. Ich hab ihn dann immer gesagt, dass er mal abhusten möchte - hatte nicht geahnt, das er dass nicht mehr kann. Nächsten Tag (25.07.) kamen mein Bruder und ich dann gegen 14.00 bei ihm an. An der Tür klebte ein Zettel, dass sich Besucher bitte bei der Schwester melden möchten, bevor sie rein gehen. Da bekamen wir schon so Herzklopfen. Die Schwester sagte uns dann, das Mama drin sei und wir uns bitte nicht erschrecken sollten. Naja dachten wir, wir haben in den letzten Tagen so einiges gesehen, da haut uns nichts mehr so schnell um. Irrtum!!! Wir kamen rein und sind aus allen Wolken gefallen. Papa lag in seinem Bett hat total geröchelt (sowas hab ich noch nicht gehört) wurde mit Sauerstoffmaske beatmet und ihm ist das Blut nur aus dem Mund gelaufen. Oh mein Gott - wie schlecht kann ein Mensch sein, dass er sowas ertragen muss? Mein Papa war gewiss kein schlechter Mensch, alle mochten ihn und er nie jemandem etwas getan! Wieso nur. Er hat so gekämpft, auch noch an diesem Tag. Wir waren alle da, Mama, mein Bruder, mein Mann, Mamas Schwester und Mutter und ich. Er wollte nicht loslassen. Aber so kurz vor 15.00 wurde seine Atmung immer ruhiger und die Pausen immer größer. Ich seh es immernoch vor mir. Als er dann einschlief, hat er ganz ruhig seine Augen geschlossen und aufgehört zu atmen. Danach durften wir noch 2 Stunden bei ihm bleiben, haben mit ihm gesprochen, ihn gestreichelt und geküsst. Als wir dann gehen mussten, fiel es uns sehr schwer. Es tat so weh ihn allein zu lassen, aber es tat uns auch gut bei ihm zu sein als er eingeschlafen ist. Ein letztes Mal gab ich ihm einen Kuss auf die Stirn.

Es tut so weh. Heute wäre er 63 geworden. Letztes Jahr haben wir noch seinen Geburtstag gefeiert und es ging ihm einigermaßen. Und nun??? Nun bring ich ihm heute Blumen und meine Jungs haben ihm ein schönes Bild gemalt, dass sie ihrem Opi nachher an seinem Stein legen wollen. Es tut so weh. Wir kommen noch nicht zurecht.

Am Wochenende müssen wir nun wieder auf eine Beerdigung, da genau eine Woche nach Papas Beerdigung sein Bruder gestorben ist. Wir wollten doch nur ein bisschen zur Ruhe kommen und nun kommt alles wieder hoch.

Liebe Grüße
Jäcky
__________________
mein liebster Papa
seit 2006 Multiples Myelom
seit 2009 Myelodysplastisches Syndrom

Nach langem, schmerzvollem Kampf am 25.07.12 um 15.00 Uhr im Kreise seiner lieben Familie eingeschlafen.

Papi, wir lieben dich so sehr! Für Immer und Ewig!

Hand in Hand - gemeinsam sind wir stark!!!
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  #2  
Alt 30.08.2012, 14:08
monika100 monika100 ist offline
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Beiträge: 1.780
Standard AW: Am 25.07.12 haben wir verloren

Liebe Jäcky,

es wird bestimmt mehrere Leute hier geben, die auch im Hinterbliebenen-Forum bei dir bleiben

Als ich deinen Beitrag gerade gelesen habe, ist mir nochmal so richtig klar geworden, welche lange Zeit dein Papa gekämpft hat. Er war schon sehr tapfer, lange Zeit, aber jetzt war es auch genug, er brauchte jetzt einfach seine Ruhe.

Ich hoffe, ihr kriegt den Tag heute rum. Vielleicht meldest du dich heute abend nochmal.

LG Monika
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  #3  
Alt 30.08.2012, 17:17
Benutzerbild von AnnaSue
AnnaSue AnnaSue ist offline
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Beiträge: 83
Standard AW: Am 25.07.12 haben wir verloren

Liebe Jäcky!

Ich verstehe Dich so gut. Die Bilder ähneln sich doch sehr..
Tut mir so sehr leid, dass Du Deinen Papa verloren hast. Es ist schwer zu ertragen, nicht wahr? Trotzdem: Ihm geht es jetzt ganz bestimmt besser, er hat keine Schmerzen mehr. Auch, wenn das immer wieder sehr platt klingt und nur ein schwacher Trost ist für uns "Zurückgebliebene"...ich glaube fest daran.

Für Dich und Deine Familie wünsche ich mir, dass Ihr Menschen um Euch habt, die Euch Kraft und Halt geben, den Weg der Trauer liebevoll begleiten.
Mir persönlich helfen am meisten meine Kinder... wenn sie nicht wären, würde ich vermutlich noch mehr in dieses blöde, schwarze Loch gezogen!

Ich wünsche Dir alles Liebe und alle Kraft dieser Welt!

Stiller Gruß,
AnnaSue
__________________
Mama, ich hab' Dich lieb.
Für immer und immer...
08.10.1951 - 08.07.2012



Meine Mama: Diagnose EK 30.04.2012 - zu den Sternen gereist am 08.07.2012
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  #4  
Alt 30.08.2012, 19:55
Benutzerbild von Mirilena
Mirilena Mirilena ist offline
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Standard AW: Am 25.07.12 haben wir verloren

Liebe Jäcky,

auch wenn heute einer dieser besonders schweren Tage für euch war... Ich hoffe, dass ihr gemeinsam zumindest einen schönen Moment hattet... Der erste Geburtstag ohne deinen Vater muss sich schlimm anfühlen. Da kommen dann so viele Erinnerungen hoch an vergangene, unbeschwerte und schöne Feiern, die ihr hattet und die Wehmut und Sehnsucht wird sicherlich übermächtig sein.
Aber wie ich euch einschätze, konntet ihr euch gegenseitig Halt geben und vielleicht konnten deine beiden Jungs dich ja auch ein wenig ablenken. Und ich bin mir sicher, dass dein Papa heute bei euch war, auch wenn ihr ihn nicht sehen konntet.

Ich drücke dich
Miri
__________________
Mein Papa erhielt am 18.04.11 die Diagnose Lungenkrebs mit Knochenmetastasen und ging am 21.02.12 ins Licht. Alles vergeht, aber die Liebe bleibt...

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  #5  
Alt 31.08.2012, 07:34
carla44 carla44 ist offline
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Standard AW: Am 25.07.12 haben wir verloren

Liebe Jäcky,

ich bleibe natürlich auch hier an Deiner Seite.

Wenn ich Deinen ersten Beitrag hier noch mal so lese, dann weiß ich erst mal wieder, wie sanft mein Papa doch eingeschlafen ist. Es ist schwierig, dafür die richtigen Worte zu finden, weil ich nicht sagen will, dass wir das richtig gut hatten im Verhältnis zu Euch. Denn was ist am Sterben schon gut?

Nur, bei uns war es so ruhig, doch sehr friedlich, kein Blut, kein Röcheln, nur diese Atempausen, seine eigene Unruhe, das Suchen der Hände nach Halt, der Blick, ohne uns wirklich ansehen zu können...

Den Schreck beim Betreten des Zimmers, daran kann ich mich auch noch sehr genau erinnern. Auch wenn ich erst um Mitternacht gegangen war, waren das doch Welten, die dazwischen lagen. Er sah ganz anders aus, die Schwestern hatten sein Zimmer dekoriert (Kerze, kleine Engelsfiguren, die Kiste mit Büchern, Bibeln, MusikCDs..) Das hat mich in dem Moment wie ein Schlag getroffen und ich habe einige Minuten gebraucht, um zu realsieren, was gerade vorgeht. Und dabei wußte ich das doch schon seit gestern, dass er auf dem Weg ist...

Diese Bilder werde ich nie vergessen.

Liebe Jäcky,
ich hoffe, Ihr habt den Tag gestern überstanden und konntet vielleicht einen Moment lang an einen schönen Tag mit Deinem Papa denken, vielleicht ein bißchen in dieser guten Erinnerung verweilen und die positiven Gefühle dieser Zeit in Euch wieder wachrufen.So sehr Du ihn auch vermisst, diese ganzen guten Jahre werden auch bleiben und langsam wieder an die Oberfläche kommen, damit es nicht immer nur weh tut, wenn Du an Deinen Papa denkst. Aber das braucht Zeit, viel Zeit.
Einen ganz lieben Gruß von mir.
Carla
__________________
Mein lieber Vati ist am 17.7.2011 um 16.30 Uhr in meinen Armen friedlich eingeschlafen.

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  #6  
Alt 03.09.2012, 14:55
Jaecky Jaecky ist offline
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Standard AW: Am 25.07.12 haben wir verloren

So, Papas Geburtstag haben wir einigermaßen überstanden. Ich war mit Mama und den Jungs bei Papa. Wir haben die selbstgemalten Bilder hin gelegt und schöne Blümchen hin gestellt. DIe Jungs waren sehr stolz, dass sie im Blumenladen ihre Blumen alleine aussuchen durften. Danach sind wir noch mit zu Mama gefahren und haben auf Papa angestoßen. Es hat weh getan aber es war auch nicht so schlimm, wie ich es vermutet hatte.

Samstag waren wir nun bei Papas Bruder zur Beerdigung. Oh mein Gott, es war sehr schlimm. Der gleiche Redner, die fast gleiche Rede. Ist ja klar, sie hatten die gleichen Eltern, wohnten immer im gleichen Dorf, haben uns als Kinder damals in der Feuerwehr trainiert usw. Mama ging es furchtbar, sie hatte das Gefühl sie ist auf Papas Beerdigung. Bei Papas Beerdigung hatte sie es noch nicht so richtig realisiert, es ist einfach nur an ihr vorbei gezogen. Aber nun, da Papas Stein da ist - es ist so wirklich, so real, so endgültig. Ich kann das gar nicht so genau sagen, Papa seine Beerdigung war für mich auch unheimlich schlimm aber Samstag, war natürlich alles wieder da. Grauenvoll. Der älteste Bruder meines Papas und Onkels war auch unmöglich. Ich hab in der Trauerhalle vor ihm gesessen und als es dann ans raus gehen ging, hat er mich zur Seite geschuppst, damit ich ja nicht vorgehen kann. Ich weiss schon was sich gehört, das der Bruder als nächster geht und meine Mama als "übrig gebliebene" Schwägerin dahinter. Dann hat er noch so geweint, genau wie meine Cousine mit ihrem Mann - dass ich nicht lache. Bei Papa haben sie keinerlei Regung gezeigt, aber Samstag wollten sie heulen? So viel Heuchelei ist doch echt zum k..... Wer solche Leute in der Familie hat, braucht echt keine Feinde. Für mich sind die gestorben. Es tut mir für meinen Papi so leid, so was falsches.

Es ist auch erstaunlich, wie viele vom Dorf doch zu einer Beerdigung gehen um zu glotzen. Echt erstaunlich und so taktlos. Da waren Leute aus dem Dorf, die hatten nie ne Beziehung zu ihm und wollten heulen. Ich bin so froh, dass wir es in der Woche gemacht hatten. Bei Papa sind wirklich diejenigen gekommen, die ihn gern hatten und wirklich kommen wollten und nicht irgendwelche, die gucken wollten ob wir weinen oder nicht.

Wir waren dann noch mit zum Kaffee trinken. Aber als uns dann ein paar Dorfbewohner umarmt haben, war es vorbei - wir konnten das nicht, sind nach Hause gegangen. Wie kann man sich danach nur den Bauch voll schlagen und so einfach zur Tagesordnung übergehen???

Aber wir haben das auch erstmal wieder geschafft - zusammen. Ich hoffe wir kommen nun auch mal ein wenig zur Ruhe und können unsere Gefühle ordnen.

Liebe Grüße
Jäcky

Mein liebster Papi,
nun hast du deinen Bruder auch bei dir. Ich hoffe, ihr könnt gemeinsam Zeit verbringen. Papi, du fehlst uns so sehr und wir sind traurig. Warum konntest du nicht einfach bei uns bleiben? Ich weiss, dir geht es jetzt besser den je und bist glücklich und ich weiss ja, wir werden uns wiedersehen. Aber trotz all dem vermissen wir dich sehr. Mama braucht dich so sehr und wir natürlich auch. Hilf ihr ein bisschen, dass sie das einigermaßen übersteht.
Mein lieber Papi, ich liebe dich so sehr.
Deine Jäcky
__________________
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