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  #1  
Alt 13.06.2010, 17:32
Gittylein Gittylein ist offline
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Standard Immer noch ein wenig Gewissensbisse

Hallo,

meine Gedanken kreisen immer noch darum, warum ich am vergangenen Donnerstag nicht zu meinem Vater ins KH gefahren bin.
Ich war am Mittwoch dort, habe mich dort von ihm verabschiedet, ihn gedrückt und gefragt, dass ich gehe, ob das okay ist, er müde ist. Dann habe ich noch mal gefragt, ob ihn der Besuch angestrengt hat, ich gehe jetzt... Er hat wieder zugestimmt.
Er hatte auch ein Mal, nachdem seine Hand die ganze zeit schlaff in meiner lag, kurz meine Hand gedrückt. Mein Sohn meinte, er hatte, als ich mich vom Bett erhoben und "tschüs" gesagt hatte, den Finger gehoben...

Ich habe ihm auch gesagt, dass ich am nächsten Tag wiederkomme.
Aber ich war selebr ziemlich erschöpft, schon lange Zeit, die Hitze dazu, ich muss mit dem Zug und der Straßenbahn ins KH faheren.. alle haben mir abgeraten und gemeint, ich gehe doch Freitag früh hin, mein Vater schläft eh zu 98% am Tag und er konnte auch die Zeiten und Tage nicht mehr einordnen.
Ich habe dann am Donnerstag morgens und am späten Nahcmittag angerufen, ob sich sein Zustand verschlechtert hat. Das wurde von der Schwester und der Ärztin verneint, es würde nicht so eilen, ich soll am Freitag kommen.

Freitag kurz nach 7 Uhr kam dann der Anruf, dass mein Vater gegangen sein.
Ich wäre nach 9 Uhr im KH gewesen.


Nun quält mich immer wieder der Gedanke, warum ich nicht noch mal am Donenrstag dort war.
An dem Tag ging es meinem Vater wohl am Morgen noch einmal etwas besser, meinte die Ärztin. Sie hat ihm wohl gesagt, dass seine Töchter am nächsten Tag kommen würden.
Sein Zustand hat sich dann in den Morgenstunden zum Freitag drastisch verschlechtert und er war so unruhig, dass man ihm 2 Spritzen gegeben hat. Damit ist er dann schlafend in den Tod übergeglitten.
Seinm Gesicht sah entspannt aus, die Hände waren locker.

Einerseits sage ich mir, er hat sich irgendwie schon von mir verabschiedet, obwohl er sehr abwesend und schwach war, mich auch nicht mehr angesehen hat (die ärztin meinte aber, er hat bis zuletzt alles verstanden, war klar im Kopf), andererseits sage ich mir, warum war ich nicht noch mal am Donnerstag bei ihm, habe ihn an dem Tag allein gelassen ..
Er wusste zwar, dass ich nicht jeden Tag ins KH kann und ich habe ihn zu Hause betreut und seit Bekanntwerden der Krebserkrankung viel für ihn getan, zumal er in meinem Haus wohnt... aber das Gewissen schläft nicht...
__________________
Viele Grüße

Gittylein


Mutter: gest. 2003 an BSDK
Vater: gest. 11.06.2010 Enddarmkrebs, Metastasen Leber, Lunge
Mann: Melanom in situ: OP 02.2008
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  #2  
Alt 14.06.2010, 02:16
Boxerhund1 Boxerhund1 ist offline
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Standard AW: Immer noch ein wenig Gewissensbisse

hallo Gittylein,

mach dich frei von Schuldgefühlen. Wenn man vorher wüßte, was man hinterher weiß, würde man vorher anders handeln. Aber... wir sind alle keine Hellseher.
In der Nacht, als meine Mutter starb, war ich um halb 3 - wie jede Nacht - nochmal bei ihr gewesen. Sie hat ruhig geatmet. Morgens um 7 kam der Pflegedienst - da war sie schon gegangen.
Hätte ich gewußt, daß es diese Nacht passiert, wäre ich auch nicht schlafen gegangen. Aber.. auch ich bin kein Hellseher.

Ja.. hinterher fragt man sich, warum man nicht... aber solche Fragen sind nicht hilfreich. Es gibt keine Antworten darauf. Oder doch.. es gibt eine: Man konnte es nicht wissen.

Denke, du kannst ein gutes Gewissen haben. Hast alles dir mögliche getan. Mehr kann keiner tun. Und was man nicht wissen kann, das kann keine Schuld bedeuten im Nachhinein - und damit auch kein schlechtes Gewissen.

Ich weiß, es ist schwierig, diese quälenden Fragen abzublocken. Grad wenn es noch ganz frisch ist. Aber man muß es tun. Sonst geht man selber irgendwann kaputt. Dein Vater würde das für dich ganz sicher nicht wollen, oder?
__________________
Liebe Grüße, Cori

Als Angehörige kam ich, als Hinterbliebene blieb ich.

Mama: 4.10.1924 - 29.6.2009
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  #3  
Alt 14.06.2010, 09:18
Schnucki Schnucki ist offline
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Standard AW: Immer noch ein wenig Gewissensbisse

Liebe Gittylein,

ich kann Dir da wirklich nachempfinden.

Meine Mami starb vor bald 3 Jahren. Sie war immer sehr darauf bedacht, dass sie mir nicht zur Last fällt .... war ich bei ihr in der Klinik (die war 100 km weg - war aber egal, sie fühlte sich da wohl) wollte sie immer, dass ich bald wieder fahre und mich um meine Familie kümmere.

An einem Mittwoch war meine Mami dann auf einmal wieder klar (sie hat vorher viel halluziniert und geschlafen) und meinte, es wäre bald soweit. Am Freitag dann: Es dauert nicht mehr lange. Am Samstag konnte ich sie telefonisch nicht mehr erreichen, aber die Schwestern, am Sonntag fuhr ich zu ihr. Ich sah sie - und wußte, sie würde an diesem Tag oder Nacht sterben.

Ich wußte nicht, was ich tun sollte. Sie war ruhig, bis ich da war. Und dann trotz Medis nicht mehr. Wir hatten vorher schon viel über den Tod und das Danach gesprochen, zwischen uns war alles klar, sie wußte, sie dürfe gehen.

Einerseits wollte ich ihr beistehen - andererseits wollte ich es ihr nicht schwermachen - nach dem Motto: Geh jetzt bitte, schau Dir das nicht an, fahr zu Deiner Familie ...... die Schwestern rieten mir zu gehen, damit sie ruhiger wird.

Sie war dann auch ruhig und starb in der Nacht.

Aber auch bei mir flackert es immer wieder auf: Warum bist Du nicht bei ihr geblieben?

Andererseits schickte sie mich immer wieder weg .... hätte sie es überhaupt gewollt, dass ich dageblieben wäre? Oder hätte sie ihr Sterben verzögert? Nur, damit sie mich schont?

Ich weiß selbst, es ist müßig, darüber nachzudenken, es führt zu keinem Ergebnis. Trotzdem ereilen mich immer mal wieder diese Gedanken.

LG
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  #4  
Alt 14.06.2010, 11:11
Gittylein Gittylein ist offline
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Standard AW: Immer noch ein wenig Gewissensbisse

Hallo,

ja, ich weiß... mein Verstand sagt mir, es ist so, wie Ihr schreibt.
Aber Verstand und Gefühl gehen oft nicht Hand in Hand miteinander...
Was mich auch sehr beschäftigt ist, dass mein Vater 2 Spritzen gebraucht hat, weil er so unruhig war. So die Ärztin. Beruhigungsspritzen.
Erst dann ist er ruihg vom Schlaf ind en Tod übergeglitten.
Hatte er Schmerzen? Er hatte zuvor trotz massiver Lebermetastasen nie welche, nur ein schwaches Schmerzpflaster gehabt.
Hatte er Angst? Obwohl er immer gemeint hat, es ist sowieso aus und vorbei, es gibt nichts mehr nach dem Tod.
Hat er auf mich und meine Schwester warten wollen? Ist er durch die Spritzen dann schneller eingeschlafen, weil man die Dosis ja sicher kaum richtig berechnen kan in einem solchen Zustand. Und er hat gleich 2x eine Spritze zum Beruhigen gebracht, so die Ärztin.
Die Schwester zuvor hat gemeint, er wäre ruhig eingeschlafen, im Schlaf.
Man wollte uns sicher beruhigen...
Hat mein Vater die Unruhe gehabt, weil meine Schwester und ich nicht da waren? Weil meine Schwester gar nicht mehr da war, seit er im KH war?
Sie hatte eine schwere OP und sich erst am Freitag getraut, kurz "Urlaub" aus dem KH zu nehmen, um sich beim Vater zu verabschieden.
Wenn sie an den WE zu Besuch kam, war es imerm irgendwie zu spät. Mein Vater hatte die "Macke" imemr vorwurfsvoll auf die Uhr zu schauen und zu mecker, wieso sie erst so spät zu Besuch kommen. Er musste einfach meckern ... :-)
Und nun kam sie, kamen wir beide zu spät...

Sie kommt damit besser klar als ich, obwohl ich mich irgendwie verabschiedet habe... aber ich hätte am Donnerstag...
Ja ich weiß, hätte man doch ...

Seufz..
__________________
Viele Grüße

Gittylein


Mutter: gest. 2003 an BSDK
Vater: gest. 11.06.2010 Enddarmkrebs, Metastasen Leber, Lunge
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  #5  
Alt 15.06.2010, 23:18
Gittylein Gittylein ist offline
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Standard AW: Immer noch ein wenig Gewissensbisse

Ist diese Unruhe vor dem Tod eher normal?
Habt Ihr das auch alle erlebt oder davon gehört?
Mein Vater bekam sogar 2 Spritzen zur Beruhigung, wurde mir gesagt. Dann erst ist er eingeschlafen.
Jetzt denke ich, er wollte noch auf uns, seine Töchter, warten und nur durch die Spritzen ging es dann so schnell...
Vielleicht hätte er es noch geschafft, bis wir bei ihm gewesen wären.
Vielleicht hätte man uns früher Bescheid geben müssen, am Tag zuvor, dass wir ins KH kommen sollen...

Tausend Fragen, die in mir bohren.
__________________
Viele Grüße

Gittylein


Mutter: gest. 2003 an BSDK
Vater: gest. 11.06.2010 Enddarmkrebs, Metastasen Leber, Lunge
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  #6  
Alt 15.06.2010, 23:34
Boxerhund1 Boxerhund1 ist offline
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Standard AW: Immer noch ein wenig Gewissensbisse

hallo Gittylein,

ja... solche Unruhe gibt es - nicht immer aber ist doch nichts Ungewöhnliches.

Siehst... im allerletzten Stadium kurz vor dem Tod gerät der ganze Stoffwechsel auch endgültig aus den Fugen, der Blutzucker "randaliert", der Kreislauf "spinnt" - all das kann Unruhe auslösen, die aber der Sterbende u.U. selber gar nicht mehr bewußt wahrnimmt. Da man das aber nicht sicher weiß, hilft man mit Medikamenten nach.
Ich denke, du interpretierst viel zu viel da hinein. Sei dankbar, daß die Ärztin ihn am Ende so ruhiggestellt hat, daß er friedlich hinübergleiten konnte. 2 (!) Spritzen sagen zunächst nur aus, daß die 1. nicht ausgereicht hat. Das kann aber auch daran liegen, daß sie zunächst es mit sanfteren Medikamenten versucht haben und dann gesehen, daß es halt doch nicht ausreicht.

Du hast ein schlechtes Gewissen - und um dich selber weniger schuldig zu fühlen, suchst du jetzt die "Schuld" bei den Spritzen usw.
Keiner weiß, ob es noch 2 Stunden dauert oder 1 oder 2 Tage im allerletzten Stadium. Niemand kann das wissen oder voraussehen, wann der Zeitpunkt kommt. Die Ärztin nicht, die Schwestern nicht und du schon gar nicht.

Mach dich doch nicht selber so fertig! Du hast keine Schuld - du brauchst kein schlechtes Gewissen haben.
Sei doch froh, daß dein Papa am Ende ganz friedlich einschlafen durfte.
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Liebe Grüße, Cori

Als Angehörige kam ich, als Hinterbliebene blieb ich.

Mama: 4.10.1924 - 29.6.2009
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  #7  
Alt 15.06.2010, 23:40
Benutzerbild von IreenS
IreenS IreenS ist offline
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Standard AW: Immer noch ein wenig Gewissensbisse

Hallo Gitty,

meine aufrichtige Anteilnahme zum Heimgang deines Papas.

Nimm es nicht persönlich.
Die Unruhe deines Vaters kann ganz andere Ursachen gehabt haben
- nichts was mit dir - deiner Schwester zu tun hat.

Und die eine oder andere Frage sollte man sich einfach nicht stellen
- man bekommt darauf keine Antwort
- es ist einfach so.

Manches müssen wir einfach hin nehmen.

Alles Gute
Ireen
__________________
http://www.myvideo.de/watch/4892460/...ume_leben_ewig


Wolfgang *03.04.1947 - +18.10.2008

Christel *17.05.1950 - +12.04.2011
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