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  #31  
Alt 12.06.2007, 12:38
Maus_85 Maus_85 ist offline
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Standard AW: Panische Angst vor Metastasen

Servus!

Und wieder ist die Situation eine andere... im kern zwar noch die Gleiche, emotional gesehen aber eine Wende. Sie haben ihr wieder zwei Katheter in die Lunge gepiekt, weil schon wieder Wasser drin war. Es ist zum aus-der-Haut-fahren. Einen Schlacuh im Bauch hat sie auch, damit Bauchwasser abfließen kann. Übrigens hat sie lt. Histologie auch in der Lunge Zellen... Im Bauchwasser wahrscheinlich auch, doch dieser Befund steht noch aus. Genau das ist aber der springende Punkt: Zellen, keine Tochtertumore. Nur vereinzelte Zellen, die bei der OP ausgeschwemmt wurden. Und die muss man mit der Chemo bekämpfen, wenn sie nur endlich in einen weitgehend stabilen Zustand kommen würde.

Ich war am WE wieder nicht da, und ausgerechnet dieses WE muss es besonders schlimm gewesen sein. Mein Pap hat mich in zwei Tagen ca. ein Dutzend mal angerufen... Sie ist so verdammt schwach - meint man. ich muss ein bisserl ausholen: seit jeher habe ich geschrieben. Wenn eine Situation es erfordert, dass man miteinander redet, habe ich geschwiegen. Statt dessen habe ich geschrieben. Seitenlange Briefe. Wie oft ist es so, dass man so viel sagen möchte und wenn das Gespräch dann in vollem Gang ist, weiß man nicht mehr, was man alles sagen wollte, man bringt einfach nichts mehr raus oder der andere hört einem einfach nicht zu. Deshalb schreibe ich. Somit ist der andere gezwungen, mir zuzuhören. Und genau das hab ich am WE auch wieder getan. Ich hab meiner Mam einen Brief geschrieben. Drei Seiten lang. Den hab ich ihr am Sonntag, als ich sie wieder besucht hab, vorgelesen. Danach hab ich sie gefragt, wie Recht ich damit hab. Sie meinte, mehr Recht als ich mit meinen Worten kann man gar nicht haben. Die Wahl, ob sie ihn gleich hören möchte oder erst zu einem späteren Zeitpunkt hab ich ihr überlassen. Im Moment hängt ein Monitor am Fußende ihres Bettes, wo Puls, Blutdruck etc. angezeigt werden. Ich wollte ja nicht, dass sie sich unnötig aufregt und das Ding Alarm schlägt. Doch sie war ganz ruhig. So ruhig, dass eine Schwester bei der Kontrolle der Werte erstaunt stehen geblieben ist und meine Mam angestarrt hat. Sie meinte zu mir, dass sie so ruhig und aus tiefer inner Ruhe heraus schon lange nicht mehr gestrahlt habe. "Sie tun ihr so gut, wissen sie das eigentlich?" Das war ihr Frage. Was soll ich sagen? Ich weiß es. Ich habe seit jeher eine ungemein starke Bindung zu meiner Mam. Wir sehen uns an und es bedarf keiner Worte mehr. Deshalb weiß ich auch, wann ich was sagen muss und was. Ich weiß es einfach. Die richtigen Worte zur richtigen Zeit finden ist eine Gabe. Und ich danke Gott und allem anderen, dass ich diese Gabe habe. Nicht immer, ich bin ja auch nur ein Mensch. Gestern war`s auch wieder so. Ich hatte ihr am Vortag eine Flasche mit Heilquellwasser mitgebracht, die sie auch schon getrunken hat. Die Quelle ist in Welden im Allgäu, einem wunderschönen Fleckerl Erde. Gestern hab ich ihr Fotos mitgebracht, die ich letztes Jahr im Herbst in Welden gemacht hab, von den Wäldern und Wehern, die dort sind. Und wo auch die Quelle ist. Ich hab sie gefragt, ob wir da auch mal hinfahren, zusammen. Daraufhin hat sie meine Hand gedrückt, ganz fest, und JA!!!! geschrien, dreimal laut JA!!!! Das warein magischer Moment, das kann ich euch sagen. Dann hab ich ihr noch ein paar Fotos gezeigt, von Menschen, die auf sie warten. Von meinem Pap, uns dreien, ihrer Tante, Freunden - und ein Foto von ihr, aufgenommen letztes Silvester. auf dem Foto lacht sie herzlich, wunderschön schaut sie drauf aus. Ich hab gesagt, die wartet auch auf dich. Sie hat dasFoto angesehen und gemeint, so wolle sie wieder aussehen. Mit der Flache Augustiner im Vordergrund . Und so wird sie wieder aussehen. Ich hab ihr noch was gesagt. Sollte der Tag kommen, an dem sie mir sagt, dass nicht mehr kann (kräftemäßig) und auch nicht mehr will, dann würde ich sie gehen lassen. Ich wäre nciht erfreut darüber (ist ja wohl logisch), aber sie soll wissen, dass ich sie losließe. Damit sie ihren inneren Frieden findet. Und ich glaube, dass mir dankbar war, wie ich ihr das gesagt hab. Nicht dankbar, weil sie das ohnehin vorhatte, sondern dankbar, weil wir das für den Fall der Fälle geklärt haben. Es war zwar verdammt schwrer, ihr das zu sagen, aber es war auch richtig. Wenn ich ihr Ballast abnehmen kann, dann tu ich das.

Ich hab gestern noch kurz mit einer Ärztin gesprochen und die meinte, ob wir schon daran gedacht hätten, sie für die letzten tage nach Hause zu holen oder ob wir evtl. in ein Hospiz gehen wollten. Nachdem sie das geagt hatte (ich hab bis dahin noch gar nichts gesagt), hab ich nur gemeint, dass jetzt der falsche Zeitpunkt wäre. Der Wille meinr Mam ist stärker als je zuvor, da denke ich doch nicht ans Aufgeben. Daraufhin war sie sichtlich froh, hat gelächelt und sofort umgeschwenkt. Verständlcih jedoch ihr Frage, da es meiner Mam letzte Woche wirklich dreckog ging. Aber das war letzte Woche.

So, jetzt fahren wir dann wieder ein. Laut meinem Opa, der heut schon mit ihr telefoniert hat, klingt sie ein bisserl kräftiger, die Stimme strahltmehr Ruhe und Kraft aus. Klingt doch gut, oder?


Ich wünsche euch alles Gute, aufdass ihr auch die richtigen Worte finden mögt! Ich meld mich bald wieder. Und Danke für eure lieben Worte!


Liebe Grüße, Nadine
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  #32  
Alt 13.06.2007, 00:28
Beene Beene ist offline
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Standard AW: Panische Angst vor Metastasen

Liebe Maus (Nadine),

ich bewundere Deinen Tatendrang, Deinen Optimismus und Deine Kraft !!
Mach weiter so ! Du bist eine große Hilfe für Deine Mum, wenn Du es schaffst sie zu motivieren und ihre Stimmung zu verbessern.... Sie braucht das ganz bestimmt und sei sicher, sie wird kämpfen (und bestimmt erst recht, weil sie eine so tolle Tochter hat).

Es ist schön zu hören, dass es ihr besser geht, sicher wird sie bald das KKH verlassen dürfen und dann fängt das Leben neu an....

Sei stark und tapfer und bleib´wie Du bist - optimistisch !!!!

Alles Liebe
Beene
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  #33  
Alt 13.06.2007, 13:26
Maus_85 Maus_85 ist offline
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Standard AW: Panische Angst vor Metastasen

Hallo Beene!

Vielen Dank für deine lieben Worte

Es ist eigentlich ganz einfach: dasitzen, jammern und mit dem Schicksal hadern bringt nichts, das hab ich gemerkt. Also schau ich doch lieber nach vorne, getreu dem Motto: "Schaue vorwärts, nicht zurück, neuer Mut ist Lebensglück!" Ich kann meiner Mam leider nicht die Hand auflegen, Unverständliches murmeln und ihr so den Krebs nehmen. Aber ich kann reden, ihr Mut machen, sie trösten, den Ärzten und Schwestern auf den Keks gehen mit meinen Fragen und Anliegen, wobei ich sagen muss, dass die Ärzte da drin wirklich gut sind (nicht alle) und die Schwestern zum größten Teil auch und mir auch zuhören, meine Fragen beantworten und mich nicht abwimmeln. Das muss ich ihnen schon zugute halten. Trotzdem wär ich fröh, sähe ich die alle so schnell nicht wieder... Die Kraft, von der ich merke, dass sie in mir ist, beziehe ich aus meiner Lebseinstellung und den Menschen, die mir wichtig sind. Wäre ich ein nörgelnder Pessimist ohne Rückhalt, sähe die Sache ganz anders aus. Doch ich habe eine tiefe Überzeugung, dass es am Ende gut wird. Woher ich diese Zuversicht, dieses Wissen, nehme, kann ich nicht sagen. Doch wenn ich meiner Mam erzähle, dass dieses gute Gefühl noch da ist, aus tiefstem Herzen und mit dem Brustton der Überzeugung, dann wird sie ruhiger, auch weil sie weiß, dass ich so ehrlich wäre, ihr auch das Gegenteil zu sagen. Ich kann sowieso nicht lügen, da muss ich immer lachen Das war schon immer so. Hatte ich in der Schule ien gute Note und hab versucht, ihr das Gegenteil für bare Münze zu verkaufen, hat sie mir nie geglaubt, weil sich meine Mundwinkel selbstständig gemacht haben und spontan nach oben gewandert sind

Unsere Nachbarin hat mich vorgestern erstaunt: ich hab ihr vom Tag im KH erzählt, dass ich mit Mam geredet hab und auch was. Sie hat mir schweigennd zugehört und auf meine Frage, warum ich das könne, so reden und ihr immer wieder neue Kraft zu geben, dass mich sogar die Schwestern und Ärzte mit großen Augen ansehen, sagte sie nur: "Weil du die Stärkste bist." Das klang so endgültig. So "es-ist-so-weil-es-so-ist"-mäßig. ich bin sicher, ihr seid auch so stark! Ich hätte icht gedacht, dass ich in so einer Situation, wie sie jetzt eingetreten ist, so handeln würde oder könnte. Aber ich kann`s. Und ich tu`s einfach. Das könnt ihr garantiert auch! Ihr müßt nur an euch glauben! Der Glaube versetzt bekanntlich sowieso Berge.

So, jetzt mach ich mich fertig, damit wir wieder ins KH fahen können.

Euch allen einen schönen Tag und liebe Grüße,
Nadine



"Freunde sind Engel, die uns wieder auf die Füße helfen, wenn unsre Flügel vergessen haben, wie man fliegt"
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  #34  
Alt 15.06.2007, 14:08
Maus_85 Maus_85 ist offline
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Standard AW: Panische Angst vor Metastasen

Hallo an alle!

Heute morgen um 10:00 Uhr ist meine Mama friedlich eingeschlafen...
Einfach eingeschlafen. Zum ersten Mal in ihrem Leben hat sie nun absoluten Frieden. Ich kann euch gar nicht sagen, wie unendlich leer ich jetzt bin... meine wichtigste Bezugsperson ist nimmer da. einfach nimmer da. Körperlich zumindest. In meinem Herzen und in meinen Gedanken wird sie auf ewig bei mir sein.

Sie ist jetzt ein Engel...


Viele liebe Grüße, Nadine
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  #35  
Alt 15.06.2007, 14:20
Kölner Leser Kölner Leser ist offline
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Standard AW: Panische Angst vor Metastasen

Das kann ich nicht fassen. (warum nur - ich hatte so damit gerechnet jeden Tag zu lesen, daß es wieder aufwärts geht?? dieser verfluchte sch***krebs. )

Von Herzen mein Beileid.
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  #36  
Alt 15.06.2007, 14:30
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Standard AW: Panische Angst vor Metastasen

Ich kann nur noch heulen. Das ist so unfassbar nach der OP. Ach Gott.
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  #37  
Alt 15.06.2007, 15:05
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Christian S. Christian S. ist offline
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Standard AW: Panische Angst vor Metastasen

Liebe Nadine,

mein ganz aufrichtiges Beileid zu deinem Verlust. Tut mir leid das es nicht besser gelaufen ist. Unfassbar.

Christian S.
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  #38  
Alt 16.06.2007, 12:54
MarcoIL MarcoIL ist offline
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Standard AW: Panische Angst vor Metastasen

Liebe Nadine,

auch wenn es dich nicht trösten kann, deine Mama bleib vieles erspart.
Als ich deine Berichte gelesen habe, hab ich schon das schlimmste geahnt.
Deine Mutter vielleicht auch. Tröstedichdamit, daß sie nun keine Pein mehr
erdulden muß. Dir und deiner Familie meine anteilnahme Marco
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  #39  
Alt 16.06.2007, 19:06
Beene Beene ist offline
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Standard AW: Panische Angst vor Metastasen

Liebe Nadine,

ich möchte Dir auch mein Beileid aussprechen !!

Du Ärmste, musst jetzt durch viele Täler gehen.... aber sei gewiß, die Sonne scheint auch wieder !

Deine Mum ist jetzt sicher und geborgen und gut aufgehoben, ohne Qualen und Schmerzen.
Gott wird Dir helfen die Trauer zu überstehen, Du kannst sicher mit Deiner Mum in Kontakt bleiben und eines Tages wirst Du sie auch wiedersehen !

Ich wünsche Dir und Deiner Familie viel Kraft und Zuversicht für die kommende Zeit, ich werde für Euch beten.

Wenn Du magst melde Dich einfach und berichte.... falls das hilft....

Alles Liebe
Beene
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  #40  
Alt 20.06.2007, 15:01
Maus_85 Maus_85 ist offline
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Standard AW: Panische Angst vor Metastasen



Bin immer noch total von der Rolle... Ich hätte nie gedacht, dass ein Raum, bzw. eine ganze Wohnung, so leer sein kann. Alle Möbel, aller Schnickschnack, und trotzdem leer. Ich mach alles mechanisch, komme mir vor wie ferngesteuert. Am Morgeh ist mein Pap immer ganz in Tränen aufgelöst, mich erwischt`s abends. Da bin ich jedes mal fix und fertig. Und irgendwie hab ich es einfach noch nicht kapiert. Ich höre es meinen Pap sagen, ich höre es mich slebst sagen, aer ich verstehe nicht, was ich da höre bzw. sage.

Was weiß ich, irgendwie geht`s weiter. Kommt mir nur so unwirklich vor...


LG, Nadine
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  #41  
Alt 21.06.2007, 21:45
PapasKind PapasKind ist offline
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Standard AW: Panische Angst vor Metastasen

Hallo Nadine,
auch von mir ein herzliches Beileid. Ich weiss wie du dich fühlst. Es ist sehr hart. Lebe jetzt einfach von Tag zu Tag. Es dauert lange, aber dann geht es wieder aufwärts. Denke einfach daran: sie ist erlöst. Sie wollte nachher nicht mehr. Ihr konntet alle nicht mehr.

Am Anfang warst du so voll Hoffnung und so schnell dann leider auch verzweifelt. Aber sie hat nun ihren Frieden in Gott gefunden. Lebe in ihrem Sinne weiter und lass auch deine Tränen zu.Sie gehören dazu und jeder kann sie verstehen. Es wird immer sehr weh tun. Aber manchmal wird es wieder so sein, als wäre sie noch da. Dann wirst du spüren, sie hat mir viel gegeben.

Lese mal das Kinderbuch: Leb wohl kleiner Dachs.
Es tröstet ungemein. Ich habs schon tausendmal mit meinem Sohn gelesen und werde mirs jetzt sicher auch bald kaufen.

Schau noch oft bei uns rein und beteilige dich ein bisschen.
Es wird dir und uns helfen.

Liebe Grüsse
Silvia
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  #42  
Alt 28.06.2007, 15:58
Maus_85 Maus_85 ist offline
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Standard AW: Panische Angst vor Metastasen

Hi Silvia!

Danke Jetzt gehen die abende einigermaßen, dafür kommt`s tagsüber ganz unvermittelt... Egal, wie man es dreht und wendet, es ist beschissen. Meine wichtigste Bezugsperson ist nicht mehr da. Sie war Zeit ihres Lebens mehr für mich als "nur" eine Mutter - sie war miene beste Freundin, meine Seelenverwandte. Das Band zwischen uns war sehr stark, wir haben einander angesehen und gewußt, wie sich der andere fühlt, was er denkt, oft im gleichen Moment das Selbe gesagt, was der andere gerade gedacht hat. Wir hatten eine nicht ganz alltägliche Mutter-Tochter-Beziehung. Abgesehen davon, dass wir öfter für Schwestern bzw. Freundinnen gehalten wurden als für Mutter und Tochter Das hat mich jedes mal gefreut, meine Mam auch, und wenn mir heut jemand sagt, ich hätte ihr Lächeln oder ihre Augen oder würde mich am Telefon manchmal anhören wie sie, ist das ein schönes Gefühl, weil es mir vorkommt, als würde sie durch mich ein Stück weit weiterleben. Dass sie das in unseren Herzen und Gedanken tut, weiß ich, aber dass sie durch Details an mir weiterhin präsent ist, ist einfach eine schöne Vorstellung.

Glaube mir, ich lasse meine Tränen zu und ich schäme mich ihrer auch nicht, selbst wenn es mich beim Einkaufen übermannt und mir eine Träne (oder zwei) runterkullern. Manch einer sieht mich komisch an, andere ignorieren mich, wieder andere blicken fragend. Denen sag ich es auch. "Meine Mutter ist vor knapp zwei Wochen gestorben." Dann wird der Blick weich und mitfühlend, ein kurzes Lächeln, dann gehts wieder weiter. Wenn ich mit Freunden weg bin, flechte ich sie hin und wieder mit in das Gespräch ein. Am Samstag war ich mit meinem Freund am Lech ein Eis essen, bei einem wunderschönen Sonnenuntergang. Sah toll aus, wie sich das Licht im Wasser gespiegelt hat und dann an der Staustufe gebrochen ist. Ich hab mir ihre Lieblingssorten gekauft, Joghurt und Zitrone, in der Waffel. Dabei hab ich gadacht: Mam, das schleck ich für dich mit! Ich denke oft an sie, versuche auch, in ihrem Sinn zu handeln. Nicht hängen lassen, das hätte sie weder gewollt, noch selbst getan. Doch ich ertappe mich bei dem Gedanken, weg zu wollen, einfach weg. Nicht aufgeben, auf keinen Fall! Es ist nicht so, dass jetzt alles sinnlos ist für mich, also nicht falsch verstehen! Es ist nur so, dass mir der Alltag im Moment zu schwer ist, zu viel. Waschen, büglen, putzen, einkaufen, kochen... All die Dinge, bei denen ich ihr sonst geholfen hab, die wir gemiensam gemacht haben, bleiben nun überwiegend an mir hängen. Und das wird mir in Kombination mit der Trauer, die sich langsam aber sicher immer mehr Bahn bricht, einfach zu viel. Ich würde am liebsten eine oder zwei Wochen am Stück zu meinem Freund fahren, im Haus ein bisserl mithelfen, Rasen mähen, die Landschaft genießen, lange spazieren gehen.

Ich denke, das mach ich auch. Ich werkle derzeit auf Sparflamme, was meine Energie angeht, würde aber meine Akkus gern wenigstens halb voll bekommen.

Nachts ich wie ein Stein und wach genauso müde auf, wie ich war, als ich ins Bett gegangen bin. Das kann`s einfach nicht sein.

Was mir auch guttut sind die Gespräche mit meiner Psychologin. Mit der hat meine Mam auch immer gut reden können (als sie im KH war) und als sie gestorben war, haben wir das dann in Anspruch genommen. Sie kannte meine Mam, daher kann ich gut mir ihr auch über sie reden. Das empfehle ich übrigens jedem, der entweder in der gleichen Situation ist wie ich gerade oder der um einen geliebten Menschen bangt. Reden hilft. Es tröstet einen. Das Reden hier im Forum empfinde ich als ebenso hilfreich, jedoch tut der persönliche Kontakt auch gut.


Ich meld mich wieder und wünsche euch da draussen alle Kraft, damit ihr die schwere Zeit, sei es als Betroffener oder als Angehöriger, so gut als möglich meistern könnt!


GLG, Nadine
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  #43  
Alt 26.07.2007, 17:18
Maus_85 Maus_85 ist offline
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Standard AW: Panische Angst vor Metastasen

Hallo ihr Lieben!

Lang, lang ist`s her... Morgen werden`s 6 Wochen, dass meine Mam gestorben ist Es ist immer noch verdammt schwer, daran gibt`s nichts zu rütteln. Es überkommt einen nur nicht mehr täglich, sondern ganz unvermittelt. Du denkst, alles ist soweit okay, heut ist ja ein direkt guter Tag und dann... dann denkt man doch weider an was, sieht was oder wird sonstwie erinnert und wie ein Schlosshund. Doch das gehört dazu. Ich fange auch stückchenweise an, die Orte aufzusuchen, an denen ich mit ihr war. Nur ich und sie. Freilich nicht alle und auch nicht auf einmal, das wäre mit zu viel. Neulich z.B. war ich in einem Eiscafé, in dem wir gern einen Cappuccino getrunken haben. Ich hab mich ihr ein bisschen näher gefühlt und es hat gut getan. Es gibt natürlich auch Orte, die meide ich wie eine Katze das Wasser, doch auch da will ich eines Tages wieder hin.

Was mir auch guttut sind Gespräche mit Leuten, die meine Mam nicht so gut gekannt haben. Es ist interessant, zu erfahren, wie sie auf andere gewirkt hat, was andere an ihr mochten und geschätzt haben. Man kann sich austauschen. So lebt sie auch Stückchen weiter. Es ist sehr wichtig, sich nicht zu verschliessen. Man darf siene Gefühle nicht unterdrücken, nur weil man gerade vor anderen nicht weinen mag. Das ist aber falsch. Wer in solch einer Situation kein Verständnis für Tränen hat, der ist sowieso ein Depp. Auf keinen Fall die Gedanken hinterm Berg halten. Und selektieren. Es kommen viele Menschen auf einen zu, die immer wieder sagen, man solle sich doch melden und auf keinen Fall falsche Scheu zeigen. Doch ich schau selbst, zu wem ich Kontakt möchte. Ich suche die Nähe derer, die mir guttun. Die anderen können warten. Genügend Zeit für einen selbst einplanen, aber auch Zeit mit anderen. Den Menschen, den man selbst betrauert, betrauern auch andere. Die darf man trotz allem nicht ausschließen. Wenn man miteinander lachen kann, sollte man auch miteinander weinen können.


Ich würde mich freuen, mal wieder von einem von euch zu hören.

Nadine
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  #44  
Alt 26.07.2007, 18:43
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mock mock ist offline
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Standard AW: Panische Angst vor Metastasen

Liebe Nadine,
ich habe erst gestern an dich gedacht und mich gefragt, wie es dir wohl gehen mag. Es beruhigt mich ein wenig, dass du auch hin und wieder gute Momente oder sogar Stunden hast und ich teile deine Einstellung, wie du mit der Trauer umgehst.
Bei meinem Vater läuft es gerade nicht so gut, hat die 3. Chemo hinter sich und ist gerade in einem physisch und psychisch miesem Zustand. Der Tod von dem magenkrebskranken Schauspieler Ulrich Mühe gestern, hat ihn auch ganz schön zugesetzt.
Ich weiß, dass ich den Weg der Trauer (den du gerade gehst) auch vor mir habe (irgendwann, wie du weißt kann das sehr schnell der Fall sein, auch wenn ich es natürlich nicht hoffe) , und ich habe große Angst davor. Zumal ich auch befürchte, dass meine Mutter nicht die Kraft und körperlichen Voraussetzungen haben wird, alleine weiter zu leben.
Aber im Moment (Es ist SOMMER!!) lassen sich solche schwarzen GEdanken leichter verjagen. Ich befürchte, dass es im Herbst (sicher auch für dich) schwieriger werden wird.
Liebe Nadine, ich wünsche dir weiterhin viel Kraft und schicke dir ganz liebe Gedanken.
Elke
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  #45  
Alt 27.07.2007, 15:33
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Standard AW: Panische Angst vor Metastasen

Liebe Elke!

Schön, von dir zu hören. Ich verstehe deine Ängste so gut, glaube mir. Wie du meinen Zeilen sicher schon entnommen hast, hatten meine Mam und ich eine sehr innige Beziehung zueinander. Wenn ich mir früher einmal vorgestellt habe, wie es wäre, würde sie sterben, bin ich schon allein bei der Vorstellung halb verrückt geworden. Ich dachte, wenn mich der bloße Gedanke daran schon so fertig macht, wie muss es dann erst in der Realität sein... Nun ja, die Realität ist die, dass ich nicht verrückt geworden bin. Auch nicht halb wahnsinnig oder nur noch ein kleines, verheultes Häufchen Elend, das in einer Ecke hockt und vom Leben nichts mehr wissen will. Die Vorstellung und die Wirklichkeit stimmen (zum Glück) nicht immer überein. Was ich damit sagen will ist, dass du ruhig Angst haben darfst (oder auch sollst, denn immerhin ist es ja dein Papa), dich aber nicht von ihr bereinnahmen lassen darfst. Lass deine Gefühle zu, aber nicht dominieren. Und was deine Mam angeht... ich habe gedacht, dass mein Pap zusammenbricht. Ist er nicht.

Schau, die beiden haben quasi alles zusammen gemacht. Sie waren zwei Hälften, zusammen ein Ganzes. Jetzt ist mein Pap wieder eine Hälfte, doch er macht weiter. Natürlich ist es gerade zu Anfang verdammt schwer und man fragt sich zuweilen nach dem Sinn, doch das ist verständlich nach einer so langen Zeit, die man miteinander verbracht hat. Bei meinen Eltern waren es immerhin 25 Jahre...

Rede mit deiner Mam. Ich weiß nicht um euer Verhältnis, ob ihr gut miteinander reden könnt oder eher nicht, doch rede mit ihr über deine Ängste. Sag ihr, was in dir vorgeht. Das tu ich auch, denn niemand kann in einen hineinsehen und seine Gedanken lesen. Teil dich ihr mit und hör dir auch ihre Sorgen an. Es ist immerhin auch ihr Mann, um den es geht.

Elke, ich wünsche dir weiterhin alles Gute und viel Kraft und dass du weiterlebst! Weiterleben in dem Sinn, als dass du dich nicht schämen brauchst, wenn du dich mal mit einer Freundin auf einen Kaffee triffst und herzlich lachen musst. Du darfst kein schlechtes Gewissen bekommen, dass es dir gerade gut geht, wo es deinem Papa doch eigentlich schlecht geht. Andauernde trübe Gedanken helfen niemandem, ein aufrichtiges Lachen, das von innen kommt , hingegen schon.


Ein schönes Wochenende und liebe Grüße,
Nadine



PS: und - nichts hängt ewig nur auf einer Seite!
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