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  #121  
Alt 01.08.2005, 11:21
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard Russisch Roulette.......

Hallo Saphir,

wollte Dir nur sagen dass ich auch noch mitlese, und Dir ganz viel Kraft wünsche. Was Du neulich geschrieben hast, dieses "alles noch mitnehmen wollen", kann ich gut verstehen. Mein Vater und ich waren uns körperlich nie nahe (ganz Familie nicht) aber zum Schluss konnte + wollte ich alles mitkriegen, egal was es war. Ich kann mir gut vorstellen, was Du jetzt durchmachst.... es ist wie ein Alptraum..... trotzdem würde ich es (für mich) jederzeit zurück wünschen, weil er dann ja noch da wäre.... (egoistischer Wunsch...) Es hört sich vermutlich sehr merkwürdig an, man würde ja eigentlich niemanden um das beneiden was Du da durch machst.... trotzdem tue ich es ein bisschen. Ebenso verrückt hört es sich an wenn man sagt " geniesse es" aber anders kann ich es nicht ausdrücken, denn noch ist deine Mutter bei Dir... so ähnlich sagst Du es ja selbst, Du willst noch alles von ihr in Dich aufnehmen... das kann ich sooo gut verstehen....

Ich hoffe Du verstehst mich nicht falsch.

Kerstin
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  #122  
Alt 19.08.2005, 20:02
Briele Briele ist offline
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Beiträge: 227
Standard AW: Russisch Roulette.......

Liebe Saphir,

Nun ist einige Zeit vergangen seit wir das letzte Mal geschrieben haben. Vom Gefühl her so ca. 2 Jahre, in Wirklichkeit nicht einmal drei Wochen.
Die Sperre des Forums hat mich gedanklich und gefühlsmäßig sehr beschäftigt. Alina, alle von meinem Thread, sowie ein paar andere lieb Gewordene, hatten das Glück kurz vorher e-mail Adressen ausgetauscht zu haben. Wir haben geschrieben was das Zeug hielt. Immer wieder haben wir beklagt Deine, sowie Marios und Danis Adresse nicht zu haben und befürchteten Euch nie wieder finden zu können. Gebetsmühlenartig wiederholten wir unseren Wunsch Euch wiederzufinden, mit ein paar anderen die Adressen auszutauschen und unseren thread auszudrucken.

Mittlerweile ist fast eine Woche vergangen. Erst heute schreibe ich Dir. Den thread habe ich noch nicht ausgedruckt. Irgendwie hab ich so etwas wie eine kleine Schreibhemmung. Und doch ist alles bis aufs letzte i Tüpfelchen völlig unwichtig.

Saphir, wie geht es Deiner Mama? Saphir wie geht es Dir? Das ist wichtig! Ich denke oft an Euch, zünde immer wieder eine Kerze an. Gute Wünsche, liebevolle Gedanken schicke ich in Eure Richtung.

Alles Liebe
Briele
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  #123  
Alt 02.09.2005, 15:10
Saphir Saphir ist offline
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Beiträge: 70
Standard AW: Russisch Roulette.......

Hallo, ihr Lieben!

Nur kurz melde ich mich, um zu zeigen, dass wir noch am Leben sind. Habe viel am Hals. Und dann ist auch noch mein Computer kaputt.
Mama wird bestrahlt (insgesamt 6 Wochen), und bekommt mehr Medikamente, um verschiedene Auswirkungen der Krankheit zu bekämpfen. Wir sind immernoch stark!!!!!!
Liebe Briele, ich muss mich erstmal mit dem neuen System hier anfreunden. Dann gebe ich sofort meine private mail Adresse. Seid gedrückt!

P.S. Es ist wirklich eine schreckliche mail, aber ich habe keine Zeit mehr. Sorry, und bis bald. Auf ein längeres!!!!
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  #124  
Alt 02.09.2005, 19:37
Alina Alina ist offline
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Standard AW: Russisch Roulette.......

Liebe Saphir,

ist das schön, wieder von dir zu hören ! Dachte schon, du wärst irgendwie verloren gegangen.
Schreib einfach wieder, wenn du mal ein kleine Auszeit hast. Wir schauen hier immer nach, auch wenn wir selber nicht mehr so viel schreiben.

Ganz liebe Grüße an deine Mama ! Wie geht´s ihr mit den Bestrahlungen ? Meine Mama hat sie eigentlich recht gut bewältigt, ich hoffe, es ist bei deiner auch so !Hattest du auch manchmal ein wenig Zeit zum Ausruhen ? Von der Uni her hast du ja noch frei, oder ?

Alles Gute inzwischen für dich und deine Mama, Saphir !
Ich denke an dich, Alina
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  #125  
Alt 02.09.2005, 20:40
Briele Briele ist offline
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Beiträge: 227
Standard AW: Russisch Roulette.......

Meine liebe Saphir,

was bin ich froh, wieder von Dir zu lesen!
Schreib, wann immer es Dir möglich ist, Dir danach ist. Du wirst Dich im veränderten Forum schnell zurecht finden. Ich brauchte länger. Eine Änderung, bzw. eine zusätzliche Möglichkeit finde ich fein: ich erwähne es nur, falls du es noch nicht weißt. Man kann eine "persönliche Nachricht" senden - ganz oben rechts - und so auch e.mail Adressen austauschen.

Ich hoffe Deine Mama verträgt die Bestrahlungen so gut wie mein Mann. Er hatte 37 und so gut wie keine Nebenwirkungen.

Nun ende ich etws abrupt, - ich hab gerade Besuch bekommen, der Laptop war jetzt länger an und ich hab gesagt, ich schreib das nur schnell fertig und send es ab.

Fühl Dich umarmt - alles Liebe Dir und Deiner Mama
Briele
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  #126  
Alt 05.09.2005, 18:10
Saphir Saphir ist offline
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Beiträge: 70
Standard AW: Russisch Roulette.......

Hallo,

jetzt bin ich hier in einer etwas ruhigeren Minute, mit meinem neuen Laptop. Mein Computer war nicht zu retten.
Viel Zeit ist vergangen.
Und in der Zwischenzeit haben wir auch Mamas Geburtstag feiern können.
Sie steht jetzt unter einer hohen Dosis Kortison. Was die guten Nebenwirkungen wie Appetitssteigerung und Euphorie besitzt.
Mama hat je soviel abgenommen, und auch einen absoluten Zusammenbruch gehabt.
Der Zusammenbruch hing mit der Diagnose zusammen, dass ihr Gehirn auch beeinträchtigt ist. Sie hat nur geheult. Ist ja auch klar.
Sie sagte immer, dass sie ja alles ertragen könne, aber nicht wenn ihr Gehirn betroffen ist. Wenn sie da einen Schaden bekommt, sei alles vorbei für sie.
Bis auf ein paar Wahrnehmungsstörungen und der Übelkeit ist aber noch nichts aufgetreten.
Und ausserdem: Es geht ihr momentan so gut. Wie gesagt, hängt das hauptsächlich mit dem Kortison zusammen, aber wir alle geniessen diesen Zustand so sehr. Mir ist es so egal, ob es an irgendwelchen Mitteln liegt! Hauptsache sie bleibt stark, und es geht ihr gut dabei. Das macht es auch mir soviel leichter.
Sie wird jetzt noch weitere 3 Wochen bestrahlt, und in 7 Wochen kommt die nächste Untersuchung. Nur das blende ich aus. Daran will ich nicht denken.
Wir geniessen einfach den Moment. Und nebenher habe ich so wahnsinnig viel zu tun, dass mir keine Zeit bleibt, krumme Gedanken aufkommen zu lassen. Aber ich werde auch nicht realitätsfremd. Ich weiß, dass die Chancen gleich....sind.
Dank Mamas zahlreicher Medikamente wird uns das Leben gerade so sehr verschönert. Und für diese Zeit bin ich sehr dankbar!
Briele, Alina, und alle die hier lesen: Wie geht es Euch? Ich wünsche Euch alles Liebe. Und grossen Dank für Eure ehrliche und herzensgute Treue. Saphir
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  #127  
Alt 06.09.2005, 20:50
Briele Briele ist offline
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Standard AW: Russisch Roulette.......

Liebe Saphir,

ich wünsche Euch so sehr noch eine gute Zeit ! Und Du hast völlig recht, es ist dabei jedes Mittel ein gutes Mittel, wenn es Deiner Mama Schmerzen nimmt und sie sich halbwegs gut fühlt.

Im KK-Forum lese ich nicht mehr so viel wie vor Monaten – auch aus Zeitgründen – aber doch immer wieder. Bei allem Mitgefühl das man dabei empfindet, bin ich dann oft froh (froh – unter Anführungszeichen) wenn ich an Dich denke, oder an Mario und Dani. Ihr seid halt die Menschen mit denen ich seit einiger Zeit im Austausch bin, es gibt hier noch viele „Kinder“ in Eurem Alter die ich genauso wie Euch, nicht nur bedaure, sondern auch bewundere.

Das „froh, unter Anführungszeichen“ empfinde ich, weil Du es gut machst, liebe Saphir und weil es gut ist für Deine Mama und für Dich. Man kann hier auch andere Beispiele nachlesen, das tut mir dann schrecklich leid, für den erkrankten Elternteil, aber auch für den Angehörigen, der manchmal nur seinen eigenen Jammer sieht.

Leider gibt es vieles im Leben das kann man nicht ändern. Man strampelt oft verzweifelt, oder denkt an die Geschichte von den zwei Mäusen, die geht so: zwei Mäuschen fielen in einen Sahnetopf. Das eine schrie Hilfe und ertrank. Das andere ruderte und ruderte und als der Morgen kam, saß es auf einem Butterberg.

Manchmal hilft das ganze Rudern nichts und ich will jetzt auch wieder die Kurve weg von dem Sahnetopf bekommen.

Ich habe heute zwei Beispiele im Forum gelesen von Leuten, die nicht so sehr klagten, was sie NICHT mehr können, ich habe von ihrer Freude gelesen, was sie noch können. Das hat mich sehr berührt.

Meine guten Wünsche sind bei Dir.
Ich umarme Dich.
Briele
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  #128  
Alt 06.09.2005, 21:14
Alina Alina ist offline
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Standard AW: Russisch Roulette.......

Liebe Saphir,

diene Zeilen erinnern mich sehr an meine Zeit mit Mama. Auch sie bekam Kortison, die Folge waren Heißhunger und eine oft gehobene Stimmung. Mama freute sich über ihre Gewichtszunahme und ich auch. Was hatten wir noch für eine schöne, intensive Zeit miteinander.
Ihr erlebt sie jetzt auch, Saphir, das freut mich sehr.Bei all dem, was sie auszuhalten hat, hat sie dich an der Seite. Vielleicht fragst du dich auch manchmal, woher man die Kräfte nimmt ? Hast du auch das Gefühl, dass sie einem trotz aller Verzweiflung und Müdigkeit doch immer wieder auch "zufallen"?
Wie ich dich kennen gelernt habe, bemühst du dich sicher, auch alles andere halbwegs im Griff zu behalten. Du hast wirklich Power !

Du hast recht, es ist gut, wenn du dich von der Angst vor der Untersuchung nicht gefangen nehmen lässt. Es nimmt die Kraft für das Jetzt !

Saphir, ich werde weiterhin nachschauen, ob eine Nachricht da ist von dir.
Treu- das bist du, eine liebevolle treue Tochter für ihre Mutter.

ich wünsche mir, dass ihr eine schöne, innige Zeit habt zusammen,
Alina
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  #129  
Alt 19.09.2005, 19:38
Saphir Saphir ist offline
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Standard AW: Russisch Roulette.......

Hallo,

heute habe ich meine Mama nach fast einem halben Jahr(mit kurzen Unterbrechungen)aus Frankfurt abgeholt.
Ihr glaubt nicht, wie sehr ich mich erschrak, als ich sie nach gerade mal 3 Wochen wieder sah. Sie hat sich sehr verändert. Als sie vor mir stand, mit dem erneut kahlen Schädel und zwei viel größer gewordenen Beulen darauf, das Kortison veränderte Gesicht(extrem aufgedunsen), und dem so sehr abgemagerten Körper.
Aber das war nicht alles. Sie war auch irgendwo nicht mehr diesselbe Person. Nach längerer Beobachtung kam mir immer wieder das Gefühl, dass viel aus ihrem Inneren dem Krebs gewichen ist.
Wenn man sich jetzt die Seele und Persönlichkeit als ganz viele, zusammengesetzte Puzzelteile vorstellt, dann macht es auf mich den Eindruck, als ob ihre Seelen,-und Persönlichkeitspuzzelteile aus ihrem Körper gewichen sind, und Platz für die Krebsteile gemacht hätten.
Es ist ein komisches Beispiel, aber so kommt es mir vor.
Sie kämpft immer noch. Aber anscheinend kommt das bei ihrem Körper nicht an. Dieser verdammte Krebs macht was er will. Der ist so rücksichtslos, dass tut so weh! Als sie neben mir im Auto saß, hatte ich manchmal das Gefühl, eine Puppe sitzt da. Mit so einem maskenartigen Gesicht. Klar, Kortison in solchen Mengen entstellt. Trotzdem ist es furchtbar, dies mit anzusehen. Ihre Hände zittern so stark, sie ist so schwach. Und in ihren Augen sieht man so einen verbitterten Kampf, dies alles nicht zuzulassen. Wenn ich ihr doch was abnehmen könnte.
Als meine Tante mich fragte, was ich (ihre Zukunft betreffend) denke, war ich sprachlos. Ich konnte nicht sagen, alles wird gut, sie schafft es. Ich wünschte, ich könnte es.....aber ein merkwürdiges Gefühl beschleicht mich. Waren die letzten Wochen ein letztes Aufbäumen? Die Ruhe vor dem Sturm? Grässliche Zeilen, aber so ehrlich.
Die Zeit, als Mama in Frankfurt war, habe ich mich so ins Lernen gestürzt. Da war sie auch in sicheren Händen. Ich konnte Abstand vom Krebs nehmen. Doch das war schlagartig vorbei, als ich Mama wieder sah. Ich bin brutal in die Realität zurück gekehrt. Und habe so Angst vor dem, was jetzt kommt. Ich bin längst nicht bereit sie gehen zu lassen.
Das verkrafte ich noch lange nicht. In drei Wochen fängt eine neue Chemo an. Der Gedanke, dass sie dann leiden muß, macht mich fertig. Und alle weiteren Gedanken diesbezüglich sowieso.
Was würde ich dafür tun, dass dieser so wundervolle Mensch leben darf, ohne zu leiden......
Mit schwerem Herzen, Saphir
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  #130  
Alt 20.09.2005, 10:49
Briele Briele ist offline
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Standard AW: Russisch Roulette.......

Meine liebe Saphir,

Deinen traurigen Bericht habe ich gestern nicht nur einmal gelesen. Ich hab mich irgendwie gescheut Dir die Sätze zu schreiben, die sich in mir gebildet haben. Dachte mir, da schlaf ich erst einmal eine Nacht darüber.

Nun empfinde ich heute gleich wie gestern und will Dir schreiben was ich denke. Dazu brauch ich erst aber eine Einleitung:

Es ist wahnsinnig schwer auch nur den Hauch einer Betonung in die Frage zu legen ob einer weiterkämpfen soll oder loslassen soll. Letztlich kann das nur der Betroffene selbst entscheiden. Sogar für nahe Angehörige ist das schwer, ich weiß sehr wohl wie das ist. Daher sollten Außenstehende am besten schweigen. Noch dazu wenn man so weit außen steht wie ich es tue. Was weiß ich schon? Das Bild, das ich mir mache entsteht durch Deine Worte, meine Erfahrungen als Angehöriger, meine An- und Einsichten in diesen Fragen. Es ist also mehr durch mich geprägt.
Wie gesagt, ich weiß nichts und sollte schweigen, sollte Dir tröstende Worte sagen.

Wenn ich Dir nun meine Gedanken aufschreibe, so geschieht das weil ich wirklich Anteil nehme, weil ich Dich gern hab, Saphir. Nimm es bitte als das, was es ist: ein Gedankensplitter von mir.

Dein letzter Satz ging und geht mir im Kopf herum:

...was würde ich dafür tun, dass dieser so wundervolle Mensch leben darf, ohne zu leiden ....

und mein erster Gedanke war dazu...... was würdest du dafür tun, dass dieser so wundervolle Mensch sterben darf, damit das Leiden ein Ende hat ?

Was Deine Mama mitmacht kann ich nur erahnen. Was Du mitmachst weiß ich besser. Und hinzu kommt eben immer wieder: Ihr seid beide jung, eine junge Mama einer jungen erwachsenen Tochter. Viel zu jung.

So schrecklich alles ist, ich gebe Dir recht, noch schrecklicher ist der Gedanke, dass Mama tot ist.

Es ist nun sechs Jahre her, dass meine Mama im September starb. Das heißt, sie starb Anfang Oktober, aber im September legte sie sich ins Bett und begann zu sterben. Ich saß bei ihr, ihre Hand war warm, ihre Augen blitzblau wie eh und je, wir sprachen von Tag zu Tag weniger, aber ich konnte sie sehen, hören, riechen, berühren. Sie wollte sterben. Wie schon öfter gesagt, da waren eine alte Mama mit ihrer alten Tochter. Und doch dachte ich, für mich, nur für mich gesehen will ich, dass es so bleibt. Daß ich bei ihr sein kann, dass sie da ist, dass ich sie noch habe. So schwer alles ist, auch für mich, ich will sie noch behalten. Aber langsam schlich sich dann doch der Gedanke ein – mein Gott, welchen Preis muß sie dafür bezahlen!

Ich denke der größte Liebesbeweis kann es sein, den Menschen, den man liebt, gehen zu lassen. Ihn frei geben.

Diese Gedanken, liebe Saphir, kann man denken, wenn ein Leiden verlängert wird. Vielleicht ist es aber so, und das hoffe ich von ganzem Herzen, dass Deiner Mama die Chemo hilft, ihr eine bessere Lebensqualität gibt. Dann ist es etwas anderes.

Du schreibst von Deinem Gefühl, dass sich der Krebs nicht nur im Körper ausbreitet, sondern auch in der Seele, dass er sozusagen immer mehr von Deiner Mama erobert, von ihrem Ich.

Nun, das ist ganz bestimmt nicht der Fall, das ist unmöglich, da bin ich mir absolut sicher.

Den Anschein mag es haben. Man braucht ja nur daran zu denken wie man ist, wenn man zum Beispiel einen bösen Zahn hat. Dieses winzige Ding kann einen für die Zeit verändern. Man besteht nur mehr aus dem Zahn. Man ist ausgefüllt von dem Weh, dazu kommen Überlegungen was in der Folge alles passieren kann.

Oder man hat einen Liebeskummer. Brauch ich Dir sicher nicht zu beschreiben, wie stumpf man plötzlich werden kann.

Die Seele Deiner Mama ist immer da. Unverändert. Unverrückbar. Ich meine das tiefste Innere, das, was sie ausmacht. Auch wenn sie äußerlich anders aussieht, auch wenn sie sich anders benimmt. Das musst Du Dir merken Saphir, das darfst Du nicht vergessen, was auch ist, was auch kommt.

Schweren Herzens, nicht ganz überzeugt das Richtige zu tun, schick ich nun meine Zeilen an Dich.

Liebe Grüße. Gute Wünsche. Tröstende Umarmung.
Briele










Meine liebe Saphir,

Deinen traurigen Bericht habe ich gestern nicht nur einmal gelesen. Ich hab mich irgendwie gescheut Dir die Sätze zu schreiben, die sich in mir gebildet haben. Dachte mir, da schlaf ich erst einmal eine Nacht darüber.

Nun empfinde ich heute gleich wie gestern und will Dir schreiben was ich denke. Dazu brauch ich erst aber eine Einleitung:

Es ist wahnsinnig schwer auch nur den Hauch einer Betonung in die Frage zu legen ob einer weiterkämpfen soll oder loslassen soll. Letztlich kann das nur der Betroffene selbst entscheiden. Sogar für nahe Angehörige ist das schwer, ich weiß sehr wohl wie das ist. Daher sollten Außenstehende am besten schweigen. Noch dazu wenn man so weit außen steht wie ich es tue. Was weiß ich schon? Das Bild, das ich mir mache entsteht durch Deine Worte, meine Erfahrungen als Angehöriger, meine An- und Einsichten in diesen Fragen. Es ist also mehr durch mich geprägt.
Wie gesagt, ich weiß nichts und sollte schweigen, sollte Dir tröstende Worte sagen.

Wenn ich Dir nun meine Gedanken aufschreibe, so geschieht das weil ich wirklich Anteil nehme, weil ich Dich gern hab, Saphir. Nimm es bitte als das, was es ist: ein Gedankensplitter von mir.

Dein letzter Satz ging und geht mir im Kopf herum:

...was würde ich dafür tun, dass dieser so wundervolle Mensch leben darf, ohne zu leiden ....

und mein erster Gedanke war dazu...... was würdest du dafür tun, dass dieser so wundervolle Mensch sterben darf, damit das Leiden ein Ende hat ?

Was Deine Mama mitmacht kann ich nur erahnen. Was Du mitmachst weiß ich besser. Und hinzu kommt eben immer wieder: Ihr seid beide jung, eine junge Mama einer jungen erwachsenen Tochter. Viel zu jung.

So schrecklich alles ist, ich gebe Dir recht, noch schrecklicher ist der Gedanke, dass Mama tot ist.

Es ist nun sechs Jahre her, dass meine Mama im September starb. Das heißt, sie starb Anfang Oktober, aber im September legte sie sich ins Bett und begann zu sterben. Ich saß bei ihr, ihre Hand war warm, ihre Augen blitzblau wie eh und je, wir sprachen von Tag zu Tag weniger, aber ich konnte sie sehen, hören, riechen, berühren. Sie wollte sterben. Wie schon öfter gesagt, da waren eine alte Mama mit ihrer alten Tochter. Und doch dachte ich, für mich, nur für mich gesehen will ich, dass es so bleibt. Daß ich bei ihr sein kann, dass sie da ist, dass ich sie noch habe. So schwer alles ist, auch für mich, ich will sie noch behalten. Aber langsam schlich sich dann doch der Gedanke ein – mein Gott, welchen Preis muß sie dafür bezahlen!

Ich denke der größte Liebesbeweis kann es sein, den Menschen, den man liebt, gehen zu lassen. Ihn frei geben.

Diese Gedanken, liebe Saphir, kann man denken, wenn ein Leiden verlängert wird. Vielleicht ist es aber so, und das hoffe ich von ganzem Herzen, dass Deiner Mama die Chemo hilft, ihr eine bessere Lebensqualität gibt. Dann ist es etwas anderes.

Du schreibst von Deinem Gefühl, dass sich der Krebs nicht nur im Körper ausbreitet, sondern auch in der Seele, dass er sozusagen immer mehr von Deiner Mama erobert, von ihrem Ich.

Nun, das ist ganz bestimmt nicht der Fall, das ist unmöglich, da bin ich mir absolut sicher.

Den Anschein mag es haben. Man braucht ja nur daran zu denken wie man ist, wenn man zum Beispiel einen bösen Zahn hat. Dieses winzige Ding kann einen für die Zeit verändern. Man besteht nur mehr aus dem Zahn. Man ist ausgefüllt von dem Weh, dazu kommen Überlegungen was in der Folge alles passieren kann.

Oder man hat einen Liebeskummer. Brauch ich Dir sicher nicht zu beschreiben, wie stumpf man plötzlich werden kann.

Die Seele Deiner Mama ist immer da. Unverändert. Unverrückbar. Ich meine das tiefste Innere, das, was sie ausmacht. Auch wenn sie äußerlich anders aussieht, auch wenn sie sich anders benimmt. Das musst Du Dir merken Saphir, das darfst Du nicht vergessen, was auch ist, was auch kommt.

Schweren Herzens, nicht ganz überzeugt das Richtige zu tun, schick ich nun meine Zeilen an Dich.

Liebe Grüße. Gute Wünsche. Tröstende Umarmung.
Briele
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  #131  
Alt 20.09.2005, 16:51
Saphir Saphir ist offline
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Standard AW: Russisch Roulette.......

Ach, liebe Briele,

genau das gibt mir halt. Das Du schreibst, was Du denkst. Und zwar nicht immer "nur"tröstende Worte. Das weiß ich so sehr zu schätzen. Danke.
Mir fielen meine Zeilen auch sehr schwer. Es ist ein Unterschied, ob man negative Dinge denkt, sie dann wieder verdrängt, oder ob man sie ausspricht oder schreibt. Und sie somit reeller erscheinen läßt.
Nun habe ich ausgesprochen, was so plötzlich und schwer auf mir lastet. Und ihr seid da, was bin ich froh darüber.
Deine Worte haben mich an den Tod meines geliebten Pferdes erinnert. Sie war soooo krank, hat sooooo gelitten. Bis ich dann schwersten Herzens beschlossen habe, sie erlösen zu lassen. Meine bisher schwerste Entscheidung im Leben: zu entscheiden, dass so etwas Wertvolles sterben wird.
Je mehr Zeit verging, desto sicherer war ich mir, den richtigen Entschluß gefasst zu haben. Ich (und nur ich) hatte die Möglichkeit, sie von ihrem Leid zu erlösen. Und alles andere wäre egoistisch gewesen.
Wieviel Menschen würden sich wünschen, diese Möglichkeit zu haben, um den unvorstellbaren Qualen ein Ende zu bereiten..............???
Ich habe solche Angst wie es jetzt weiter gehen wird. Vorallem was das Leid und die Quälereien betrifft. Wenn ich wüßte, Mama wird irgendwann friedlich einschlafen, wäre es vielleicht einfacher. Zusehen zu müssen, wie sich die Lage weiter zuspitzt, und NICHTS machen zu können, dass bringt mich fast um den Verstand.
Seit den letzten 2 Tagen ist mein Nervenkostüm so durchsichtig. Ich breche bei den kleinsten Schwierigkeiten in Tränen aus. Und die geben mir noch nicht mal Erleichterung.
Liebe Briele, es ist so schön Dich bei mir zu haben. Saphir
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  #132  
Alt 20.09.2005, 22:31
Alina Alina ist offline
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Standard AW: Russisch Roulette.......

Liebe Saphir,

deinen Zeilen haben mich tief berührt und meine eigenen Erinnerungen wieder abgerufen.

Ich sehe dich vor mir, wie du erschrocken deine Mama betrachtest, wie du das Zittern ihrer Hände bemerkst und ihre Veränderungen. Am liebsten würde man da als Tochter die Mutter nehmen, sie dem Krebs entreißen und irgendwohin in Sicherheit bringen, wo man sie gut beschützen kann.

Ich verstehe deine Angst vor dem, was kommt, so gut. Nichts kann man als Angehörige tun und trotzdem noch so viel. Wenn du fragst, wie man das durchsteht, wie man loslassen kann, wenn es an der Zeit ist, kann ich dir nur sagen, was mir geholfen hat: Ich habe nur mehr mit Mama von einem Tag zum anderen gelebt, mich über die guten gefreut und die schlechten mit durchgestanden. Angst hatte ich dabei immer, sie lauerte im Hintergrund, aber ich führte mir eisern vor Augen, dass Mama jetzt noch da ist, dass noch Zeit ist.
Sie hatte in der Hauptsache nur mich als Begleiterin. Ich wusste, wenn ich "ausfalle", ist sie sehr alleine. Das war es wohl, was mir auch Kraft gab.
Ich weiß nicht, ob deine Mama außer dir auch noch Menschen hat, die ihr zur Seite stehen. Das könnte dich ein wenig entlasten.

Liebe Saphir, auch ich will ganz ehrlich sein. Meine Mama hat auch gekämpft, hat sich Genesung gewünscht und dann kam auf einmal eine andere Zeit, da hat sie damit aufgehört. Ich habe das nicht gleich bemerkt, aber ihr Entschluss, keine weiteren Chemos mehr vornehmen zu lassen war ihr Signal.
Wenn es irgendwann bei deiner Mama so ist, dass du das Gefühl hast, jetzt will sie einfach nicht mehr, dann nimm all deinen Mut zusammen und nimm es an. Es wäre so schwer für sie weiter zu machen, weil sie es für dich, für ihre Lieben tun "muss", weil sie noch nicht so weit sind. Ich habe gefühlt und bemerkt,wie erleichtert Mama war, dass sie nicht mehr weitermachen musste.

Ach, Saphir, ich kann heute nicht die Worte finde, um all das auszudrücken, was ich dir sagen möchte.
Komm mit deiner Angst hierher und schreib sie nieder.Vielleicht kann es helfen.

Von Herzen wünsche ich euch beiden "gute Zeiten" miteinander,
ich denke an dich, Alina
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  #133  
Alt 02.10.2005, 17:51
Saphir Saphir ist offline
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Standard AW: Russisch Roulette.......

Liebe Alina,

entschuldige meine späte Antwort. Danke für Deine ehrlichen Worte. In den letzten Wochen geht bei Mama alles so rasend schnell. Die rapide Verschlechterung ihres Zustandes. Wenn ich mir überlege, wie fit sie noch vor 4 Wochen war, ist es wirklich erschreckend. Ich hatte letzten Donnerstag einen richtigen Zusammenbruch. Aber auch wegen dem Druck meines Studiums etc...Es erfordert momentan viel Kraft für mich, dies alles durchzustehen.
Es ist so, dass ich einfach die ganze Zeit mache, was momentan zu erledigen/machen ist. Und dann ist es wohl auch verständlich, dass ich dann mal so einen Tag des Zusammenbruches erlebe. Dann denke ich, ich kann einfach nicht mehr, fühle mich ausgelaugt, und würde am liebsten für einige Zeit in einen absoluten Tiefschlaf verfallen. Doch meistens sieht es dann am nächsten Tag schon wieder anders aus. Dann beiße ich die Zähne zusammen, und ziehe die Dinge weiter durch. Denn es ist nun mal so, wie es ist. Und man wächst auch an seinen Aufgaben. Obwohl ich mich manchmal frage, wie lange ich das noch durchstehe.
Aber ich bin wie ferngesteuert, beiße mich immer weiter durch. Es gibt ja auch keine andere Lösung.
Nur eines will mir nicht aus dem Kopf: was bedeutet dieser rasante Abstieg nach so einer guten Phase? Ist es wirklich das Ende vom Ende? Verzweifelte Fragen, deren Antwort ich fast zu kennen meine. Nur Verstand und Überlebenstaktik geren dann bei mir aneinander. Nämlich wenn ich diesen Gedanken zu nah an mich ranlassen würde, müßte ich wohl einpacken. Diese furchtbare Krankheit würde ich so gerne mit all meiner körperlichen Kraft bekämpfen, um Mama zu retten. Doch dieser schleichende, unberechenbare und heimtückische Gegner läßt einfach nicht ab. Entschuldige meine eintönigen Zeilen, doch ich drehe mich einfach im Kreis.
Übrigens hast Du mich mal wegen dem Hospiz angesprochen. Jetzt wird mich zwar jeder für absolut bescheuert und naiv halten, aber ich kann Mama nicht weggeben. Es wäre schon schlimm, wenn sie im Krankenhaus sterben müßte. Und sie zum Sterben an einen fremden Ort zu bringen, würde mir mein Leben lang Schuldgefühle hinterlassen. Ich kann das nicht.
Noch eines habe ich auf dem Herzen, was mich auch so bekümmert. Mama redet immer so positiv, und dass sie gesund wird, sie die Krankheit besiegen wird, etc. Aber sie ist in den letzten Monaten zur absoluten Kettenraucherin mutiert. Wie paßt das eine zum anderen? Es ist für mich schmerzhaft zu sehen, wie sie das Gift inhaliert. Was tun? Alles Liebe, Saphir
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  #134  
Alt 03.10.2005, 17:33
Briele Briele ist offline
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Liebe Saphir,
lieber kleiner Terrier,
liebe müde Kämpferin,

ich sitze ziemlich ratlos, auch etwas wortkarg vor meinem laptop. Ich kann mir, so glaube ich, alles gut vorstellen. Was könnte ich sagen, etwas, was darüber hinaus geht, dem: es ist einfach schrecklich, es ist schrecklich, es ist schrecklich.

Manchmal, eigentlich gar nicht so selten, denk ich darüber nach, wie es einmal sein wird wenn ich schwer erkranke, wenn es ans Sterben gehen wird. Solche Gedanken kommen wohl jedem, der in meinem Alter ist und der in Vergangenheit und Gegenwart sich um schwer erkrankte Liebe sorgt. Wie jeder Mensch habe ich hauptsächlich Angst vor Schmerzen und Angst, hilflos, völlig ausgeliefert zu sein, abhängig von anderen. Ich habe keine Kinder. Hätte ich welche, würde mich der Gedanke plagen, Ihnen mit der Pflege eine große Last und Verantwortung aufzubürden. Ich kann Dir nur sagen wie ich es für mich sehe, das wird nicht für jeden stimmig sein.

Ich möchte dann gerne, wirklich gerne in ein Hospiz kommen. Wenn mir im Zusammenhang mit diesem Gedanken etwas Sorge macht, dann die Frage ob es für mich einen Platz geben wird.

Wie gesagt, die Menschen sind verschieden. Ich bin immer gerne vorbereitet, halt so gut es geht, hab gerne Stützpunkte, Hilfsanker. Eigentlich schätz ich Dich auch so ein. ? Vielleicht kannst Du einmal die Möglichkeit andenken so ein Hospiz anzusehen. Oder mit Leuten von der Hospizbewegung zu sprechen, wie es wäre, wenn Mama volle Pflege braucht und Ihr es daheim machen wollt. Liebe Saphir, Du musst Dich vorbereiten, Du solltest es tun. Wenn ich „muß“ schreibe, dann tu ich es weil ich wirklich Anteil nehme.

Hast Du mit Deiner Mama schon einmal über dieses Thema gesprochen?

Ach, das Thema „Rauchen“ kenn ich zur Genüge von meinem Papa. Ich versteh Deinen Kummer, manchmal wird es Dich sogar zornig machen. Papas Probleme hingen eng mit dem Rauchen zusammen. Auch nachdem ihm wegen Durchblutungsstörungen zwei Zehen amputiert werden mussten, rauchte er weiter. Ich konnte es nicht verstehen. Manchmal habe ich ihn angefleht, manchmal hab ich geschimpft, ich gestehe, manchmal bin ich bös geworden und manchmal hab ich ihm eine Stange Zigaretten gekauft. Am Ende drohte die Amputation des Beines. Seine Ärztin sagte zu mir, ich soll es gut sein lassen und ihn in Frieden rauchen lassen.
Als er starb war ich meinem Kummer froh, dass er es mit seinen beiden Beinen tun konnte.

Weißt Du, es ist ziemlich wahrscheinlich, dass unsere Vorstellungen vor dem, wie es andere, auch ganz Nahestehende, gerne haben möchten, nicht dieselben sind, die die Betroffenen haben.

Liebe Grüße, eine Umarmung
Deine Briele
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  #135  
Alt 03.10.2005, 19:47
Alina Alina ist offline
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Beiträge: 80
Standard AW: Russisch Roulette.......

Meine liebe Saphir,

ich möchte dich auch eine tapfere Kämpferin nennen. Das bist du wirklich, daran ändert auch der eine oder andere Zusammenbruch nichts.

Saphir, ich bin besorgt um dich und deine Mama. Niemand wird voraussagen können, weiviel Zeit deine Mama noch hat, wie es ihr gehen wird. Beim Schreiben dieser Zeilen überfällt auch mich wieder die Erinnerung an die Zeit mit Mama. Was hatte ich Angst, wie schwer war diese Ungewissheit auszuhalten, bei jedem Blick in ihr Gesicht gingen mir diese Gedanken und Ängste durch den Kopf: "Wie lange noch ? Wie werde ich sie versorgen können? Werde ich das schaffen ?" Mama hat mir die Antwort auf das "wie lange noch?" gegeben, indem sie manchmal Sätze einstreute wie" Das erbst du einmal" oder " ich würde NOCH gerne eine Reise machen". Daran habe ich bemerkt, dass es nicht mehr so viel Zeit ist, die uns gehört. So war es dann auch.

Drei Gedanken möchte ich dir mitteilen, die denen von Briele ähneln:
Da ist mal dein Studium. Ich verstehe, dass du dieses trotzdem weiter durchziehen möchtest. Es ist wenigstens ein Bereich, der normal weitergehen soll in dieser deiner schwierigen Lebensphase. Neben der Zusatzbelastung gibt es auch Halt und Ablenkung.Aber Saphir, ist das auch weiterhin zu schaffen ? Kannst du beiden Aufgaben gerecht werden ? Wirst du unterbrechen, wenn deine Mama dich mehr und mehr braucht ? Wann wird der Zeitpunkt sein, dass du dich vom Studium löst, um dich der anderen Aufgabe zu widmen ? Ich frage dich deshalb, weil ich Angst habe, dass auch deine große Kraft nicht für alles reichen könnte.

Der zweite Gedanke hat mit dem Hospiz zu tun. Saphir, ich wollte sie auch zuhause haben, meine Mama. Es wäre aber nicht zu schaffen gewesen, glaube ich, wegen der nötigen medizinischen Betreuung,der zu befürchtenden schweren epileptischen Anfälle und in der Hauptsache wegen der Schmerzbehandlung, die wohl nie so gut durch den Hausarzt erfolgen hätte können.
Meine Mama hat mir aber schon vorher immer gesagt, dass sie ins Horpiz will, wenn es soweit ist. Sie hat sich das Hospiz, als es ihr noch gut ging, angesehen, sie hat den Arzt dort kennen gelernt und einige Schwestern und die Zimmer bewundert, die wie Hotelzimmer sind.Mama sagte zu mir:" Mach dir keine Gedanken, das ist ein guter Platz zum Sterben " Das war es auch, wir konnten kommen und gehen, wie wir wollten, die Schwestern haben mich mit Fragen überhäuft, was Mama gern hat, was nicht, haben sich aufmerksam um sie gekümmert.
Ich will damit sagen, dass es ein liebevoller Ort ist und ich ganz viel bei Mama war.Sie war fast nie alleine ! Wenn ich heimging, tat ich das mit dem guten Gefühl, dass sofort Hilfe da wäre, wenn die Schmerzen größer werden sollten. Ich konnte schlafen und war morgens halbwegs fit( soweit das in so einer Zeit halt geht)wieder bei ihr.
Ich denke, dass es gut wäre, einfach mal ein Hospiz anzusehen und mit den Leuten dort zu reden, nur als "Sicherheitsnetz" .Sie bieten ja auch ambulante Hilfe und Besuche durch geschulte Schwestern zuhause bei den Patienten, dies wäre auch besprechenswert.
Weißt du, ich hätte beinahe den Zeitpunkt nicht erkannt, an dem Mama nicht mehr alleine zuhause sein konnte. Ich bin so dankbar, dass sich alles noch ausgegangen ist und dass ihr nichts passiert ist in meiner Abwesenheit . Deshalb auch mein Rat, auch wenn er weh tut: Bereite dich vor, Saphir ! Es soll dich nicht einfach so überrollen.Es geht ja nur um Informationen sammeln.

Meine Meinung zur Raucherei deiner Mama: Laß sie rauchen, Saphir ! Sie hat schon viel verlieren müssen, kann ihr früheres Leben nicht mehr leben, braucht Hilfe... Dann sind die Zigaretten vielleicht so eine Art Trotz:" Das habe ich wenigstens noch, das schmeckt noch !"

Ich fühle mich sehr mit dir und deiner Mama verbunden. Du warst die erste, der ich im Forum geschrieben habe und bei dir habe ich Briele kennengelernt, die mir eine Freude ist.Ich bewundere deine Standhaftigkeit, deine Kraft und deine Entschlossenheit, bei deiner Mama zu sein und zu bleiben.

Ich denke an euch beide,
Alina
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