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  #46  
Alt 30.12.2008, 21:42
Benutzerbild von Susanne85
Susanne85 Susanne85 ist offline
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Standard AW: Mögen die Engelchen dich begleiten, liebste Mama

hallo ihr lieben,

ja, mir geht es verhältnismäßig gut. gestern war ja die beisetzung. ich hatte es mir schlimmer vorgestellt. aber da ja keine lieder mehr gespielt wurden, keine ansprache stattfand und die urne mit dem menschen schwer in verbindung zu bringen ist, ging es. meiner schwester ging es sehr schlecht. sie hat fürchterlich geweint und konnte auch nicht an grab gehen. ihr freund hatte sie liebevoll in den armen und hat sie getröstet.

die phase, dass ich meine ruhe will, ist noch nicht unbedingt vorbei. aber sie ist leichter geworden. mein freund und meine freundinnen akzeptieren das aber total. es ist schön, solch liebe menschen an meiner seite zu haben. aber sie werden mir mama nie ersetzen können. es ist eben alles noch komisch. unwirklich. ich erwische mich jetzt immer öfter dabei, dass ich mama anrufen will und dann fällt mir ein, ich kann es nicht. so komme ich ganz gut durch den tag. ich beschäftige mich sehr viel. ich gehe einkaufen oder räume meine Wohnung auf, putze, wasche, bügle. und wehe, mein freund macht dann wieder irgendwas unordentlich oder kleckert beim essen :-) Aber er weiss ja zum glück, wie er mich zu nehmen hat.

ich bin froh, dass ich nächte woche wieder arbeiten gehe. ich war ja jetzt nun fast 2 monate nicht mehr arbeiten. und nächste woche sind es ja nur zwei arbeitstage für mich. am dienstag ist ja bei uns in bayern feiertag und donnerstag und freitag habe ich urlaub, weil ich geburtstag habe. das wird auch sehr schwer werden. wie ich ja schonmal geschrieben habe, wird mama nicht um punkt neun uhr im hausflur stehen und happy birthday für mich singen.

auch morgen zu feiern habe ich nicht viel lust. aber ich denke, es tut mir sehr gut, wenn ich ein bisschen rauskomme. ich gehe morgen an mamas grab und zünde eine kerze an. und da ich ja nicht zum alljährlichen neujahrsessen zu mama kann, gehe ich auch dann wieder ans grab. ich habe mir schon überlegt, wie meine schwester und ich das grab schmücken können, wenn es wieder wärmer wird. es wird sehr schön werden. in den farben, die sie so gemocht hat.

Ich überlege öfter, was mir eigentlich noch schlimmeres passieren kann. geht euch das auch so? Ich denke immer "Was könnte mir JETZT noch schlimmeres passieren?". Klar, wenn ich Kinder habe und diese krank werden würden oder ihnen etwas zustoßen würde, wäre das das schlimmste für mich. aber was kann mir, 23 Jahre, kinderlos, noch schlimmeres passieren?

Mein Freund hatte heute sehr starke Schmerzen, als er von der Toilette kam. Er hat sich richtig verkrampft und er ist sicherlich kein Weichei. Ratet mal, was mein Gedanke war... Ja, genau: "Hoffentlich hat er keinen Darmkrebs.". Ich hatte zur der Zeit, in der Mama starb, eine Erkältung. Da ich aber nur Augen für Mama hatte, habe ich die Symptome kaum gespürt. An dem Abend, als Mama starb, lag ich im Bett und hatte fürchterliche Lungenschmerzen. Bei jedem Atemzug. Auch am Tag danach noch. Und ich hatte auch dort den Gedanken "Hoffentlich habe ich keinen Lungenkrebs". Im nächsten Moment wird mir dann klar, dass ich einfach erkältet und vor wenigen Monaten erst eine Lungenentzündung und deshalb vielleicht noch etwas empfindlich bin. Aber ich finde es schon ein bisschen paranoid. Kennt ihr diese Gedanken bzw. Angst auch?

Ich wünsche uns allen einen guten Start ins neue Jahr und wünsche mir, dass das Jahr 2009 besseres für uns alle bereit hält.

Liebe Grüße

Susanne
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Für meine geliebte Mama
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  #47  
Alt 31.12.2008, 09:29
Ela4811 Ela4811 ist offline
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Standard AW: Mögen die Engelchen dich begleiten, liebste Mama

Liebe Susanne,

es tut mir leid, dass du deine Mama so früh verlieren musstest. Aber im Grunde ist es immer zu früh!

Das was du jetzt durhcmachst, war bei mir genauso. Ich habe immer noch Angst, dass meine Familie, Freunde oder Bekannten krank werden könnten. Meine Mam hatte einen Gehirntumor. Wenn ich Migräne habe, denke ich immer, ob die Schmerzen bei ihr genauso waren... und mein Freund hat immer Angst, dass ich ein Tumor haben könnte.

Eine Krankheit und der Tod eines geliebten Menschens geht nicht einfach an einem vorrüber. Es hinterläßt Spuren und mit der Zeit lernt man damit umzugehen.

Und auch ich bin manchmal heute noch "eifersüchtig", wenn ich Kinder mit ihren Müttern sehe - besonders wenn die älter sind als meine Mam.

Ich wünsche dir dennoch einen guten Rutsch ins neue Jahr und hoffe, dass du trotzdem einen schönen Abend hast und ein wenig Abwechslung. Du machst das genau richtig!

Liebe Grüße

Ela
__________________
Mam
* 18.06.1949 + 08.01.2008

Wenn wir Dir auch die Ruhe gönnen,
ist voller Trauer unser Herz;
Dich leiden sehen und nicht helfen können,
das war unser größter Schmerz.

Ich werde Dich ewig lieben!!!
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  #48  
Alt 31.12.2008, 14:14
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Susanne85 Susanne85 ist offline
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Standard AW: Mögen die Engelchen dich begleiten, liebste Mama

Liebe Ela,

danke, ich wünsche dir auch einen guten Rutsch. Mein Freund und ich bleiben heute zu Hause, weil er krank ist :-(

Ich habe ein bisschen Sekt zum Anstoßen und ein bisschen Silvester-Kracher gekauft. Aber ich bin auch ganz froh, dass wir heute so ruhig feiern. Dann spar ich mir auch das stundenlange Styling :-)

Einen guten Rutsch und bis nächstes Jahr! :-)

Liebe Grüße


Susanne
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  #49  
Alt 02.01.2009, 14:14
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Susanne85 Susanne85 ist offline
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Standard AW: Mögen die Engelchen dich begleiten, liebste Mama

Hallo meine Lieben,

ich wünsche euch allen ein frohes neues Jahr und hoffe, ihr habt schön gefeiert.

Ich war an Silvester an Mamas Grab und habe ihr eine Kerze angezündet. Da hatte ich auf einmal eine sehr emotionale Begegnung. Aus dem Blickwinkel sah ich, dass von rechts jemand schwarz gekleidet auf mich zukam. Als ich mich umdrehte, kam die Tante meines Exfreundes. Als ich mit ihm zusammen war, starb sein Vater an einer Lungenkrankheit (am 23.11.2007). Wir waren nicht lange zusammen denn Weihnachten 2007 gingen wir getrennte Wege. Aber durch diese Tragödie war es umso intensiver. Wir waren täglich bei seiner Familie und scheinbar haben sie mich bis heute nicht vergessen. Seine Tante kam zu mir und umarmte mich. Wir haben zusammen geweint. Sie hat mich getröstet und mich gefragt, ob sie für Mama auch Kerzen anzünden darf. Sie war wohl schon öfter am Grab, hat sich aber nicht getraut, weil sie nicht wusste, ob ich das will. Mich hat es so sehr gefreut, dass diese Frau, mit der ich ja nicht lange zutun hatte, so mit mir geweint hat und sogar wusste, wo Mamas Grab ist. Die Mama von meinem Exfreund, die ja auch 15 Jahre die Arbeitskollegin meiner Mama war, kam auch zur Trauerfeier. Das hat mich alles total berührt. Die Tante meines Exfreundes sagte mir dann "In der schwersten Zeit unserer Familie warst du da. Du hast unseren Markus aufgefangen und getröstet und auch seine Mama aufgefangen. Du warst da. Und nun sind wir es dir schuldig, dass auch wir dir zur Seite stehen. Das ist das mindeste, was wir für dich tun können.". Als sie dann ging, fühlte ich mich besser. Beruhigter. Im Nachhinein kam es mir vor, als hätte Mama, als ich dort bitterlich weinend an ihrem Grab stand, mir jemanden geschickt. Ich weiss, das hört sich vielleicht verrückt an. Aber so empfand ich es. Mich hat es sehr gefreut, dass Elish (so heisst die Tante meines Ex) Mamas Foto ansah und sagte, wie schön hübsch Mama doch gewesen sei und sie diese Gene weitergegeben habe. Diese Begegnung am Grab war sehr schön. Während des sehr intensiven und emotionalen Gespräches hielt sie meine Hände. Es hat sich so beruhigend angefühlt. Wir standen beide da und haben geweint, aber es war sehr tröstend. Ich habe diese Frau immer gern gemocht. Aber dass sie so ein herzensguter Mensch ist, habe ich zuvor nicht wahrgenommen. Was ich empfunden habe während dieser Minuten am Grab, kann ich fast nicht in Worte fassen.

Ansonsten kann ich euch gar nicht sagen, wie mein Silvester war. Wir sind doch noch zu Freunden gefahren. Aber ich habe mich weder gefreut, noch war ich traurig. Es war mir einfach egal. Das ist überhaupt die Gefühlslage, die dich seit Tagen/Wochen habe. Ich bin wieder betäubt. Nur gestern Abend kam es wieder. Ich wusste schon, dass ich wohl nicht einschlafen kann, weil ich sehr viel an Mama dachte. Ich habe meinen Freund gebeten, noch etwas wach zu bleiben, wenn ich ins Bett gehe, damit ich im Hintergrund noch Geräusche habe und es nicht so still ist. Ich lag dann im Bett und habe noch mehr an Mama gedacht. An die Zeit ihrer Krankheit und eben auch an diesen 16.12.2008. Wie sie den ganzen Tag da lag und nach Luft schnappte. Wie sie ganz heiss vom Fieber war (40,5). Wie tot sich ihr Körper schon anfühlte, als ich ihre Hand nahm. Wie sie versuchte zu sprechen aber zu schwach war. Wie sie ihre Augen öffnen wollte aber auch dazu zu schwach war. Und wie ich um kurz vor halb sieben ins Zimmer kam und es einfach nur still war. Ich hörte sie nicht mehr nach Luft schnappen. Wie ich mit der Schwester am Bett stand und sie geschimpft habe, weil sie nicht auf mich gewartet hat. Und wie ich später wieder reinkam und sie mit Blumen aufgebahrt war. Wie man mir ihre Sachen mitgab und ich dann in der Dunkelheit mit ihrem Koffer und ihrer Tasche vor dem Krankenhaus stand und nicht wusste, was ich jetzt mache. Wo ich hinfahre, bei wem ich sein soll und wie es jetzt überhaupt weitergeht.

Und dann kam er wieder. Dieser Schmerz, den ich tagelang nicht mehr spürte. Alles in mir zog sich zusammen und ich weinte. Ich versuchte dennoch, den Schmerz einigermaßen zu unterdrücken, damit es nicht ganz so arg weh tut. Mir wurde schlecht und ich bekam Bauchweh. Also stand ich wieder auf, trank einen Tee und rauchte eine Zigarette. Danach startete ich Versuch 2. Es war mittlerweile 3 Uhr. Dann schlief ich 3 Stunden und war wieder wach. Vor diesen Nächten habe ich immer so Angst. Die Nächte, in denen ich nicht betäubt bin.

Traurige Grüße


Susanne
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Geändert von Susanne85 (02.01.2009 um 14:18 Uhr)
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  #50  
Alt 02.01.2009, 17:33
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Susanne85 Susanne85 ist offline
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Standard AW: Mögen die Engelchen dich begleiten, liebste Mama

Hallo, da bin ich wieder...

ich bin heute etwas unruhig und muss daher schon wieder schreiben...

Mama sagte mir ja, als im April 2007 die erste Diagnose kam, dass sie im Anfangsstadium sei... Nur habe ich jetzt eine Notiz von genau dieser Zeit gefunden, in der sie "T3" notierte... Das hat mich sehr irritiert. Ich frage mich jetzt, ob sie es wirklich nicht wusste oder ob sie es uns einfach verschwiegen hat, was ihr durchaus zuzutrauen wäre. Das meine ich nicht böse, sondern ich weiss eben, dass Mama uns immer schützen wollte. Das sagte auch die Ärztin, nachdem Mama ja die letzten paar Wochen immer von der fernen Zukunft sprach. Ich habe so viele Gedanken. Hat sie es wirklich gewusst? Es zerreisst mir das Herz, wenn ich daran denke, dass sie mit diesem schrecklichen Wissen, eben nicht im Anfangsstadium zu sein, allein war. Die Nachbarin erzählt mir auch immer, dass Mama so viel geweint und geschrien hat vor Schmerzen. Und Papa war in der Kneipe. Sie hat soviel erleiden müssen und war noch dazu allein. Ich habe so ein schlechtes Gewissen, wenn ich daran denke. Es tut so weh. Auch ich hätte mehr tun können. Kleine Dinge, die mir nicht weh getan hätten. Und damit muss ich jetzt leben. Ich hoffe nur, dass Mama mir das verzeihen kann. Wenn ich daran denke, dass sie allein auf dem Sofa, weinend vor Schmerzen lag und ganz allein war, zerreisst es mir das Herz. Es tut so weh. Aber jetzt kann ich es nicht mehr ändern. Hätte ich doch wieder zu ihr ziehen sollen? Oder muss ich Papa anschuldigen, dass er sie allein gelassen hat und beim Saufen war? Ich bin hin und her gerissen.

Es tut mir so leid Mama!!
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  #51  
Alt 02.01.2009, 20:48
Nawinta Nawinta ist offline
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Standard AW: Mögen die Engelchen dich begleiten, liebste Mama

Hallo Susanne,

erst mal ein gutes und gesundes neues Jahr und an alle die hier lesen.

ja, dass kenn ich, wenn einen etwas weh tut, dass man gleich das schlimmste denkt. Ich Träum auch davon.

Habe heute bei der Vorsorge auch die Zusatzleistung mit Ultraschall in Anspruch genommen. Auch wenn ich die selber zahlen muß. Ich will ja nichts riskieren und merke mehr auf meine Gesundheit und auch die von meinen Mitmenschen. Denn die Gesundheit ist das höchste Gut was wir auf Erden haben, dass habe ich erfahren und gelernt. Und dass man mit sich und den anderen Gut umgehen soll. Denn nichts ist wichtiger als ein kurzer persöhnlicher netter Plausch. Bin ich auch noch am lernen.

Vielleicht wüßte deine Mutter wirklich nicht wie sie eingestuft war.
Wieso ich das sage, ich habe meine Mutter oft zum Arzt begleitet und kenne dieses "gelapperere" -> erst mal nix verstehen, dann "na so schlimm ist es ja jetzt auch nicht" und über "mal sehen" und "die Syntome erst mal weiter beobachten, sehen kann man ja noch nichts...." man kann noch nichts sagen...

Den Arzt den ich letztes Jahr an Weihnachten da hatte, sagte mir "na Lebenserwartung hat sie keine mehr vielleicht 1/2 Jahr". Der Tumor ist schon sehr groß den er getastet hat. Nur komischer weiße wurde vor nicht mal 100Tage noch kein Wachstum festgestellt. Eben nur die Syntome.....

Und bevor Mutter den Stoma bekam waren max 14Tage. Wir sehen kein Wachstum des Tumores. Der Tumormarker steigt, heißt aber nichts. War sogar beim Ultraschall dabei. Die junge Ärtzin wollte eine Darmspiegelung machen, der alte Arzte meinte jedoch, sehr bestimment, das sei nicht notwendig. Und bevor es zum "Künstlichen Darmausgang" käme könne mann immer noch eine Chemo machen. Es hätte hier schon eine Chemo gemacht werden müssen, ist jedoch abglehnt worden, da die letze ein Jahr zurück erst war. Käse!!! Weiß ich jetzt. Wir haben aber auf die Ärzte vertraut. Aber ich denke, sie wissen auch nicht immer was richtig ist, es gibt ja verschiedene Krankheitsverläufe. Obwohl ich diese verschiedene Verläufe nicht nachvollziehen kann. Und für mich hört sich das immer gleich an. Manchmal denke ich, der alte Arzt wußte sehr wohl was Sache ist, hat aber mal wieder nur an sein "Buget" gedacht! Was man ihn nicht mal verübeln darf (Aber da können wir, als Angehörige leider nicht viel machen. Nur die anderen Angehörigen dafür sensibilisieren. Kämpft für eure Leute. Leider ist es aber meist schon zu spät bevor man dies so richtig realiesiert).

Ich denke, du hast alles für deine Mama gemacht was du hast tun können. Sie hat es dir ja auch gesagt.

Dein Vater, hat im wahrsten Sinne des Wortes den Schmerz "ersäuft".
Es kann nicht jeder, dass was du auch für deine Mama getan hast. Trost zu spenden und einfach nur da zu sein. Zu zeigen, du bist nicht alleine, ich trage das mit dir, du bist nicht alleine in deinem Schmerz.


@ Ela, dass Gefühl von Eifersucht kenne ich auch wenn ich Töchter mit ihrer Mutter laufen sehe.


Alles Liebe und Gute
Alex
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  #52  
Alt 04.01.2009, 12:57
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Susanne85 Susanne85 ist offline
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Standard AW: Mögen die Engelchen dich begleiten, liebste Mama

Hallo Alex,

das mit den Ärzten habe ich auch mitbekommen. Sie wollten Mama 6 Wochen vor ihrem Tod noch ne Chemo geben, da die letzte nicht angeschlagen hat, sondern die Metas sich noch mehr verbreitet haben. Mama wog da aber nur noch knapp über 40 kg. Das habe ich nicht verstehen können. Als Mama dann in die in der KLinik befindlichen Onkologiepraxis kam, wackelte sie nur noch. Die Onkologin hat dann auch gemerkt, dass eine Chemo nun doch nicht verantwortbar sei. Mama kam dann auf die Palliativstation. Dort wurden endlich ihre Schmerzmittel eingestellt. Vorher hatte sie alles durcheinander bekommen. So nach dem Motto "Wenn das eine nicht hilft, nehmen Sie noch was vom anderen und wenns dann noch nicht besser ist, nehmen Sie von allem mehr.". Auf der Palliativstation wurde dann auch mittels CT die Hirnmetas festgestellt, die schon sehr groß war, aber direkt unter dem Stammhirn hinter den Sehnerven saß, wodurch sie auch nicht operabel war. Man entschloss sich auf Seiten der Ärzte also, Mama direkt in eine Klinik nach München zu verlegen um sie zu bestrahlen (!!). Mama hatte sehr große Hoffnungen. Mir war aber klar, dass das auch nichts bringt. Ich bin dann zur Onkologin und habe sie gefragt, was das soll. Sie meinte dann, es wäre keine lebensverlängernde Maßnahme, sondern nur eine sympthomlindernde. Mann könnte eh nicht stark strahlen, da man sonst die Sehnerven in Mitleidenschaft ziehen würde und Mama erblinden würde. Ich fragte sie dann, ob sie allen ernstes meine, dass man mit minimaler Bestrahlung das Doppeltsehen auf dem linken Auge, das Taubsein auf dem rechten Ohr, das Taubheitsgefühl im ganzen Gesicht, das kaum-sprechen-können, das kaum-essen-können in den Griff bekomme. Die Ärztin meinte dann, es wäre ja einen Versuch wert. Das hörte sich an wie "Ist doch eh schon egal". Mama kam dann in die andere Klinik allerdings auf Normalstation. Sie bekam 2 Wochen täglich Strahlen. Da Mama schon sehr hilfebedürftig war, war die Versorgung an dieser Personalunterbesetzten Station katastrophal. Die Strahlen haben NICHTS gebracht. 1 Woche, nachdem Mama aus München wieder in unsere Klinik auf die Palliativstation kam, starb sie. Auch die Oberärztin in München sagte schon, es müsse ein Wunder geschehen, wenn Mama Weihnachten schaffen sollte. Und sie hatte Recht.

Ich habe mich oft bei dem Gedanken erwischt, dass man mit den Bestrahlungen bei meiner Mama nur noch mal Geld gemacht hat. So nach dem Motto "Ist ja egal, da holen wir jetzt noch Geld raus.".

Vielleicht habe ich mich in meinem Unverständnis und meiner Verzweiflung auch getäuscht.

Aber scheinbar ist es doch manchmal so, dass Ärzte entweder nix mehr tun oder dann alles in Bewegung setzen, um noch was zutun, was nichts mehr bringt. Ich wäre froh gewesen, sie hätten Mama diese Strahlen erspart. Es kostete sie nichts als Kraft. Und sie haben nicht im geringsten angeschlagen. Auch keine Sympthome wurden gelindert....

Viele liebe Grüße


Susanne
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Für meine geliebte Mama
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  #53  
Alt 04.01.2009, 13:27
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Sanni412 Sanni412 ist offline
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Standard AW: Mögen die Engelchen dich begleiten, liebste Mama

Liebe Susanne!

Was würde Deine Mama Dir sagen, wenn Du ihr erzählen würdest, dass Du Dich mit Vorwürfen plagst?

Aber ich kenne diese Gefühle!
Ich war eine Stunde zu spät bei meinem Papa um ihn zu verabschieden!
Klar, inzwischen denk ich, dass er das genauso gewollt hat!

Meinst Du nicht wenn Deine Mama nicht hätte allein sein wollen, mit ihren Schmerzen, dann hätte sie jemanden geholt?
Eltern wollen uns beschützen, immer-oder meistens!
Das hat auch Deine Mama gewollt, sie wollte nicht, dass Du ihre Schmerzen siehst, sie wollte ohne Dich sterben!
Um Dich zu schützen!
Um Dir wenigstens diesen Moment der Erinnerung zu ersparen, sind doch die Erinnerungen eh schon das schlimmste!

Mir geht es abends ähnlich wie Dir, les mal in meinem Thread, da hab ich so einen Gedankengang beim Einschlafen mal aufgeschrieben!

Vlt hättest Du einen Grund Deinem Papa böse zu sein, was heißt wahrscheinlich? Ich an Deiner Stelle wäre es mit Wahrscheinlichkeit!
Aber bringt das jetzt noch was?
Oder anders: Hätte Deine Mama das gewollt?
Ich versuch mich immer mit dem zu retten, was für meinen Papa gut war, besser war, wie er es gewollt hätte!

Ich weiß, der Schmerz kommt trotzdem, immer wieder!
Mein kleiner Schatz (6 Jahre) kletterte wieder auf meinen Schoß heut "Mama, ich bin so traurig wegen Opa!"
Was sagt man da?
Ich sag immer "Ich weiß, mein Schatz, ich auch!"
Und dann halten wir uns einfach fest!

Mach Dir keine Vorwürfe, es gibt nichts mehr zu ändern!
Ich verstehe Dich, und ich sag mir täglich die selben "Floskeln" wie Dir, oder meine Mama sagt sie mir!

Ich nehm Dich einfach mal, voller Verständnis in die Arme!
Deine Sanni
__________________


The best and most beautiful things in the world
cannot be seen or even touched.
They must be felt with the heart.
Papa ich liebe Dich!
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  #54  
Alt 04.01.2009, 13:46
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Standard AW: Mögen die Engelchen dich begleiten, liebste Mama

Liebe Susannne,

ich glaube, jeder fragt sich kurz danach, ob er mehr machen konnte. Ich habe das auch gemacht. Ich glaube, dass ist normal.
Aber heute - fast ein Jahr später - weiß ich, dass ich alles wieder so machen würde.

Vielleicht hat deine Mama selbst geglaubt, dass es das Anfangsstadium ist. Meine Mam wollte damals nichts genau wissen. Sie wußte nur, dass sie einen Gehirntumor hat. Sie meinte damals noch, mit so einem Ding kann man steinalt werden.
Ich glaube, damit wollte sie sich schützen. Es ist ja auch nicht einfach, mit so einer Diagnose klar zu kommen.

Die Trauer verändert sich mit der Zeit. Und ich hatte auch viele Phasen, wo es mir richtig gut ging. Manchmal unvorstellbar. Für mich war der Tod von Mam das Schlimmste. Und nun ist ein Jahr fast vergangen. Und manchmal kann ich es immer noch nicht glauben.

Mach dir keine Vorwürfe. Deine Mam wußte, dass du sie liebst und du warst immer für sie da...

Drück dich

Ela
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Mam
* 18.06.1949 + 08.01.2008

Wenn wir Dir auch die Ruhe gönnen,
ist voller Trauer unser Herz;
Dich leiden sehen und nicht helfen können,
das war unser größter Schmerz.

Ich werde Dich ewig lieben!!!
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  #55  
Alt 04.01.2009, 14:13
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Liebe Sanni,

ich lese deinen Thread immer mit :-)

Was meine Mama sagen würde, wenn ich ihr erzähle, dass ich mir Vorwürfe mache? Sie würde sagen "Es ist schon gut.".

Als Mama gegangen war, als ich wieder ins Zimmer kam, habe ich die Schwester geholt. Ich habe mich nicht zu ihr hingetraut allein. Ich habe, als ich die Türe öffnete einfach nur nichts mehr gehört. Kein Rasseln mehr. Kein nach Luft schnappen mehr. Allein traute ich mich nicht an ihr Bett. Als ich mit der Schwester und dem Pfleger bei ihr stand, habe ich sie geschimpft, dass sie nicht gewartet hat. Aber auch die Schwester hat gesagt, Mama wollte nicht, dass ich da bin. Sie erlebt das sehr oft, dass die Menschen gehen, sobald ihre lieben aus dem Zimmer sind. Und wenn sie nur vor der Türe stehen. Ich glaube, Mama war noch da, als ich ins Zimmer kam. Es war ein ganz komisches Gefühl. Als ich ihre Hand nahm, fühlte es sich nicht anders an, als den ganzen Tag. Denn sie lag ja leblos im Bett und hatte nicht mal mehr Kraft, die Augen zu öffnen. Nicht, dass sie es nicht versucht hätte. :-) Sie war eben ein Sturkopf und wollte bis zur letzten Minute nicht gehen.

Ich weiss, es macht keinen Sinn auf Papa wegen Mama sauer zu sein. Ich bin ja nicht nur deshalb sauer. Mama hat es immer gehasst, dass er trinkt. Und was macht er? Er stand besoffen an ihrem Totenbett. Meine Schwester und ich haben die ganze Beerdigung organisiert. Alleine. Und was macht er? Er meckert, weil kein Kreuz auf dem Sarg war. Dann sagt er Sachen wie "Gebt nicht das ganze Geld der Versicherungen für die Beerdigung aus. Ich möchte, dass mir was bleibt davon." Das finde ich einfach eine Frechheit. Es ist ja nicht so, dass er es für notwendige Dinge brauchen würde. Er will es einfach nur versaufen. Und da gebe ich lieber alles für Mama aus, als dass ich damit die Pacht seiner Wirte bezahle. Das habe ich schon oft genug getan. Er beschwert sich auch, dass ihn niemand anruft. Aber wer soll denn anrufen? Er hat keinen mehr. Weil er durch den Alkohol alle vertrieben hat. Die einzige, die er hat, bin ich. Und da ist er auch dabei, sich das zu versauen. Ich habe die letzten ein paar tausend Euro - die ich selbst nicht hatte - in Mama "investiert". Damit sie sich bei dem Arzt ihres Vertrauens, der bei Flensburg ist (wir kommen aus Bayern) behandeln lassen kann (also Reisekosten etc). Ich habe Chemozuzahlungen bezahlt, weil er das Geld versoffen hat. Ich habe ihre Brillen bezahlt, die sie nicht brauchte (lange Geschichte), den Totenschein, die Sterbeurkunden etc. Hätte ich noch mehr Geld gehabt, hätte ich es auch Mama gegeben. Damit sie alles bekommt, was sie braucht und will. Für Mama würde ich es jederzeit wieder tun. Aber er fragt nicht mal danach und weist uns dann noch an, sparsam bei der Beerdigung zu sein. Das sind alles so kleine Dinge, die mich wütend machen. Geld spielt für mich bei dem Begräbnis meiner Mama keine Rolle. Und auch bei ihrer Behandlung hat es das nicht. Dann hab ich halt nen Kredit aufgenommen. Aber dass das alles nicht ansatzweise von ihm gewürdigt wird, macht mich sauer. Ich will das Geld ja nicht zurück. Ich will einfach nur, dass er es anerkennt und mich nicht noch nervt, dass er ja noch 100 € für die Autoversicherung bekommt.

Liebe Ela,

ich fühle mich irgendwie wie betäubt. Ich weine kaum. Außer an ihrem Grab. Oder manchmal abends im Bett. Aber ich bin auch nicht glücklich. Ich bin distanziert, ruhig un still. Aber ich bin kaum traurig. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich es noch nicht glauben kann, es noch nicht verinnerlicht habe.

Ob Mama gewusst hat, wie weit der Krebs ist, werde ich nie erfahren. Ich sollte mir auch keine Gedanken darüber machen. Denn ich werde keine Antwort bekommen.

Habt ihr manchmal das Gefühl, eure Lieben sind bei euch? Ich spüre Mama nicht. Ich habe noch nie das Gefühl gehabt, sie ist bei mir. Und das macht mich traurig.

Wisst ihr etwas gegen Schlafstörungen? Ich bekomme zwar leichtes Beruhigungsmittel vom Arzt, wovon ich 1 Tablette vor dem Schlafengehen nehme, liege aber trotzdem bis 3 Uhr wach und kann nicht schlafen. War oder ist das bei euch auch so? Was kann ich da machen?

Viele liebe Grüße


Susanne
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Für meine geliebte Mama
13.06.1964 - 16.12.2008
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  #56  
Alt 05.01.2009, 09:09
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Liebe Susanne,

ich war am Anfang wie betäubt und habe daruber geredet als wenn ich irgendwas erzähle. Ich glaube, es ist normal. Man muss erst einmal versuchen, dass ganze zu verstehen und dann zu verarbeiten.

Ich habe die ersten viele Nächte danach die Nacht immer wieder erlebt. Ich konnte kaum schlafen und war ständig wach. Ich habe auch Tabletten bekommen, aber ich habe die nicht genommen. Ich habe es mit Tee`s probiert usw. Aber nichts half. Aber bei wurde es nach einiger Zeit besser.
Es braucht alles seine Zeit.

Manchmal fühle ich meine Mam, aber leider wird das immer weniger. Am Anfang habe ich ein Ritual gehabt, dass mache ich heute noch, aber am Anfang war mir Mam da sehr nah. Heute nicht mehr so ganz. Aber ich habe sie in meinem Herzen und nach und nach kommen auch die alten Erinnerungen wieder. Und ich denke viel an sie.

Drück dich

Ela
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  #57  
Alt 07.01.2009, 12:14
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Hallo Susanne,

seit dem 3.01. um 4 Uhr früh bin auch ich in diesem Forum "richtig". Da ist meine Frau für immer eingeschlafen. Wir hatten das große Glück, dass sie Zuhause sterben durfte und dass ich in ihren letzten Stunden bei ihr sein konnte. Sie konnte nicht mehr sprechen, aber mich noch erkennen und mich verstehen. Und so habe ich ihre Hand gehalten und ihr "zum Abschluss" von all den schönen Dingen erzählt, die wir in über 20 Jahren Partnerschaft miteinander erlebt haben. Und sie hat dazu genickt und noch oft gelächelt.

Zitat:
Zitat von Susanne85 Beitrag anzeigen
Habt ihr manchmal das Gefühl, eure Lieben sind bei euch? Ich spüre Mama nicht. Ich habe noch nie das Gefühl gehabt, sie ist bei mir. Und das macht mich traurig.
Ich spüre meine Frau auch nicht. Ich habe das aber auch nicht erwartet. Ich bin nicht religiös und "glaube" an den Hirntod. Und schon wenige Stunden nach ihrem Tod war mir auch im Herzen klar, dass sie nun "einfach weg" ist. Meine Frau war nach ihrem Tod 3 Tage lang Zuhause aufgebahrt (was in D gesetzlich maximal erlaubt ist; Anthroposophen glauben, dass die Seele 3 Tage braucht, um den Körper zu verlassen), und sie ist von mir und ihrer Schwester gewaschen und gekleidet worden. Das war sehr wichtig. Denn gespürt haben meine Schwägerin und ich nur, dass das, was dort im Bett liegt, nicht mehr unsere Frau bzw. Schwester und engste Vertraute ist, sondern eine sterbliche Hülle. Diese Tage waren, auch wenn wir oft bei meiner Frau waren, sie zum Abschied nehmen angesehen, berührt und mit ihr gesprochen haben (und darauf aufgepasst, dass die rote Totenkerze in diesen 3 Tagen niemals erlischt), ganz seltsam "gefühllos". Kann ich schlecht beschreiben. Das war nicht mehr sie. Ihre Seele war schon entwichen. Wohin auch immer. Vielleicht meldet sie sich ja mal von da, wo sie jetzt ist - wenn auch sie etwas Abstand von den Ereignissen der letzten Wochen und Monate hat.

Ich spreche oft mit meiner Frau. Ein Ort dafür hat sich ganz "von selbst" ergeben: An ihrer Schlafzimmertür, die von der Küche abgeht, hängt seit Jahren ein DIN A3 großes Foto ihres Gesichts, das ich vor gut 10 Jahren mal gemacht und selbst entwickelt und vergrößert habe. Dieses Foto, das ich, wenn ich in der Küche bin, tagtäglich stundenlang sehe, habe ich vorher nie bewußt wahrgenommen - es war einfach da und ohne große Bedeutung. Erst vorgestern, zwei Tage nach dem Tod meiner Frau, schaute ich wieder mal dahin, wohl zum xx-ten mal an diesem Tag... und dann machte es plötzlich "klick". Das ist sie! Nicht das, was im Wohnzimmer im Bett liegt und darauf wartet, abgeholt und eingeäschert zu werden. Sondern die Frau, die mich vom Foto aus in Großaufnahme glücklich anlächelt. Seither spreche ich mit diesem Foto meiner Frau. Auf Augenhöhe, nur ein paar Meter entfernt. Es ist z.Z. ein Symbol, ein Ort der Zwiesprache und des Gedenkens, für mich schöner und besser als jeder Grabstein (meine Frau wird ohnehin 750 km entfernt beigesetzt, in einem Friedwald in ihrer alten Heimat).

Also spreche ich hier mit ihr. Aber geantwortet hat sie noch nicht, und spüren kann ich sie auch nicht. Noch nicht. Aber das wird kommen, ganz sicher.

Zitat:
Wisst ihr etwas gegen Schlafstörungen? Ich bekomme zwar leichtes Beruhigungsmittel vom Arzt, wovon ich 1 Tablette vor dem Schlafengehen nehme, liege aber trotzdem bis 3 Uhr wach und kann nicht schlafen. War oder ist das bei euch auch so? Was kann ich da machen?
Gegen Schlafstörungen bekommst du in jeder Apotheke rezeptfrei wirksame Mittel, z.B. "Hoggar Night". Aber bitte nur kurzzeitig anwenden, nicht auf Dauer. Ich kann eigentlich ganz gut schlafen. Aber ich wache immer noch ohne Wecker pünktlich kurz vor Mitternacht und kurz vor 6 Uhr morgens auf - zu den Zeiten habe ich in den letzten Wochen nächtlich nach meiner Frau geschaut und ihr per Infusion ihre Medikamente gegeben. Und natürlich habe ich seltsame Träume. Nicht direkt Alpträume, aber schon mit Inhalten, die mir zeigen, dass ich im Moment halt vieles im Schlaf verarbeiten muss.

Die Trauer, Einsamkeit und tiefe Verzweiflung wird noch kommen, mit etwas Zeitabstand. Meine Frau hat gut eine Woche vor ihrem Tod zu ihrer Schwester (die beiden sind sich seit fast 35 Jahren die wichtigsten Menschen auf der Welt) noch so treffend gesagt: "Du hast jetzt die Arschkarte gezogen." "Warum?" "Ich darf gehen, aber du musst weiterleben." So ist es leider. Wir Hinterbliebenen müssen weiterleben. Und nicht nur irgendwie überleben, sondern - nach der Zeit, die jeder ganz persönlich für seine Trauer braucht - es meiner Frau gleichtun. Sie konnte ihr diesseitiges Leben loslassen und in Frieden gehen. Und so werden auch wir als Angehörige irgendwann lernen, loszulassen und in Frieden ein "neues Leben" zu beginnen. Unser Leben ohne den wichtigsten Menschen, der bis vor kurzem noch bei uns war.

Beim Schreiben der ersten Zeilen dieses postings musste ich mal wieder heulen wie ein Schlosshund und erstmal eine Pause einlegen. Jetzt gerade muss ich schmunzeln, weil ich mich daran erinnere, wie meine Frau mich "erzogen" hat. Wenn ich mich mal wieder daneben benommen habe oder etwas nicht begreifen, sondern stundenlang sinnlos rumdiskutieren wollte, hat sie zu mir gesagt: "Du gehst jetzt besser auf dein Zimmer. Und wenn du dich besonnen hast, kannst du wieder rauskommen." Das hat funktioniert. Und so werde ich in Zukunft so weiterzuleben versuchen, wie meine Frau es sich gewünscht hat. Nach der Trauer dem Leben ins Gesicht lachen, auf zu neuen Ufern. Nicht verkriechen, einigeln, verzweifeln und jahrelang sich das Hirn mit der Frage "warum?" zermarten.

Weinen hat seine Zeit, und Lachen hat seine Zeit. Und in den nächsten Wochen und Monaten werde ich sicher viel öfter weinen als lachen, und es wird verdammt schwer werden. Aber dann werde ich "die Kurve kriegen" und nach vorne schauen. Weil ich genau weiss, was sonst passiert: wenn ich das nicht tue, wird irgendwann die Stimme meiner Frau von oben zu mir sagen: "Du gehst jetzt besser auf dein Zimmer..." Und darauf lege ich nun wirklich keinen Wert ;-)

Viele Grüße,
Stefan

PS: es mag vielen hier herzlos erscheinen, dass ich angesichts des kürzlichen Todes meiner Frau genau wie immer noch schlechte Witze machen kann. Aber so kennt sie mich, und sie würde sich in der Urne umdrehen, wenn ich mich anläßlich ihres Todes plötzlich so verändern würde, dass sie mich nicht wiedererkennen könnte. Also ist das in Ordnung so.
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  #58  
Alt 07.01.2009, 15:25
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Lieber Stefan,

es tut mir sehr leid, dass du deine Frau nun auch verloren hast. Deine Worte haben mich sehr berührt. Ich bin auch nicht religiös. Aber ich glaube daran, dass es nach dem irdischen Leben noch etwas gibt. Vielleicht muss die Seele noch einen Prozess durchleben, ehe sie "ankommt" und dann vielleicht bei uns "nach dem Rechten sieht". Ob das von oben, unten oder "drüben" ist, weiss ich nicht. Gestern lag ich im Bett und habe auf meiner Stirn und Backe ein kleines Kribbeln bzw. Kitzeln gespürt. Ich weiss nicht, ob das neurologisch bedingt war oder ob sie da war und mir übers Gesicht gestreichelt hat. Ich werde es nie wissen. Hier hilft wirklich nur ob man glaubt oder nicht glaubt, dass sie es war. Nur bin ich eben viel zu oft ein Zweifler oder Realist.

Mama ist ja im Krankenhaus gestorben. Aber ich fand auch, dass sie bereits nach 30 Minuten schon nicht mehr aussah wie meine Mama. Man hat es einfach gesehen, dass das Leben, die Persönlichkeit, kurz gesagt: die Seele weg ist. Sie sah aus, wie eine Puppe. Als die Seele gerade erst gegangen ist, sah sie noch aus, wie meine Mama, die nun friedlich schläft. Aber kurz danach schon nicht mehr.

3 Tage hätte ich das wohl nicht ausgehalten. Denn das Aussehen verändert sich ja scheinbar fast stündlich. Ich bewundere dich und deine Schwägerin dafür. Es fordert viel Kraft.

Ich brauche meinen Weg zu ihrem Grab ca. alle 2 Tage. Mir ist es - aus welchen Gründen auch immer - sehr wichtig, dass immer eine Kerze bei ihr brennt. Dort muss ich dann auch weinen. Bzw. ist es auch die einzige Zeit, in der ich allein bin und dann auch richtig trauern kann.

Ich träume auch sehr intensiv. Aber es sind keine Alpträume mehr. Irgendein Quatsch, der aber sehr intensiv ist. Hab schon mal unter Traumdeutungen nachgelesen und da stand sogar was von Trauer.

Ich habe in der Apotheke Baldriparan bekommen. Das hilft aber nicht. Habe auch schon von Hoggar gehört und werde mir dies wohl heute kaufen. Ich schlafe nur noch stundenweise und das dann nicht mal tief.

Wie geht es dir jetzt? Wie fühlst du dich? Kannst du es schon begreifen?

Tröstende Grüße


Susanne
__________________


Für meine geliebte Mama
13.06.1964 - 16.12.2008
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  #59  
Alt 07.01.2009, 19:59
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Hallo Susanne,

Zitat:
Zitat von Susanne85 Beitrag anzeigen
Wie geht es dir jetzt? Wie fühlst du dich? Kannst du es schon begreifen?
Im Moment geht es mir so gut, dass es mir fast schon peinlich ist. Denn "eigentlich" sollte ich ja gerade nur trauern und mit Leichenbittermiene rumlaufen.

Tue ich aber gerade nicht. Denn bei allem Leid und aller Trauer: wir haben da einen absolut erstklassigen Abgang hingelegt. Das soll uns erstmal einer nachmachen. Meine Frau sitzt da oben, und meine Schwägerin und ich haben zu ihr gesprochen und gesagt: "Na, Christel, wie haben wir das gemacht?" Und sie hat geantwortet: "Super. Genau so, wie ich es mir gewünscht habe. Ein dickes Sonderlob für euch." Und in diesem Bewusstsein haben meine Schwägerin und ich uns umarmt, uns gegenseitig auf die Schulter geklopft und uns im Gedenken an meine Frau Montag abend so richtig einen auf die Lampe gegossen (ein Privileg der Lebenden: wer weiss schon, ob meine Frau da, wo sie jetzt ist, noch ihren geliebten Remy trinken darf - und wenn sie richtiges Pech hat, herrscht im Jenseits vielleicht sogar Rauchverbot )

Die Tage vom Sterben meiner Frau bis zur Abholung der Leiche gestern früh waren halt extrem anstrengend. Ich hatte von Freitag früh bis Sonntag früh nicht geschlafen, die Wochen vorher auch nur mit mehreren Unterbrechungen die Nacht, und die Tage danach wegen Stress auch nicht richtig. Und dann natürlich xxx-mal telefoniert, am So und Mo die Freunde empfangen, die meine Frau nochmal sehen wollten, usw. Als dann Dienstag früh der Bestatter zum Abholen kam und wir das Hoftor hinter dem Leichenwagen geschlossen haben... da kehrte erstmals seit Tagen Ruhe ein.

Und seither bin ich ziemlich gelöst, befreit und auch recht zufrieden. Denn, bei aller Tragik: meine Frau ist so gestorben, wie sie und ich es uns gewünscht haben. Aus der Klinik raus, rechtzeitig zu Weihnachten. Zuhause, mit Weihnachtsbaum, Ehemann, Hund und Katze. Sie hat Mutter, Schwester, Bruder und die wichtigsten Freunde noch treffen und von ihnen Abschied nehmen können. Sie hat nicht viel gelitten. Sie war die letzten 14 Tage Zuhause schmerzfrei (das Wichtigste überhaupt!), geistig wach und recht guter Dinge (wenn auch oft sehr müde und erschöpft). Sie lag nur die letzten 2 Tage lang wirklich hilflos im Bett, mit Blasenkatheter und Windeln. Und sie ist überraschend schnell und friedlich eingeschlafen. Vom ersten "Atemrasseln" bis zum letzten Atemzug verging kaum eine Viertelstunde. Sie war bereit, zu gehen - in Frieden und im Einklang mit sich. Und ich durfte sie dabei bis zuletzt begleiten.

Insofern fühle ich mich im Moment fast glücklich. Weil mir klar ist, welche Gnade uns erteilt wurde. Meine Frau durfte so sterben, wie sie sich das gewünscht hat. Und ihr diesen Wunsch erfüllen zu können, erfüllt mich mit Zufriedenheit. Wenn ich daran denke, was in den letzten Wochen alles hätte schiefgehen können... Dann mache ich drei Kreuze, dass letztendlcih doch alles so "schön" geklappt hat. Und ich weiss, dass meine Frau da, wo sie jetzt ist, das ganz genau so sieht. Es hätte - wenn man schon sterben muss - gar nicht besser laufen können. Dafür sind wir Zufall / Schicksal / Fügung / liebem Gott / wem-auch-immer zutiefst dankbar.

Zitat:
Kannst du es schon begreifen?
Schwer zu sagen. Im Moment bin ich erleichtert, dass dieses schwere Kapitel des Sterbens, Aufbahrens und ersten Abschied nehmens abgeschlossen ist.

Das Begreifen und die tiefe Trauer werden noch kommen. Meine Frau war oft genug für längere Zeit weg. Ob mit Freunden im Urlaub, in Klinik oder Reha. Und nach etwa einer Woche ohne sie fange ich seit Jahren an, sie schmerzlich zu vermissen. Und wie es dann sein wird, wenn ich sie nicht mehr anrufen kann und ihr sagen "Du fehlst mir so. Komm doch schnell wieder nach Hause, ich freue mich schon darauf." Und wenn ich dann tagtäglich be-greifen muss, dass sie tatsächlich nie mehr nach Hause kommt...

Wie sich das anfühlt, frag' mich in 1-2 Wochen nochmal. Ich weiss es noch nicht. Aber ich habe schon jetzt eine Scheiss-Angst davor, weil ich es mir so ungefähr vorstellen kann. Soviel Angst, wie ich sie mein Leben lang nicht gehabt habe. Und würde am liebsten meine Sachen packen und gleich abhauen. Irgendwohin, wo ich mich selbst und meine Gefühle nicht mitnehmen muss.

Das Begreifen wird mit der Trauer und der Verzweiflung schon kommen. Sich feige Verkrümeln geht halt nicht - wir müssen irgendwie weiterleben. Und ich WILL das auch. So, wie meine Frau das für mich auch will. Also ist es beschlossene Sache: wir werden das schon irgendwie schaffen

Zitat:
3 Tage hätte ich das wohl nicht ausgehalten. Denn das Aussehen verändert sich ja scheinbar fast stündlich. Ich bewundere dich und deine Schwägerin dafür. Es fordert viel Kraft.
Die 3 Tage Aufbahrung Zuhause hat meine Frau so gewollt, und ich auch. Das war sehr richtig und wichtig, aber auch anstrengend. Wobei ich seit langem der Meinung bin, dass die unausweichlichen Schwierigkeiten im Leben so oder so kommen, früher oder später. Vielleicht kann ich im Moment einen Bogen darum machen. Aber dann begnet mir genau dieses Problem halt später. In diesem Zusammenhang: ja, wir hätten es uns jetzt im Moment leichter machen können. Aber ich bin überzeugt davon, dass uns dieses nicht sofort "abgeladene Gewicht" dann halt irgendwann viel später auf die Füße gefallen wäre. Und dann wäre es noch viel schwerer und schlimmer gewesen als jetzt. Jetzt haben wir uns dieser Sache gestellt und sie bewältigt. Und können diese Erfahrung "reinen Herzens" und ohne Reue "abhaken".

Was die 3 Tage Aufbahrung Zuhause betrifft, sehe ich das inzwischen aus Erfahrung etwas differenzierter. Einfach, weil sich der Körper halt zersetzt, und weil damit (ganz unterschiedlich; hängt nicht nur von der Temperatur ab, sondern auch vom Individuum und wie / woran dieser Mensch gestorben ist) nach gewisser Zeit ein merkwürdiger Geruch entsteht, Flüssigkeiten austreten, sich die Haut pellt, Finger und Lippen blau werden, Leichenflecken entstehen usw. Das war für meine Schwägerin und ich am dritten Tag schon ziemlich eklig und eine echte Überwindung. Selbst jetzt habe ich manchmal noch kurzzeitig das Gefühl, dass ich den Leichengeruch mit mir rumtrage. Aber auch das ist nur kurzzeitig. Zumindest wissen meine Schwägerin und ich jetzt für später: wenn es bei uns mal so weit ist - 2 Tage Aufbahrung reichen, mehr möchten wir den Hinterbliebenen nicht zumuten.

Viele Grüße,
Stefan
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  #60  
Alt 07.01.2009, 21:03
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Lieber Stefan,

ich bin überwältigt von dem Humor, den du (noch) trotz allem mit dir trägst. Auch die Kraft und dieses tiefe Bewusstsein, für das, was passiert ist oder passieren wird. Liegt es an der "tollen gemeinsamen Planung" zwischen dir und deiner Frau? An der puren Offenheit und Ehrlichkeit euch beiden gegenüber? Daran, dass du einfach älter und somit reifer und lebenserfahrener bist?

Ich denke nicht mehr so ununterbrochen an die vergangenen 1 1/2 Jahre, die letzten 6 Wochen im Leben meiner Mama oder an ihren Todestag, den 16.12.2008. Aber wenn ich abends im Bett liege, dann denke ich daran. Und zwar nur daran. Und ich kann es nicht abstellen. Wenn ich lache und glücklich und zufrieden bin, denke ich daran. Ich weiss, was Mama sagen würde: "Lach und freue dich für mich, dass ich es hinter mir habe! All die Qualen, die Schmerzen, die Hilflosigkeit, die Angst, die Verzweiflung, die Hoffnungslosigkeit etc.! Freue dich für mich, trink einen auf mich und lebe!!". Ich weiss auch, dass es richtig ist, sich zu freuen, wenn mir danach ist oder eben zu weinen, wenn ich das brauche oder will. Aber manchmal fühlt es sich komisch an, zu lachen.

Ich habe mir immer das Bild vor Augen führen müssen, als sie tot im Bett lag, um auch zu verstehen, dass sie nie wieder kommt. Zur Zeit will ich sie immer anrufen und ihr sagen "Mama, du glaubst nicht, was ich für einen Bericht im Fernsehen gesehen habe!". Und dann merke ich, ich kann nicht anrufen. Und dann bin ich verzweifelt. Ich frage mich dann immer, wen ich denn jetzt anrufen soll. Mama konnte ich immer anrufen. Egal wegen was. Und wenn ich einfach nur reden will. Und dann muss ich ans Grab gehen und weinen. Manchmal kommt es in Arbeit, dass ich einfach feuchte Augen bekomme. Ich bin sehr durcheinander. Wenn ich weine, will ich nicht in den Arm genommen werden. Deshalb weine ich auch noch kaum zu Hause. Ich will nicht ablehnend meinem so bemühten Freund gegenüber wirken.

Und ich habe Angst vor morgen. Morgen habe ich Geburtstag. Und mir wird beim Schreiben dieser Zeilen und dem Brennen der Kerzen an ihrem Sterbebild so sehr bewusst, dass sie morgen nicht kommt. Sie steht nicht aufgepackt mit Geschenken und Kuchen um 9 Uhr vor meiner Tür und singt Happy Birthday. Deshalb werde ich morgen um 9 Uhr schon nicht mehr zu Hause sein, damit ich nicht auf das Klingel warte.

Meine Mama ist auch so gestorben, wie sie wollte. Sie sagte immer, wenn sie stirbt möchte sie auf der Palliativstation sterben. Und sie möchte einfach einschlafen und nicht mehr aufwachen. Und sie möchte nicht allein sein. Gegen letzteres hat sie sich wohl doch noch kurzfristig umentschieden. Aber sie hat sich den ganzen Tag gequält. Denn den ganzen Tag war sie nicht allein. Sie wäre sicher früher gegangen, wenn sie früher allein gewesen wäre. So sehr setzte sie mit letzter Kraft noch ihren Willen durch.

Für das Aufbahren hast du allen Respekt von mir. Ich wäre dazu nicht in der Lage gewesen. Ich weiss nicht wieso, aber der tote Körper meiner Mama hat Unbehagen, ja sogar etwas Angst in mir ausgelöst. Und dann die Verwesungserscheinungen, die folgen... Ich will gar nicht daran denken. Dazu gehört viel Kraft. Ich habe mir oft die Bilder vorgestellt, wie die Krankenschwester Mama wohl gekämmt, abgewaschen, umgezogen, umgebettet und geschmückt hat. Und auch das hätte ich nicht gekonnt. Ich konnte nicht mal ihre Dinge zusammenräumen, während sie noch in diesem Bett lag. Und die Bettnachbarin noch dazu genauso aufgebahrt in ihrem Bett im gleichen Zimmer lag. Ich will gar nicht daran denken.

Ich glaube, für den Partner ist das alles noch eine Ecke anders. Mein Papa hat mir gesagt, dass er es so schlimm findet, dass überall in der Wohnung ihre Sachen sind. Egal wo er hinsieht, es erinnert und schmerzt ihn. Und die Einsamkeit. Das alles habe ich ja nicht. Ich habe auch Dinge von Mama hier. Ihre Handtasche, ihren Schlüssel, ihren sorgfältig gepflegten Kalender, der einem Tagebuch gleicht, ihren Geldbeutel, ihr Armketten, das sie mir vermacht hat, ihren Jogginganzug, ihre Jacke etc. Aber ich habe das hier, weil ich das will.

Ich trinke jetzt noch ein Glas Wein. Auf mich, auf meine Mama, auf dich, lieber Stefan, und auf deine Frau Christel (falls sie wirklich Alkoholverbot haben. Das Rauchverbot wäre für Mama auch fatal. Sie hat am 14.12.2008 ihre letzte geraucht )

Viele liebe Grüße

Susanne
__________________


Für meine geliebte Mama
13.06.1964 - 16.12.2008
http://de.youtube.com/watch?v=PP_NQPrbRvM
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