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  #1  
Alt 17.04.2015, 15:28
Nievergessen Nievergessen ist offline
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Registriert seit: 17.04.2015
Beiträge: 3
Standard Kampf der Gefühle im Alltag

Hallo ihr Lieben,

das ist mein erster Eintrag, ich habe mich soeben angemeldet, nachdem ich mehrere Beiträge hier im Forum gelesen habe. Meine Mama ist vor drei Monaten im Alter von nur 52 Jahren verstorben. Nachdem im Oktober 2013 ein Tumor in der Gebärmutter "erfolgreich" entdeckt und entfernt worden ist (Leiomyosarkom) und sie nach 6 Wochen das OK bekam, es sei alles in Ordnung meldeten die Ärzte bereits 6 Monate später eine Metastasierung im linken Lungenflügel. Da war es bereits zu spät, trotz Chemo und Abnahme von 60% der linken Lunge wuchs das Sarkom immer wieder nach und in immer schnelleren Raten.

Meine Mutter war alles für mich - kein Mensch hat mich so sehr definiert. Jetzt bin ich 28 und frage mich, wie mein Leben weitergehen soll. Es ist ein auf und ab der Gefühle, besonders abends oder morgens am Wochenende ist es schlimm. Es sind manchmal plötzliche Rückblenden an gemeinsame Erlebnisse und ich muss weinen. Meinen Alltag kriege ich den Umständen entsprechend in den Griff aber ich fühle mich so leer und anstriebslos. Es ist ein ständiges auf und ab, bei der Arbeit denke ich kaum dran aber sobald ich zu Hause bin, "fällt" es mir sofort wieder ein, so blöd das klingt.

Plötzlich habe ich auch panische Angst um meine umstehenden Liebsten. Was ist, wenn mein Vater, Bruder, Freund oder beste Freundin plötzlich versterben? Durch die Erkrankung und den Tod meiner Mutter ist alles auf einmal so viel näher. Worüber ich mir vor nem Jahr noch nicht mal Gedanken gemacht habe, beschäft mich nun täglich.

Ich weiß auch nicht, ob ihr das so verstehen könnt aber ich fühle mich momentan schlecht, weil die Ratschläge von Freunden und Angehörigen mir auf die Nerven gehen. Ein sehr ambivalentes Gefühl aber manchmal finde ich die Tipps einfach nur bescheuert. Ich solle doch mal zur Therapie (wurde mir keine zwei Wochen nach ihrer Beerdigung gesagt, weil ich am Tisch plötzlich geweint habe), ich solle mir doch mal ein Tagebuch zulegen, ich solle mit meiner Mutter reden. Es sind noch nicht mal die Ratschläge selbst, die mich nerven aber das "Du solltest..." von Leuten, die bislang nicht in der gleichen Situation gewesen sind. Ich fühle mich schon fast so, als würde ich nicht richtig trauern bzw. ich es als Anlass nutzen sollte alles im Leben zu ändern. Dabei meinen sie es alle natürlich gut, weswegen ich dann widerum ein schlechtes Gewissen kriege.

Trotz allem habe ich das Gefühl, dass ich jetzt mehr darüber reden kann. Die ersten Monate (naja Wochen!) wollte ich nicht darauf angesprochen werden, ich habe sogar meinen Kolleginnen die Anweisung gegeben mich bitte in Ruhe zu lassen, solange ich nicht selbst darüber reden möchte. Jetzt finde ich Freude daran, anderen von tollen Erinnerung zu erzählen, bestimmte Reisen oder Situationen mit meiner Mutter, die lustig waren. Aber trotzdem bleibt es ein auf und ab und diese Panik, Wut und Fassungslosigkeit machen mir zu schaffen. Ich fühle mich plötzlich wie ein kleines Mädchen.

Ich schicke euch allen herzliche Grüße.
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  #2  
Alt 18.04.2015, 23:27
Gruen Gruen ist offline
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Registriert seit: 30.01.2015
Beiträge: 7
Standard AW: Kampf der Gefühle im Alltag

Hallo Du,

ich weiß genau, was du meinst. Ich bin auch erst 26 und habe meine Mama vor nicht einmal einem Monat an den vermaledeiten Krebs verloren.

Ich will dir nur so viel sagen: Ich glaube, man kann nicht "richtig" oder "falsch" trauern. Und auch ich habe dieses Gefühl von "ihr könnt da alle nicht mitreden", wenn meine Freundinnen versuchen, mir gute Tipps zu geben. Ich hab ihnen irgendwann ins Gesicht gesagt, dass ich heilfroh bin, dass sie mich noch nicht verstehen können und dass sie wissen werden, was ich meine, wenn sie eines Tages diesen Weg mit ihren Mamas gehen müssen. Seit dem sind sie viel zurückhaltender, was Ratschläge angeht.

Ich denke, mit dem Tod ist es wie mit der Geburt: Keiner, der keine eigenen Kinder hat, kann sich wirklich vorstellen, wie es ist.

Ich hoffe, meine Worte haben ein bisschen Sinn gemacht. Ich hab heute Abend einen dieser Abende, an denen es nicht so gut geht.

Ich wünsch dir was!

GLG Gruen
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  #3  
Alt 19.04.2015, 07:51
Benutzerbild von fraunachbarin
fraunachbarin fraunachbarin ist offline
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Registriert seit: 04.11.2010
Ort: ulmer ecke
Beiträge: 1.150
Standard AW: Kampf der Gefühle im Alltag

Liebe...
Dein Gefühlschaos kann ich sehr gut verstehen, es ging mir ähnlich als meine Mami vor zweieinhalb Jahren gehen mußte.
Mittlerweile bin ich in der Sterbe- und Trauerbegleitung tätig und will Dir folgendes mit auf Deinem Trauerweg mitgeben:
Die Veränderung Deiner Gefühle sind völlig normal. Die Trauer hat verschiedene Phasen. Dazu gehören auch Deine momentane Emotionen. Ganz wichtig ist, daß Du jede Phase auslebst. Und zwar genauso wie es für Dich am besten ist. Da gibt es keine Regeln oder Bedingungen. DU bestimmst Zeit, Raum und Art deiner Trauer. Auch Deine Ängste um nahe Menschen gehört dazu. Dinge, die früher wichtig waren, wirken nun banal, dafür kommen nun Gefühle hoch, die wir vorher kaum wahr nahmen. Wir verändern uns, der Verlust eines geliebten Menschen verändert uns. Wir leben anders und doch leben wir.
Es ist schön, wenn Du von Deiner Mami erzählen möchtest. Das ist wichtig für die Verarbeitung und des Realisierens des Geschehenen.
Du bist auf einem guten Weg, denn es ist DEIN Weg.
Ich wünsche Dir weiterhin viel Kraft. Möge Dir die Liebe zu Deiner Mami stets Wärme und Licht als Begleiter sein.
Liebe Grüße von Tine
__________________
MISS YOU MAMA
24.02.1944-15.10.2012
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  #4  
Alt 20.04.2015, 16:56
Nievergessen Nievergessen ist offline
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Registriert seit: 17.04.2015
Beiträge: 3
Standard AW: Kampf der Gefühle im Alltag

Hallo liebe Gruen,

mein herzliches Beileid. Du bist auch noch so jung und bei dir es ist wirklich noch sehr frisch, ich bewundere sehr, dass du so stark bist. Ich bin von Natur aus sehr zurückhaltend und eher schüchtern aber in den "letzten" Phasen des Lebens meiner Mama habe ich auch gelernt zu sagen, was ich nicht will, z.B. klipp und klar sagen, dass ich darüber momentan nicht reden möchte, das musste einfach irgendwann mal raus. Als es dann soweit war, wollte ich ehrlich gesagt mit niemanden reden und auch niemanden sehen - ich konnte nur meinen Freund und meine beste Freundin "ertragen". Diese habe ich auch erstmal gebeten, es für sich zu behalten, ich hatte keine Lust mich mit Reaktionen auf den Tod meiner Mama oder überschwänglichen Beileidsbekunden auseinanderzusetzen. Aber relativ schnell kamen die Momenten, wo es nicht mehr ging, wo mich Leute fragten wie es ihr ging. Und nach und nach hat sich das so rumgesprochen.

Und ja, deine Worte haben Sinn gemacht, es ist nun mal wirklich so. Wer es nicht selbst erlebt hat, erkennt die völlige Wucht nicht, mit der man konfrontiert wird und darüber sollten viele dankbar sein. Aber bei dem Gedanken die eigene Mutter zu verlieren, können die meisten glaube ich schon ungefähr erahnen, dass es kein Spaziergang ist. Nur ist es natürlich völlig entfernt...So dachte ich auch mal eine Zeit lang. Man verdrängt für sich, dass es jeden und auch die eigene Mutter treffen kann.

Vielen Dank für deine Worte, ich hoffe, dass es dir heute etwas besser geht und wenn nicht, ist nicht schlimm. Mein Freund sagte neulich etwas von "Es ist traurig um einen Menschen trauern zu müssen aber das zeigt nur, dass der Mensch es wert ist ihm nachzutrauern. Dann hat dieser Mensch alles richtig gemacht."

Fühl dich umarmt und viel Kraft!
nievergessen

Liebe Tine,

vielen Dank für deine Antwort. Danke auch, dass du Menschen begleitest. Viel zu oft geht das leider im Alltag unter, wie sehr manche von uns leiden und wie sehr es manchmal an einem zerrt. Ich hatte Gott sei Dank Freunde, die mir beistanden und einen verständnisvollen Arbeitgeber - was nicht selbstverständlich ist. Aber ich finde es super, dass du Menschen eine Hilfestellung gibst.

Ich merke auch richtig, dass es tatsächlich Phasen sind. Manchmal sogar mit richtigen Extremen, in einem Moment weine ich und im nächsten lache ich, weil ich an etwas denken muss, was meine Mama und mich zum Lachen gebracht hat. Manchmal ist einfach Leere. Es ist total seltsam, weil man plötzlich seine Gefühle kaum unter Kontrolle hat.

Danke für deine lieben Worte, sie geben mir Kraft.
Liebe Grüße
nievergessen

Geändert von gitti2002 (20.04.2015 um 21:28 Uhr) Grund: Beiträge zusammengeführt
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  #5  
Alt 26.04.2015, 04:58
Gruen Gruen ist offline
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Registriert seit: 30.01.2015
Beiträge: 7
Standard AW: Kampf der Gefühle im Alltag

Liebe nievergessen,

vielen Dank für deine lieben Worte. Schön, von jemandem zu lesen, der es wirklich versteht. Der auch im selben Alter ist. Es ist grausam und schrecklich traurig, dass wir es beide erleben mussten - aber der Austausch tut trotzdem gut. Ich hab mir nochmal deinen Eingangspost durchgelesen. Ich kann dir gar nicht sagen, wie gern ich dich drücken würd aus der Ferne! Mir geht's einfach genauso. Mal steh ich in der Küche und plötzlich "fällt es mir ein": Mama ist tot. Dann bekomme ich Panik, weiß nicht, wie ich das alles schaffen soll und habe einfach nur noch Angst. Oft weine ich dann auch. Ich nenne es "die Realisierungsmomente" - schrecklich.

Aber ist es nicht erstaunlich, was man zu leisten im Stande war und ist? In ihren letzten Wochen und auch nachdem sie gingen? Ich weiß nicht, wie ich das alles geschafft habe und immer noch schaffe. Manchmal glaube ich, dass ich vielleicht immer noch im Schock bin. Vielleicht kommt "der große Knall" erst noch. Meine "Realisierungsmomente" scheinen mir die ersten Vorwehen zu sein. Wie fühlt es sich für dich an?

Ich freu mich sehr zu lesen, dass du jemanden hast, mit dem du über diese Dinge sprechen kannst! Das ist so wichtig! Hast du vielleicht Lust, dich privat ein wenig auszutauschen? Nicht nur über den Tod, sondern vor allem über das Leben? Das fänd ich so schön! Wir könnten ja per PN Kontaktdaten tauschen? Natürlich nur, wenn du magst. Ich bin nicht böse, wenn es einfach nur bei diesem Thread bleibt.

So. Es ist fünf Uhr morgens. Ich muss endlich mal versuchen, zu schlafen. Ich hoffe, du hattest ein schönes Wochenende und wünsche dir weiterhin viel Kraft und immer wieder gute Momente!

Glg Gruen
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  #6  
Alt 27.04.2015, 08:42
Sternchen912 Sternchen912 ist offline
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Registriert seit: 19.03.2015
Ort: Rheingau
Beiträge: 12
Standard AW: Kampf der Gefühle im Alltag

Hallo liebe Nievergessen und alle anderen,

erstmal mein herzliches Beileid an euch. :-(

mir geht es leider genau wie dir.
Habe meine Mama im Dezember an Lungenkrebs verloren, nicht mal 3 Wochen nach der ersten Verdachtsdiagnose.
Ich hatte leider keine Zeit mich daran zu gewöhnen das sie nicht alt wird.

Ich bin wie du 28 Jahre alt und meine Mama wurde 57.
Sie war noch so jung. Wir waren so eng.
3 Monate vorher haben wir noch zusammen meine Hochzeit gefeiert, sie hat alles dekoriert, wir und sie, wir ahnten nichts.

Wie du bekomme ich meine Alltag einigermaßen geregelt. Aber mehr auch nicht.

Meine Ansichten haben sich ziemlich geändert, vieles ist auf einmal sehr unwichtig geworden.

Wie auch du habe ich große Angst das es mein Umfeld trifft...

Was mich sehr traurig macht ist das sich sogenannte Freunde kaum kümmern, keiner weiss damit umzugehen, daher hat sich der Kreis der Personen die mir wirklich wíchtig sind stark ausgedünnt.
Vielleicht ist das normal, aber ich bin von manchen Menschen sehr enttäuscht, da gibt es auch kein zurück mehr.
Ich kann verstehen , das es grad nicht einfach ist aber so wird einem das nicht leichter gemacht.

Ich glaube es tut gut hier zu lesen und zu schreiben...
Gleichgesinnte tun in so einer Situation gut.

Bei mir kommt die Trauer in Wellen, habe oft Schlafstörungen und kann mich nicht konzentrieren. Die Gedanken an sie nehmen einen großen Platz am Tag ein. Ich gehe oft zum Grab. Eine große Hürde war für mich das Grab zu gestalten. Aber wie ich es geschafft hatte war ich so froh wie schön ich es ihr gemacht habe.

Sorry das ich so wirr schreibe, bin wieder sehr aufgewühlt.

Ich wünsche euch ganz viel Kraft.

Lg Sternchen
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  #7  
Alt 01.05.2015, 03:44
Gruen Gruen ist offline
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Registriert seit: 30.01.2015
Beiträge: 7
Standard AW: Kampf der Gefühle im Alltag

Liebe Sternchen,

ich schick dir ganz viel Kraft. Kann total nachempfinden, was du da über Enttäuschung geschrieben hast und ich auch das mit den Schlafstörungen. Es tut mir schrecklich leid, dass es bei euch auch so schnell ging. Grausam ist das, Krebs ist ein A********.

Diese Wellen sind einfach nur schrecklich. Bei mir kommen im Moment noch Existenzängste hinzu, da ich selbst chronisch krank bin. Wird es wohl irgendwann wieder leichter? Ich hoffe es, aber in den dunklen Momenten ist da nichts als Angst.

Ich denk an euch. Und auch nochmal an dich Sternchen: Falls du Lust auf Austausch auch außerhalb des Forum hast: Meld dich gern bei mir! Ich bin dankbar für jeden Austausch mit Betroffenen.

Alles Liebe,
Gruen
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