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Alt 10.06.2007, 12:19
Umka Umka ist offline
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Registriert seit: 05.06.2007
Beiträge: 4
Standard Sterbebegleitung

Liebe Forum-Teilnehmer,
ich möchte mich so gern mit Menschen austauschen, denen eventuell Ähnliches widerfahren ist wie mir, weiß nicht, wer sich von meinen Zeilen angesprochen fühlt...
Ich habe vor 19 Monaten meinen geliebten Mann verloren. Er hatte Lungenkrebs...
Wir haben seine Krankheit bis zum letzten Tag hier zu Hause behandelt und erlebt. Ich habe ihn gepflegt.

Es ist der letzte Tag, der mich so traurig macht, über den ich immer wieder nachdenke...
Nach einer intensiven Betreuung zu Hause musste er doch noch für 1 Nacht ins Krankenhaus - ich war die letzten 10 Stunden NICHT bei ihm - ich hatte mich ganz überzeugt, völlig ausgelaugt und mit dem Wissen, dass er diese letzte Nacht nicht überleben würde im Krankenhaus von ihm verabschiedet.
Bereits in den ersten Tagen nach seinem Tod hatte ich Bedenken, ob ich nicht alle Kraft hätte aufwänden müssen, um bei ihm zu bleiben.
Aber ich spürte auch, dass dies Gedanken waren, nachdem ich mich körperlich ein wenig erholt und etwas Kraft gesammelt hatte.
Ich kann es mir nicht anders vorstellen, als dass ich zum Ende seiner Krankheit einfach keine Kraft mehr hatte und deshalb zum Schlafen nach Hause gefahren bin.

Ich hatte meinen Mann bis zu diesem Tage zu Hause gepflegt. Als er immer apathischer wurde, nichts mehr zu sich nehmen wollte und zeitweilig anfing zu röcheln, rief ich unsere Hausärztin zu Rate. Ich fragte sie, ob mein Mann Flüssigkeit bekommen könnte, einen Tropf. Als sie ihn untersuchte, stellte sie eine Lungenentzündung fest und meinte, er könnte Schwierigkeiten beim Atmen bekommen und außerdem müsse sie ihn mit dieser Lungenentzündung einweisen.
Ich fragte sie noch, ob er zurück kommen würde – das verneinte sie sofort. Das alles war am Nachmittag vor dem Morgen, an dem er dann auch verstarb.
Er wurde also abgeholt – ich versuchte, unserem Sohn klar zu machen, dass der Papa nicht zurück kommen würde und er sich von ihm verabschieden müsse...
Ich selber durfte nicht im Krankenwagen mitfahren, bin dann aber allein hinter her gefahren.
Auf der Station waren noch Ärzte und Schwestern bei ihm und nahmen Blut ab, dabei wehrte er sich laut. Er tat mir sehr leid und ich fragte mich, weshalb in dieser Situation Blut abgenommen würde?
Dann bat der Arzt mich um ein Gespräch und eröffnete mir, dass mein Mann diese Nacht nicht überleben würde. Das war um ca. 16.00 Uhr. Ich bin dann zu meinem Mann ins Zimmer gegangen, wo er ganz friedlich allein lag, er hatte eine Matratze, wie ich sie ihm auch zu Hause besorgt hatte, die ihre Kammern füllt und wieder ablässt. Alles war total friedlich.
Es war entspannend, dass er nun einen Tropf hatte. Ich hatte zu Hause Sorge, er könnte verdursten.
Dann saß ich beim ihm. Er konnte sich nicht mehr artikulieren, rang hin und wieder mit den Armen, atmete laut, setzte mit dem Atmen aus...
Draußen wurde es langsam dunkel, die Schwestern hatten eine Kanne Tee hingestellt – irgendwann kam eine Schwester herein und schaltete das Licht ein und schloss das Fenster, weil ich fröstelte. Wir redeten ein wenig miteinander. Sie erinnerte sich an vergangene Aufenthalte meines Mannes auf ihrer Station, während derer wir gemeinsam und sie mit ihm viele illustre Gespräche geführt hatte – alles war traurig aber friedlich....
Ich habe ungefähr 3 Stunden bei ihm gesessen; ich hatte immer wieder den Gedanken, dass ich mich daneben ebenfalls mit einem Tropf legen würde – ich war absolut am Ende meiner Kräfte, da die Pflege sehr intensiv gewesen war.
Bevor mein Mann zu Hause gepflegt wurde, war er für 3 Wochen in einem anderen Krankenhaus wo ich täglich hingefahren war und ihn geduscht hatte. Er konnte nicht mehr laufen, saß im Rollstuhl. Zu Hause war es vor allem nachts immer wieder unruhig. Ich habe bei ihm geschlafen, damit ich schnell bei ihm war und nicht so aufgeschreckt durchs Haus jagen musste. Um finanziell nicht total abzurutschen, betrieb ich unser Gewerbe, was glücklicherweise mit im Haus ist überwiegend weiter.
Dass ich nun hier so untätig bei ihm sitzen durfte war schön.

Ich hatte irgendwann ganz überzeugt das Gefühl, dass ich mich von meinem Mann verabschieden müsse. Der Tag war traurig und aufregend, die Nacht davor kurz und jetzt müsste ich schlafen. Und da er vielleicht derweil sterben würde, würde ich ihn wohl nie wieder sehen. Und deshalb müsste ich mich von ihm verabschieden.
Irgendwie ging ich aber auch davon aus, dass ich morgen früh wieder bei ihm sein würde.
Ich habe ihn ganz lieb am ganzen Körper geküsst und gestreichelt, die Decke hochgeschlagen und seine Beine ganz intensiv gestreichelt – ich war unendlich traurig, zu wissen, dass dieser geliebte Körper nun vergehen würde......
Ich habe ihm gesagt, dass ich zu den Kindern gehen würde – da hat er genickt. Ich freute mich, dass er mich hören konnte. Gesagt hat er aber nichts mehr.
Ich glaubte und fühlte, dass mein Handeln richtig wäre, wenn ich jetzt nach Hause ginge und schlafen würde.
Nach 3,5 Stunden bin ich dann gegangen. Habe den Schwestern gesagt, dass sie mich UNBEDINGT JEDERZEIT ANRUFEN SOLLTEN, wenn mein Mann in irgendeiner Weise unruhig sein oder gar nach mir verlangen sollte!

Ich schlich aus dem Krankenhaus und wollte unserem Sohn noch etwas einkaufen, da ich schon viele Tage nicht mehr richtig gekocht hatte. Der Supermarkt liegt nur wenige Meter neben dem Krankenhaus. Aber ich konnte nicht hinlaufen, hatte Panikgefühle. Bin dann ins Auto und hingefahren und dann nach Hause. Da habe ich ganz ruhig gekocht, mit der Schwester meines Mannes zusammen gesessen, habe mich gefreut, dass sie da ist, mich aber über ihren small-talk geärgert, weil doch ihr Bruder im Sterben lag und bin dann bald schlafen gegangen.
Am Morgen bin ich ganz und gar schwer aus dem Bett gekommen, habe mich für das Krankenhaus angezogen, wollte losgehen – es war kurz nach 07.00 – da klingelte das Telefon.... mein Mann war um 06.40 verstorben....

Und seit dem denke ich darüber nach, weshalb ich nicht die letzte Kraft aufgebracht habe und diese letzte Nacht bei ihm sitzen geblieben bin??????? Ich fühle mich schlecht, als Versagerin. Ich bin unendlich traurig darüber! Ich spüre beim Schreiben hier und jetzt wieder, wie intensiv schlimm alles war!
Vielleicht hat jemand Ähnliches erfahren, und wir könnten uns ein wenig unterhalten?...

Liebe Grüße von Umka
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