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  #1  
Alt 23.07.2014, 13:00
hermannJohann hermannJohann ist offline
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Standard AW: Vom Sinn und Unsinn des Lebens

Hallo Helmut,
vielen Dank für Deinen Beitrag. Ich gehe davon aus, dass sich die Wünsche meiner Frau, der Enkelin und von mir nicht widersprechen. Natürlich ist in erster Linie wichtig, was die Enkelin will. Es ist ihr Leben.
Mit dem Glauben ist das so eine Sache. In den Monaten vor dem Tod meiner Frau haben wir gebetet. Jetzt betete ich nicht mehr. Wenn es einen Gott gibt, der Leben retten kann, kann er auch Leben nicht retten. Dann fragt man sich warum?
Liebe Grüße
Hermann

Geändert von hermannJohann (24.07.2014 um 08:03 Uhr)
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  #2  
Alt 28.07.2014, 01:21
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HelmutL HelmutL ist offline
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Standard AW: Vom Sinn und Unsinn des Lebens

Zitat:
Zitat von hermannJohann Beitrag anzeigen
Wenn es einen Gott gibt, der Leben retten kann, kann er auch Leben nicht retten. Dann fragt man sich warum?
Hallo Hermann,

meinst du mit dem 'Warum', es wäre ihm vielleicht egal, was mit uns passiert? Oder vielleicht Willkür, dass er das eine rettet und das andere nicht? Ein Würfelspiel? Oder ob diese Wahlmöglichkeit für einen (guten) Gott überhaupt Sinn macht? Wie kann es sein, dass ein guter Gott so ein Sterben zulässt? Oder fragst du, warum er andere gerettet hat und deine Frau nicht?

Ähnliche Fragen habe ich mir auch gestellt.

Denk mal über folgendes nach: vielleicht sind unsere Vorstellungen von einem guten Gott nur etwas zu 'kindlich'?


Ich wünsche dir eine gute Nacht,

Helmut
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  #3  
Alt 28.07.2014, 20:02
hermannJohann hermannJohann ist offline
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Standard AW: Vom Sinn und Unsinn des Lebens

Hallo Helmut,
ich erinner mich an meine Schulzeit. Der Mythos des Sysiphos von Camus. Ist man frei, wenn man die Sinnlosigkeit akzeptiert? Eines kann ich zumindest sagen. Mich an die weltlichen Dinge des Lebens zu klammern, ist absurd. Was ist mein Stein?
Liebe Grüße
Hermann
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  #4  
Alt 28.07.2014, 23:05
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HelmutL HelmutL ist offline
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Standard AW: Vom Sinn und Unsinn des Lebens

Hallo Hermann,

dein Stein? Gute Frage. Jedenfalls keine Strafe der Götter für irgend etwas, wie bei Sisyphos.

Ich denke, es ist nicht unser Ding, Sinnlosigkeit an sich in Frage zu stellen oder sie generell zu akzeptieren. Sinnlosigkeit besteht darin, nicht zu erkennen, dass das eine oder andere eben sinnlos ist und auch, dass wir unsere Grenzen nicht erkennen. Es gilt also nicht die Sinnlosigkeit eines Tuns oder Seins zu akzeptieren, sondern unsere Grenzen.

Das ist sinnvoll. Das beseitigt zwar nicht die Sinnlosigkeit einer Sache, macht sie jedoch für uns lebbar indem wir unsere Grenzen akzeptieren. Günter Grass sagt: „Sisyphus ist nichts anderes als das Wissen, dass der Stein oben nicht liegen bleibt - und dann das Jasagen dazu." ->

Im übrigen kann man einen zu dicken Stein auch in kleine Stücke klopfen. Ist allerdings sehr mühselig und manche dieser kleinen Steine geben dann vielleicht trotzdem keinen Sinn. Die anderen schon und aus diesen Steinen kann man sich ein neues Haus bauen. Das hätte doch Sinn. Oder?


Liebe Grüße,

Helmut
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  #5  
Alt 29.07.2014, 17:28
hermannJohann hermannJohann ist offline
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Standard AW: Vom Sinn und Unsinn des Lebens

Hallo Helmut,
ich glaube, es ist die Nähe des Todes, die mich veranlasst, radikale Fragen zu stellen. Aus meinem Tagebuch 2013
Dienstag war ein schlechter Tag für sie. Der Oberarzt mit dem griechischen Namen kam auf Visite. Sie meint, er habe sich skeptisch über ihren Zustand geäußert. Die Schmerztherapie wurde umgestellt. Unter anderem wurde die Schmerzpumpe und der Zugang am Rücken entfernt. Dadurch hatte sie erheblich mehr Schmerzen und war schlechter Stimmung. Ich rief Schwester Elke an. Sie sagte, es könne auch daran liegen, dass der Oberarzt gesagt habe, der künstliche Darmausgang werde erst einmal bleiben. An diesem Tag war ich sehr traurig.
Der Tod war schon da, ich habe ihn damals nur noch nicht gesehen bzw. gedacht, dass er erst später kommt.. Der Oberarzt hat ihn gesehen, meine Frau auch. Wenige Tage später habe ich ihn auch gesehen. Tanja kam auf die Intensivstation, dann zurück auf die Normalstation. Man brachte sie ins Hospiz, wo sie gestorben ist. Danach ist der Tod nicht einfach weg gegangen. Er kommt immer mal wieder und dann frage ich mich nach dem Sinn. Ich bin traurig wegen Tanja, aber Angst habe ich vor ihm nicht.
Liebe Grüße
Hermann

Geändert von hermannJohann (30.07.2014 um 08:03 Uhr)
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  #6  
Alt 30.07.2014, 09:01
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HelmutL HelmutL ist offline
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Standard AW: Vom Sinn und Unsinn des Lebens

Zitat:
Zitat von hermannJohann Beitrag anzeigen
Er kommt immer mal wieder und dann frage ich mich nach dem Sinn.
Moin Hermann,

genau so, wie den Sinn des Lebens, kann man auch den Sinn des Todes suchen. Im Prinzip läuft da auf das Gleiche hinaus. Ist das dein Stein? Darauf wirst die nie eine Antwort finden. Den könntest du getrost unten liegen lassen und dich anderen, radikaleren Fragen widmen. Das ist die Schere zwischen Verstand und Natur. Die kann man öffnen, doch nie mehr schließen. Glücklich die Menschen, die diese Schere nie öffnen.

Der Professor meiner Frau sagte zu mir: "Wenn ich drüben bei den Neugeborenen den Geburtsschein unterschreibe, liegt darunter als Durchschlag bereits der Totenschein. Da fehlt lediglich noch das Datum." Deprimierend? Nein. Nüchtern und sachlich.

In der Natur hat der Tod durchaus einen Sinn. Ihr Ziel ist die Veränderung, die Weiterentwicklung und ohne den Tod könnte sie dieses Ziel nicht erreichen. Ihr Prinzip: Versuch und Irrtum und die Vielfalt. Der Mensch kann dank seiner Intelligenz regulierend in die Natur eingreifen, sie verändern. Um sich herum und in sich selbst. Sogar soweit, das er in ihr nicht mehr leben kann. Der Natur ist das egal. Dann stirbt er halt aus. Seine Art der Intelligenz war ein Irrtum und ein anderer Zweig der Evolution wird die Lücke schließen. Die Natur hielt sich in dieser Hinsicht noch immer ein Hintertürchen offen.

Der Glaube des Menschen hingegen ist wie eine Leiter, die um eine Sprosse länger ist als das Leben. Dank seiner Intelligenz konnte er sich diese Leiter bauen. Was ist schlimm daran, wenn er damit leben und sterben kann? Wie diese Leiter geschmückt ist oder welche Farbe sie hat, ist dabei vollkommen egal. Wenn man diese Leiter nach oben klettert, da hilft einem niemand. Der alte Mann mit Bart (ob Gott, Manitou oder Allah) hilft einem nur auf der allerletzten Sprosse. Wie gesagt: wenn man glaubt.

Sucht nicht jeder nach so einer Leiter? Leider ist sie manchmal zu kurz. Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, diese Leiter könnte auch vor den Gefahren des Lebens schützen. Das kann sie in keiner Weise.

Zitat:
Zitat von hermannJohann Beitrag anzeigen
Was ist mein Stein?
Weißt du, irgendwann trennten sich die Wege meiner Trauer. Zu dem Zeitpunkt, als mir klar wurde, um wen oder was ich eigentlich trauere.

Zu Anfang hatte ich um das 'Wir' getrauert. Ein riesiger Felsbrocken, den ich nicht mal bewegen konnte. Ich habe versucht, ihn wenigstens zur Seite zu rollen, um den Weg freizumachen. Ging nicht. Habe ihn gestreichelt und verflucht. Unter großer Anstrengung bearbeitet ... bis er in zwei Teile zerbrach.

Zitat:
Zitat von hermannJohann Beitrag anzeigen
Ich bin traurig wegen Tanja
Den einen Teil trage ich in einem Rucksack auf meinem Rücken. Den werde ich nicht mehr los. Das ist die Trauer um Myriam. Dass sie nicht mehr leben durfte. Um das, was sie verloren hat. Ich kann ihn tragen nach langem Training. Er bremst mich nicht mal aus. Er stärkt sogar die Muskeln.

Zitat:
Zitat von hermannJohann Beitrag anzeigen
Was ist mein Stein?
Das andere Stück lies sich mit viel Mühe den Berg hinauf rollen. Das ist die Trauer um mich und um das, was ich verloren hatte. Nun liegt er da oben, dieser Brocken. Gut verkeilt.


Liebe Grüße,

Helmut
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  #7  
Alt 31.07.2014, 11:07
hermannJohann hermannJohann ist offline
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Standard AW: Vom Sinn und Unsinn des Lebens

Eigentlich weiß jede Frau und jeder Mann, dass er/sie sterben muss. Man blendet es nur gerne aus und einige Unternehmen verdienen gut daran. Wenn man nur genug Prävention betreibt und eine private Altersversicherung hat, ist alles gut. Meine Frau hat gesund gelebt, eine Alterssicherung hatten wir auch. Was hat das genutzt? Seit ihrem Tod begegne ich dem Tod öfters in Gedanken. Irgendwann kommt er nicht nur zu Besuch, sondern um mich zu holen. Ob er in 20 Jahren in dieser Absicht kommt oder nächstes Jahr weiß man nicht Tanja hat es erlebt.
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