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Alt 17.06.2005, 14:49
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard Es tut so weh

Hallo, liebe 'Schwestern',

auch ich bin froh euch gefunden zu haben. Aber ihr seid zu schnell für mich. Ich schick das jetzt mal los (offline geschrieben), habe die zwei letzten Posts aber noch nicht gelesen.

(in meinem 'Stammforum' (das mit meinem Beruf zu tun hat) gibt es übrigens wirklich ein Unterforum, das "Die Couch" heisst und für alle Arten von persönlichen Problemen genutzt wird)

"ich könnte noch ewig weiterschreiben..." oder so ähnlich habt ihr geschrieben. So gehts mir auch.

Viv, ich kann gut verstehen, was du meinst, wenn du sagst, daß man seine Mutter nicht 'schlecht machen' will bei anderen. Mit diesem Gedanken habe ich auch lange Zeit gekämpft. Man fühlt sich irgendwie gemein und verräterisch. Der oft geäusserte Spruch meiner Mutter "was hier drin vor sich geht, geht niemanden etwas an" hat mich auch lange davon abgehalten. Inzwischen habe ich in dieser Hinsicht keine grossen Skrupel mehr. Immer noch eine Spur eines schlechten Gewissens, aber ich gestehe es mir zu. Für mein Seelenheil. Vielleicht würde ich es anders sehen, wenn ich in irgendeiner Weise mit ihr über ihr Verhalten reden könnte, aber das ist absolut unmöglich. Wenn sie sich auch nur im mindesten kritisiert fühlt, kriegt sie einen hysterischen Anfall und ich muß stundenlang zu Kreuze kriechen, damit sie sich wieder halbwegs einkriegt.
Ich denke auch, daß du recht hast, wenn du sagst, daß man sehr wohl auch schlechtes über jemand, der tot ist sagen darf. Warum denn nicht? Wir sind doch alle nur Menschen. Und deswegen kann es nicht ausbleiben, daß wir diejenigen, die uns nahe stehen manchmal verletzen mit Worten oder Taten oder Unterlassungen...
Mein Vater war in den letzten Wochen seines Lebens erstaunlicherweise nie grantig. Das war anders, als er noch gesund war.
Aber er hat seine Wut und seinen Frust ein bißchen an unserem alten Hund ausgelassen. Das tat mir weh für den Hund und als ich ihn einmal ertappt habe, wie er versucht hat nach dem Hund zu treten, habe ich ihn ernsthaft zusammengesch.... Bereue ich auch nicht.

Kerstin, ich finde es nachgerade unheimlich, wenn ich lese, was du über dich und deine Mutter sagst. Fast jedes Wort könnte von mir stammen! Unsere Mütter scheinen Zwillingsschwestern zu sein, die bei der Geburt getrennt wurden....

Manchmal denke ich, ich liebe meine Mutter, aber ich kann sie nicht ausstehen. Aber Liebe triffts eigentlich auch nicht. In den besten Zeiten tut sie mir aufrichtig leid. Das versuche ich mir immer wieder ins Gedächtnis zu rufen, wenn das nicht-ausstehen-können die Oberhand gewinnt.

Auch ich 'analysiere' ihr Verhalten seit über zwanzig Jahren.
Und manchmal wundere ich mich, wie lange ich gebraucht habe, bis der Groschen gefallen ist.
Zum Beispiel habe ich mich jahrelang gefragt, warum sie mich nie anruft. Ich habe sieben Jahre lang im Ausland gelebt, in dieser Zeit hat sie vielleicht zweimal angerufen. Aber nur, wenn sie einen Anlass hatte. So haben wir manchmal monatelang nichts voneinander gehört. Ich hab nämlich auch immer nur sehr ungern zu Hause angerufen, fast unweigerlich kam jedesmal eine stundenlange Tirade, wie schlecht es ihr geht, weil mein Vater XYZ gesagt/getan/unterlassen hat.
Jetzt bin ich abgeschweift. Jedenfalls bin ich zu der Erkenntnis gekommen, daß sie nie anruft, weil sie sich überhaupt nicht dafür interessiert, was ich mache und wie es mir so geht.

Ich bin mir inzwischen sicher, daß meine Mutter eine narzisstische Persönlichkeitsstörung hat. Das ist eine psychiatrische Diagnose, für die es eindeutige Diagnosekriterien gibt. Fünf von neun müssen vorhanden sein, sieben habe ich bei ihr entdeckt. Dafür hat sie noch zwei von der paranoiden Sorte. Leider absolut untherapierbar (wenn jemand an den Details interessiert ist, schreib ich gern näheres).

Daß ich ihr diese Diagnose aufgedrückt habe, hat mich in gewisser Weise ihr gegenüber nachsichtiger werden lassen, auch wenn sich das jetzt vielleicht komisch anhört. Aber ich versuche mir halt immer wieder vor Augen zu halten, daß sie nichts dafür kann, daß es nicht ihre 'Schuld' ist, daß sie ist wie sie ist.
Tja, das ist der Verstand. Die Gefühle stehen auf einem anderen Blatt...

Jedenfalls dachte ich, nachdem ich jetzt vollkommen verstehe, wie sie tickt, könnte mich so leicht nichts mehr schocken. Falsch gedacht. Zehn Wochen nach dem Tod meines Vaters sitze ich hier und leide immer noch unter dem Alptraum, den die zwei Wochen vor und die Tage nach seinem Tod für mich waren. Ihretwegen, nicht seinetwegen.
Meine Schwester war in dieser Zeit mein Fels in der Brandung. Ich weiß nicht, was ich ohne sie gemacht hätte.

Liebe Kerstin, bei einer deiner Aussagen musste ich direkt schmunzeln: daß du seit deiner Teenager-Zeit versuchst, Dinge vor ihr zu verbergen, um ihr Missfallen nicht zu erregen. Ha! Ich bin jetzt Mitte vierzig und erzähle ihr nicht, wenn ich/daß ich in Urlaub fahre. Denn das war immer etwas, was sie äusserst missbilligend kommentiert hat. Eine von vielen Sachen. Genaugenommen erzähle ich gar nix mehr von mir (obwohl ich ein äusserst mitteilsamer Mensch bin). Entweder interessiert sies nicht, oder sie reagiert negativ. Als ich so 15,16 war habe ich angefangen, meine Lektion zu lernen. Nicht nur, dass sie
kein Interesse an meinen Problemen hat, sondern daß ich sogar damit rechnen kann, daß sie, wenn ich eine Schwäche zeige, dies sofort benutzt, um mich bei anderen Leuten (waren damals natürlich meistens die Jungs, in die ich gerade verliebt war) als kleines Dooferle darzustellen.


Liebe Briele, ich sitz auch oft unsichtbar mit dir und Alina in der Küche ;-) Je mehr ich von dir lese, desto mehr möchte ich von dir lesen. Weder im richtigen, noch im virtuellen Leben trifft man viele Menschen, die so bemerkenswert sind wie du.
Ich hab auch keine Kinder. Weiß nicht, ob ich eine gute Mutter geworden wäre. Ich glaube eher nicht. Aber du hast mit deinem erstaunlichen Intuitionsvermögen den Nagel auf den Kopf getroffen (für mich jedenfalls) mit deinem Satz, wir sollten nicht so hart zu uns selber sein. Und wenn ich glaube, daß ich wohl eher keine gute Mutter geworden wäre, liegt das vielleicht daran, daß ich (hallo Kerstin) nie das Gefühl vermittelt bekommen habe, daß ich etwas toll gemacht habe.
Ist es nicht traurig: ich habe mit 28 angefangen, zu studieren, habe das Studium gut abgeschlossen, meinen Doktor gemacht. Darauf könnte ich eigentlich stolz sein. Aber ich bins nicht. Das ist nur, was mein Verstand mir sagt. Das Gefühl ist nicht vorhanden.
Das schönste, was mein schweigsamer, ferner Vater je zu mir gesagt hat, sechs Wochen vor seinem Tod, zu meinem Geburtstag, war der Satz: "Bleib so wie du bist". Worauf ich vor lauter Rührung in Tränen ausgebrochen bin.

Jetzt bin ich schon wieder abgeschweift.
Meine Schwester denke ich ist eine sehr gute Mutter. Vielleicht etwas zu nachsichtig, ansonsten vorbildlich. Aber sie ist die Jüngere von uns und hat aus diesem und anderen Gründen nicht soviel Ballast mitbekommen.
Meine Mutter haßt (ihr Wort) ihre Mutter noch heute. Über dreissig Jahre nach deren Tod....


So, jetzt freu ich mich schon, wenn ihr euch wieder dazusetzt auf unsere grosse, warme, weiche Couch (die Liege vom alten Sigmund war bestimmt nicht besonders kuschlig)

Alles Liebe von Ingrid
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