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  #76  
Alt 19.10.2002, 11:27
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Standard Dokumentarfilm über das Tabu Sterben

Hallo Ruby,
Dein Betrag war gut. Besonders der Satz "geht aufeinander zu, seid toleranter, so weit klafft die Lücke nicht auseinander".
Liebe Grüße
Ingrid

PS
Das Gedicht von Mark Twain in dem Posting von Etienne ist ebenfalls sehr treffend.
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  #77  
Alt 19.10.2002, 11:37
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Standard Dokumentarfilm über das Tabu Sterben

Ein herzliches Hallo an alle,

ich finde es schade, daß die Diskussion über das Sterbemodell nicht so richtig heraus kommt. Ich wurde im Rahmen meiner Erlebnisse auch damit konfrontiert. Ich finde es nicht gut aus einem sehr einfachen Grund. Welcher Mensch läßt sich schon gern in Schubladen einteilen. Haben wir es nicht alle gehaßt wenn uns in der Pubertät gesagt wurde, daß wir uns nur so verhalten, weil wir in dieser Phase sind?
Für einen Kranken muß es aber noch schlimmer sein, in Phasen eingeteilt zu werden. Denn ein kranker Mensch kann sich nicht mehr so wehren wie ein Gesunder. Er braucht ja die Hilfe von außen.
Lg, Susanne
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  #78  
Alt 19.10.2002, 12:41
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Standard Dokumentarfilm über das Tabu Sterben

Hallo, Anja,
natürlich verstehe ich, was Du meinst. Und ich hoffe, wenn ich hier über meine subjektiven Eindrücke und Erfahrungen schreibe, dass das nicht so verstanden wird, als ob ich nur diese eine Sichtweise kenne. Immer, wenn ich mich um jemanden sorge, versuche ich doch, mich in ihn hineinzuversetzen, versuche zu ergründen, was ihm jetzt guttun würde. Aber ich kann zwar ansatzweise nachvollziehen, wie sich eine Mutter fühlt, deren Kind an Krebs erkrankt ist, aber ich bin nicht diese Mutter. Ich bin "auf der anderen Seite des Zauns". Ich bin Mutter, ich sorge mich um mein Kind. Aber es ist ein Unterschied, sich um eventuelle Unfälle zu sorgen oder tatsächlich schwarz auf weiß eine Diagnose in den Händen zu halten. Das können - glaube ich - nur Mütter nachvollziehen, deren Kind ebenfalls betroffen ist. Nicht, dass ich nicht mitfühlen würde. Das ist es ganz sicherlich nicht.
Wenn aber diejenigen, die von dieser Situation betroffen sind, antworten, halte ich das für zwar subjektiv, aber ehrlich. Niemand anderer kann die Gefühle, die diese Menschen durchmachen, besser nachvollziehen oder wiedergeben, als sie selbst. Und auch diejenigen, die als Mütter oder Partner hier schreiben, schreiben über sich selbst. Über ihre Empfindungen. Wenn jemand die Tragweite einer Diagnose nicht nachvollziehen kann oder will, und ich jetzt über ihn oder sie schreibe, ist das dann objektiver als wenn er selbst seine Situation beschreibt? Er empfindet sie doch ganz anders. Er sagt vielleicht: Hey, mir geht es gut. Und Du weißt, das stimmt nicht. Er muß sterben. Unsere Familie wird zerbrechen.. Aber er fühlt sich nicht so. Er würde jetzt schreiben, wie gut es ihm geht. Meinst Du, dass das dann von ihm nicht objektiv genug ist? Ich finde es ziemlich schwierig, richtig auszudrücken, was ich meine und hoffe, Du verstehst mich.
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  #79  
Alt 19.10.2002, 14:26
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Standard Dokumentarfilm über das Tabu Sterben

etwas, was ich hier in der diskussion ein wenig vermisse, ist:
jeder mensch ist einzigartig, in seinem denken, fühlen, handeln, leben und auch sterben. meines erachtens gibt es keine regeln, das ist so, das läuft so, das empfindet man so. es gibt durchaus paralelen, mehr aber auch nicht.

der eine möchte über den tod noch im leben reden. der andere nicht.

der eine empfindet die krankheit als das schlimmste, was ihm passieren konnte. der andere nicht.

der eine möchte helfen, zuhören und reden, der andere nicht.

niemand kann sich in einen anderen hineinversetzen, das geht nicht, weil der mensch einzigartig ist. er kann nur versuchen, den anderen zu verstehen und wenn er ihn nicht verstehen kann, dann kann er ihm aber zeigen, dass er ihn trotzdem mag.

es gibt keine allgemeingültige aussage, weder für das leben, noch für den tod. das einzige, was wir alle versuchen können, ist miteinander reden oder wenns nottut, auch miteinander schweigen oder einfach nur zuhören.

und sterben ist kein tabu, es passiert täglich, millionenfach. das denken darüber, das ist tabu. weil wir uns da meistens nicht mit beschäftigen wollen und wenn, dann haben wir selten eine meinung darüber und das ist auch gut so.
leben kann man theoretisch nicht denken,
und sterben auch nicht.

Heike
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  #80  
Alt 19.10.2002, 15:43
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Standard Dokumentarfilm über das Tabu Sterben

Liebe Susanne,

Das Phasenmodell von Kübler-Ross ist bis vor wenigen Tagen das einzige Modell gewesen, welches ich zum Thema Sterben überhaupt kannte. Erst Lillebror hat mir durch seinen Linktipp gezeigt, dass es auch noch andere Ansätze gibt. Wovor ich hier warnen möchte ist, dass ihr bitte diese Kurzbeschreibung auf der Seite, zu der Lillebror den Hinweis gegeben hatte, nicht zu wörtlich nehmt. Das, was dort geschrieben steht, ist zu oberflächlich und dient höchstens dazu, sich einen kurzen Überblick zu verschaffen über den Ansatz von Kübler-Ross und den der anderen.
Desweiteren möchte ich dir sagen, dass ich es auch nicht tolerieren könnte, wenn Kübler-Ross sagen würde, dass das Erleben des sterbenden Menschen in Phasen, die nach einem bestimmten Schema ablaufen müssen, unterteilt wird. Das tut sie nicht! Sie betont immer wieder, dass die Phasen nicht starr nacheinander ablaufen müssen, sondern unterschiedlich stark ausgeprägt sein können, unterschiedlich lang sein können, mit Rückschritten verbunden sein können oder frühzeitig zum Stillstand kommen können.
Gerade weil der Mensch einzigartig ist und weil jeder anders mit seinen Ängsten umgeht, geschieht auch das Sterben nicht nach einem festlegbaren Schema. Das einzige, was Kübler-Ross getan hat, ist, dass sie ihre praktischen Erfahrungen mit sterbenden Menschen wissenschaftlich ausgewertet hat und zu diesem Modell zusammengefasst hat. Deshalb ist es ja ein Modell, weil es eben nur ungefähre Anhaltspunkte gibt.
Auch wenn ich das Modell an dieser Stelle so verteidige, heißt das nicht, dass ich es nicht auch hinterfrage. Ich bin durchaus offen auch für andere Sichtweisen. Nur habe ich bis jetzt noch kein Argument gehört, welches der Ansicht von Kübler-Ross widerspricht. Denn es gibt diese Phasen ja, jeder durchlebt sie doch, auch Hinterbliebene oder Angehörige. Deshalb ist es für uns alle auch so schwierig, miteinander ins Gespräch zu kommen, denn wir befinden uns alle an unterschiedlichen Stellen der Verarbeitung unserer Traumata.
Ich finde es einfach nur oberflächlich, immer nur von der persönlichen Situation auszugehen, dass habe ich ja schon geschrieben. Kübler-Ross beschreibt nichts anderes als ihre eigenen jahrelangen Erfahrungen. Sie gibt wichtige Hinweise auf die Symbolsprache von Sterbenden, die sehr, sehr hilfreich sein können. Gäbe es ihre Studien nicht, würde uns im Umgang mit sterbenden Menschen etwas wichtiges fehlen. Aber natürlich darf man die Erfahrungen im Umgang mit dem einen Menschen nicht auf einen anderen einfach übertragen. man muss sehr genau hinsehen und hinhören!
Übrigens sollten wir uns vielleicht erst einmal auf eine Definition einigen, was ein "Sterbender" überhaupt ist. Denn damit meine ich wirklich einen Menschen, der nur noch eine sehr kurze Lebenserwartung hat und dieses auch weiß oder vermutet. Ich meine damit keine Menschen, die eine Krebsdiagnose erhalten haben. Wie ich schon sagte ist die Diagnose kein zwingender Grund, davon auszugehen, dass man sterben muss.

Hoffe auf eine rege Diskussion. Anja
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  #81  
Alt 19.10.2002, 17:51
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Standard Dokumentarfilm über das Tabu Sterben

Liebe Heike (Gitti),
ich sehe es genauso wie Du, man kann versuchen, sich in einen anderen Menschen hineinzuversetzen. Aber wie es dann tatsächlich in diesem anderen aussieht, kann niemand sagen, außer demjenigen selbst. Besonders beeindruckt hat mich Dein Satz: Leben kann man theoretisch nicht denken, und Sterben auch nicht.
Wir haben ja auch schon im Chat miteinander gesprochen, deshalb drücke ich Dich jetzt einfach nur.

Liebe Anja,
was mich jetzt schon betroffen gemacht hat, war, dass Du es als oberflächlich bezeichnest, wenn jemand seine eigenen ganz persönlichen Erfahrungen hier schildert. Mag ja sein, dass Frau Kübler-Ross jahrelange Erfahrungen mit Sterbenden hat, aber auch in meiner Familie hat es Sterbefälle gegeben, auch zwei, die erst nach langer Krankheit erfolgten, aber ich hatte da keine Studie zur Hand, sondern habe mich einfach um diese Menschen gekümmert. Und ich hatte nicht den Eindruck, dass mir dabei etwas Wichtiges fehlt. Ich habe aus dem Gefühl heraus gehandelt. Ich habe die Wünsche und Bedürfnisse immer Ernst genommen. Da gab es keine Phasen. Wollte ich nur mal so schreiben.
Deine Definition eines Sterbenden ist sicherlich richtig. Aber was heißt das jetzt für diese Diskussion? Worum geht es jetzt überhaupt??
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  #82  
Alt 19.10.2002, 18:32
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Standard Dokumentarfilm über das Tabu Sterben

Hallo Susanne, mit Deinen vorherigen Beiträgen kam ich nicht so gut zurecht wie mit dem vom 18.10.02. Hatte Dich irgendwie anders eingeschätzt. Was Du hier schreibst ist irgendwie o.k. Trotzdem, oder grad weil ich nicht zu "Euch" (keine Dikriminierung !)" gehöre, würde ich gern mehr über Sorgen und Ängste wissen wollen, um anderen um so mehr "vorsichtig" helfen zu können. Was mir an der ganzen Diskussion fehlt, ist die Offenheit. Sicherlich, jeder kann ins Net gehen und die Beiträge lesen. Niemand will sich "blosstellen". Aber jedem von den Nichtbetroffenen (NB) kann es genau so ergehen! Ich glaube um so mehr, dass mit viel Feingefühl gerade dieser Film gemacht werden sollte. Ich hoffe nur, dass sich Frau Bublitz genau überlegt hat, wie sensibel das Thema ist und es wirklich sich gut überlegt hat wie es umzusetzen ist, ohne jemanden ernsthaft zu verletzen. Ich würde mich über einen gut gemachten Film über die Gedanken, Sorgen und Ängste von Erkrankten irgendwie freuen. Es wäre der erste Schritt aus dem Tabuthema, so schmerzlich es für unheilbar Kranke und im Einzelfall wäre. Die "breite Masse" muss irgendwie aus Ihrer Lethargie geweckt werden. Ich hoffe, Du nimmst mir den Beitrag nicht übel? Viele Grüße - Hans
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  #83  
Alt 19.10.2002, 20:04
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Liebe Susan,

viele in diesem Forum sehen oft nur ihre eigene Situation, wenn sie in Diskussionen einsteigen. Das ist sehr verständlich, bringt einen aber nicht weiter, wenn man grundlegende Antworten auf seine Fragen sucht, denn dann sollte man eine andere Ebene einnehmen, um eine Problematik in seiner ganzen Tragweite zu begreifen. Auch du gehst die ganze Zeit von dir selber aus. Versuche doch einmal, dir vorzustellen, dass es auch Menschen gibt, die sich vielleicht noch nicht mit dem Thema Tod auseinandergesetzt haben, dies aber gerne würden oder plötzlich müssen. Ich denke durchaus, dass in einem solchen Moment die Thesen von Kübler-Ross wichtig sein können. Diese Frau hat sehr wichtige Erkenntnisse gewonnen durch ihre Erfahrungen. Warum sollen wir nicht davon profitieren. Ich gebe dir ja recht, und das habe ich auch geschrieben, wenn du sagst, dass man diese Erkenntnisse sehr sensibel und individuell auf andere Sterbende anwenden muss. Das versteht sich doch von selber. Aber hälst du dich für dermaßen unfehlbar, dass du nichts mehr dazulernen kannst? Also ich für meinen Teil muss sagen, dass ich sehr viele Fehler gemacht habe, bevor mein Vater gestorben ist. Auch ich war hin- und hergerissen zwischen "den Tod thematisieren" und "erstmal abwarten, vielleicht leugnet er es ja noch". Ich wollte unbedingt helfen, wusste aber nicht wie. Die Ansätze von Kübler-Ross haben dazu beigetragen, dass ich den Inhalt mancher Gespräche verstanden habe, dass ich besser beurteilen konnte, wie weit mein Vater im Umgang mit seinem nahenden Tod war. Das war natürlich unglaublich schwer und oft grübele ich heute noch darüber nach, was er wohl empfunden haben mag. Aber die Bücher der Kübler-Ross haben mich sensibler gemacht. Ich war eher in der Lage, auch auf Hinweise zu hören, die mein Vater zwischen den Zeilen versteckt mitgeteilt hatte.
Was mir jetzt schon mehrmals aufgefallen ist, ist das Festhalten an dem Wort "Phasen". Scheinbar ist nicht verstanden worden, worum es Kübler-Ross geht. Versuche zu verstehen, was sie wirklich meint: Der Sterbende macht in der Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod einen Prozess durch. Das tut jeder von uns, wenn er sich mit seinem eigenen Tod beschäftigt, er muss nicht einmal unmittelbar bedroht sein. Es macht auch jeder einen Prozess (des Lernens) durch, der sich mit einer anderen Thematik beschäftigt, beispielsweise wenn er vor einer schwierigen Entscheidung steht oder wenn die Liebesbeziehung in die Brüche geht und er sich das eingesteht. Vorrausgesetzt man verschließt vor Problemen nicht die Augen, muss man immer durch einen Lernprozess und der kann manchmal ganz schön bitter sein.

Viele Grüße. Anja
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  #84  
Alt 19.10.2002, 22:29
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Standard Dokumentarfilm über das Tabu Sterben

Folgender Satz aus Anjas posting scheint mir besonders hervorhebenswert und ich finde nicht, dass ich ihn unfair aus dem Zusammenhang reiße (selbiger ist ja nach zu lesen)

anja schreibt :

"Auch ich war hin- und hergerissen zwischen "den Tod thematisieren" und "erstmal abwarten, vielleicht leugnet er es ja noch". "

Der zweite Teil dieses Satzes entspricht genau dem, warum mir bei Kübler Ross das Blut in den Adern gefriert. Und auch jetzt.

Auch aus diesem Grunde hab ich soeben einen extra Thread zum Thema reingestellt.

Anja, die Vergleiche mit "Lernprozessen", die du am Schluss bringst ("schwierige Entscheidungen", "Liebesbeziehung in die Brüche") passen nicht. Denn dabei geht um ein Lernen für das Leben.
Einen Lern "Prozess durch zu machen", der zur Akzeptanz seiner eigenen *Nicht Existenz* führen soll (??) ist mit überhaupt nichts zu vergleichen !


Lillebror
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  #85  
Alt 19.10.2002, 22:38
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Hallo, Anja,
danke, dass Du noch mal geantwortet hast. Vielleicht bin ich ja eine von wenigen, die es nicht sofort "begriffen" haben. ;-)
Weißt Du was??? Ich möchte mir Kübler-Ross gar nicht ansehen,ich möchte gar nicht wissen, in welcher Phase ich gerade stecke. Ich verschließe weder vor dem Tod meine Augen noch lasse ich es zu, dass er mein Leben bestimmt. Schon blöd, oder?
Und mein Leben geht die ganze Zeit weiter. Ob ich Krebs habe oder nicht, ist dabei völlig egal. Es geht einfach weiter. Es gibt keine Generalprobe. Ist immer direkt die Premiere. :-)) Und das ist es, was ich eigentlich meine. Ich lebe. Und ich lebe bewußt. Auf meine Art, sicherlich. Aber ich habe in meinem Leben Erfahrungen gemacht. Und diese schreibe ich hier manchmal rein. Und vielleicht hätte Frau Kübler-Ross zu der einen oder anderen Antwort eine andere Auslegung gehabt, aber ich fand es für mich und die Menschen, um die ich mich sorgte, völlig ok. Habe ich damit einen Lernprozess verpasst??? *malnachdenklichdieStirnrunzele* Und ob Frau Kübler-Ross bestimmte Phasen zugrunde legt, ist doch sicher ihre Auslegungssache, oder nicht? Jeder Sterbende hat eigene Erfahrungen. Die kann man nicht in ein Schema zwängen. Selbst wenn 100 Menschen schreiben, mir ging es zu diesem Zeitpunkt nicht gut, heißt das nicht, dass es bei diesem einen Menschen, der mir wichtig ist, genauso ist.
Mag sein, dass der Lernprozess für manche bitter ist, aber ich finde, das "normale" Leben hat auch so einige wirklich makabere Scherze parat. Wenn jemand, der an einer Spritzenphobie leidet, dauernd zur Infusion muss. Wenn jemand, der immer auf sein Gewicht achtet, plötzlich durch Chemo immens zunimmt. Sind sicher alles blöde Beispiele. Aber ich würde sicherlich niemandem, der hier irgendwas schreibt, die Berechtigung dazu aberkennen. Alle haben ihre eigenen Erfahrungen. Und die sollte man respektieren. Auch wenn ich eine andere Sicht der Dinge habe, toleriere und akzeptiere ich doch, dass andere Menschen anders mit einer Situation umgehen.
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  #86  
Alt 20.10.2002, 12:39
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Lieber Lillebror,

ich bin überzeugt davon, dass das ganze Leben aus Lernprozessen besteht. Aus Lern- und Ablöseprozessen. Auch wenn die meisten dieser Lernprozesse auf das Leben hin abzielen, nur eben dieser eine, der letzte, nicht. Es ist der größte Lernprozess im ganzen Leben. Und wir wissen nicht, welche Hoffnungen sich an dieser Stelle vielleicht doch auf einmal noch ergeben können, selbst mit der Befürchtung der eigenen Nichtexistenz im Nacken. Ich selbst kann natürlich auch nur aus der Theorie sprechen, bin ja nicht in der Situation.
Meine damalige Lage, als ich "erstmal abwarten wollte, weil er es vielleicht noch leugnet" lässt sich doch auch übertragen auf andere Situationen, beispielsweise, wenn eine Frau eben noch nicht realisieren kann, dass die Beziehung nichts mehr wert ist, wenn der Mann sie schlägt. Als Außenstehender muss ich in einer solchen Situation sehr vorsichtig sein und darf die betroffene Frau nicht drängen, wenn sie noch nicht so weit ist. Sie muss ihre Situation selber erkennen und alleine diesen Weg gehen. Ich kann sie vorsichtig und sehr sensibel auf diesem Weg begleiten, aber ich kann ihr ihre Last nicht abnehmen. Kübler-Ross zeigt nur auf, wie man als Außenstehender Verhaltensweisen von Sterbenden deuten kann, natürlich nur mit Rücksicht auf die Individualität des Betroffenen. Mich würde an dieser Stelle interessieren, wie du mit dem Sterben deiner Freundin (es war doch deine Freundin, oder?) damals umgegangen bist. Du warst doch sicher auch auf der Suche nach Berichten von Erfahrungen, die andere mit dem Sterben gemacht haben, um davon lernen zu können, oder? Oder wie kamst du in Berührung mit Kübler-Ross?
Ich gehe übrigens nicht mit allen ihren Ansichten konform. Beispielsweise ihre Schmetterlings-These ist für mich nicht schlüssig, denn der Schmetterling muss ja auch irgendwann einmal sterben. Was passiert dann mit ihm, wohin entwickelt er sich dann weiter?

Freue mich auf eine Antwort von dir und vielleicht auch anderen. Anja.
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  #87  
Alt 20.10.2002, 12:56
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Liebe Susan,

ich glaube, du wehrst dich so gegen die Theorie von Kübler-Ross, weil du gar nicht so genau weißt, an welcher Stelle du dich selber einordnen sollst, oder?
Ich habe ihre Schriften immer nur aus der Perspektive einer Angehörigen bewertet. Niemals wäre ich auf die Idee gekommen, meinem Vater zu erzählen, wie Kübler-Ross seine Situation beurteilt. Ich hätte ihm auch niemals diese Bücher gezeigt, denn sie sind geschrieben für Menschen, die einen Sterbenden begleiten.
Meine Frage an dich lautet: Identifizierst du dich bei dieser Diskussion eher mit dem Sterbenden oder mit dem, der diesen begleitet? Das ist der Grund, weshalb ich neulich eine klare Definition festlegen wollte. Ich habe das Gefühl, du persönlich hast Angst davor, "in ein Schema gezwängt" zu werden, aber wir reden doch gar nicht von dir. Wir sprechen doch von Menschen, die sich mit ihrem unausweichlich nahenden Tod auseinandersetzen müssen. Wenn Krebs in deinem Leben keine Rolle spielt, brauchst du dich ja auch nicht angesprochen fühlen.
Bitte sei jetzt nicht böse über meine Ausdrucksweise. Es geht bei Kübler-Ross nicht um Menschen, die eine Krebsdiagnose erhalten haben und daraufhin um ihr Leben kämpfen. Es geht um Menschen, die mit ihrem Leben abschließen müssen! Für die es keine medizinische Hoffnung mehr gibt. Bitte verwechsle dies nicht!

Hoffe, du meldest dich noch einmal. Anja
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  #88  
Alt 20.10.2002, 14:51
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Liebe Anja,

ich verstehe schon (meistens) was du mit deinen aussagen sagen möchtest.
ich hätte auf der einen seite auch mehr wissen wollen, auf der anderen aber nicht.
wann ist der zeitpunkt gekommen, dass menschen mit ihrem leben abschließen müssen ? wenn der arzt sagt, es gibt keine hoffnung mehr ? ist der arzt gott allwissend ? spricht er aus erfahrung ? ist es bei der erkrankung so oder so ? kann es nicht bei dem persönlich betroffenen ganz anders sein ? die frage, die ich mir bei der erkrankung meines mannes immer wieder stelle/gestellt habe, ist: stirbt ein mensch, weil in der gesellschaft immer noch weit verbreitet ist, häufig jedenfalls, krebs = zwangsläufig irgendwann tod, und weil er denkt, dass er sterben muss, weil der arzt gesagt hat, es gibt keine hoffnung mehr und er sich daraufhin auch sagt, was soll ich noch kämpfen, wenn es eh nicht mehr hilft oder stirbt ein mensch an den folgen seiner erkrankung ? oder ist es ein bisschen von beiden ? und warum müssen menschen sich zwangsläufig irgendwann mit ihrem tod auseinander setzen ? niemand muss sich damit auseinandersetzen, wenn er nicht will. ob man das als "verleugnen", "nichtwahrhaben wollen" oder sonstwie tituliert, ist völlig nebensächlich. und ich frage mich, für wen ist es einfacher, wenn sich ein sterbender mit dem tod auseinandersetzt. für den sterbenden oder für den angehörigen ?
ich halte diese sterbephasenmodelle für das, was sie sind: theorethische abhandlungen, die sich vielleicht manchmal mit dem einen anderen decken, aber auch nicht mehr.
ich für meinen teil bin froh, dass ich diese modelle vorher nicht gelesen habe.
ich habe den tod meines mannes ganz unvoreingenommen erlebt. und dafür bin ich dankbar, wer weiss, was für eine gequirlte scheisse ich geredet hätte (noch mehr als sowieso schon), wenn ich einiges vorher gewusst hätte. so habe ich ganz nach meinem gefühl und herzen geredet und gehandelt. ganz pur und echt. und nicht theorethisch vorgedacht.

Liebe Grüße
Heike
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  #89  
Alt 20.10.2002, 15:05
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Hallo liebe Ilona Bublitz,

ich begrüsse, dass Sie sich mit dem Tabuthema Tod und Sterben auseinandersetzen wollen.

WAR VOR EIN PAAR Jahren selbst dem Tod sehr nahe (Krebs), vielleicht sogar in den Sterbeprozess eingetreten. Dass es nicht dazu kam, war für mich ein Glücksfall, denn ich versuche seitdem aufzuhören durch das Leben zu hecheln. Das ist nicht so einfach, denn in dem Maße, wie sich die állgemeine Entwicklung beschleunigt hat, wird von uns Menschen erwartét, dass wir Schritt halten. Wenn uns dann die Endlichkeit bewußt wird, fällt uns manchmal auf, dass wir vergessen haben, die Beziehungen zu unser Nächsten in Ordnung zu bringen und vor allem uns selbst mal zu fragen, wofür das alles gut war, was wir gemacht haben. Alles reduziert sich dann nur noch auf sehr wenige Dinge, die - das weiss ich aus dem täglichen Zussammensein mit Schwerstkranken über eine längere Zeit - die auf eine sehr kleine Formel zu bringen sind.

Erschreckend dabei ist die Ignoranz vieler Mediziner, die als Halbgötter in Weiss an Patientenbetten vorüberschweben, Bedürfnisse ignorieren, entmündigen, Körperwahrnehmungen absprechen, Befindlichkeiten bestimmen, Menschen in ihrer letzten Lebensphase verwalten. Nicht alle, zum Glück, aber ich habe sehr viele erlebt. Mindestens genauso erschreckend ist die Abwehrhaltung vieler Mitmenschen, die sogar Angst haben Kranken zuzuhören, Wahrheiten schönreden möchten und voller Unsicherheitn im Ungang mit Sterbenden sind.

Deshalb, es ist gut, dass Sie sich dem Thema widmen möchten. Ich befürchte nur, dass Sie sowohl in den Medien als auch im täglichen Leben auf genau diese Haltungen treffen werden. Ich wünsche Ihnen Erfolg.
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  #90  
Alt 20.10.2002, 15:06
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Hallo anja,


Vergleiche sind ja nur dann nützlich, wenn sie in den *entscheidenden Punkten* übereinstimmen mit dem, womit sie verglichen werden.

So passt die Sache mit der Frau, die von ihrem Mann geschlagen wird überhaupt nicht.
Denn : Es gibt ZWEI mögliche Hoffnungen für diese Frau. Entweder die, dass ihr Mann aufhören wird sie zu schlagen und die Ehe noch gut wird ODER, dass sie wenn sie sich von ihm trennt ein besseres Leben führen wird.
Somit kann es also auch in ihrem Falle Sinn machen, die eine mit der anderen Hoffnung zu vergleichen und sich gegebenenfalls von der ersteren zu trennen UM der zweiteren, realistischeren den Vorzug zu geben.

Diese Art von Bewertung wird aber sinnlos, wenn es gar keine Alternative *gibt*!
Wenn es nur *eine* Hoffnung gibt, dann zählt auch nur *diese*. Dann hat es auch keinen Sinn darüber zu spekulieren, ob und wie "realistisch" diese ist.
Auch deshalb finde ich es geradezu absurd, zum Beispiel von einer "Wahrheit" zu sprechen, die der Hoffnung eines Kranken auf Überleben widerspricht.

Du schreibst :
"Kübler-Ross zeigt nur auf, wie man als Außenstehender Verhaltensweisen von Sterbenden deuten kann, natürlich nur mit Rücksicht auf die Individualität des Betroffenen. "

Das verstehe ich nicht. Sieh dir Punkt 1 und 2 des "Phasenmodells" an.
Da werden Wünsche und Forderungen eines Patienten "gedeutet" und diese damit *disqualifiziert*. Man muss sie nicht mehr berücksichtigen, denn : Es ist ja alles nur noch "Symptom einer Phase".
Ich sehe da nicht mehr viel Raum für Berücksichtigung der Individualität.

Zu deiner Frage wegen meiner Freundin : Sie hat sich selbst nie als "Sterbende" gesehen und ich habe sie so gesehen, wie sie selbst sich sah und gesehen werden *wollte*.
Etwas anderes steht auch keinem Menschen zu, und gerade in einer solchen Situation sowieso nicht.
Zu "Kübler-Ross" kam ich erst viel später und nicht, weil ich nach "Sterbe Erfahrung" gesucht habe.

Besonders interessant fand ich deine Antwort an Susan. Sie zeigt vielleicht den ganz entscheidenden Unterschied zwischen uns. Denn du vollziehst ganz bewusst eine Trennung zwischen *deinem* Weg und dem Weg dessen, den du als "Sterbenden" bezeichnest. Damit wird all das natürlich schlüssig.
Nur der Ausdruck "begleiten" scheint mir dann so ganz und gar nicht mehr zu passen.
Es ist einfach nur eine *Trennung*, nichts weiter. Und ehrlich gesagt möchte ich das sogar "im-Stich-lassen" nennen.
Aber man sollte das dann auch so nennen, und es sich nicht, mit Verlaub, von Kübler Ross "schön schwätzen" lassen.


Lillebror

P.S. @alle : Ob wir vielleicht den Teil der Diskussion, die sich speziell auf das "Sterbephasenmodell" bezieht in dem neuen Thread fortführen sollten ?
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