Dein ist mein ganzes Herz...

[SiHa]

Irgendwie mach ich heute dicke Backen... mag nicht mehr. Bin so ... sprachlos.
Ich vermisse Dich! Mein Herz, ich liebe Dich so sehr!

[SiHa]

Hallo mein Herz!
Es ist mal wieder Wochenende. Freitagabend. Ich bin zu Hause. Aber zum Glück bekomme ich gleich noch Besuch. Die liebe B kommt vorbei. Ich freue mich schon riesig. Es ist einfach doof, wenn eine der besten Freundinnen ganz in die andere Ecke von Deutschland zieht. Verdammt weit weg. Man kann nicht mal eben rübergehen oder -für sie wohl auch ganz schlimm- ich konnte nicht mal eben ins KH fahren, als sie vor 2,5 Monaten H zur Welt gebracht hat. Aber nun durfte ich das Baby schon gestern kennenlernen. Ein ganz Süsse! ... aber hab ich es mir nur eingebildet oder hat meine Mutter wirklich so einen leichten "Oma-Sehnsuchts-Blick" aufgesetzt. Tja, wird wohl erstmal nix. Tut mir leid. Aber ich muss gestehen, dass ich so ein kleines Baby auch mit gemischten Gefühlen betrachte. Ein Mix aus: Wäre, Hätte, Könnte auf einem leichten Püree von Eigentlich nicht, noch nicht bereit, so oder so nicht. Ist auch müssig drüber nachzudenken, oder?
Ansonsten habe ich wohl eine Entscheidung bzgl. der Trauergruppe getroffen. Die Damen und der Herr waren wirklich sehr nett. Aber ich denke, dass der (doch sehr große) Altersunterschied gewisse Differenzen aufwirft. In der Trauer allgemein, in der Problematik zum Teil, in der Trauerbewältigung. Ich weiß nicht. Bei einigen Dingen habe ich mich total verstanden gefühlt und bei anderen eben gar nicht. So fehl am Platz. Wenn mich jemand mit großen Augen anschaut und sagt "So ist das eben, wenn man 40 Jahre verheiratet war..." und das nachdem ich gesagt habe, dass wir zwar so gesehen nicht sehr lange zusammen waren, aber drei Jahre hin oder her, der Partner fehlt... Tja, dann fühle ich mich doch ein wenig auf den Schlips getreten und irgendwie verkehrt in der Gruppe. Und ich glaube auch, dass diese Trauer, die Tränen, diese gebrochenen Seelen vielleicht zuviel für mich sind. Nun gut, ich habe noch ein wenig Zeit mich endgültig zu entscheiden. (Jaja, meine allseits bekannte Entscheidungsfreudigkeit kommt gerade mal wieder durch )
Morgen ist unser großes Kochen. Ich bin wirklich gespannt, ob R und ich das alles so hinbekommen. Ob es schmeckt, rechtzeitig auf den Tisch kommt und ob die Stimmung gut ist. Hoffentlich kippt meine nicht. Ich habe ein wenig Manschetten, dass ich mich in der Gruppe vielleicht auf einmal alleine fühle. Du nicht da. So wie heute. So wie gestern. So wie letzte Woche. So wie schon seit mehr als 8 Monaten.
Hast Du meinen Schmerz heute gemerkt? Hast Du ihn gespürt? Manchmal überkommt es mich so aus heiterem Himmel. Alles total ... stressig, zuviel, zu schnell, zu stark, zu drückend.. dann vermisse ich Dich immer so sehr. Dann fange ich an zu weinen und frage mich, warum. Und bekomme keine Antwort.
Mein Herz, ich wünsche mir so sehr, Dich noch einmal zu sehen, zu sprechen, zu riechen, zu schmecken - all meine Sinne verzehren sich nach Dir und nach Liebe. Liebe zu geben und Liebe zu nehmen.Wann wächst diese große schwarze Loch in meiner Brust bloß wieder zu? Wann?
Okay, okay, genug der Heulerei. B kommt bestimmt gleich und ich sollte mich wenigstens etwas einkriegen.
Ich denke an Dich! Ich liebe Dich!
1111 Küsse

[SiHa]

Mein Herz,
boh - ich bekomme schon wieder eine Erkältung. Wie widerlich. Immer dieser sch.. Reizhusten. Es ist jetzt schon das 3. Mal in den letzten Monaten. Es ist als ob mein Körper die ganzen Erkältungen nachholt, die ich während Deiner Krankheit nicht hatte. Ist Dir das eigentlich auch aufgefallen? Ich, die ständig und drei Tage verschnieft war, war die ganze Zeit nicht einmal richtig erkältet. Mal ein Anflug von, das war schon schlimm. Da durfte ich nicht zu Dir ins KH kommen. Jetzt ist der Druck wohl weg und ich bin wieder -zumindest erkältungstechnisch- die Alte. Ansonsten bin ich nicht wirklich die Alte.. Schlechtes Thema. R hat mich Montag auch wieder auf Therapie angesprochen. Er sagte weitermachen, ich sagte zurückgehen. Wie zurückgehen? Ja, zurückgehen und den Weg nochmals gehen. Ich habe das Gefühl, in der Trauerarbeit etwas übersprungen zu haben. Vielleicht warte ich auf den Totalzusammenbruch oder auf was weiß ich. Irgendwas wonach es mir vielleicht endlich besser geht. Aber irgendwie sind wir wieder ab vom Thema und ich schieb es weiter vor mich hin. Das mit der Trauergruppe hat er sich übrigens schon gedacht. Schön, wenn dein Hausarzt dich so gut kennt, oder?
1111 Küsse für Dich

[SiHa]

Auf den Schock erstmal nen Martini – ich seh dich kopfschüttelnd in die Küche gehen und fragen: Mit Eis?
Was sind das nur manchmal für Tage, an denen sich die Kleinigkeiten zu Großangelegenheiten für Herz und Seele mausern?
Der Dienst heute. Du hast so gefehlt. Immer wenn W gesagt hat „Und dann hat Frank...“ und „Frank hat...“, dachte ich immer an Dich. Er meinte natürlich den anderen Frank. Aber auch Du hast viel getan, gerade auch bei diesem Ausbildungsthema! Wo warst Du heute abend? Wo ist Dein Einfluss auf uns? Was hättest Du gesagt? Ich habe Dich dort an dem Arbeitstisch lehnen und lächeln sehen. Dein Grübchen hab ich gesehen und mir gedacht, wie sehr ich Dein lächelndes Gesicht liebe. Ich mag Deinen Humor. Ich mag dieses spitzbübische. Ich vermisse es so.
Und dann das Auto! Was soll das? Absicht, Gedankenlosigkeit oder einfach nur .. ich weiß nicht, einfach Dämlichkeit? Ich fahr von der Wache und seh genau gegenüber auf der anderen Straßenseite Dein altes Auto stehen. Wieviele von uns sind heute vom Hof gefahren und haben es gesehen – und haben vor allen Dingen aufs Kennzeichen geachtet und sich gewundert, woher sie es kennen. Ist es einigen aufgefallen? Mir ja. Ich dreh mich sowieso immer noch nach jedem weißen Golf um. Immer denk ich dann an Dich. Einmal zuvor ist er mir begegnet – einfach so im Vorbeifahren. Heute stand er nun da. Ich hab eine Nanosekunde überlegt, ob ich aussteige und ihn anfasse. Vielleicht auch reinschaue, ob sie Deinen Bär und den Gecko noch im Auto hat. Bestimmt hat sie. Warum hat sie dort geparkt? Ist sie mittlerweile bei dem anderen Verein? Musste dort zur Wache? Oder war sie irgendwo zu Besuch? Eigentlich total egal. Aber warum hat sie genau gegenüber unserer Ausfahrt geparkt? Was soll das?
Oder bin ich die Einzige? Die Einzige, die das Kennzeichen gesehen hat. Die einen Schmerz in der Magengrube empfunden hat. Die Einzige wohl, die dann innerhalb von ner halben Minute angefangen hat zu heulen wie ein Schlosshund. Dein Auto! Was soll das?
Diese Selbstverständlichkeit Dein Auto vor unserer Wache zu sehen – die gibt es doch nicht mehr. Seit über acht Monaten ist das nicht mehr so. Quatsch- noch viel länger ist das her. Auto selbst gefahren, bist Du in der letzten Zeit eigentlich gar nicht mehr. Gerade heute, wo ich Dich sowieso so vermisst habe. Das Gefühl von Fehlen ist so stark.
Warum kannst Du nicht noch leben? Meinetwegen hab Dich von mir getrennt. Liebe eine andere. Geh weg aus unserer Stadt. Heirate wen Du willst und habe Kinder und Hund mit ihr. Aber lebe! Dann kann ich Dich hassen, verachten - und Dich ab und zu sehen. Das wäre besser. Besser als dieser Schmerz jetzt. Weil die Hoffnung tot ist. Mit Dir gestorben.
Übrigens, ich bin selbst in die Küche gegangen und hab mir meinen Martini geholt. Mit Eis.
Mein Herz – mein Schmerz!
Ich liebe Dich! Und ich weine um Dich!
1111 Küsse
P.S. Schüttel ruhig weiter den Kopf – ich hol bestimmt gleich noch nen zweiten grooooßen Martini!

[SiHa]

Ich sitz immer noch am Laptop und forste mich durchs Internet, durch Emails und durch Bilder. Da hab ich dieses gefunden. Für mich ist ein besonderes Foto. Ich habe es im November 2005 aufgenommen und es scheint, als ob Du schon zu diesem Zeitpunkt "ins Licht" gehst. Komisch, oder? Ich habe lange mir mir gerungen, ob ich ein Foto von Dir ins KK stelle. Für die stillen Mitleser und für mich. Aber ich weiß, dass Du das nicht magst. Im Mittelpunkt stehen, Aufmerksamkeit auf Dich ziehen - das war nie Dein Ding. Ich denke aber, dass Du mit dieser Aufnahme einverstanden wärst...
Das Foto ist also vor gut einem Jahr entstanden. Es ging Dir nicht wirklich gut. Ab November wurden die Nebenwirkungen der Chemo und die Tumorschmerzen immer schlimmer. Aber trotzdem wolltest Du mit mir und unserem Leih-Hundi durch die Natur laufen. Das war der Spaziergang, an dessen Ende ich so k.o. war und Du noch guter Dinge. Ich habe immer versucht, ein Foto vom Hund zu machen, während er über diese eine Absperrung springt. Aber entwender ich hab ihn noch vor dem Absprung geknipst oder beim Landen. Ich habe es partout nicht geschafft, ihn in der Luft festzuhalten - und wir beide haben uns scheckig gelacht über unsere Versuche: Deine, den Hund immer wieder zum Hopsen zu animieren und mein, das Ganze festzuhalten.

[SiHa]

Mein lieber Frank,
vorgestern habe ich mich durchgerungen, meine Weihnachstkiste hoch zu holen und die Deko mal in den Angriff zu nehmen. Es war schwer. Schwer zum einen, weil damit die Festtage (die gefürchteten) in greifbare Nähe rücken und so schwer zu anderen, weil so vieles an Dich erinnert. Dinge, die Du mir in den letzten 3 Jahren geschenkt hast oder die wir zusammen gekauft haben. Ich musste natürlich auch wieder an das Thema Adventskalender denken. Es macht mich so traurig. Am liebsten würde ich Dir jeden Tag ab morgen etwas Kleines zum Friedhof bringen... Aber da hast Du natürlich auch nicht wirklich was davon und ich auch nicht. Ich kann dabei nämlich nicht in Deine wunderschönen Augen sehen und das kleine Grübchen betrachten, das bei Deinem Lächeln immer entstand. Deine Freude war immer meine Freude. Es hat mir soviel bedeutet, wenn ich Dich mit irgendwas überraschen konnte.

Mir ist übrigens beim Rumpuzzeln die Rudolph-Christbaumkugel runtergefallen und zerbrochen. Ich habe mich so über mich selbst geärgert, dass ich diese empfindliche Glaskugel nicht sicher genug hingelegt habe. Jetzt ist sie kaputt und nicht mehr zu reparieren. Fürchterlich! Warum gerade diese besondere Kugel???? Man versteht sowas immer nicht. Es läßt sich nur leider nicht mehr ändern. Wie so vieles anderes halt auch nicht.. ...

Gestern hatte dann Mama noch Geburtstag. Es war okay. Es ging. Mit dem Freundeskreis essen zu gehen, war eine gute Lösung. Für sie und für mich. Ich habe schon morgens überlegt, wo Du eigentlich letztes Jahr zum Geburtstag warst. Ich wußte, dass Du nicht mit mir da gewesen bist. Ich wußte auch, dass Papa im letzten Jahr morgens einen seiner Krampfanfälle hatte und wir ihn abends wieder aus dem KH abholen konnten. Dann ist es mir wieder eingefallen: Du hattest Chemo. Dir ging es schlecht. Du warst zu Hause mit A. Ich bin -glaub ich - auch ziemlich früh von meinen Eltern weg und zu Dir gefahren. Wahrscheinlich hast Du mal wieder sowas gesagt wie "Warum? Deine Mutter braucht Dich. Bleib da. Ich komm schon klar"... und ich habe gedacht: "Halloooo! Merkst du es mal? Ich habe keine ruhige Sekunde, wenn ich weiß es geht Dir schlecht und ich bin nicht da...grummel".. Und wen darf ich jetzt angrummeln? Wer gibt mir jetzt den Halt? Wer unterstützt mich bei meinen Eltern? Wer - wenn nicht Du?
Mein Herz.
Ich liebe Dich!

[SiHa]

.. Ja, manchmal bist Du wirklich mein Reim auf Schmerz.
Heute nacht war es mal wieder so weit. Wieder dieser Traum, in dem Du lebst. Du warst nur einfach weg, untergetaucht, nicht erreichbar für mich. Und dann so ein Hin und Her bis Du endlich mein Gesicht in Deine Hände genommen hast und mich ganz zärtlich geküsst hast. Was für ein Qual - umso mehr als ich wach wurde.
Weißt Du was, ich hab nen super Plan! Wirklich!
Komm einfach wieder. Wir vergessen den ganzen Sch.., der passiert ist, vergessen den Krebs, den Kummer, einfach alles und fangen noch mal von vorne an! Los, komm! Treffen wir uns am See, da wo wir uns auch das erste Mal getroffen haben! Nur ein Wort von Dir und ich bin da, bin bei Dir!

[SiHa]

Ups - jetzt war ich so nervös, dass ich den Brief gleich 2x gepostet habe...

... gerettet!

Übrigens, mein Herz, hast Du die Wette gewonnen! Ich konnte es kaum glauben, dass Q. gestern dran gedacht hat...es hat mich super gefreut, ihn bei Dir zu treffen.

[S.K.]

Danke das wir ihn lesen dürfen.
Keine Worte dafür. Unbeschreiblich ergreifend.
Mir laufen die Tränen.

Liebe Grüße
Silvia

[Tränen]

Liebe SiHa

dein Bericht ist sehr herzergreifen und rührt einen zu Tränen. Du bist eine sehr starke Persönlichkeit, denn den Mut und die Kraft aufzubringen und zu sagen du kannst gehen es ist ok den haben nicht viele. Meine Hochachtung.

Ich wünsche dir ganz viel Kraft für die weitere Trauerbewältigung und dein zukünftiges Leben.

Liebe Grüße Nicole