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  #31  
Alt 11.03.2009, 21:55
Benutzerbild von Morgana
Morgana Morgana ist offline
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Standard AW: Gedanken.. Gefühle.. Fragen..

Liebe Kerstin,
ich bin froh, dass Du Dich auch mit schlechten Nachrichten wieder meldest!
Hatte mir schon Sorgen gemacht, wie es weitergegangen ist.
Ich möchte Dir gern Kraft schicken und Dir sagen, dass Du diese Situation ganz prima aushälst...ja, wirklich: Hier ist aushalten ganz schwer, unvorstellbar schwer...doch Du gibst Jürgen alles an Liebe und Unterstützung, was Du geben kannst. Mach Dir keine Sorgen, dass die Kinder im Moment zurückstehen, wenn sie erleben, wie Du in Liebe handelst, werden sie davon mitbekommen, dass da etwas Besonderes geschieht und Du trotzdem immer für sie da sein wirst. Seine Eltern müssen das mit sich selbst ausmachen. Belaste Dich nicht damit, das kannst Du an sie abgeben, dafür bist Du nicht verantwortlich. Du hast sie informieren lassen, sie sind gekommen - und nun müssen sie zusehen, wie sie damit umgehen. Deine Angst...beim letzten Atemzug von Jürgen allein mit ihm zu sein, kann ich verstehen, dennoch, in seinem jetzigen Zustand kann das dann so sein... Vielleicht findest Du dann die Kraft, es einfach wertzuschätzen und zu akzeptieren...Ich weiß, wie schwer "dieser Moment" sein kann...
So, wie Du bei ihm bist, mit ihm redest, das ist genau richtig!
Ja, ich glaube bestimmt,. dass er versteht, was gesprochen wird, auch wenn er "döst" und dass er, auch wenn er nicht sprechen kann, viel schläft, etwas sagen möchte, etwas ausdrücken möchte. Setz Dich weiterhin zu ihm, das tut ihm gut.
Achte auf Dich, was Du körperlich leisten kannst, gut, wenn Du Dir heute Abend eine "Auszeit" nimmst. Morgen ist ein neuer Tag und Du wirst Dich wieder zu ihm setzen...in seiner Nähe sein...seine Hand halten...Das sind die Momente, die Dir bleiben...Du wirst Dich daran erinnern und es wird Dir später gut tun.

Ich wünsche Dir erstmal eine möglichst schlafreiche Nacht zum Energietanken für den neuen Tag und drücke Dich ganz lieb . Ich bin für Dich da!

LG
Morgana
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Die Seele hätte keinen Regenbogen, wenn die Augen nicht weinen könnten.
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  #32  
Alt 11.03.2009, 22:19
Benutzerbild von stellina
stellina stellina ist offline
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Standard AW: Gedanken.. Gefühle.. Fragen..

liebe kerstin,
ach wie schwer sind oft die letzten gemeinsamen schritte. jeder geht sie auf seine individuelle art. es gibt kein richtig oder falsch. du tust, was deine seele dir zeigt. gut, daß du dafür gesorgt hast, daß seine eltern gekommen sind und daß du deinem mann gesagt hast, daß alles geregelt ist. seine aufgabe hier auf erden ist getan und die, die bleiben , können nicht verstehen, wieso sein leben nur so kurz sein durfte.
ich wünsche euch beiden für dieses letzte stück weg gnade und geborgenheit. du machst alles wunderbar, ich umarme dich, tina.
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Du kannst nie tiefer fallen, als nur in Gottes Hand,
die er zum Heil uns allen barmherzig ausgespannt.

Mein geliebter Hase: 14.10.1923 - 28.04.2009
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  #33  
Alt 11.03.2009, 22:53
AnJu67 AnJu67 ist offline
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Standard AW: Gedanken.. Gefühle.. Fragen..

Liebe Kerstin,
wie sehr haben mich Deine Worte berührt, Eure Geschichte macht sehr betroffen. Lass Dir von niemandem sagen, Du hättest irgendetwas falsch gemacht, denn das stimmt überhaupt nicht.
Deine innere Zerrissenheit und das schlechte Gewissen den Kindern gegenüber musst Du auch nicht haben. Niemand und am wenigsten Deine Kinder werden Dir später einen Vorwurf daraus machen, dass Du momentan Deine ganze Kraft brauchtst, diese Situation auszuhalten.
Es macht mich sehr traurig, daß viele Angehörige bei solch schweren Krankheitsverläufen sich das Leben gegenseitig noch schwerer machen, man liest dies recht häufig hier im Forum.
Ich finde es bewundernswert, wie Du versuchst, trotzdem alles unter einen Hut zu bekommen.
Ich sende Dir in Gedanken viele Kraftpakete...
Grüße
Anja
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Meine Tante BSDK Juni 08-Okt. 08
Meine Oma Multiples Myelom seit Sommer 08

Fange nie an aufzuhören!...
Höre nie auf anzufangen!...
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  #34  
Alt 15.03.2009, 23:16
Benutzerbild von bluetrilo
bluetrilo bluetrilo ist offline
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Unglücklich AW: Gedanken.. Gefühle.. Fragen..

Ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll. Mir fehlen zur Zeit die Worte.

Donnerstag ging es ihm etwas besser. Naja, ich meine damit das er wacher war und sogar mehr mit der Spritze zu trinken bekommen hatte. Auch hatten wir es geschafft ihm etwas Kartoffeln mit Soße zum Mittag zu verabreichen. Dann war ja der Arzt gleich früh dort. Er schaute ihn sich an und fragte ob er Schmerzen habe. Er machte nicht den Eindruck als hätte er irgendwie Schmerzen. Ich sprach danach nochmal sehr kurz mit dem Arzt. Er teilte mir mit, das er mir keine Prognose sagen kann. Nur das wir nicht mehr von Monaten reden sondern von wenigen Wochen ca. 1-2 oder gar 3. Aufgrund der Erkältung entschloss ich mich, auch am Freitag voll und ganz für meinen Schatz da zu sein. Mittags, als dann meine Eltern und auch seine kamen, bin ich dann gegangen. Jonny kam auch noch von der Schule vorbei und mein Mann versuchte ihn anzulächeln. Ja, er versuchte sogar zu sprechen. Und dennoch ging es ihm nicht wirklich so gut. Nur freuten wir uns, dass er genug getrunken hatte. Die eine Schwester, sagte man müsse es ausnutzen, wenn er ißt. Mal abgesehen davon, dass sie ihm Kartoffeln mit Sauerkraut und Soße gegeben hatte. (er hat es zwar gegessen, aber war nicht wirklich sein Ding, denn sonst hatte er das Zeug nie angerührt) Aber naja was solls, er hatte ja einmal sogar zum Abendbrot Schinken gegessen, was er ja sonst auch nie tat. Der Hunger treibt es halt rein.

Freitag früh so gegen Acht, war ich dann wieder bei ihm. Er war wieder wach, so wie am vorherigen Tag schon. Er hatte die Augen weit aufgerissen und schaute mich an. Er wurschtelte hin und her. Sprich, er war fast wieder ganz normal wie immer. Umso mehr staunte ich dann auch noch, als ich was zu ihm sagte und auf einmal als Antwort ein mit seiner Stimme klangvolles „Ja“ erhielt. Ich schaute ihn erstaunt an und sagte, du hast ja deine Stimme wieder. Gestern war es noch ein hauch von ja oder zumindest der Versuch und nach mehreren Wochen ein klangvolles Ja. Ich freute mich. Da seine Schluckbeschwerden ja immer schlimmer wurden, machten wir uns Gedanken, was ich ihm zum Frühstück anbieten könnte. Wir kamen dann auf Grießbrei. Ich stellte mich also in die Küche und kochte ihm einen schönen Grießbrei. Leider aß er nur einige hapsen davon und wollte dann nichts mehr. Er nahm seinen Becher und trank sogar wieder selber. Wow, dachte ich. Was für ein Tag. Es kam mir so vor, als wollte er keine Sekunde mit mir verpassen. Er döste nicht viel,nur ab und zu ein wenig. Wenn ich mich jedoch nur ein bisserl bewegt hatte schlug er die Augen auf. Wir machten Witze und lachten. Ja, er konnte wieder so schön lächeln. Er konnte seinen rechten Arm bewegen, er konnte sogar sich wieder hin und her legen. Und dennoch merkte ich, wie er immer mehr abbaute. Er wurde müder und immer roter im Gesicht. Er trank nichts mehr und das Mittag wollte er dann auch nicht mehr essen. Auch als ich extra zerquetschte Banane mit Apfelsine für ihn vorbereitete, wollte er diese nicht haben. Das mit dem Trinken ging dann auch nicht mehr so schön voran, wie vormittags. Dann kam der Moment, wo es hieß, das jemand verabschiedet wird. Ich fragte die Schwester und sie sagte ja, du hast doch die Möglichkeit hier 3 Tage zu sein um dich zu verabschieden. Ich unterbrach sie, wollte ich doch darüber nicht vor Jürgen sprechen. Er hatte es aber verstanden. Auch fragte sie mich wie lange er schon so rasselnde Geräusche hätte bzw. der Husten. Ich sagte das es schon am Mittwoch anfing, jedoch auch der Arzt am Donnerstag es als nicht bedenklich empfand. Er rasselte ganz schön laut. Ihm wurde später dann auch ein Quarkwickel gemacht. Er war sehr unruhig und wusste nicht wohin mit sich.
Als er das Gespräch mit dem Verabschieden mitbekam, sah er sehr bedenklich, ja sorgenvoll oder gar ängstlich aus. Mir schossen dabei Gedanken durch den Kopf, die ich dann auch neben ihm nieder schrieb, die wie folgt lauteten:

Es ist schon erstaunlich was der Mensch für Kräfte mobilisiert, wenn er noch nicht gehen will. Erst denkt man es ist vorbei und dann kommt nochmal ein Aufrappeln. Doch wie oft wird das noch so sein?
Es macht ihm Angst, er weiß was ihm bevor steht. Er hat Angst davor, Angst zu sterben. Doch vor was hat er dabei Angst? Angst davor nicht mehr zu leben und seine Liebsten hinter sich bzw. allein zu lassen? Er solle doch keine Angst davor haben. Denn dann muss er nicht mehr länger leiden. Oder kommt die Angt davon, das er da liegt und auf seinen Tod warten muss?
Ich kann mich nicht in seine Lage versetzen. Ich kann auch nicht fühlen wie er sich fühlt. Nein, ich kann es nur vermuten anhand wie er mich ansieht. Ja, Augen können wirklich viel ausdrücken. Vor allem in solchen Situationen. Ja, ich staune wie der Mensch doch versucht immer noch etwas zu sagen mit all seinen Sinnen.

Ja, das ging mir durch den Kopf, als ich ihn so beobachtete. Er schaute auch was ich schrieb, doch er wird es nie erfahren.

Dann hatte ich ein Gespräch mit der Pfarrerin. Sie sollte für mich erstmal so eine Art Hilfe sein. Außerdem wollte sie mich auch kennenlernen. Ich sprach mit ihr eine gute Stunde. Sie erzählte mir auch, das es eine arte Aussegnung gäbe, die sie machen könne, wenn es gewünscht ist. Sie sprach noch mit mir ein Gebet. Erst später warf ich es mir vor, das ich meine Mann solange alleine gelassen hatte. Er sah müde aus und seine Wangen wurden immer roter. Ich sah ihm an das etwas nicht stimmte. Seine Medis hatter nur noch per Spritze erhalten. Oft verzerrte er an dem Tag sein Gesicht, doch er antwortete immer mit nein keine schmerzen. Er versuchte mir noch so einiges zu sagen, doch die Worte wollten nicht raus. Dennoch genoss ich den alten Klang seiner tiefen Stimme. Ja, es war schön diese Stimme wieder zu hören.

Irgendwann sagte er „aua“. Ich versuchte eisern heraus zu bekommen wo die Schmerzen sind. Von Kopf bis Fuß. Er verzerrte wieder sein Gesicht. DA stellte ich die Frage bezüglich des Kopfes etwas anders. Es stellte sich dann heraus, das er wirklich einen starken Druck im Kopf hatte. Ich lief zur Schwester und sagte ihr bescheid. Er war total unruhig und drückte dann schließlich den Knopf nach der Schwester. DA wusste ich das die Schmerzen sehr schlimm sein müssen, wenn er selber diesen Knopf drückt.
Die Schwester kam und gab ihm eine Morphium Spritze. Seine allererste. Sie sagte dann auch, das er davon etwas müde werden könne. Ich blieb noch etwas, da er mir irgendwas sagen wollte. Ich versuchte es wieder heraus zu bekommen. Ich sagte sogar sachen wie, hast du angst mich morgen nicht zu sehen.... ja es waren wunderschöne Jahre mit dir... dich zu kennen... ja all diese Dinge sagte ich da noch zu ihm. Auch das ich ihn liebe und er mich liebe. Ich versuchte alles zu sagen, was ich dachte, das er mir sagen möchte. Ich versprach ihm am Samstag etwas später zu kommen, also auszuschlafen, da ich ja ne ganz schöne Erkältung inzwischen hatte. Zumindest fühlte ich mich sehr matschig. Anfangs sagte ich sogar das ich zu Hause bleiben würde, mich auskurieren. Dann aber sagte ich zu ihm ich komme auf jeden Fall, wenn ich gefrühstückt habe. Es war seltsam, aber er winkte mir dieses mal sogar zurück, als ich ging.

Die Nacht schlief ich dann nicht so gut. Dann war ich wieder sehr früh wach. Ich konnte nicht mehr schlafen. Es war noch nicht mal sieben. Ich entschloss mich dann etwas später erstmal einkaufen zu gehen. Instinktiv nahm ich dann auch wie immer mein Handy mit. ES war kurz nach acht. Ich fuhr los zu Plus. Ich kaufte ein für Arbeit, da ich ja meinem Schatz versprochen hatte wieder brav arbeiten zu gehen. Für die Kinder für Schule.. Für das gemeinsame Frühstück mit meinem Sohn. Ich schaute auf die Uhr und dachte mensch jetzt musste mal machen, willst ja nicht allzu spät bei deinem Schatzi sein. Ich lief mit dem Einkaufwagen zum Auto. Während ich einräumte erklang eine mir noch nicht bekannte Sinfonie auf meinem Handy. Es war das Hospiz. Mich durchlief ein kalter Schauer. Panik machte sich breit. Die Schwester teilte mir mit, das die Atmung sehr sehr schwach sei und ich sofort kommen solle. Ich sagte ihr das ich grad einkaufen bin und in ca. 20 Minuten da bin. Sie sagte, das sie ihn nicht alleine lässt und bei ihm bleibt. Sofort rief ich meine Mutter an sagte was passiert ist. Ja, sie kommt auch hin. Ich fuhr los, nach Hause klingelte stellte alles ab und sagte meinem Sohn ich müsse los und er solle viel Spaß beim Geburtstag haben. Ich hatte grüne Welle... anfangs... Dann lief das Lied WIRE TO WIRE. Die Musik kam mir passend vor. Während ich fast da war hörte ich dieses Lied.. Love me wherever you are.... Ich weinte die ganze Zeit während ich zum Hospiz fuhr. Dort angekommen schoss mir meine Sohn durch den Kopf. Der Arme, wie wird es ihm gehen. Mensch ich lass ihn da so einfach alleine. Ich rief meine Schwester an, die bei meinen Eltern war, da ja mein Vater auch Geburtstag hatte. Sie wollte ihn anrufen und sagen das er dann zu ihr kommen solle. Diesmal lief ich die Treppen so schnell wie noch nie hoch. Ich trat durch die Eingangstür und was sah ich da.. Vor seinem Zimmer stand die Kerze... Ich lief los.. Die Schwester rief mich kam zu mir ich sagte nein, er ist noch nicht.. oder.. nein. Wir liefen hin. Ich viel ihr erstmal in die Arme und weinte laut. Sie sagte das sie die ganze Zeit bei ihm war und hatte auch Tränen in den Augen. Schon als sie mich anrief war seine Atmung sehr sehr schlecht. Er lag da. Er sah so friedlich aus. Ich konnte es noch nicht glauben. Nein, er steht doch bestimmt gleich wieder auf. Er schläft nur. Sie sagte mir, das er nicht gelitten hatte. Er habe nachts nochmals Morphium erhalten, da er wohl schmerzverzerrt war. Er hat nicht gelitten. Er ist friedlich eingeschlafen. Sie war bei ihm. Wenn irgendwas ist, dann ist sie für mich da. Sie bot mir auch an, das ich nachher beim waschen und einölen dabei sein könne, wenn ich es möchte. Ich sagte ihr ich weiß es noch nicht. Ich blieb bei ihm. Kniete mich zu ihm und weinte. Ich gab ihm noch einen Kuss, streichelte ihn. Sagte das er jetzt nicht mehr leiden müsse. Ich freute mich einerseits für ihn, aber andererseits.... Ich starrte ihn an, suchte nach Anzeichen das er doch noch lebe. Nichts. Steh auf, wir haben doch noch so viel vor. Bitte.

Es dauerte ein wenig dann hörte ich wie meine Mutter im Flur eine Schwester fragte nein oder... oh nein. Ich lief raus. Mama? Sie kam zu mir und weinte. Ich erzählte ihr was ich wusste. Wir weinten beide. Die Zeit verging ein wenig und auch seine Eltern kamen. Wir sprachen über einige Kleinigkeiten. Ich erzählte ihnen das er nicht alleine war. Sein Körper veränderte sich in der Zwischenzeit rapide. Er wurde immer blasser. Dann kam die Schwester zum waschen. Ich ging mit seinem Vater raus. Meine Mutter und Schwiegermutter blieben dabei. Ich war sonst immer dabei und habe geholfen, aber jetzt wollte ich das nicht mitmachen. Nein, ich hatte mich ja erschrocken, als ich mich aufs Bett setzte und Geräusche von ihm kamen, als ich mit ihm alleine war. Ich musste ab und zu aus dem Zimmer gehen, da ich weinen musste. Ich wusste nicht was ich noch alles erledigen müsse. Sagte die Schwester ja auch, dass das Zimmer bald frei sein müsse bis spätestens Montag. Solle er da bleiben oder eher doch in das Aufbahrungszimmer... Nein, ich wollte das er in dem Zimmer bleibt. Auch versuchte sie die Pfarrerin zu erreichen, da sie die Aussegnung machen solle am Sonntag. Die Schwester fragte mich dann, ob sie auch mit dabei sein dürfe. Ja, klar.
Diesmal ging ich an diesem Tage das erste mal die linke Treppe herunter und alle anderen auch.

Nun stand mir noch bevor, zu meinen Kindern zu gehen. Wie ich jedoch von meiner Mutter erfahren hatte, wussten sie schon bescheid. Meine Schwester und mein Vater hatten den Kindern gesagt das Jürgen gestorben ist. Sie hatten eh mitbekommen, das etwas nicht stimmte. Sie vielen mir in die Arme.. weinten. Fabian versuchte sich das weinen zu verdrücken. Er lenkte sich ab, indem er mit seinem Cousin spielen ging.
Die Stimmung war getrübt und Geburtstagsfeierstimmung kam nicht wirklich auf. Immer wieder weinte ich. Fabian sagte dann das es ja besser wäre wenn er nicht wäre und dafür Jürgen wieder da ist. Ich sagte nein. Du bist auch wichtig. Nein, Mama, du hast ja zwei Kinder und da wäre es nicht schlimm wenn dafür Jürgen dann da ist. Ich machte ihm klar, das ich auf ihn auch nicht verzichten möchte. Er stellte noch soviel für uns Erwachsene komische Fragen. Jonny war eher der leise zurückgezogene Typ. Die ganze Nacht konnte ich nicht schlafen. Wälzte mich von der einen zur anderen Seite. Hatte die Bilder vor Augen. Den Tag davor. Wie froh war ich doch, das ich den ganzen Freitag mit ihm zusammen war. Er lachte und sprach, was konnte diesen Tag mehr bereichern, als das. Gut das ich mir die Zeit genommen hatte. Und dennoch will ich es immer noch nicht wahr haben.

Um 14:30 war dann die Aussegnung. Die Kinder weinten und ich nahm beide in den Arm und tröstete sie. Anschließend hatten wir uns noch in den Aufenthaltsraum gesetzt und Kuchen gegesssen von den Ehrenamtlichen. Sie hatten extra einen kleinen Tisch für uns gedeckt bzw. die Kinder halfen den Damen, um die Zeit zu überbrücken. Wir saßen da noch ein bisschen mit der Pfarrerin. Dann wurde über Sachen wie wann und welches Beerdigungsinstitut usw. gesprochen. Ich hatte mich damit bereits gestern befasst und mit meiner Mutter da schon so einiges besprochen, was wir ihnen nun vorgeschlagen hatten. Sie waren mit allem einverstanden. Ich lief ein letztes mal ins Zimmer, sagte Tschüß zu ihm. Ich liebe dich.
Es war doch besser ihn gleich heute noch abholen zu lassen, aufgrund verschiedener Gegebenheiten. All das veranlasste ich dann auch zu Hause.

Als ich dann vorhin mit den Kindern nach Hause kam, erledigte ich noch zwei Telefonate. Die Stimmung zu Hause war geladen und wir zofften uns alle und weinten dann wieder. Letztendlich saßen wir weinend mit Taschentüchern auf dem Sofa. Ich versuchte die Kinder noch mit Hui Buh abzulenken und schickte sie dann ins Bett. Ich hoffe das wir das alles schaffen.

Nun muss ich morgen erst zum Beerdigungsinstitut und dann noch ins Hospiz seine Sachen abholen. Ja, das wird noch ein schwerer Gang.

Ich habe den Kinders gesagt, das es noch eine Weile so gehen wird, das es schmerzt und wir weinen. Aber er wird in uns weiterleben. In unseren Gedanken in unserem Tun. Wie oft werden wir in manchen Situationen seine Stimme hören und dann so handeln wie er sagte. Fabian sagte immer wieder jetzt haben wir keinen Vater mehr und dann haben meine Kinder später keinen Opa und fing wieder jämmerlich an zu weinen. Ich sagte ihm, das er seinen Kindern doch später von ihm erzählen kann. All das was sie von ihm gelernt haben was er gemacht hat usw.

Ich danke allen, die mir Kraftpakete geschickt haben. Danke fürs zuhören. Danke das ihr da seid.

Kerstin

____________________
Wir haben das auch in das Buch geschrieben und Fabian hat dazu ein Bild gemalt von zwei Menschen mit zwei Herzen in einem Boot, mit Wasser, sternen und Sonne



Rudern zwei in einem Boot...“
Rudern zwei ein Boot, der eine kundig der sterne,
der andre
kundig der stürme,
wird der eine
führn durch die sterne,
wird der andre
führn durch die stürme,
und am ende ganz am ende
wird das meer in der erinnerung
blau sein
Reiner Kunze.

____________________________________________

In ewiger Liebe mein lieber Bärli *28.12.63 +14.03.09
Diagnose Glioblastoma multiforme Grad IV Mai 08
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  #35  
Alt 16.03.2009, 07:14
hennymama hennymama ist offline
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Standard AW: Gedanken.. Gefühle.. Fragen..

Liebe Kerstin,

ich möchte dir und deiner Familie mein aufrichtiges und tiefempfundenes Beileid aussprechen, ich bin in Gedanken bei dir.

Theda
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  #36  
Alt 16.03.2009, 13:02
Benutzerbild von Morgana
Morgana Morgana ist offline
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Liebe Kerstin,

beim Lesen Deiner Zeilen kamen mir die Tränen .
Ich drücke Dich ganz lieb und halte Dich umarmt, damit Deine Tränen fliessen können.
Du hast es so schön beschrieben, wie eure letzten gemeinsamen Tage und Stunden verlaufen sind. Ich freue mich für Dich, dass ihr beide, Du und Jürgen noch mit einander reden und sogar Witze machen konntet, und seine Lebensgeister noch mal "aufflackerten". An den Klang seiner tiefen Stimme, an die Vertrautheit, die liebevollen Gesten wirst Du dich immer erinnern können.

Dieser Moment, diese Endgültigkeit des Todes ist kaum zu erfassen. Ich kenne diese "Zweifel"..."Ist er wirklich tot?", "Wacht er nicht gleich wieder auf -atmet er gar nicht mehr????" Ich finde es bewundernswert, wie Du das, als es nun ernst wurde, ausgehalten hast...in der Situation wachsen Kräfte, die man vorher nicht glaubte zu haben! Du hast Deinem Jürgen wirklich alle Liebe gegeben - bis zuletzt. Ich denke, so konnte er in Frieden gehen. Dass er sorgenvoll, bedenklich, ängstlich aussah ist angesichts des unvorstellbaren Moments zu wissen, dass das Leben endet verständlich. Stimmt, keiner kann sich da hineinversetzten, was Sterbende spüren...das scheint nur für einen selbst...zu seiner Zeit...erkennbar und das ist gut so.

Du hast ihm noch sagen können, was Dir wichtig war, was ihm gut tuen konnte - so ward ihr in Verbindung bis zuletzt - und die Liebe, ist wie ein Ring, der kein Ende hat!
Für dich und Deine Familie ist das jetzt ein Schockzustand...alles erscheint unwirklich...unglaublich. Das ist ganz normal!

Für die schwere Zeit, die nun kommen wird, wünsche ich Dir und allen, die um Jürgen trauern, vor allem die Kinder, die ihn so gerne gesund wiedergehabt hätten, was ja dann immer mehr ausgeschlossen war, ganz viel Kraft und in allem Entsetzen auch schöne Momente der ersten Erinnerungen...

Liebe Kerstin,
ich halte weiter virtuell Deine Hand und bin für Dich da!



LG
Morgana
__________________
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