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  #331  
Alt 19.10.2009, 13:51
Mariesol Mariesol ist offline
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Standard AW: Meine Mama hat ein kleinzelliges Bronchialkarzinom.:-(((

Liebe Jasmin,

gut, dass sich "drüben" diese schwedischen Möbelhäuser doch noch durchgesetzt haben!
Ich freue mich zu lesen, dass Julchen so richtig angekommen ist.
Es hört sich gut an was an Aktivitäten geboten wird.
Dass Du nicht mehr zum Schwager möchtest, kann ich mehr als verstehen.
Ich hatte mir letztes Jahr , nach dem meine Freundin in der Thoraxklinik verstarb,vorgenommen, dass ich so schnell da nicht mehr hin gehe!
Es kam anders und ich kenne nun wirklich jedes Fleckchen in dieser Klinik.
Nun musste ich sogar die Intensiv Station ansehen.
Wir haben einen Antrag auf Anschlußfolgebehandlung...oder wie das heißt gestellt. Es soll in den Schwarzwald gehen. Drück mal die Daumen, dass sie es dem Papa vergönnen! Letztendlich wäre es auch für mich schön...einfach ein paar erholsame Tage ohne Herumrennerei.
Liebe Jasmin...ja...es ist schön, dass sich hier Menschen gefunden haben, die sich gegenseitig unterstützen. Es sind richtige Freundschaften gewachsen. Das ist etwas sehr schönes und wertvolles...dies werden die Hand voll Stänkerer die es hier gibt nie erfahren und nie fühlen können. Schade!
Fühle Dich ganz lieb gedrückt und "gebusselt" von Mariesol
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  #332  
Alt 19.10.2009, 15:47
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Bianca-Alexandra Bianca-Alexandra ist offline
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Standard AW: Meine Mama hat ein kleinzelliges Bronchialkarzinom.:-(((

Liebe Jasmin,

ich hoffe es ist ok für Dich, wenn ich mich hierzu auch kurz melde. Es hat mich sehr an mich erinnert. Ich kann verstehen, wie sehr Dich die neuerliche Konfrontation mit dem Krankenhaus bedrückt haben muss. Mein Onkel kam wenige Monate nach Mamas Tod ins KH. Nichts schlimmes, eine aufwendige Bein OP. Schon der Blick in diese Zimmer, der leise Gang über den Flur... All das hat mir schon zugesetzt.

Dass Du Deinen Schwager fürs erste nicht besuchen magst, das kann ich verstehen und finde vor allem auch richtig, dass Du Dich in diesem Moment schützt. Ich habe mich auch sehr lange von meiner Tante fern gehalten. Ich habe es gescheut, mich dem wieder auszusetzen. Und als ich da war, saß ich in der Zeitmaschine. Ebenso wie Du. Verwirrtheit, große Unruhe, undeutliche Sätze. Sie ist schon am nächsten Morgen gestorben. Und alles passiert wie von selbst. Dann ist man daheim, die Ruhe kehrt ein und der Kopf zieht Kreise.

Ich habe auch ein Schlafmittel daheim, traue mich aber nicht so recht. Für ganz üble Fälle hab ich noch Mamas kleine Tavor. die helfen wenn ich meine durchzudrehen. Und da weiß ich auch, wie schnell sich die Wirkung wieder verliert. Bei Schlafmitteln hab ich da irgendwie Schiss.

Was die Träume anbelangt, von meinem Vater hatte ich bis 2002 noch solche Alpträume, dass ich leider manchmal das Bett eingenässt habe. (Er starb 1194) Unglaublich peinlich mit 25, das kannst Du Dir sicher vorstellen. Sie bezogen sich nie auf reale Situationen sondern verkehrten vieles. Ich habe mir dann einen Traumfänger ins Fenster gehängt. Eigentlich bin ich nicht abergläubisch, aber der Kopf macht ja auch mit. Und so hatte ich seit dem keine Alpträume mehr von meinem Dad. Seit zwei Monaten hängt er nun wieder an seinem alten Platz. Ich träume auch von meiner Ma, aber wenn dann leider immer so, dass ich weinend wach werde. Oft stehe ich dann auf und denke über das nach was ich geträumt habe. Am nächsten Tag weiß ich dennoch nichts mehr vom Inhalt. Nur, dass er schlimm war. Und das, obwohl ich mich tagsunter eigentlich nur mit den Dingen beschäftige, dich angenehm waren. Abgesehen vom körperlichen. Ich meine nur das zwischenmenschliche.

Seit er wieder seinen Platz bezogen hat, erinnere ich mich morgens zumindest nicht, geträumt zu haben. Aber egal, wann ich ins Bett gehe, ich bin morgens immer geschlaucht.

Was Familien angeht, das ist bei mir komisch. Da fühl ich mich im Moment ganz schnell "außen", auch bei meiner eigenen Verwandtschaft. Noch dazu eine fremde Sprache - und vermutlich mit spanischem Temperament, sicherlich wird Dir Verständnis entgegenkommen dass Du erstmal lieber nciht dabei bist.

Aus Deinen Zeilen les ich, dass Du Stolz auf Deine Kleine bist und dennoch Deinen Humor nicht verloren hast. Ich wünsche Dir, dass Du bald zum Luft holen kommst.

Seit Mamas Tod habe ich mich fast gar nciht mehr hingesetzt um einen Film zu sehen. Bin dauernd in Aktion, beginne tausend Projekte. Die Ruhe ist noch nciht meins.
__________________
Liebe Grüße - Bibi
*********************
Dankbarkeit
ist die Erinnerung
des Herzens
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  #333  
Alt 19.10.2009, 16:08
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Hasi1965 Hasi1965 ist offline
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Standard AW: Meine Mama hat ein kleinzelliges Bronchialkarzinom.:-(((

Liebe Jasmin,
auch ich kann Dich gut verstehen, haben wir ja tewas versetzt, aber doch fast gemeinsam unsere Mama´s verloren....
Ich hoffe, Ihr könnt wieder Fuß fassen in Texas und alles wird irgendwann wieder seinen normalen Gang gehen. Auch ich denke oft an Dich und möchte, das Du das weißt.

GLG Ulli
__________________
Meine Mam: * 02.11.1937 - + 02.06.2009
"Wenn Du bei Nacht den Himmel anschaust, wird es Dir sein als lachten alle Sterne. Weil ich auf einem von Ihnen wohne, weil ich auf einem von Ihnen lache..."
(Der kleine Prinz)

Mein Papa: *04.11.1935 - + 11.05.1993
Sorry, das ich Dich allein gelassen habe.

Mein Bruder:*02.06.1962 - September 1962

Ich werde Euch nie vergessen !
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  #334  
Alt 20.10.2009, 03:06
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rosa.sputnik rosa.sputnik ist offline
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Standard AW: Meine Mama hat ein kleinzelliges Bronchialkarzinom.:-(((

Liebe Mariesol...

ich drücke alle Daumen dass Dein Papa in den Schwarzwald kann. Ich war als Kind mit meinen Großeltern oft dort. Freudenstadt, glaube ich.
Ok, als Kind habe ich die Schönheit der Natur dort wahrlich nicht zu schätzen gewusst, aber ich erinnere mich an viel Grün. :-)
Ja, und ein bissel Erholung würde Dir auch gut tun... einfach mal Luft holen können und gleichzeitig zu wissen dass Papa gut versorgt ist... das wünsch ich Euch beiden!

Liebe Ulli...

ja... Fuß fassen,... das hätte was. Momentan befinde ich mich noch im Möbel und Deko-Kaufrausch. Der hat nach der kommenden Mastercard Abrechnung aber ein jähes Ende... *grusel*

Liebe Bibi...

natürlich kannst Du hier schreiben, Du weisst ja dass ich mir das schon viel früher mal gewünscht hätte... aber das hatten wir ja schon. :-)
Lustig dass Du Dich nicht so recht traust das Schlafmittel zu nehmen, die Tavor aber schon.
Frag mich nicht warum, aber vor Tavor habe ich mächtigen Respekt, vielleicht weil Mama damit immer so "abgeschossen" war... ich weiss es nicht.
Das Schlafmittel hier ist ja mehr oder weniger pflanzlich, auf jeden Fall nicht abhängig machend... und wenn doch, verklag ich den Hersteller und werde stinkreich. Wozu bin ich in USA? ;-)

Das Schlimme ist... ich träume ja nicht, zumindest nicht so dass ich mich erinnern könnte.
Diese Erinnerungen gehen nicht aus meinem Kopf... Mami's Verzweiflung dass sie nicht sterben wollte... ihre unglaubliche Angst davor, ihr Weinen sobald sie mich sah...

Dieser besch***ene Palliativdienst der ihr sagte, dass sie sterben würde, wenn sie sich nur feste einreden könne dass sie nicht mehr wolle.
Und Mama wie sie verzweifelt auf ihrem Toilettenstuhl sitzt, die Arme nach oben hebt und weint: Ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen... aber der da oben will mich doch nicht.
Dass sie mir sagte dass ich immer daran denken soll ihr zu essen zu geben... und dass sie ab diesem Tag nichts mehr gegessen hat und ich schier wahnsinnig wurde darüber.
Dass ich mich in der letzten Woche kaum gewagt habe ihr etwas zu trinken zu geben weil sie kaum noch schlucken konnte...

Weil diese ganze verdammte Verantwortung auf mir lag, ihrer Tochter und kein Arzt oder Pflegedienst der Welt mir wirklich geholfen hätte... der Hausarzt war ja im Urlaub bis zwei Tage vor ihrem Tod.

Der Vertretungsarzt der sagte: Spritzen Sie ruhig soviel Morphium wie sie wollen, kaputtmachen können Sie eh nichts.
Oder der Pflegedienst der sagte: Ja, wenn der Hausarzt jetzt im Urlaub ist, wie machen Sie das mit dem Totenschein wenn sie jetzt bald stirbt?
Das... an Mama's Bett stehend....
Ich fragte ihn ob er noch ganz dicht sei...

Der Häkelpulli der sich fast eine Woche vor Mama's Tod an ihr Bett setzte, ihr mitfühlend die Hand streichelte, ihr sagte dass ihr Körper ja so kaputt sei und sie bald gehen müsse.... und ihr dann noch eine "Gute Reise" wünscht.
Mama zog ihre Hand weg... und ich fragte den Häkelpulli wie deutlich sie denn noch werden müsse damit endlich respektiert wird dass Mama nicht darüber reden mag.

Dass Donnerstags endlich festgestellt wurde dass sie einen Harnwegsinfekt hatte... vermutlich von dem Durchfall der sich in jeder Körperöffnung befand... dass sie weinte als ein lieber Freund, Ex-Krankenpfleger, mir half sie zu waschen... weil ich sie im Liegen wegen ihrer künstlichen Hüfte nicht gut drehen konnte, sie zum Stehen aber kaum noch Kraft hatte...

Dass der Pflegedienst aber sagte, das Antibiotikum würde auch Montags reichen und ich es trotzdem an diesem Donnerstag geholt habe... und der zynische Kommentar von Frau M. "Naja, wennse das überhaupt noch reinkriegen"

Ich habe 3/4 der Flasche "reingekriegt"... und trotzdem ist sie am Dienstag darauf offensichtlich an Nierenversagen gestorben.

Sie war nicht dehydriert... aber... sie konnte seit Tagen nichts mehr wirklich trinken... milliliterweise ein paar Tröpfchen aus dem Strohhalm... das war's... über Tage.

Natürlich ist mir auch klar dass sie, wenn nicht daran, an irgendeinem anderen Organversagen gestorben wäre...

Wenn ich nur versuche mir diese Situationen bei mir vorzustellen überkommt mich blanke Panik... mit körperlichen Reaktionen... Herzrasen, Schweissausbrüche...

Ich wünschte mir immernoch den Pflegedienst früher gefeuert zu haben... und ich wünschte mir dass gerade diese Menschen sich auf Mama hätten einstellen können, statt beleidigt zu sein dass Mama eben nicht dankbar war dass sie sterben "darf"... dass sie und ich Dinge in Frage gestellt haben, Medikamente abgelehnt haben...

Der Prof. aus der letzten Klinik hat mir seine Hochachtung ausgesprochen weil er selten einen Angehörigen mit derart hohem Fachverständnis angetroffen habe... und er hat sehr, sehr offen mit mir gesprochen... und das war gut so...

Auf der anderen Seite frage ich mich immernoch warum der Tumor nicht doch bestrahlt wurde um das Vena Cava Superior Syndrom zu mildern.
In USA wird er bestrahlt... bei anderen Patienten wird es auch gemacht.


Mama brauchte den Blasenkatheter weil ich sie nicht mehr drehen konnte zum Schluss... der Pflegedienst unterstellte mir dass ich zu faul sei...
Mama hat geschrieen wenn wir nur ihr Bein anhoben...
Genau... zu faul...

Ich kann gar nicht soviel essen wie ich kotzen könnte.... und ja, in den letzten Tagen habe ich mir gewünscht dass es zuende gehen soll damit sie es wenigstens hinter sich hat.

Nein, es sind keine Alpträume... ich versuche all das was schiefgelaufen ist irgendwie zu verarbeiten... und am liebsten würde ich sie anrufen und ihre Meinung dazu hören... blöd was?

Nein, ich finde es nicht peinlich wenn man mit 25 einnässt... und weisst du warum nicht?
Weil ich, so mein Gatte, mit fast 43 wieder am Daumen lutsche...
Tadaaaa...
Und wenn ich das nicht tue... knirsche ich mit den Zähnen...
Man kann nicht alles beeinflussen was der Körper so treibt um Stress abzubauen.

Und was Du sagst... dass Du Dich bei Familien aussen vor fühlst... ohja... wenn ich es verhindern kann Familien um mich zu haben... tue ich es.
Das tu ich aber schon seitdem sich meine Eltern getrennt haben, damals war ich 13 Jahre alt... aber jetzt ist es schlimmer... weil ich keine Eltern mehr habe und mich gottverlassen fühle...

Weisst Du was schlimm ist? Dass ich auch mit Julia schrecklich ungeduldig bin und gar nicht reden will, auch nicht zuhören... dass es jetzt soweit ist dass mir ALLES zuviel ist... nicht gut... aber ich baue auf die Zeit...

Fühlt Euch alle feste gedrückt... und Danke

Jasmin
__________________
Meine Mama: ED 12.11.2008 Kleinzelliges Bronchialkarzinom, T4 N3 M1 (multiple Hirnfiliae)
4 Zyklen Cisplatin und Etoposit, Ganzhirnbestrahlung, dann Tumorprogression, April 09 neue Lungenmetastasen und obere Einflussstauung. Keine weitere Kontrolle, keine Chemo mehr... nur Hoffen auf ein kleines bisschen mehr Lebensqualität...Am 28.07.2009 um 11:26 Uhr Meine Mama ist in meinen Armen für immer eingeschlafen...
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  #335  
Alt 20.10.2009, 09:49
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annika33 annika33 ist offline
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Standard AW: Meine Mama hat ein kleinzelliges Bronchialkarzinom.:-(((

Hallo Sputnikchen, hallo an alle ,

ich möchte Dir liebe Grüße dalassen ...ja, und dann ganz gerne etwas dazu sagen. Also zu Dir, und zu Bibi.

Ihr habt ja seinerzeit Eure Mamas selber gepflegt, ja, rund um die Uhr die Betreuung und Pflege geboten, die selbst ausgebildetem Pflegepersonal so ziemlich alles abverlangen würde. Hinzu kommt ja nunmal eben die unumstößliche Tatsache, dass da die Mama lag, die man pflegen musste. Der Mensch, den man nie, nie gehen lassen will. Und ich glaube es gibt nicht viel vorstellbar Schlimmeres, als dieses Leiden und all das mit eigenen Augen mitansehen zu müssen. Man funktioniert einfach in dieser Zeit. Dieses Liebhaben, die Verbundenheit, die lässt einen Dinge bewerkstelligen und aushalten, die uns im Vorfeld, wo man versucht sich Situationen vorzustellen, unmöglich waren auch nur im Ansatz nachzuvollziehen. All das gelingt, - man schafft das.

Ja, und dann kommt die Zeit, wo man beginnt ein wenig zu realisieren, auch gefühlsmäßig, auch hier eben immer einen Schritt nachhängend, was man da eigentlich mit ausgehalten hat.

Aber jetzt zu hadern, und sich Vorwürfe zu machen....es ist alles unabänderlich. Und ich hadere manchmal auch, aber ich glaube man muss sich dann auch wieder selber ausbremsen, um einigermaßen vernünftig weiterleben zu können.

Gestern war ich bei Mamas Mann. Ich hoffe so sehr auf etwas Handgeschriebenes an mich. Keine "schriftliche Freisprechung" - einfach nur ein paar Zeilen, die mir Trost geben, in genau solchen Momenten wo ich beginne zu hadern. Aber selbst wenn ich diese Zeilen nicht finde, ja, im Prinzip weiß ich was Mama mir sagen würde.

Und Jasmin, schau...das mit dem Palliativdienst, dass diese Frau sich angemaßt hat etwas zu sagen, was wenn überhaupt Dir zugestanden hätte, weil Du ja wußtest wie offen und zugänglich, oder eben auch nicht, Deine Mama war - ich verstehe, dass Dir das irgendwo zu schaffen macht, aber willst Du damit Rest Deines Lebens derart hadern, dass Dich das innerlich kaputtmacht?! Sicher....auf Dinge die man träumt, die einen unterbewusst beschäftigen, da hat man kaum Einfluss, aber das was man beeinflussen kann, das sollte dann auch selbstgerecht begutachtet werden.

Ich finde Du bist Dir gegenüber ungerecht. Angenommen, nur einmal angenommen, Dein Kind würde die ganzen pflegerisch-liebevoll ausgeführten Maßnahmen eines Tages für Dich ergreifen, allein dieser Gedanke, den möchtest Du jetzt gar nicht weiterdenken. Nie, nie - das würdest Du denken. Ich bin ja auch Mama, geht mir ganz genauso. Aber wenn, angenommen es wäre so - würdest Du wollen, dass Dein Kind, nachdem es aus seiner Position heraus alles für Dich in seiner Macht stehende getan hat, derart mich sich hadert?

Zitat:
Dass sie mir sagte dass ich immer daran denken soll ihr zu essen zu geben... und dass sie ab diesem Tag nichts mehr gegessen hat und ich schier wahnsinnig wurde darüber.
Was wäre gewesen, wenn sie gegessen hätte? Würde es Dir heute damit besser gehen? Sei mal ehrlich. Ich verstehe was Du meinst. Meine Mutter wollte nicht ins KH. Mit Händen u. Füßen hat sie sich gewehrt. Sie wollte nicht. Ich habe mit Engelszungen auf sie eingeredet. Ich habe mit ihr geschimpft. Ich habe vor ihr geweint, meine Verzweifelung unkontrolliert nach Außen gekehrt. Meinst Du das war richtig? Sie konnte ihre Beine nicht mehr steuern, sie war, durch die Metas im ZNS (aber das wussten wir ja da nicht), nicht mehr in der Lage ihre Blase alleine zu entleeren. Es ging soweit, dass sie zusammenbrach, wieder einmal, als sie im Begriff waren, sich zur Lungenbestrahlung aufzumachen. Der Taxifahrer kam, der informierte die Sanitäter. Meine Mutter wehrte sich, schimpfte mit ihrem Mann wie ein Rohrspatz, stieg nicht bzw. ließ sich nicht im Krankenwagen transportieren - nein, ab mit dem Taxi zur Bestrahlung. Erst dort konnten die Ärzte sie "überreden" dort zu bleiben. Es geht mir auch nicht gut damit, Jasmin. Aber es gibt 2 Möglichkeiten für mich, weiterzuleben. Einmal die, mit der unabänderlichen Tatsache zu leben, dass es so gelaufen ist und damit zu hadern, oder aber, ich frage mich, was Mama mir sagen würde. Ja, und dann erweitere ich diesen Gedanken, indem ich mich frage, was ich meinen Kindern sagen würde. Was würde ich ihnen sagen? Was Jasmin, würdest denn Du Deinem Kind sagen?

Jeder von uns ist in gewisser Weise traumatisiert. Viele schreiben mir, ich sei stark. Bin ich in keinster Weise. Ich bin traurig, ich weine oft und möchte am liebsten mit dem Fuß aufstapfen, weil mir mit das Liebste auf der Welt auf so ungerechte, unbarmherzige Weise genommen worden ist. Das alleine, das wiegt so schwer, dass mir das tiefe Durchatmen, welches ich seit Diagnosestellung vermisse, auch heute noch nicht möglich ist. Aber ich hoffe, dass es besser wird mit der Zeit. Und ich möchte weiterleben. Und ich weiß, genau DAS hätte meine Mutter mir gesagt, und das hat sie auch irgendwann. Als es ihr noch möglich war. Gibt es denn bei Euch nichts, was Euch auch mal positiv bestärkt. Jasmin, ich weiß doch, dass Deine Mama Dir einmal etwas so Schönes gesagt hat. Eigentlich - so wunderbar, dass Du auch davon einmal zehren musst, um selber aus der Traurigkeit zu kommen.

Oft denke ich auch den ein oder anderen Gedanken. Z. B. warum diese oder jene Maßnahme nicht eher erfolgte. Aber all das...das wirft mich nur zurück. Und ich kann mich nicht so zurückfallen lassen. Ich hab die Verantwortung für meine Kinder. Ich muss nach vorne schauen. Nicht zuletzt um meiner selbst Willen - aber auch für meine Mama. Denn nichts anderes hätte sie gewollt.

Ganz liebe Grüße

Annika
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  #336  
Alt 20.10.2009, 10:41
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Bianca-Alexandra Bianca-Alexandra ist offline
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Standard AW: Meine Mama hat ein kleinzelliges Bronchialkarzinom.:-(((

Liebe Jasmin.

Puh. Das war das erste, was ich dachte als ich Deine Zeilen las. Es ist schmerzlich zu lesen, was Du schreibst. Aber es ist gut. Du lässt raus was Dich ärgert, zeigst wie enttäuscht Du bist. Ich denke auch, das MUSS gesagt werden. Wenn schon nicht persönlich, dann doch bitte wenigstens hier.

Annika schreibt, dass es falsch ist, jetzt zu hardern. Am Anfang fand ich die Worte hart, aber umso mehr ich gelesen habe, umso mehr verstand ich was sie meint.

Wenn Dein Kind Dir zum ersten Mal ein Mittagessen kocht (ich erinnere mich noch seeeehr gut, was ich meinen eltern damals vorsetzte ) und es misslingt an irgendeinem Ende - aus welchem Grund auch immer, dann ist es immer noch alles, was sie leisten konnte und mit sicherheit auch mit allem herzblut um dir etwas gutes zu tun. Nun les ich aber aus dem was Du schreibst keinen einzigen Fehler. KEINEN EINZIGEN.

Und ich weiß, wie Töchter zu Löwinnen mutieren können (Ja, liebe Muttis, das geht auch andersrum) sobald Gefahr im Verzug ist. Unseren Palli Pfleger hätte ich fast erschlagen weil er in meinen Augen zu rauh mit meiner Mutter umging als er uns zeigte, wie wir sie am besten drehen und ihr aufhelfen können.

Er sagte eine ganz einfache Erklärung dazu. Wenn Sie es zaghaft versuchen und immer wieder unterbrechen tun Sie ihr jedesmal aufs Neue weh. Und er hatte recht. Trotzdem lies ich ihn nie wieder so nah an meine Mama. Er musste ihr auch nicht mehr helfen.

Liebe Jasmin, ich sehe einen Unterschied zu Dir und auch zu meiner lieben Annika. Meine Ma wusste durch die Erkrankung und den Tod meines Vaters, wonach sie danach gesucht hat, worüber sie so viel nachgedacht hat, was sie vermisst hat. Das wussten wir beide und deswegen haben wir vorher schon dafür sorgen können, dass es bei uns anders lief.

So fing ich damals ein Büchlein an in das ich schrieb wenn mir danach war. Im Grunde ein Buch als Brief an meine Ma. Wenn ich dann nicht da war gab ich es ihr und wenn sie die Kraft in den Augen hatte, dann las sie darin. Zwei solcher leerer Bücher sollte ich ihr dann noch besorgen, eins für mich, eins für Ihren Mann. Darin stehen persönlcihe Zeilen. Nicht viele. Aber sie stehen drin. Aber ich konnte nichts neues darin entdecken. Alles war gesagt, jedes Gefühl durchlebt.

Ich denke, es würde Dir, liebe Anni genauso gehen.

Und Annika Du fragst, ob es denn nichts schönes gibt, an das wir /ich mich erinner. Oh doch. Und so komisch das klingen mag, wäre das Ergebnis in jedem Fall das gleiche, so würde ich die letzten 1,5 Jahre ihres Lebens um NICHTS in der Welt missen wollen. Mit alle dem, dass zuhause auf uns zukam. Mit jeder schlaflosen Sekunde, jeder Wut die sich manchmal einschlich, jedem traurig schönem intimen Moment. Ich halte mich an einem einzigen Satz fest. "Dich schaue ich an und Du weißt was ich denke."

Es gab so unendlich viel schönes in der Zeit. Und das Schlimme habe ich als Schlimm empfunden, aber eben auch als unabänderlich. Versucht, abzufedern soweit es ging. Aber unabänderlich. Und ebenso wie ihr beide war für mich klar, solange meine Ma die Wahl nicht hat, habe ich sie auch nicht.

Bei mir gibt es auch eines, dass mich immer noch verfolgt. Ich gab ihr zuviel Novalgin in den Katheder. Jeder sagte mir, dass das nichts geändert hat. Wissen tue ich es nicht. Wir gaben alle drei Stunden drei verschiedene Spritzen. Ich hatte extra Scalen drauf gemalt, extra bunte Schilder dran, hab sie meist auch vorbereitet. Trotzdem.

Aber FAkt ist, ich weiß dass meine Ma nicht mehr konnte. Sie hat es so oft gesagt. Sie wollte gehen. Sie wollte hinüber schlafen. und sie war noch in der Lage, das zu formulieren. Deswegen hardere ich nicht. Weil ich weiß, selbst wenn es etwas geändert haben sollte dass ich diesen Fehler gemacht habe, selbst dann...

Deine Bitterness tut mir so leid für Dich.

Du magst recht haben mit Deiner Enttäuschung über viele Personen und Dinge, vor allem vermutlích die, die nicht gesagt und getan wurden.

Aus meiner Sicht heraus aber hast Du alles möglich gemacht, was nur irgendwie ging. MEHR GEHT NICHT. Auch wenn man es noch so sehr möchte. Mehr geht nicht. Du schreibst von der Traurigkeit, von ihren verzweifelten Aussagen. Die gab es bei uns auch. Sehr viele. ABer es gab eben auch Momente, die diesen Satz hervorbrachten, Momente die manchmal nru einen Blick beinhalteten und doch alles wieder aufgewogen haben.

Die hat es bei Dir doch bestimmt auch gegeben. Kannst Du Dich ein bißchen auf die Suche machen? Und eines möchte ich noch dazu sagen. Ich habe immer gesagt, die Diagnose gab uns auch die Chance, in der Zeit so eng zusammen zu stehen, wie es nur irgend ging. Das klingt hart. Aber ich meine das wirklich so. Ein Unfall oder ein Herzinfarkt hätte uns, sowohl unseren Müttern als auch uns, diese intensive Zeit verwehrt.

Und was das essen angeht: Du weißt doch selbst, wenn der Mensch nicht mehr kann, dann verweigert er das Essen. Meine Ma konnte ich zum Schluss auch nur noch mit der Pipette ein bisserl den Mund befeuchten. Und auch das nur, wenn sie es zuließ. Deine Ma hat es nicht merh zugelassen so wie Du schreibst. Es blieb Dir doch nichts anderes als es zu akzeptieren.

Wir haben alles gegeben.
Mehr ging nicht.

Was Du schreibst zu Dir und zum Draht zu Deiner Tochter... ich denke, Du musst sehen, dass Du zum Abschalten kommst. Damit Du Deiner Tochter wieder mit Ruhe und Geduld gegenüber stehen kannst. Vielleicht sorgt sie sich sogar um Dich. Auch wenn sie noch ganz klein ist. Bestimmt ist ihr Gefühl für Dich genauso gut wie das von Dir für Deine Ma.
__________________
Liebe Grüße - Bibi
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Geändert von Bianca-Alexandra (20.10.2009 um 10:45 Uhr)
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  #337  
Alt 20.10.2009, 16:33
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Standard AW: Meine Mama hat ein kleinzelliges Bronchialkarzinom.:-(((

Liebe Diana,

Zitat:
Annika, sag mir einen Weg, ich probier ihn 100%, wie Du es schaffst.
Wir beide, wir alle wissen, dass es diesen EINEN Weg nicht geben wird. Er ist, wie unsere Mamas, wie wir, wie der Krankheitsverlauf, wie das Sterben, eben wie alles im Leben individuell.

Es gibt Parallelen und es gibt Unterschiede. Nie werden wir zu 100% den Weg oder Sichtweise des jeweils anderen einnehmen können. Aber ich denke, man kann einander teilhaben lassen, an der eigenen Art des Umgangs.

Zitat:
Das "dabei sein beim Sterben" der geliebten Mutter, das kann man nie vergessen, verblassen wird es sicher auch kaum. Jasmin und ich wollten gerne dabei sein, um unseren Müttern beizustehen, dennoch haben wir das jetzt als Hypothek.
Das "nicht dabei gewesen sein beim Sterben", das ist meine Hypothek. Und darüber habe ich lange und intensiv nachgedacht. Eine Hypothek - das sind Schulden. Das ist eine Belastung. Etwas, das man mitunter lange lange zu tragen hat, daran kann man ein Leben lang zahlen. Ich kann und werde das nicht tun. Ich muss doch damit leben - weiterleben. Ich kann sagen:"Ich war zur falschen Zeit am falschen Ort!" oder, "Es hat so sein sollen - es war vielleicht Schicksal!". Ich entscheide mich für:"Es war so und ich versuche es so wie es war anzunehmen!"

Das was auf unseren Schultern lastet, das sind Traumata. Das sind Situationen, Eindrücke die uns das Leben schwer machen. Ich nehme mich hier doch gar nicht aus. Ich sage nicht:"So etwas versucht nicht mich zu verfolgen!", aber ich denke, dass man einen gewissen Einfluss auf sich selber hat. Und eine gesunde Selbstkritik, die finde ich immer gut und angebracht, aber wenn es darin ausufert, dass man mit sich selber nicht mehr ausgewogen ins Gericht geht, dann erlaube ich mir, mich zu Wort zu melden.

Was habt Ihr Euch denn vorzuwerfen ? Was habt Ihr denn falsch gemacht? Ich zum Beispiel, ich könnte kotzen, wenn ich dran denke, dass meine Mama überhaupt eine derart schlimme Krankheit bekommen hat. Wie oft lag ich am Anfang nach der Diagnose im Bett und habe mich immer wieder gefragt:"Warum, warum, warum?" Und? Mir antwortet auf diese Frage niemand. Keiner! Aber ich habe gemerkt, dass dieses Warum nichts besser hat werden lassen - ganz im Gegenteil. Ich frage daher nicht mehr nach dem Warum. Im Umkehrschluss ramme ich mir ja auch nicht ständig erneut einen Zahnstocher ins Auge. Die Seele ist genauso schonenswert wie der Körper.

Es tat weh meine Mutter so sehen zu müssen - auf der anderen Seite hatten wir eine Nähe und Verbundenheit, die in dieser Intensität vorher nie da war. Ganz einfach, weil sich ab einem gewissen Punkt die Positionen verkehrt haben. Sie war hilflos wie ein kleines Kind - ich fühlte mich "größer". Das war sehr schwer - tat aber auch gut. Ich versuche nicht immer nur das Schlechte aus den Situationen zu ziehen. Ich versuche auch das Gute abzugewinnen.

Und schau...bei mir sind eben diese 3 Kinder. Mag sein, dass ich selber auch kein Glück mehr zu empfinden wüsste, das kann ich eben nicht sagen, weil ich ja die 3 habe. Ich muss "weiterleben", ich muss "lachen", ich muss Anteil am Leben nehmen - und ich merke, es geht weiter und es tut mir gut. Und manchmal, dann komme ich mir vor, als wenn es nicht gerecht wäre, dass ich all das noch genießen darf, und meine Mama nicht. Und in solchen Momenten Diana, da hätte meine Mutter, wenn sie könnte, mir derart den Marsch geblasen - mein lieber Scholli.

Meine Mutter ist mit 56 Jahren gestorben. Nie werde ich vergessen, als wir auf dem Vortrag des pallitativen Netzwerkes unserer Stadt waren. Wir saßen dort im Publikum, und oben auf dem Podest Ärzte, Schwestern. Darunter sogar die Schwester, die Mama am Tag des Versterbens im Arm hielt. Jedenfalls hörten wir den Vortrag an, und es wurde dann ein Mikro ins Publikum gehalten. Meine Mutter stand, für mich absolut überraschend und nicht vorhersehbar auf, und meldete sich zu Wort. Sie begann mit:"Hallo, ich bin betroffen, leide an LK und weiß, dass ich in absehbarer Zeit sterben muss. Ich habe 3 Enkelkinder und Angst, diese nicht mehr großwerden zu sehen. Neben mir hier, das ist meine Tochter (die Farbe meines Kopfes muss ich an dieser Stelle sicher nicht explizit erwähnen, oder?!), die mich so sehr unterstützt, und immer für mich da ist!......."

Weißt Du Diana, das z. B., wenn ich heute daran zurückdenke, dann kann ich das von 2 Seiten sehen. Ich kann weinen und traurig sein, weil ich so etwas nie wieder hören und erleben werde. Oder ich versuche etwas Gutes für mich zu gewinnen. Vielleicht bin ich ja auch in hohem Maße egoistisch, aber ich versuche mir immer wieder vor Augen zu halten, was Mama mir sagen würde. Hier und jetzt.

Und der Körper, der sucht sich oftmals ein Ventil. Ich kränkel infektmäßig wieder viel rum, hab mit der Haut Probleme. Spurlos geht das wohl an keinem von uns vorbei. Ich würde auch niemals hergehen und sagen:"Mensch, da träumt Ihr Euch aber was zusammen...tztztztz !" Das sind ja Dinge, die unser Unterbewusstsein aus bestimmten Gründen abspult, nötigenfalls im Traum. Es ist ja auch eine Form von Bewältigung. Aber wenn man dann noch hergeht, und sich ständig für sein Handeln und Tun kritisiert....Mensch, was in der eigenen Macht stand, das hat man doch getan.

Wir sind hergegangen und haben von Beginn an mitgelitten. Ängste ausgestanden, mitgebangt, mitgefiebert, jeden Erfolg gefeiert, wir haben hier im KK geschrieben um Infos und Austausch zu bekommen, wir sind (meine hat mich nie gelassen ) zu Ärzten mitgegangen, ja, und als der Weg dann ganz beschwerlich wurde, haben wir die Mamas auch auf diesem begeleitet. Aber all das doch aus bedingungslosem Liebhaben. Und allem voran aus gegenseitigem Liebhaben. Und nun soll so viel davon falsch und verkehrt gewesen sein? Nein - das kann ich eben nicht annehmen und möchte das auch nicht. Und ich finde, sowohl Jasmin, als auch Du, ihr geht zu hart, nicht objektiv mit Euch ins Gericht. Wiegesagt...damit sind nicht die Bilder gemeint, die immer wieder mal vor dem geistigen Auge erscheinen. Damit meine ich die Selbstvorwürfe in Form von "hätte, hätte, hätte".

Zitat:
Sie hing dennoch am Leben, ich glaube nicht, dass sie sterben wollte, denn in der Palliativ-Station lief sie durch die Gänge und reif : Ich will leben, bitte lass mich leben.
Dies nur als Beispiel - das Bild hast Du vor Augen, und ich kann wirklich absolut nachvollziehen, wie weh das tut. Meine Mutter hat das klipp und klar formuliert, ein paar Tage ehe sie dann ins KH kam. "Ich geh da nicht rein - wenn ich dahin gehe, dann komm ich da nicht mehr raus!" Diana, das ist eine Bürde, die jeder von uns irgendwie zu tragen hat - die Bilder, die Erlebnisse, die Situationen, die hat jeder von uns. Und sicher verfolgt einen das manchmal, aber sich selber, sein eigenes Handeln ständig in ein schlechteres Licht zu rücken, das finde ich einfach nicht richtig.

Sowohl Du, als auch Jasmin, als auch Bibi - Ihr habt Euch nix vorzuwerfen. Und oftmals, wenn einen was quält, dann ist es das Gewissen. Und das will einfach keine Mama auf der Welt, dass ein Kind ihretwegen sein Leben lang ein schlechtes Gewissen quält.

Mit ganz liebem Gruß

Annika
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  #338  
Alt 21.10.2009, 09:26
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Bianca-Alexandra Bianca-Alexandra ist offline
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Standard AW: Meine Mama hat ein kleinzelliges Bronchialkarzinom.:-(((

Zitat:
Zitat von annika33 Beitrag anzeigen
Wir sind hergegangen und haben von Beginn an mitgelitten. Ängste ausgestanden, mitgebangt, mitgefiebert, jeden Erfolg gefeiert, wir haben hier im KK geschrieben um Infos und Austausch zu bekommen, wir sind (meine hat mich nie gelassen ) zu Ärzten mitgegangen, ja, und als der Weg dann ganz beschwerlich wurde, haben wir die Mamas auch auf diesem begeleitet. Aber all das doch aus bedingungslosem Liebhaben. Und allem voran aus gegenseitigem Liebhaben. Und nun soll so viel davon falsch und verkehrt gewesen sein? Nein - das kann ich eben nicht annehmen und möchte das auch nicht.

Liebe Anni,

Du hast wunderschöne Worte gewählt. Wahnsinn. Und so punktgenau.
Danke.
__________________
Liebe Grüße - Bibi
*********************
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  #339  
Alt 21.10.2009, 09:53
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Standard AW: Meine Mama hat ein kleinzelliges Bronchialkarzinom.:-(((

Liebe Annika,
ganz vielen Dank für Deinen letzten Beitrag. Dem habe ich nichts hinzuzufügen !


Ulli
__________________
Meine Mam: * 02.11.1937 - + 02.06.2009
"Wenn Du bei Nacht den Himmel anschaust, wird es Dir sein als lachten alle Sterne. Weil ich auf einem von Ihnen wohne, weil ich auf einem von Ihnen lache..."
(Der kleine Prinz)

Mein Papa: *04.11.1935 - + 11.05.1993
Sorry, das ich Dich allein gelassen habe.

Mein Bruder:*02.06.1962 - September 1962

Ich werde Euch nie vergessen !
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  #340  
Alt 21.10.2009, 09:58
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Summer 175 Summer 175 ist offline
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Standard AW: Meine Mama hat ein kleinzelliges Bronchialkarzinom.:-(((

Hallo, ihr Lieben ....
Ich lese heut mal wieder ein bisschen im Forum - ich muss mich zwar jedesmal sehr überwinden, weil so vieles noch immer (nach fast 9 Monaten) wieder hochkommt, aber ich möchte doch auch wissen, wie's denen geht, die mir im Laufe der Zeit auch ans Herz gewachsen sind, mit denen man gehofft und oft auch geweint hat ...

Das Hadern, das Fragen, was man wie hätte besser machen, was man hätte verhindern und was man hätte vorantreiben müssen - das kenne ich auch ... Und je mehr Zeit seit dem Tod meiner Mama vergangen ist, je mehr ich inzwischen wieder den Kopf frei kriege (bei meinem Mann wurde ja am dem Tag eine schwere Depression akut, als meine Mama starb), desto mehr Gedanken kommen. Vielleicht liegt es jetzt auch an der Jahreszeit - oder einfach nur daran, dass es jeden irgendwann einholt, den einen sofort, den anderen mit Verzögerung.

Und dass man diese innere Zerrissenheit, die immer noch vorhandene Wut auf irgendetwas oder irgendjemanden dann vielleicht an falscher Stelle herauslässt - das ist schlimm für denjenigen, den's trifft, aber auch für unsereinen, weil zu all dem anderen dann noch das schlechte Gewissen kommt.

Ich weiß nicht, wie das jetzt rüberkommt - ich kann es schlecht ausdrücken, hoffentlich tue ich niemandem damit weh ...

Ich wünsche euch allen (und auch mir ...) so sehr, dass ihr irgendwann wieder "klar kommt" - dass die Gedanken an unsere Mütter, Väter, Partner wieder frei von allem Bitteren sein können - dass nur noch das Platz in unserer Seele hat, an das wir uns gern erinnern ...

Ich umarme euch,
Karin
__________________
"Das Leben ist keine Autobahn von der Wiege bis zum Grab, sondern ein Platz zum Parken in der Sonne."
(Phil Bosmans)
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  #341  
Alt 21.10.2009, 17:22
Mariesol Mariesol ist offline
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Standard AW: Meine Mama hat ein kleinzelliges Bronchialkarzinom.:-(((

Ihr Lieben!

Eure Zeilen machen mich sehr nachdenklich.
Gibt es denn richtig, gibt es falsch? Gibt es DEN richtigen Weg??
Nein...die Leben sind so unterschiedlich...die Wege sind so unterschiedlich und auch die Empfindungen.
Alles getan zu haben...alles gut gemacht zu haben, kann so viele Facetten haben.
Ich hoffe bei meinem Papa alles gut zu machen...alles richtig zu machen.Die einen bewerten es als zu sehr betütteln, die anderen als "was will sie denn"..noch andere meinen ich müsse noch mehr leisten.
Ich mache es so, wie ich es für mich stehen lassen kann. ..tue so viel wie ICH leisten kann...ungeachtet der Meinung anderer.
Ihr seid alle ganz unterschiedliche, sehr liebenswürdige Menschen. Ihr habt Eure Mütter auf ganz individuellen Weise begleitet, so wie es für den jeweiligen Typ Mutter gepasst hat....und nun trauert ihr auch auf unterschiedliche Weise. Das große Geheimsis ist das Zulassen und das Annehmen...aber es ist schwer sehr schwer.
Ich habe keine sehr gute Beziehung mit meiner Mutter...aber ich habe diese warme und besondere Verbindung mit meinem Papa. Ich habe ihn viele Jahre nicht "haben" können, weil die Lebensumstände eben so waren wie sie waren...Die letzten, gemeinsamen Jahre sind wie eine Bestätigung einer nie vergangenen warmen wunderbaren Beziehung. Im Mai wurde uns bewusst, dass wir nur noch eine begrenzte Zeit haben. Eigentlich wussten wir dies ja schon immer, aber wenn man nicht krank ist, neigt man dazu zu glauben man sei unsteblich.Mit dieser Krankheit und mit dem Wissen, das der geliebte Mensch an dieser Krankheit sterben wird, lebt es sich sehr bewusst.Das ist eine große Chance. Ich verschiebe nicht mehr Dinge auf Morgen. Ich sage heute was zu sagen ist und ich nenne das Kind beim Namen. Dinge geklärt zu wissen macht mir ein gutes Gefühl. Nun habe ich das große Glück, mit meinem Vater auch über das Sterben sprechen zu können. (Falls so was als Glück bezeichnen kann, aber ihr wisst was ich damit sagen möchte) Er sagt mir genau was er will und was nicht und wie er sich die Dinge vorstellt, welche ich mal organisieren soll. Ich kann heute nicht ermessen wie sehr mich einmal der Verlust meines Vaters treffen wird...ich möchte hier und heute gar nicht Mutmaßen...was ich nur unbedingt sagen wollte ist, dass ihr alle wunderbare Frauen seid. Frauen, welche so handeln, wie es ihr Herz zeigt...und somit ist es auch richtig! Mein Vater sagt immer ich sei so stark...um mich hätte er sich nie Sorgen gemacht...dabei...bin ich manchmal so schwach und so klein und so traurig...seufz.Außerdem....ist schon immer mein Leitspruch gewesen...ES GIBT KEINEN ZUFALL.....Dinge kommen oder passieren so wie es sein soll.Es ist einfach so. Nun sende ich Grüße nach Texas und einmal quer durch good old Germany Eure Mariesol
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  #342  
Alt 21.10.2009, 19:04
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Miri21051982 Miri21051982 ist offline
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Standard AW: Meine Mama hat ein kleinzelliges Bronchialkarzinom.:-(((

Hallo ihr Lieben,

ich verfolge dieses Spektakel jetzt hier schon ein paar Tage und mit dir liebe Jasmin habe ich ja gestern schon über das Thema gesprochen......
Eigentlich wollte ich mich gar nicht zu Wort melden. Aber Mariesol´s Eintrag hat mich bewegt, es doch zu tun.

Die liebe Mariesol hat in meinen Augen die richtigen Worte gefunden. Und ich denke, so solltet ihr alle die ganze Situation sehen.


Ihr alle seit Töchter, mit Sicherheit wunderbare Töchter und ihr alle trauert um eure Mütter und habt sie bis zum Schluss begleitet. Aber jede Mutter-Tochter-Beziehung, jedes Ende, jeder von euch ist individuell und deshalb denke ich, wie jeder von euch fühlt und die Zeit des Kampfes gegen den Krebs empfunden hat, lässt sich nicht auf einen Nenner bringen....

Wer hat was richtig gemacht, wer nicht, was hätte, wenn und aber...
Ihr habt es alle einem euch möglichen Ermessen wunderbar gemacht und eure Mütter sind ganz sicher stolz auf euch. Egal ob ihr nun 24 Std Pflege betrieben habt oder durch einen Palliativdienst untersützt....

Das wollte ich nur mal gesagt haben....

Liebe Grüße und fühlt euch alle gedrückt...

Miri
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  #343  
Alt 21.10.2009, 22:59
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Bianca-Alexandra Bianca-Alexandra ist offline
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Standard AW: Meine Mama hat ein kleinzelliges Bronchialkarzinom.:-(((

Hallo ihr Lieben,

also ich für meinen Teil habe hier keinen einzigen Beitrag als Kritik, als Vergleich oder als Bewertung gesehen.

Ich habe in jedem Beitrag das gleiche heraus gelesen - wenn auch immer auf ganz unterschiedliche Weise. Jeder, der sich hier geäußert hat möchte Dir, liebe Jasmin nur sagen, dass DU ALLES getan hast, was in Deiner Macht stand.

Und ich glaube fast, dass sich mir viele anschließen werden wenn ich behaupte, dass der Inhalt all dieserTexte der Versuch war, Dir auf ganz unterschiedliche WEise sagen zu wollen, dass Du mit Sicherheit jede Entscheidung mit dem Herzen gefällt hast. Annika fand dafür so wunderschöne Worte die mir jetzt fehlen. Wie kann es dann falsch gewesen sein?

Selbst der Mann meiner Mutter (Moshaban) - der die geduldigste, verständigste Person ist, die ich jemals kennen gelernt habe, hat ein Mal die Geduld verloren. Ich habe im übrigen nebenan geschlafen als meine Ma gegangen ist. Das war für mich zu Beginn schwer zu akzeptieren. Ich habe den Fehler mit der Novalgin Spritze gemacht - und das, kurz bevor sie starb. Ich habe manches Mal ein Nein nicht akzeptieren können, ich habe oftmals gedacht, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben und zu wissen, was meine Ma denkt, fühlt, durchleidet. ( Christel) und es gab HIER Gott sei Dank Menschen, die mich dann wieder geerdet haben, mir gesagt haben dass wir nur BEGLEITEN können.

Ich will gar nicht wissen, wann meine Mutter mich manchmal nur gewähren ließ weil sie eben wusste, was wir hier alle wissen. Wir haben nach dem Herzen gehandelt. Das beste gegeben, mehr als manch andere vielleicht tun würden oder könnten. Die Quittung, die bleibt nicht aus. Aber all das Erlebte, das ist kostbar. Ich wiederhole eigentlich nur, was schon so oft geschrieben wurde.

Liebe Jasmin, wie Annika schon schrieb. Du hast mit dem Herzen gehandelt. Alles so gut Du wusstest, so gut Du konntest und sicher sogar manches Mal weit mehr, als es Dir selbst gut getan hätte.

...und ich habe Dir ganz bewusst die Dinge aufgezählt, in denen ich meine Fehler gesehen habe. Aber das ist nicht (mehr) das, was meine Erinnerung dominiert. In den Momenten war es ganz normales, menschliches Versagen, es waren durchgemachte Nächte, es war der Instinkt, es war schlichtes Überfordertsein dass selbst erfahrenen Pflegekräften gegenübertritt. Es waren manchmal Reflexe. Immer wieder haben wir uns dem aber gestellt. Wohl wissend, nicht unfehlbar zu sein, aber dennoch alles zu geben.

Mir fällt es ganz sicher nicht leicht. Weder am Anfang, noch heute. Aber ich bin wohl jemand, der damit - soweit man das sagen kann - umgehen kann. Der neuerliche Sterbefall in der Familie ihres Mannes, der hat noch einmal viel aufgewühlt. Da war ich nicht präsent. Nur am vorletzten Tag. Und ich hätte es auch nicht gekonnt. Ich bin leer. Ausgepowert. Gefühlsmäßig ausgezehrt. Und ich glaube, da geht es vielen gleich.

Egal was war, wir haben doch alle das Beste geleistet, dass wir konnten. Und wir hätten sicher nicht so dicht an unseren lieben sein können und dürfen, wenn das nicht auch auf der anderen Seite angekommen wäre.

Wir haben alle mit dem Herzen gehandelt.
Es tut mir leid dass ich so lange nicht da war. Wirklich. Hardere nicht mit Dir.
__________________
Liebe Grüße - Bibi
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Geändert von Bianca-Alexandra (21.10.2009 um 23:03 Uhr)
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  #344  
Alt 22.10.2009, 02:23
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rosa.sputnik rosa.sputnik ist offline
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Standard AW: Meine Mama hat ein kleinzelliges Bronchialkarzinom.:-(((

Liebe Bibi, Annika, Diana, Miri... liebe Karin, liebe Mariesol

Ich danke Euch sehr... wirklich...
Und auch ich habe in keinem Beitrag Kritik gesehen, im Gegenteil... da wir alle dasselbe Schicksal hatten... der Verlust unserer Mütter, generell die Krankheit eines unserer Elternteile... helfen mir andere Erfahrungen die Dinge aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten.
Und Eure Erfahrungen helfen mir wirklich. Manchmal hat man das Gefühl so völlig alleine zu sein, und kaum jemand versteht was bei uns allen "los" war...

Bibi... mach Dir um Gottes Willen keine Vorwürfe wegen des Novalgins... ich glaube Deine Mama hatte doch auch mit euch besprochen dass sie lieber "hinüberschlafen" würde... richtig?
Aber... das ist mit Sicherheit nicht durch das Novalgin passiert.

Ich weiss noch wie sehr ich mich gewehrt habe Mami 20mg Morphium zu spritzen und alle sagten dass ich es ruhig tun könne.
Ich habe es genau 2x getan... einmal ca. 2 Wochen bevor sie starb und das letzte Mal 5 oder 6 Tage zuvor. Danach nie wieder... 10 mg... damit konnte ich leben, damit hat sie ruhig geatmet... bei 20mg hatte sie übelste Atemaussetzer und ich habe mir geschworen dass ich nicht diejenige sein will die ihr 20mg spritzt und danach stirbt sie.
An dem Morgen als sie starb habe ich ihr um 7 Uhr 10mg gespritzt... als die Atmung gegen 11 Uhr unregelmässig wurde rief ich den Hausarzt an... hielt ihm den Hörer hin, damit er die Atmung hören konnte.
Er sagte: "Sie sollten jetzt bei ihr bleiben, sie stirbt."
Ich weiss dass ich mit fast allem was ich getan habe, versucht habe es ihr so leicht wie möglich zu machen...

Bibi, weisst Du noch... recht kurz nach Mamas Diagnose... ich habe mich so aufgeregt dass sie die Augen davor verschloss was passieren wird... ich wollte so sehr dass sie weiss wie es enden wird... ich dachte es wäre so wichtig.
Als sie dann im April definitiv wusste dass es keine Chance mehr für sie gibt... (Ich hatte das Gespräch mit ihr geführt weil ich nicht wollte dass der Arzt es auf seine recht derbe Weise tut...)... Himmel was hab ich mich besch***en gefühlt...
Das ist auch etwas was ich nie wieder tun würde... auf der anderen Seite kann ich von mir behaupten dass ich meine Mom nie angelogen habe... bis zum Schluss nicht.
Nur,... sie wollte nicht wissen was passiert... ich meinte aber dass sie es wissen müsste... dass sie evtl. Dinge regeln wolle... vielleicht ihren verstrahlten Bruder noch einmal sehen...
Nö... war alles nicht.

Bibi, Du schreibst dass Du gehadert hast... weil Du im Nebenzimmer warst als Deine Mom ging...
Ich denke, jetzt mittlerweile, manchmal dass das vielleicht für den Sterbenden "angenehmer" ist... weil sie vielleicht einfach nicht so ganz verstehen was passiert, weil es eben einfach passiert... als wenn, wie in unserem Fall,... ich neben ihr liege, sie im Arm halte... und hilflos irgendwelches Zeugs vor mich hinstammele... dass ich sie liebhabe, dass ich ihr danke... und dass sie es jetzt bald geschafft hat und nie mehr leiden muss.

Und kurz nach ihrem letzten Atemzug sagte ich zu meinem Mann: "She made it"... sie hat es geschafft.
Ich hoffe entweder dass sie es schon nicht mehr gehört hat oder aber dass sie es hörte und vielleicht dachte: Hmmm? Das war's? Und davor hatte ich so große Angst?

Eure Mütter haben, solange sie konnten, am Leben teilgenommen... das hat meine Mom leider nicht getan. Sie lag im Bett... immer... ausschliesslich.
Alle Ärzte, Pfleger, Physiotherapeuten haben ihr gesagt dass sie sich wenigstens ein bissel bewegen muss.
Nix.
Hat sie nicht.
Ich weiss nicht wie ich es formulieren soll... aber sie hat geweint dass sie leben will, war aber eigentlich schon lange vorher "gestorben".
Sie hatte keine Freude an nichts mehr, sie war ein so unglücklicher und verbitterter Mensch, dass ich glaube dass es da wo sie jetzt ist, mit Sicherheit leichter ist für Sie.
Sie war jahrelang unglücklich... wegen ihrer Stelle die sie hasste, wegen meines Vaters der sie verließ als ich 13 Jahre alt war, wegen der Rente... (sie hatte sich ihren Rentenanspruch damals auszahlen lassen, was jetzt zur Folge hatte dass sie einen Rentenanspruch von nur knapp 300€ gehabt hätte und somit in die Grundsicherung gefallen wäre),... übrigens wäre dies am 10.10.09, an ihrem 65. Geburtstag eingetreten.
Sie hat schon vor drei Jahren panisch irgendwelche Anträge für die Grundsicherung "probeausgefüllt" und dauernd geweint dass sie das nicht will...

Sie war jahrelang stinksauer auf mich dass ich als mein Vater starb, erbte... (da waren sie schon einige Jahre geschieden)

Vor einigen Jahren stand sie in der Küche und brüllte mich mit sich überschlagender Stimme an, dass sie das Erbe meines Vaters verdient habe,... nicht ich.

Ich glaube dass aus all diesen Geschichten, und vielen anderen herrührt dass ich denke Fehler gemacht zu haben, obwohl ich weiss dass ich immer nur das Beste für sie wollte...

Als ich noch vor Diagnosestellung mit ihrem Hausarzt telefonierte und ihn fragte warum er Mama nicht endlich ins KKH einweist,... sagte er: "Ach wissen Sie, eigentlich denke ich, möchte sie nur dass sie aus USA wieder zurückkommen"

Dieser Satz hängt auch fest... obwohl ich es besser weiss...

Manchmal denke ich auch dass es Schicksal war, dass ihr wenigstens das Alter erspart geblieben ist.

Irgendwann fragte sie mich warum andere Leute jahrelang damit leben könnten Krebs zu haben... und sie nicht.
Und ich antwortete ihr dass ich mir nicht einmal vorstellen wolle dass sie jahrelang mit dieser Belastung leben müsse... ich könne es nicht.
Da wäre mir ein Krebs der "kurzen Prozess" macht, vermutlich lieber...
(Ich bin Ärzteparanoid, muss ich dazu sagen und würde durchdrehen wenn ich jahrelang immer wieder irgendwelchen Untersuchungen ausgesetzt würde)
Mama grinste auch in dem Moment (sie kennt mich halt) und sagte dass sie sich das bei mir auch wahrhaftig nicht vorstellen könne.
Ich bin in meinem ganzen Leben noch nicht einmal regulär aus dem KKH entlassen worden. Weder mit 4, als ich meine Mandeloperation hatte (ich hab solange in dem Zimmer rumgebrüllt bis meine Eltern mich vorzeitig aus dem KKH rausholten), noch mit 5, als mir in Ägypten der Blinddarm rausgenommen wurde... noch mit 20 nach dem Herzinfarkt....
Nach dem Kaiserschnitt bin ich am 3. Tag geflüchtet und habe mir am 10. Tag mit einer befreundeten Ärztin zusammen die Fäden auffer Couch gezogen.
Aber ich bin auch anders als Mom.
Nicht dass mir das bei einer solchen Erkrankung helfen würde... nicht dass ich nicht mindestens genauso verzweifelt wäre... oder noch mehr sogar.
Ich weiss es nicht, ich drehe schon bei dem Gedanken durch dass irgendetwas so schnell fortschreitet dass ich es nicht aufhalten kann.
Genauso ging es mir zeitweise mit meiner Herzerkrankung... aber zu 90% der Zeit denke ich mir... "Weisste was? Sch**** drauf... "
Und so lebe ich auch... ich nehme die Tabletten wenn ich meine dass ich sie brauche, und dann auch nur soviel wie nötig... ich messe meinen Blutdruck nicht, ich will es nicht wissen.
Er ist zu hoch... aber wenn ich es schwarz auf weiss vor mir sehe, rege ich mich meist so auf darüber dass er noch höher wird.
Mein Doc hat vor 6 oder 7 Jahren den Versuch gemacht mir ein Langzeitblutdruckmessgerät anzuhängen.
Nach drei Stunden stand ich wutentbrannt mit blauer Hand und einem Blutdruck von über 200 in seiner Praxis und giftete ihn an dass er das Ding sofort abnehmen soll...
Ich bin, bisher... gut damit gefahren... zu ignorieren... und das zu tun, wo ich mich mit wohlfühle.
Immerhin hat mir das, allen Prognosen zum Trotz, jetzt schon fast 23 Jahre geschenkt... wie lange das allerdings gut geht... keine Ahnung.

Abgesehen davon dass ich wünschte ich würde nicht rauchen... ich rauche seit ich 16 bin,... mal mehr, mal weniger... aber selten unter einer Packung am Tag.
Im Moment aber weniger denn je... und trotzdem... ich schaffe es nicht ganz aufzuhören.
DAS fuchst mich... aber offensichtlich noch nicht genug...

Was ich damit sagen will... ich bin froh dass ich meine Mom nicht zu einer erneuten Chemo überredet habe, dass wir gemeinsam beschlossen haben das Staging ausfallen zu lassen weil es eh klar war dass sie für weitere Therapien zu schwach war... und weil auf dem CT während die Stents gesetzt wurden schon neue Lungenmetastasen zu sehen waren.

Ich bin froh dass sie ein klitzekleines bisschen auf mich gehört hat, als ich sagte: Mami, Du bist zwar krank, aber Du darfst immernoch bestimmen was Du machen lassen möchtest und was nicht...

Ich bin absolut ungläubig... (leider, ich glaube dass Gläubige es manchmal doch etwas leichter haben... durch ihren Glauben,... das Gottvertrauen), aber ich denke... selbst wenn das, was danach kommt, nur dunkel ist... wie traumloser Schlaf... dann ist das immernoch besser für sie, als ihr ewiges Unglücklichsein...

Naja... genug philosophiert... ich hab' mich bissel im Kreis gedreht glaub ich... aber ich danke Euch allen von ganzem Herzen für Eure Hilfe.


Jasmin
__________________
Meine Mama: ED 12.11.2008 Kleinzelliges Bronchialkarzinom, T4 N3 M1 (multiple Hirnfiliae)
4 Zyklen Cisplatin und Etoposit, Ganzhirnbestrahlung, dann Tumorprogression, April 09 neue Lungenmetastasen und obere Einflussstauung. Keine weitere Kontrolle, keine Chemo mehr... nur Hoffen auf ein kleines bisschen mehr Lebensqualität...Am 28.07.2009 um 11:26 Uhr Meine Mama ist in meinen Armen für immer eingeschlafen...

Geändert von rosa.sputnik (22.10.2009 um 06:10 Uhr)
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  #345  
Alt 22.10.2009, 09:28
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Liebe Jasmin,

bin leider in Eile und habe mir Deinen Beitrag heute morgen schon zuhause durchgelesen, daher nur die kurze Antwort.

Ich verstehe sehr gut, was Du beschreibst, auch -und vor allem- Deine Art, wie Du mit Deiner Gesundheit vorgehst. Zwei Monate bevor meine Ma die Diagnose erhielt wurde bei mir Gebärmutterhalskrebs festgestellt (hatte meine Ma auch in meinem Alter), ich bin ebenso Bluthochdruckpatient und muss täglich Tabletten nehmen (wenn auch Gott sei Dank ohne Herzinfarkt), Zahnartzschisser.... Es gibt aber einen wesentlichen Unterschied. Wenn ich z. B. durch einen Herzinfarkt pflegebedürftig würde oder aber sogar sterben müsste würde es niemanden geben, der von mir abhängig ist. Ich habe kein Kind dass traurig versuchen würde, mir zu helfen und kein Kind, dass sich allein gelassen fühlen würde wenn es am Grab steht.

ICh weiß sehr genau, wie drastisch meine Worte klingen. Aber liebe Jasmin, wer weiß besser als wir hier, was es bedeutet, die Mama zu verlieren. Wer weiß besser, was es bedeutet, die Mama pflegebedürftig udn unselbständig zu sehen?

Du riskierst wissentlich, dass Deiner kleinen Maus das gleiche passiert.
Natürlcih weiß ich, dass das nicht Dein Ziel ist und keine Mama der Welt das möchte. Aber wenn Du ganz still in Dich hineinhorchst, dann ist es doch im Ergebnis so. Ich kann verstehen, wie verdrossen Du bist. Kann verstehen, dass der Sinn in all dem so schwer zu sehen ist. Aber Du handelst mindestens für zwei, von Deinem Mann und sonstigen Menschen, die Dich lieb haben udn mit Dir leiden würden einmal ganz zu schweigen.

Im übrigen: Mir wurde gesagt, meinen Bluthochdruck würde ich ein Leben lang behalten und in jedem Fall ohne Medikamente einen Herzinfarkt bekommen. Ich habe die Medikamente erst dann dauerhaft genommen, als sich herausstellte, dass Panikmomente die ich manchmal hatte darauf zurück gingen. Ich dachte, es sei psychisch. Im übrigen war ich auch 22. Das Langzeit Messgerät ist deswegen sinnvoll, weil der Blutdruck Dich im normalen Leben nicht gefährdet. Du merkst ihn - wenn Du es selbst merkst - erst dann, wenn ungewöhnlich belastende Situationen auf Dich zukommen, sei es körperlich, psychisch oder das falsche Wetter. Aber DANN ist es zu spät. Sporadisch eingenommene Tabletten helfen dann nciht weiter. Sie lindern den Moment, aber die restlichen STunden ddes Tages ist das Herz der viel zu hohen Belastung ausgesetzt.

Ich weiß, wie gut Du Dich im medizinischen Bereich informiert hast, als es um Deine Ma ging. Und ich vermute, dass Du auch das alles weißt, was ich geschrieben habe. Denk an Deine kleine Maus. Sie braucht Dich. Und wie Du selbst erlebt hast, wird sich das auch mit 41 Jahren nicht ändern.

Übrigens: Ich rauche seit ich 15 bin. Am Wochenende nach der Beerdigung meiner Mama habe ich nach 17 Jahren aufgehört. Seit her brauche ich SEHR ZUR VERWUNDERUNG MEINES HAUSARZTES, dem ich echt vertraue, keine Blutdruckmedikamente mehr. Dauerhaft bleibt das nur bei einem ganz geringen Prozentsatz so. Aber die Chance besteht.

Seit der Einweisung ins KH meiner Tante habe ich wieder große Schwierigkeiten, die böse Zwischen durch Zigarette war es. Ich kriege das wieder in den Griff. Da bin ich sicher.

Geholfen haben mir der Nicorette Inhalor und das Medikament Champix (verschreibungspflichtig). Ich war nicht ein einziges Mal gereizt. Geraucht habe ich zwischen 1 und zwei Packungen am Tag.

Wenn nicht für Dich (wobei ich hoffe, dass auch das sich dreht) dann doch bitte für Deine Maus. Wäre meine Periode damals nicht zufällig ausgeblieben (ich war damals 3 Jahre nicht beim Frauenarzt), ich wäre heute ganz sicher tot. Es war bösartig und schon bis an den Rand gewachsen. Erkannt, raus geschnitten, meine Abstriche sind seither alle vorbildlich. Und ich bin sicher, das war es auch, fast alle, die sich rechtzeitig behandeln lassen haben nie wieder ärger damit.

Ich habe gerade erst ein Kind am Sarg stehen sehen. Auch wenn es bei Dir vielleicht nicht so akut ist. Bitte denk an die Kleine (und sobald Du das wieder kannst bitte auch an Dich)

Ganz liebe Grüße

Ps: Soviel zu "kurz antworten"
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