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  #1  
Alt 07.10.2008, 16:52
schwarzer fisch schwarzer fisch ist offline
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Standard AW: Übers Sterben sprechen

Hallo allen Vorschreibern und stillen Lesern,

die bisherigen Beiträge,besonders von Birgit, haben mich auch sehr bewegt.
Erkenne mich und meine Situation in vielen Gedanken wieder.
Möchte dazu heute auch noch was anmerken, was für mich ein grosses Problem ist. Ich kann auch viel besser geniessen, mich mehr über Kleinigkeiten freuen und bin froh, wenn mir nichts weh tut und keine Hiobsbotschaften kommen - aber ich hab dasoblem,dass die Menschen meines Umfeldes besonders mein Mann, das überhaupt nicht nachvollziehen können.

Mein Mann kennt nur seine Arbeit (selbsttändig und immer im Streß), wenn er mal frei hat möchte er seine Ruhe oder fährt zum Fallschirmspringen.
2 Tage waren wir in diesem Jahr mal zusammen weg.
Er sagt,es ist für ihn auch alles schwer (mit der Krankheit)und so richtig weiss er nichts damit anzufangen "das Leben jetzt zu geniessen". Viele Versprechen und Vertrösten aud Später, das vielleicht nicht mehr kommt !
Was soll man da machen ? Ich bin oft sehr traurig, trotz aller Erkenntnisse.
Meine Söhne verstehen das auch nicht.
Dazu kommt noch, dass ich nicht mehr so viel mache in der Firma wie früher,eigentlich fast von 100 auf 0, da hat er immer das Argument, jetzt alles allein am Hals zu haben, so dass mich auch ständig ein schlechtes Gewissen plagt. Und das Thema Sterben darf auch nicht aufs Trapez, das trifft natürlich nur andere.
Also vielleicht hat noch jemand Denkanstöße, was tun, wenn man zwar die Erkenntnisse hat aber niemanden zum Umsetzten - was dann ????



Ganz liebe Grüße an Euch alle von Sylvia !
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  #2  
Alt 07.10.2008, 18:01
Benutzerbild von Birgit4
Birgit4 Birgit4 ist offline
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Registriert seit: 03.07.2005
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Standard AW: Übers Sterben sprechen

Danke ihr Lieben,
ich freue mich zu lesen, dass ich durch meine Gedankenwelt euch zur Seite stehen kann.
In mir drinnen, tief in meiner Seele sieht es manchmal ganz anders aus...ich habe wirklich immer wieder eine Maske aufgesetzt.....damit ich nach außen hin immer perfekt und stark erscheine...
Diese Maske fiel aus meinem Gesicht und zersprang in tausend Teile als ich nun vor ein paar Wochen wieder einen lieben Menschen verloren habe….ich habe viel durch ihre Worte, ihre Freundschaft gewonnen….aber die tiefen Gespräche des Verstehens sind vorbei.

„Aber die Liebe bleibt“
Ich bin nun vier Jahre hier im Krebs-Forum und habe hier so liebe Menschen kennen lernen dürfen.
Sie begleiten mich immer in guten und in schlechten Zeiten…..
Aber jeder Mensch geht seinen einzigartigen Weg….jeder Fühlt anders, jeder Trauert anders….jeder Lebt anders…..wir sind so einzigartig wie die Schneeflocken.
Gemeinsam können wir stark sein, Trösten, Leiden, Lachen und Weinen….aber im Endeffekt bleiben wir ganz tief im Inneren allein…..jeder hat seinen Weg….denn kein Angehöriger, kein anderer Betroffener….Kinder, Freunde können nachempfinden wie es in unseren einzigartigen Seele aussieht. Wir müssen den Weg zu uns finden….um zu Verstehen wer wir sind.
Ich durchlebe im Moment das Gefühl ohne Maske, ohne Schutz zu leben…..ich weiß nun ,ich habe mir ,und andern Jahre was vorgemacht.
Ich will das nicht mehr …..Ich will Ich sein….die Tür zur Seele geht auf
Nun weint meine Seele sie lässt los…..“ENTLICH“ kann ich wieder richtig weinen.
Und ja, ich habe Angst vor dem Sterben….auch wenn ich ganz fest daran glaube das unsere Seele im Regenbogenland weiterlebt…..das wir alle durch das Band der Liebe Gottes verbunden sind.
Und wir „NIE“ getrennt von dem sind was wir Lieben…..wir gehen irgendwann in eine andere Ebene ….voller Frieden und Liebe.
Aber trotzdem habe ich Angst wie wird es sein wenn diese Tage kommen wenn ich sterben muss?
Nein, nicht vor dem Tod habe ich Angst….nein…..wie werde ich Sterben.???
Stellt sich meine Seele darauf ein???? Ich denke ja …wir werden es wissen.
Und dann keine Angst mehr haben...wisst ihr auch „Warum“

Es steht geschrieben, die Hoffnung stirbt zuletzt.
Aber weißt du, wer ihr dabei zusieht?
Es ist die Liebe.
Die Liebe hält die Hoffnung in den Armen.
Und wenn sie stirbt, ist nur noch die Liebe da.....






Meine heutigen Gedanken von mir…..
Liebe Grüße von Birgit
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  #3  
Alt 07.10.2008, 18:43
parallele parallele ist offline
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Standard AW: Übers Sterben sprechen

Liebe Birgit,

Du trägst so viel zusammen - von anderen und von Dir, über Dich, was mancheiner hier sehr helfen wird. Danke Dir dafür!

Mir fehlt leider diese Gewissheit, eine Überzeugung im Glauben an ein Weiterleben "irgendwie". Manchmal meine ich, dass mir das meine Gedanken um den Tod schwerer, meine Angst größer macht. Aber wie kann ich mir anmaßen, unser aller Ängste zu werten! Jede Angst ist dem, den sie trifft, die bedrängendste und größte.

Du schreibst:
Zitat:
....es tut manchmal so weh in meiner Seele....ich muß was annehmen, was ich nicht annehmen will.
Ja, das sehe ich auch so, dass dies von außen gesetzte, unserem Willen und unserer Kontrolle entglittene "Ziel", dieser Endpunkt, den wir nicht gewählt haben, es uns so besonders schwer macht.
Wenn es irgendwann an mir ist, dass das Ende dieses so geliebten Lebens nahe ist, und ich wäre soweit zu sagen: ja, ich will! - wäre ein groß Teil Furcht durchschritten.

Manchmal muss ich an einen Poesiealbumvers meiner Großmutter denken, sie entstammt einer Generation, in der die Frauen meist klaglos und ungeheuer stark ihr "Päckchen" trugen, egal, wie es aussah. Der Vers mag volkstümlich, fast kitschig klingen, aber wie sooft steckt auch hier eine wahrhafte Idee drin:

Schmerzt dich in tiefer Brust
das harte Wort "du musst!",
so macht nur eins dich still,
das stolze Wort "ich will!".

Birgit, ich wünsche Dir - und uns allen -, dass es noch viele kleine Pläne gibt für Tage oder Stunden oder Momente und ihre Erfüllung, dass es reiche Zeiten gibt, in denen wir offen sind für das Leben - und dem Leiden, dem Sterben, dem Aufhören unserer Person einen Platz in der hinteren Reihe zuweisen können, bis das Ende wichtiger wird als das Eingebundensein in die Lebendigkeit.

die parallele
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  #4  
Alt 07.10.2008, 21:23
Benutzerbild von SonneSollScheinen
SonneSollScheinen SonneSollScheinen ist offline
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Standard AW: Übers Sterben sprechen

Hallo zusammen,

lange habe ich überlegt, ob ich hier schreiben möchte. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich es dann heraufbeschwören...meinen Tod. Das ist ziemlicher Schwachsinn und ich bin eigentlich nicht abergläubisch...oder doch? Ich glaube, ich habe die Worte auch noch nie ausgesprochen oder geschrieben. Hatte gerade wirklich Schwierigkeiten, es zu tippen: Meinen Tod. Jeder bei dem Krebs diagnostiziert wurde, denkt daran. Natürlich auch ich. Für mich ist nicht das Schlimmste die Qualen, die Schmerzen, die Angst keine Luft mehr zu bekommen. Für mich ist das Schlimmste, dass ich diesen Weg alleine gehen muss, wenn es soweit ist. Ich hoffe, es sind noch viele viele Jahre und Jahrzehnte (ich bin doch erst 26! es ist zu früh, verdammt viel zu früh!). Aber wenn ich jetzt daran denke, was ist, wenn ich Metastasen habe und wenn ich bald sterbe...dann habe ich ganz entsetzliche Angst. Niemand wird mitgehen. Ich werde alle, die ich liebe, zurück lassen. Ich werde getrennt von denen, die ich liebe. Das ist für mich das Allerschlimmste. Und fast genauso schlimm ist der Gedanke, was ich ihnen damit antue, wenn ich gehe. Gerne wäre ich so gläubig und würde ganz fest daran glauben, dass auf der anderen Seite Menschen, die ich schon verloren habe, auf mich warten. Aber eigentlich habe ich nur entsetzliche Angst.

Sonne
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  #5  
Alt 08.10.2008, 09:16
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Birgit4 Birgit4 ist offline
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Standard AW: Übers Sterben sprechen

Liebe Parallele, ihr Lieben
ich nehme dich in meine Arme.....ganz lieb.
Ich habe nicht meinen Glauben an das weiterleben der Seele...weil ich Angst vor dem Tod habe. Ich muss ja erst Sterben...damit meine Seele frei ist. Wenn ich das Sterben durch meine Glauben verhindern könnte ...wurde ich nicht ehrlich Glauben.
Ich höre auf meine innere Stimme...( Das flüstern Gottes in mein Herz)

Ich habe nun schon viele Freunde, und meinen Papa verloren. Als diese Menschen mich verlassen haben (Körperlich) habe ich trotzdem danach immer wieder ihre Seelen gefühlt. Ich habe sie gerochen...ich spürte ihre Nähe. Eine Freundin fiel nach einer OP ins Koma.....sie starb und konnte sich nicht von mir verabschieden.....aber ihre Seele war bei mir....ich habe ihre Liebe und Umarmung gespürt......eine halbe Stunde später kam ihr Mann an die Tür.....und sagte mir :" Moni ist heute gestorben" Ich wusste es nicht....aber meine Seele hat sie gefühlt.....ganz Doll.
Ich erzählte meinen Mann davon...er sah mich mit großen Augen an und sagte:" Ich dachte ich hätte mir eingebildet...das jemand in unserer Wohnung war...ich ging durch das Wohnzimmer um zu schauen...was dort los ist...sie lief durch ihn hindurch. Er spürte sie...wusste aber nicht das es Monika war.

Mein Glaube, mein tiefer Seelengang kommt wirklich nicht aus der Bibel oder aus der Kirche...ich bin kein Kirchgänger. Wenn ich beten will, mache ich das auf einem Sonnenblumenfeld unter freiem Himmel. Dort ist alles Leben, was und geschenkt wurde, die Natur, Tiere, die vier Jahreszeiten...und die Kinder...auch wir Menschen sind ein Teil eines ganz großen.....und wenn wir endlich mal Frieden, und Liebe auf Erden hätten würden wir so schön, rein und glanzvoll sein wie ein Sternenhimmel.
Alles was ich hier schreibe ...."FÜHLE ICH IN MIR"
Ich weiß für viele nicht zu verstehen...aber die innere Stimme, das Bauchgefühl, die Seele...dass sind wir.
Ich wünsche dir (euch) schönen Tage voller schöner Momente die unser Leben so reich macht.


Sei (Seit) lieb Gegrüßt von Birgit



Ich wünsche euch ......

Die Kraft der Liebe

Die Kraft der Liebe
den anderen Menschen
mit aller Zärtlichkeit und
Innigkeit des Herzens zu umgeben
und ihn wärmend und schützend
über seine schwere Zeit hinwegzutragen
ist die größte Erfüllung
menschlichen Lebens auf Erden
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  #6  
Alt 08.10.2008, 09:44
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Rosmarin Rosmarin ist offline
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Standard AW: Übers Sterben sprechen

Liebe Birgit,

ich verstehe das. Habe die Seelen auch gespürt, sogar die meiner Kinder vor den Geburten. So freue ich mich auch auf das Danach, aber erst, wenn es an der Zeit ist. Hoffe, daß meine Familie mich dann losläßt, denn es kann für die gegangenen Seelen sehr schwierig sein, wenn trauernde Verwandte nicht loslassen können, es ist nicht unbedingt ein Zeichen von Liebe so festzuhalten. Wenn man selber stirbt und das Licht sieht, dann will man auch nicht gehalten werden. Habe es zum Glück in einer Rückerinnerung aus einem vergangenen Leben selber schon erlebt diesen Übergang, so daß ich es nicht fürchte, sonden mich freuen kann.

Liebe Grüße, Anne
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  #7  
Alt 08.10.2008, 10:36
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Birgit4 Birgit4 ist offline
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Standard AW: Übers Sterben sprechen

Liebe Anne,
da gebe ich dir recht.....ich fühle und denke genau so.
Loslassen ganz wichtig um neues Anzunehmen.
So wie du das hier schreibst.....so habe ich es auch meiner Familie gesagt:"Mich bitte in Liebe loslassen.....ich tue das auch
Wir können und dürfen im Leben nicht festhalten...sonst können wir uns nicht weiterentwickeln.
Liebe Grüße von Birgit



Neu bist du,
wenn du staunst,
weil jeden Morgen Licht da ist;
wenn du glücklich bist,
weil deine Augen sehen,
deine Hände fühlen,
deine Füße laufen;
wenn du singst,
weil dein Herz schlägt.

Neu bist du,
wenn du weißt,
dass du lebst;
wenn du denkst,
dass heute der erste Tag
vom Rest deines Lebens beginnt.

Neu bist du,
wenn du mit reinem Blick
auf Menschen und Dinge schaust,
wenn du noch lachen kannst,
wenn du dich freuen kannst
über die einfach, kleinen Blumen
am Weg deines Lebens!

©Phil Bosmans
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  #8  
Alt 08.10.2008, 11:13
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Birgit4 Birgit4 ist offline
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Standard AW: Übers Sterben sprechen

Liebe Sonne,
ich wünsche dir von ganzem Herzen.....das deine Wünsche in Erfüllung gehen.
Du bist so jung wie meine Tochter......ja,du bist viel zu jung für diese sch.... Krankheit.Viel zu jung um übers Sterben nachzudenken....
Oh,ja

Aber glaube mir.....wir hier sind zwar nicht mehr jung.....aber wir hängen auch so am Leben wie du.....es gibt immer etwas was wir älteren noch erleben wollen.
Wir werden alles was wir Lieben zurücklassen......ich kann meine Kinder nicht mehr an meinem Grab die Tränen trocknen....und an ihren Haaren schnuppern.....dieser Gedanke zerreißt mir und uns allen hier das Herz.
Wenn ich Tod bin werde ich diesen Schmerz nicht mehr fühlen....aber meine Angehörigen sind nun allein...."OHNE mich "
Ich habe in den vielen Jahren meiner Diagnose meiner Familie versucht ( mitzugeben ) in Liebe loszulassen....wir alle werden diesen letzten Weg gehen.....und dann versucht die Hoffnung zu schenken,dass unsere Seelen "NIE" getrennt sein werden.
Es wäre schön den Tod zu vergessen.....vor meiner Krebs-Diagnose habe ich nie daran gedacht. Ich habe nur gelebt.....warum fällt einen das heute nach dieser Diagnose so schwer abzuschalten.
Sind das die Narben im Herzen....
Ich kann auch damit Leben....zu Sterben....aber bitte nicht so früh....kein Krebs....keine Angst,keine Schmerzen.
Könnten wir uns das aussuchen.... dann möchte ich mit 85 Jahren einschlafen.....und nie wieder aufwachen.

Ja, das Leben ist kein Wunschkonzert....nicht wahr.
Ich nehme dich in meine Arme.......ganz fest.....du bist nicht allein mit deinem Schmerz.....rede auch mit deiner Familie über deine Gefühle.
Ich habe meine Familie angeschrien.... " Hört mir entlich zu" keiner wollte mir zuhören.....aber ich wollte ihnen meine Gefühle und Ängste mitteilen......und ich tat es unter Tränen.
Und heute bin ich froh darüber.....ich kann und will nicht die Starke sein....das ist nicht das was ich fühle....ganz tief in mir.
Liebe Grüße von Birgit
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  #9  
Alt 09.10.2008, 12:36
Benutzerbild von meliur
meliur meliur ist offline
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Standard AW: Übers Sterben sprechen

Hallo Ihr Lieben,

viele Eurer Worte hätten auch meine sein können, viele von Euch haben mir mit Euren Ängsten, Hoffnungen, Nöten im Blick aufs Sterben und auf den Tod aus der Seele gesprochen (bei mir wurde vor 2 Jahren Darmkrebs im fortgeschrittenen Stadium festgestellt, aber glücklicherweise sieht im Moment alles ganz gut aus). Und wie oft wurde schon die so verständliche Sorge angesprochen, was mit den Kindern wird, die man zurücklässt!
Leider werde ich selbst wohl nie Mutter werden dürfen, weil die Bestrahlung nicht nur den Tumor, sondern auch die Ovarien kaputtgemacht hat. Vielleicht sagen deshalb manche, ich könne diese Sorgen nie echt nachfühlen.
Aber ich erinnere mich in manchen Punkten noch sehr gut, wie ich als Kind empfunden habe. Je jünger ich war, desto selbstverständlicher gehörte der Tod für mich zum Leben. Ich kann das gar nicht richtig erklären. Aber ich fand den Tod als kleines Mädchen überhaupt nicht traurig, sondern irgendwie ganz normal. Nur blöd, dass ich denjenigen nicht mehr so besuchen konnte wie vorher. Aber ich wusste ganz genau, was Birgit und andere hier auch schon geschrieben haben: Dass die Verstorbenen noch da sind, besonders, wenn man sie sehr liebhat. Wenn ich von ihnen träumte, war ich der Überzeugung, dass sie mich besuchten (bin ich übrigens jetzt auch noch oft). Irgendwie stellte ich mir auch vor, dass es für die Verstorbenen schlimm ist, wenn die, die sie lieben, nicht mehr spüren, wenn sie zu ihnen kommen. Und dass es eben die nicht mehr spüren, die glauben, nach dem Tod ist einfach alles vorbei und der Verstorbene komplett weg - nach dem Motto, was ich nicht sehe und nicht anfassen kann, das gibt es nicht.
Ich fand es komisch, dass, als in der 2. Klasse ein Klassenkamerad durch einen Fahrradunfall ums Leben gekommen war, alle aus der Klasse am Grab weinten, unsere Lehrerin am lautesten, und die Mutter von dem Kind auch, nur ich nicht. Ich wäre so gerne hin zur Mutter damals und hätte ihr erklärt, warum ihr Michael doch gar nicht "richtig tot" ist.
Natürlich war mir mit meinen 8 Jahren noch überhaupt nicht klar, was das für eine Mutter bedeutet, wahrscheinlich wäre ich, wenn mir sowas jetzt passierte, auch fürs ganze restliche Leben gebrandmarkt. Aber aus meiner Kinderperspektive hab ichs nicht verstanden und hätte die anderen so gerne getröstet. Aber irgendwie ahnte ich auch, dass sie mich nicht verstehen würden und vielleicht auslachen würden.
Als mein Großvater starb, war ich 11, und wieder weinte ich nicht am Grab. Eine Tante fand daraufhin, dass ich nicht ganz vorne am Grab hätte stehen dürfen - ich habs überhaupt nicht kapiert. Aber meine Eltern haben mich verstanden. Mit ihnen kann ich auch jetzt über den Tod sprechen und merke, nachdem ich Eure Beiträge hier gelesen habe, was für ein großes Privileg das ist.
Ich habe mich nach der Beerdigung ans Klavier gesetzt und für meinen Großvater gespielt, weil ich wusste, dass er mir zuhört.

Was ich damit sagen will: Ich glaube, Kinder können mit dem Thema Tod oft sehr viel besser umgehen als wir Erwachsene, weil viele von ihnen noch ein Verständnis davon haben, was später verlorengeht.
Das bedeutet sicher nicht, dass es nicht ganz furchtbar ist, schon als Kind seine Mutter zu verlieren und ohne sie klarkommen zu müssen. Und dass wahrscheinlich auch ich, hätte ich Kinder, mich oft und voller Schmerzen fragen müsste, wie sie das schaffen, wenn ich zu früh sterben muss. Aber was das "Verstehen" eines solchen Abschieds (mit dem Herzen) angeht, sind Kinder vielleicht oft besser als Große.

Als vor einem dreiviertel Jahr meine liebe Freundin an Hautkrebs starb (die Lungenmetas drückten ihr die Luft ab), durften wir, ein paar enge Freunde, darunter auch mein Freund und ich, sie in ihren letzten Wochen und Tagen begleiten. Wir waren sooft es ging bei ihr. Komisch, da war ich diejenige, die sich zermarterte ob der Frage, ob Antonia sich Gedanken machte über den Tod, und welche, und ob sie mit jemandem darüber sprach. (Oft ist es ja wohl umgekehrt: dass der Betroffene sich mit diesen Gedanken alleine fühlt und die Angehörigen verdrängen wollen) Es war eine ganz schreckliche Vorstellung für mich, dass sie da innerlich völlig unvorbereitet hineinstolpert. Vielleicht kommt das aus meinem Kinderbewusstsein, dass ich glaube, dass diese Menschen es erstmal sehr schwer haben, weil sie sich nicht in der Situation zurechtfinden, dass sie nicht mehr leben: sie sehen ihre Angehörigen in Trauer, wollen zu ihnen sprechen und werden nicht gehört. Sie kapieren nicht, dass keiner sie wie früher wahrnimmt.
Wie dem auch sei: Ich wollte unbedingt wissen, wie Antonias innere Situation ist, und wollte ihr etwas von den Sachen sagen, die für mich seit meiner Kindheit Gewissheiten geblieben sind. Aber das ist wirklich ein fürchterlich schwieriges, sensibles Thema. Wann ist der richtige Moment? Wann ist sie bei all der Morphiumbenebelung wach und aufnahmefähig dafür? wann ist die richtige Stimmung? Wann können sie und ich sie allein sprechen, ohne dass andere dabei sind, vor denen man so etwas nicht ansprechen will?
Ich hatte das Riesenglück, dass ich so einen Moment geschenkt bekam, ausgerechnet an meinem Geburtstag. Ich saß an ihrem Bett, ihr Freund und noch zwei andere Freunde saßen dabei, aber ich wusste irgendwie: JETZT. Wir haben schön gesprochen. Sie hat mich verstanden!! Irgendwie sind meine Worte an einem guten Punkt in ihr drin gelandet. Sie hat so herzensklug geantwortet. Sie und ich, wir waren einander unendlich dankbar. Und die drei anderen, die dabeisaßen, auch. Dieses Gespräch hat uns allen sehr geholfen, auch an dem Abend, als sie starb und die Zeit unmittelbar danach.
Durch dieses Ereignis (Antonia starb an Heiligabend, und das war für mich so wunderschön symbolisch: Christi Geburt!) wusste mein sehr katholisch aufgewachsener Freund (ich bin ohne Konfession), wie ich über den Tod denke - nein, es ist kein "Denken", eher ein Empfinden oder so eine merkwürdige Kindergewissheit, die ich mir, warum auch immer, ins Erwachsenenleben herüberretten konnte. Wenn wir früher mal andeutungsweise darüber sprachen, spürte ich oft, wie wenig er damit anfangen konnte (und wie wenig ich seine Ansichten teilen konnte). Bei Antonias Tod hatte ich das Gefühl, dass er mich irgendwie anders verstanden hat. Überhaupt verstanden hat. Es war ein Moment ganz inniger Verbindung (nach dem schönen Geburtstagsgeschenk das berührendste Weihnachtsgeschenk).
Ob das genauso sein wird (bei ihm UND bei mir!), wenn mein Krebs sich zurückmelden, wenn das Thema im Zusammenhang mit mir bedeutend werden sollte, weiß ich nicht.

Es stimmt sicherlich: diesen letzten Weg gehen wir ganz alleine. Und das muss so sein, weil es nur unserer ist. Aber wir sind - hier wieder meine komische Kindergewissheit - nicht verlassen, auch auf diesem Weg nicht, solange wir liebhaben und liebgehabt werden.

ouf, schwierig, über das alles zu schreiben... Vielleicht war ich etwas wirr...wahrscheinlich gehts mir wie vielen von Euch: es ist eine Überwindung, über so zutiefst Persönliches zu schreiben.

Aber, Eleve, ich danke Dir sehr, dass Du diesen Thread eröffnet hast. Für so viele von uns ist das Bedürfnis groß, darüber zu sprechen!

meliur

Geändert von meliur (09.10.2008 um 13:36 Uhr)
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  #10  
Alt 09.10.2008, 20:07
Benutzerbild von Rubbelmaus
Rubbelmaus Rubbelmaus ist offline
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Standard AW: Übers Sterben sprechen

Ich habe heute das 1. Mal wieder hier reinschauen können. Wir mussten unseren Urlaub abbrechen, weil es mir so schlecht ging. Am Dienstag, 30.9. bin ich dann (leider viel zu spät-meine eigene Schuld) ins Krankenhaus gekommen, weil ich starke Erstickungsanfälle hatte.

Notfallmässig wurde gleich geröngt und es stellte sich heraus, dass ich re. einen dicken Pleuraerguss mit Rippenbruch (8. Rippe) hatte. Es wurden 1,8 Liter Punktat abgezogen. Danach ging es mir wieder besser. Doch leider hat das Punktat ergeben, dass es voller Krebszellen war und ich jetzt auch noch eine Pleurakarzinose habe.

Wie es mir geht? Ich habe Angst, weitere ERstickungsanfälle zu bekommen. Bis jetzt dachte ich immer "ich wäre ein harter Knochen, der seinen Krankheitsverlauf so gut wie möglich annimmt und Kraft aus der geistigen Welt schöpft. Aber jetzt merke ich, ich habe keine Kraft mehr. Heute morgen musste ich sogar einen Arzttermin abbrechen, weil ich nicht mehr konnte. Das hat natürlich körperlich auch mit den vielen Medikamenten zu tun. Aber es ist auch ein großtes psychisches Problem. Ich muss jetzt aufpassen, dass ich so gut wie möglich Luft bekomme und soll sobald ich merke, dass sich die Luftnot wieder bemerkbar macht, ins Krankenhaus/Arzt ect. Dadurch beobachte ich mich aber auch dauernd und das führt natürlich dazu, dass ich mittlerweile totale Angst habe und mich kaum traue die Augen zu zu machen um zu schlafen. Ein furchtbarer Kreislauf.

Seit meiner Erkrankung im Mai 2000 habe ich mich mit dem Tod arrangiert. Leben heisst ja auch Sterben. Aber mittlerweile weiss ich, es geht nicht nur um das Sterben allgemein, sondern wie leide ich-sterbe ich? Durch diese neuen Erfahrungen ist mein "Sterbebild" verändert und ich bin mittlerweile völlig durcheinander.

Es gibt bestimmt keien Buch über das Sterben oder über das Leben danach, was ich nicht gelesen habe oder besitze. Ich arbeite viel mit meditativen Dingen und das hatte mir bis jetzt immer die nötige Kraft und Ruhe gegeben. Jetzt bin ich aber irgendwie von der geistigen Welt wie abgeschnitten worden und dieser Kontakt fehlt mir sehr. Für mich war es immer Trost und Hilfe zu wissen, ich bin nicht alleine bin und meine geistigen Freunde sind da um mir beizustehen.

Dazu kommen meine großen Sorgen um meinen Mann. Ich sehe wie er leidet und doch versucht, mir das Leben so schön wie möglich zu machen. Dabei kann man im ansehen, wie wenig Kraft er noch hat und ich habe Angst, dass er eines Tages zusammenbricht. Seine Worte sind immer, dass er bis zum Schluss gesund bleiben muss, damit ich gut versorgt bin. Es tut mir so weh, ihn so am Limit zu sehen, denn wir haben nur uns.

Liebe grüße
Heidi

Geändert von Rubbelmaus (09.10.2008 um 20:09 Uhr)
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  #11  
Alt 08.10.2008, 18:43
NTH NTH ist offline
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Standard AW: Übers Sterben sprechen

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Zitat von schwarzer fisch Beitrag anzeigen
Mein Mann kennt nur seine Arbeit (selbsttändig und immer im Streß), wenn er mal frei hat möchte er seine Ruhe oder fährt zum Fallschirmspringen.
2 Tage waren wir in diesem Jahr mal zusammen weg.
Er sagt,es ist für ihn auch alles schwer (mit der Krankheit)und so richtig weiss er nichts damit anzufangen "das Leben jetzt zu geniessen". Viele Versprechen und Vertrösten aud Später, das vielleicht nicht mehr kommt !
Was soll man da machen ? Ich bin oft sehr traurig, trotz aller Erkenntnisse.
Meine Söhne verstehen das auch nicht.
Dazu kommt noch, dass ich nicht mehr so viel mache in der Firma wie früher,eigentlich fast von 100 auf 0, da hat er immer das Argument, jetzt alles allein am Hals zu haben, so dass mich auch ständig ein schlechtes Gewissen plagt. Und das Thema Sterben darf auch nicht aufs Trapez, das trifft natürlich nur andere.
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Liebe Sylvia,

die Situation kenne ich.
Mein Lebensgefährte ist ebenfalls selbständig. Vor der Diagnose haben wir beide sehr viel (und eben in etwa gleich viel) gearbeitet.
Ich habe zwar nicht aufgehört, zu arbeiten, bestimmte Bereiche aber derzeit ausgeklammert, so dass die Arbeitsbelastungen nun erheblich auseinander klaffen...
Ich war am Anfang ziemlich enttäuscht, dass er sich nicht mehr Freizeit gönnt, um mehr Zeit mit mir zu verbringen - schließlich bin ich ja "schlimm krank".
Nachdem es ein paar Mal zu leichten Differenzen kam, haben wir uns ausführlich zu dem Thema ausgeprochen. Mir ist dabei klar geworden, dass er nicht alles in seiner Firma laufen lassen kann - und wir sind nun einfach mal derzeit in der absoluten Hochzeit für seinen Bereich und wir müssen nun einfach den Umsatz mitnehmen, der sich anbietet. Schließlich muss mein vermindertes Einkommen ja irgendwie ausgeglichen werden *g*.
Mittlerweile ist das für mich ok, ich habe angefangen, die Zeit für mich alleine zu genießen.
Ich habe mir überlegt, was ich schon immer mal machen wollte, und nun zum Beispiel begonnen, Reitstunden zu nehmen. Demnächst werde ich auch mal eine Woche Urlaub alleine verbringen.

Vielleicht gibt es ein paar Dinge, die dir auch einfallen?

Liebe Grüße

Nicole
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