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Alt 21.09.2006, 21:22
Bellinda
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Standard AW: Traurigkeit ohne Ende

Lieber Blauerschmetterling,

ihr habt erkannt, dass ihr die Belastung durch einen Hund unterschätzt habt und seinen Bedürfnissen nicht gerecht werden könnt.

Das tut weh, das kann ich gut nachfühlen. Aber die Frage ist jetzt: Was ist das Beste für ALLE BETEILIGTEN (Du eingeschlossen!)????

Der weiter oben vorgeschlagene Weg per Hundesitter ist sicher kurzfristig ein guter Weg, um euch erst mal ein wenig zu entlasten und in Ruhe gemeinsam zu einer guten Lösung zu finden.

Eine Lösung, die nicht nur kurzfristig denkt, sondern einen Zeitraum von mindestens zehn Jahren berücksichtigt.
Es geht hier um das Wohl des Tieres. Es ist für den Hund sicher nicht das Beste, wenn er ständig wechselnde Gassigeher hat, während Krankenhaus- und Rehaaufenthalten, mit denen man in eurer Situation einfach immer rechnen muss, vielleicht gar in eine Pension oder Tierheim muss .... - was würde, wenn einer von euch beiden gar zum Pflegefall wird? Schon viele Tiere, die von Kindern übernommen werden sollten, sind im Heim gelandet, weil das dann aus beruflichen oder beziehungsbedingten Gründen dann nicht so ging wie geplant. All das will bedacht sein.
Zudem ist der Kleine jetzt in einem Alter, in dem er unbedingt feste Grenzen lernen muss, er braucht vor allem Konstanz in seinem Leben.
Dein schlechtes Gewissen kann sich entspannen, wenn du ihn gut versorgt weißt, besser als du es gekonnt hättest, in Selbstzerfleischung dem nächsten Nerven- und Gesundheitszusammenbruch nahe, in dem du dich dann überhaupt nicht mehr um ihn kümmern kannst.

Ist so ein Hund nicht ein wunderbarer Lehrmeister? Er fordert einfach alles ein, was er braucht, Zuneigung, Futter, Gassigehen, Bewegung, Spiel und Spaß, Schlaf und Sonne-auf-den-Pelz-brennen-lassen, Ruhe und Rückzug .... und wird auch noch richtig doll geliebt dafür!!!
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Als ich nach der Reha so plötzlich ohne Partner, Wohnung und Arbeitsplatz da stand, nicht wissend, was wie wohin .... wie ich überhaupt nur für mich sorgen soll, geschweigedenn für einen 15 Jahre altes Hundchen, das schon ziemlich taub und blind war und von einem Tag auf den anderen auch nicht mehr gut laufen konnte,
wovon eine Wohnung bezahlen oder auch nur Hundefutter kaufen, wie mein Leben wieder aufbauen ...,
sprich - ich war seelisch und kraftmäßig am Ende -
in dieser Situation entschloss ich mich, den Hund meinen Eltern abzugeben.

OBWOHL ich ihm doch geschworen hatte, dass ich ihn NIE IM STICH LASSEN würde ...

Und genau das habe ich dadurch verhindert. Das Nicht-Im-Stich-Lassen bekam nur eine andere Form, als ich mir das ursprünglich vorgestellt hatte. Denn bei meinen Eltern war immer schon sein zweites Zuhause, DORT bekam er die Liebe und Zuwendung, die ich in der Situation nicht mehr in der Lage war zu geben, dort hatte sozusagen sein eigenes Haus mit Garten, während ich meinem tauben, blinden vierbeinigen Schatz nur eine neue Mietwohnung hätte zumuten können ...
Und ich musste auch noch damit leben, dass er mich in der Folge überhaupt nicht mehr als Bezugsperson (an)erkannte. Das tat dem Ego ein bisschen weh, doch ich konnte es als Grund zur Freude erkennen, bedeutete es doch, dass alle meine bisherigen "Rechte" sofort auf meine Mutter übertragen hatte. Er hat seinen Alterswohnsitz "Betreutes Wohnen" voll und ganz angenommen - hätte er getrauert, hätte das zwar meinem Ego vorübergehend ein wenig gut getan, doch mein ganzer Wunsch war ja dass es ihm gut gehen sollte.
Die Geschichte wurde noch wesentlich schwieriger, als das Thema "Erlösen" aufkam. Da will ich jetzt nicht in die Details gehen.

Sicher bin ich nicht glücklich, dass alles so gekommen ist. Doch "shit happens"- und die Frage ist, wie man das Beste daraus macht. Auch ich bin - gerade um seinen Todestag herum - in Traurigkeit zurückgefallen, doch ich weiß, dass ich in der Situation das Bestmögliche für ihn und für mich getan habe - und wenn ich wieder zurück in jener Situation wäre, würde ich wieder so handeln. Das bringt mir inneren Frieden.

Bellinda






Zitat:
Zitat von Blauerschmetterling
Ich habe ein Problem, ein schlechtes Gewissen und fühle mich als Versager. Wir haben uns doch einen Hund angeschafft, einen Retriever, jetzt 4 Mon. alt. Schon zu Anfang bemerkte ich, dass ich meine Kräfte überschätzt hatte. Es spielte sich auch alles ein, aber wir haben festgestellt, dass wir dem Hund nicht geben können, was er braucht. Es mangelt nicht an der Versorgung, an Zuwendung. Dieser Hund braucht mehr, er muss ständig bewegt werden, muss sich austoben können. Mein Mann hat einen Bandscheibenvorfall und kann kaum noch laufen, hat immer Schmerzen. Ich habe ein Hüftproblem, auch immer Schmerzen und das Gehen fällt mir schwer. Wir dachten, die Bewegung täte uns gut, haben aber eingesehen, dass wir es nicht schaffen. Was ist, wenn wir garnicht mehr können, die Kinder sind nicht immer greifbar. Der Hund würde darunter leiden. Mein Mann überlegt nun, ob wir den Hund nicht besser abgeben sollen und ich fühle mich sehr schlecht bei diesem Gedanken. Ich habe versagt, hätte vorher alles bedenken sollen, habe aber in der Vorfreude alles abgeschwächt. Es tut mir sehr Leid für unseren Hund. Schimpft ruhig mit mir, habe es nicht anders verdient.
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