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Alt 20.03.2014, 14:38
evelyn-wieda evelyn-wieda ist offline
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Standard AW: Mit dem Tod auseinandersetzen???

Hallo Sarah,

als Betroffene schreibe ich dir meine Sichtweise über dein Thema und hoffe, dass es ok ist. 2010 bekam ich eine schlecht Diagnose mit schlechten Prognosen und ... ich lebe heute richtig gut, fühle mich gut und freue mich am Leben.

Ich glaube, wenn meine Kinder und mein Partner eine ähnliche Einstellung, wie ich sie momentan hier lese, damals gehabt hätten, sähe mein Leben heute anders aus - nicht so positiv. Meine Lieben haben mich auf meinem Weg unterstützt und begleitet, mir geholfen und mich auch mal aus diesen berühmten schwarzen Löchern gezogen - all das war wirklich gut und wichtig. Jedoch haben sie mich nie bedrängt oder in eine Richtung gezwängt - wir haben meine Schritte gemeinsam besprochen, diskutiert und letztendlich habe ICH entschieden, ich war diejenige, die dann die Wahl getroffen hat und meine Angehörigen haben das akzeptiert und respektiert, da kam nie: Hättest du mal auf uns gehört oder so.

Und ich finde es einfach gut, dass sich deine Mom für die Chemo entschieden hat und das schreibe ich nicht nur wegen der Chemo, die wirklich hart sein kann und das Resultat ja sowieso nicht absehbar ist, sondern das sage ich dir, weil sich etwas in deiner Mom bewegt hat, sie beginnt AKTIV mit ihrer Diagnose umzugehen und dieses aktivSein sehe ich als etwas Positives. Tja, und wenn sie JETZT und HIER davon überzeugt ist, dass ihr die Chemo helfen wird, dann ist das doch auch gut so, denn diese Überzeug wandelt sich in Kraft und diese Kraft wird sie einfach auch brauchen. Gönne sie ihr bitte!

Das mit dem Vergleichen, Mut haben und nach vorne sehen empfinde ich als hoffen und glauben, dass man noch weiterleben kann, dass es noch nicht zu Ende geht bzw. gehen muss, das es Wunder geben kann und gibt und heute weiß man ja, das der Glaube tatsächliche Berge versetzen kann.
In meinen Augen hat das nicht mit Verdrängung zu tun, sondern einfach mit dem Strohhalm, an den man sich klammert, der Hoffnung schenkt.

Und nein, du brauchst meiner Meinung nach nicht so tun, als sei alles in Ordnung und es ist Friede, Freude, Eierkuchen - sondern sage ihr, wie du dich fühlst, welche Ängste du um sie hast, jedoch spekuliere nicht, was in der Zukunft sein könnte - das weiß doch keiner, wirklich keiner und nimm ihr dabei aber nicht ihre Begeisterung, ihre Kraft, darum würde ich dich bitten, wenn wir uns nahe stehen und deine Mom meine Freundin wäre.
Und das ist wirklich einfach nur meine Sichtweise zu deiner Darstellung!

Tja und da bin ich bei deiner eigentlichen Frage angelangt: Mit dem Tod auseinandersetzen?

Ja, das war für mich total wichtig, denn als Betroffene hat mit einmal der Tod ein Gesicht, eine Adresse und er versinkt nicht mehr als Tabuthema im Nirgendwo.
Weißt du, die meiste Angst hatte mir der Gedanke an den Tod, das Sterben gemacht, dieser Gedanke hatte mich nicht schlafen lassen, hatte mich verfolgt und war immer da und das ging so lange, bis ich mich damit auseinander gesetzt hatte. Ich habe mit meinen Lieben darüber gesprochen, wir haben zusammen geweint, waren wütend und als dann alles gesagt war, ja, da war mit einem Mal eine große Last von mir weg, auch von meiner Familie. Sie wissen, was ich will und wo, wie letztendlich meine Reise enden wird. Damit sind auch die Gedanken daran weg und das war für mich eine richtige Befreiung.

Wenn es für dich JETZT ein großes Bedürfnis ist darüber zu reden, dann mache das, indem du ihr vielleicht sagen magst, dass du für dich gerne wissen möchtest, was sie sich vorstellt, was sie möchte. Ich würde ihr in diesem Gespräch zeigen, dass sie mir total wichtig ist und es darum geht, dass ich ihr helfen will, in dem ich ihre Wünsche kenne und berücksichtigen kann. Und dabei würde ich deutlich machen: nein, es geht gar nicht darum, dass es Morgen schon so weit ist, es geht darum, den Kopf frei zu bekommen, die Gedanken at Acta zu legen und damit Freiraum für andere, schöne, wichtige, ... Dinge zu haben.
Liebe Sarah, auch das ist wiederum einfach nur meine persönliche Meinung darüber, wie ich damit umgehen würde.

Zum Schluss möchte ich mich der Meinung von Mara anschließen, eine Zweitmeinung ist tatsächlich vorteilhaft und bringt eventuell die nötige Sicherheit - ist das nun wirklich der Weg, den ich gehen möchte ... Auch wenn z. B. deine Mom nicht nach Heidelberg fahren möchte, dort kann man auch einen telefonischen Service in Anspruch nehmen, soviel ich weiß.

Dir, Sarah, wünsche ich viel Kraft, Geduld, Einsicht und Liebe für die kommende Zeit und deiner Mom wünsche ich viel Kraft, Hoffnung und Glaube für ihren Weg.

Alles Gute
Evelyn

Geändert von evelyn-wieda (20.03.2014 um 15:17 Uhr) Grund: Fehlerteufelchen hat mitgeschrieben - sorry
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