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Alt 18.10.2002, 00:26
Gast
 
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Standard Dokumentarfilm über das Tabu Sterben

Habe gerade Eure Diskussion gelesen und ich glaube, soviele Nutzer hier schreiben, soviele unterschiedliche Einstellungen wird es zum Thema Tod geben. Als ich meine Diagnose erfahren habe, habe ich als erstes überlegt, was aus meiner Familie wird, wenn es schiefgeht. Da ich das Glück habe, mit meiner "restlichen" Familie in einem Haus zu wohnen, war ich mir sicher, dass für meine beiden Männer gut gesorgt ist. Dann habe ich eine Lebensversicherung ohne Gesundheitsprüfung abgeschlossen. Dafür muss man zwar drei Jahre überleben, damit sie eine Leistung erbringt, aber das ist doch schon mal ein Ansporn für die ersten drei Jahre nach dem Super-Gau, oder?
Und dann habe ich mir gedacht, also los, gehen wir es an. Und an den Tod habe ich als Schreckgespenst zwar noch ab und zu gedacht, aber auch nicht öfter, als Nichterkrankte an den Tod denken. Vielleicht war es der Schock, vielleicht ist es aber auch einfach Selbstschutz, dass ich mich jetzt nur noch um mein Leben kümmere. Ich kann mir auch absolut nicht vorstellen, dass ich mal denke, jetzt habe ich alles erlebt, Zeit abgelaufen und jetzt muss ich mich mal mit dem Tod auseinandersetzen. Ich glaube, ich würde immer sagen: Das passt mir jetzt aber gar nicht. Ist noch ein bisschen zu früh. ;-) Das ist meine ganz persönliche Einstellung zum Tod. Ich denke ja auch nicht über den Tod von anderen Menschen nach, warum also über meinen? Weil meine Wahrscheinlichkeit höher ist? Das ist Blödsinn. Jeder kann morgen vom Bus überfahren werden.
Auch ich habe einige Freunde verloren, einige dazubekommen, aber auch das empfinde ich normal. Es war eine Extremsituation für alle. Die, die jetzt noch da sind, sind die, auf die ich mich verlassen kann. Wobei auch einige von denen, die sich nicht mehr melden, zu den netten Menschen gehören. Aber sie konnten halt diese Bilder von Krebskranken, die sie vielleicht aus dem Fernsehen haben, nicht verdrängen. Oder die tollen Informationen, die einem aus der Tageszeitung entgegenbrüllen. Elke Heydenreich hat Krebs!!! Das ist einen Aufmacher in der Bild-Zeitung wert. Und dann werden alle unschönen Einzelheiten abgedruckt, und wenn kein Fachmann zur Stelle ist, nimmt man halt irgendwas aus schlauen Büchern, nur damit die Leser zufrieden sind. Hallo??? Hier lesen auch einige, die das auch haben... Schon mal drüber nachgedacht? Wie wäre es mal mit was Positiven an dieser Stelle? Geht wahrscheinlich nicht, weil schlechte Nachrichten sich besser verkaufen. Kranke Welt.
Und weil ich sowieso schon einen Roman geschrieben habe, möchte ich auch noch etwas zu diesem geplanten Film sagen: Was soll mit dieser Dokumentation bezweckt werden? Enttabuisierung des Todes? Schon wieder: Hallo??? Da wird eine Langzeitdokumentation über u. a. diese wunderbare Frau aus Berlin gemacht, die immerhin schon zehn Jahre Krebs hat. Aha, wie passend in diesem Forum. Und jetzt wird sie mit der Kamera beobachtet, bis sie stirbt. Und neun weitere Menschen auch. Man lernt diese Menschen also in der Dokumentation ein bisschen kennen und weiss, alle zehn sind am Ende tot. Das ist doch schrecklich, oder nicht? Vielleicht stehe ich ja auch mit meiner Meinung alleine da. Natürlich machen es ja alle freiwillig und ich muss den Film ja nicht ansehen. Aber schon der Gedanke, dass hier das Sterben einer krebskranken Frau gezeigt wird, was vielleicht von einer Menge Menschen gesehen wird, die dann wieder ein bestimmtes Bild im Hinterkopf haben, wie es mit Krebs endet, finde ich fürchterlich.
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