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Alt 11.10.2012, 11:07
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Erle Erle ist offline
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Standard AW: Ich wurde amputiert.........

Mein Herz, nun ist der schlimme Tag schon 12 Tage vorbei. Ich habe es überstanden, aber es war schlimm. Ich hatte vorher versucht, einen Text hier reinzuschreiben, aber es ging nicht. Wie immer war das ganze aber gespeichert, also setz ich es rein….

Ach ja, es ist bald wieder soweit, es geht auf diesen schlimmen Tag zu. Und so wie ich es die letzen Male gemacht habe, schaue ich in meinen Tageskalender, um mich in unsere letzen Tage hinein zu versetzen.
Am Sonntag sind es schon 4 Jahre her, dass Du mich verlassen hast.
Ich werde diesen Tag zum ersten Mal nicht mehr in unserem Haus erleben. Ob es deshalb anders ist? Nun, ich begleite unseren Großen zu seinem Turnier bis mittags, dann werde ich mit Mum zu Deinem Grab fahren, Dein Jüngster ist beruflich in Sardinien, ihn hole ich abends vom Flughafen ab. Der Tag ist in Ordnung so.
Ich habe Angst vor dem Abend davor, wir sind eingeladen auf einen großen Geburtstag. Und ich schwanke zwischen "das kann ich doch nicht machen, zu der Stunde, in der Alfred vor 4 Jahren starb auf einer Fete sein, was werden die Kinder denken?" und "halte ich das überhaupt aus, oder sollte ich sogar bewusst versuchen, mich durch diese Fete abzulenken?".
Nun, Samstag fahre ich erstmal zum Friedhof und bringe Dir weiße Rosen und neue Lämpchen


Es war wie die letzten Jahre, der Samstag war schlimmer. Der 29., der Tag, an dem Du im Sterben lagst, ist für mich der härtere Tag. Ich war auch Samstagabend zu dieser Feier, aber um halb eins habe ich zum Aufbruch gedrängt, ich wollte nicht zu Alfreds Todesstunde unter vielen Menschen sein.
Am Sonntagabend, nachdem ich den Tag mit nur ganz wenig Tränen gut rumgebracht habe, habe ich im Bett gelegen, gedacht „geschafft“ und dann doch nochmal geschluchzt.
Mein neues Leben ist schwierig. Ich blühe auf, wenn ich nach Aachen zum Studium kann, bin dort wirklich glücklich. Ich erlebe so viel Neues, und mein neuer 400.-€-Job macht auch richtig Freude (wenn ich auch merke, dass ich älter werde, meine Knochen laufen doch nicht mehr so geschmiert wie mit 25 Jahren).
ABER… ich kämpfe mich in der neuen Umgebung so durch. Noch erdrückt es mich, das Riesenhaus, obwohl ich ja lieber in eine kleine Wohnung wollte, wieder in der alten Heimat, obwohl ich mich da lieber ferngehalten hätte. Alles erdrückt mich noch, ich bin nicht wirklich dort Zuhause. Es dauert wohl, braucht seine Zeit. Der Mann, der mich liebt und den ich liebe, der ist ja an meiner Seite. Die Arbeit und das Studium sind jetzt das Wichtigste, der Rest kommt noch. Dieser verflixte Herbst macht es nicht leicht, aber es wird schon. Ich kann es manchmal nicht fassen, dass ich vor lauter Heimweh in einem Sessel sitze und weine, ich habe Heimweh nach meinem alten Leben, nach innerer Ruhe und Frieden.
Und dann kommt bald die Weihnachtszeit. Ich hab neulich hier gesessen und gedacht, wie wird Weihnachten in diesem Haus, in diesem neuen Leben, mit den veränderten Umständen? Und ganz verrückt….. ich dachte, soviele Dinge zum Schmücken, das Haus zu dekorieren. Aber wie mache ich das hier, es ist ja alles anders als früher. Wo hängt jetzt der große Weihnachtsmann, der obligatorisch immer an der Wohnzimmertür hing? Ich bin dann ganz verzweifelt…. Dämlich.
Mein liebes Herz, ich denke an Dich. Lass mich mich wieder zurecht finden im Leben.
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