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Alt 18.02.2005, 11:30
Gast
 
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Standard Russisch Roulette.......

Hallo Saphir,

ich kann mir glaube ich ganz gut vorstellen was Du jetzt durchmachst. Mein Vater ist letztes Jahr an Darmkrebs gestorben bzw. an den Komplikationen nach einer OP und danach lag er dann noch 9 Wochen auf der Intensiv und konnte wegen der Beatmung nicht sprechen und war häufig auch nichgt mehr ansprechbar und er wurde immer dünner, das war ziemlich schrecklich. Ich wohnte ausserhalb und auch wegen den Kindern konnte ich nicht jeden Tag hin und man wusste ja auch nicht ob er es noch schaffen würde, das ganze auf und ab. Man steckt drin und es ist nur wie ein Alptraum.

Ich wünschte jetzt ich hätte mir schon in dieser Zeit Bücher zum Thema Sterbebegleitung besorgt, aber davor hatte ich in der Zeit die Augen verschlossen, er lag ja "eigentlich" nicht im Sterben sondern war wg. Rezidiv operiert worden um noch etwas Zeit zu schinden und dann Lungenembolie und dann lag er da und von Tag zu Tag und Woche zu Woche sah es mal besser und mal schlechter aus. Ich bin, und das finde ich jetzt am furchtbarsten, ganz oft nicht meinen Impulsen gefolgt. Ihm eine duftende Blüte in die sterile Intensiv zu bringen, mich (ganz am Ende) zu ihm in den Arm zu legen (wäre doch alles egal gewesen mit den Schläuchen usw.), oder auch mal den KH-Seelsorger anzusprechen obwohl ich garnicht gläubig bin aber da hing immer so ein Zettel im Vorraum der Intensiv und manchmal wenn ich da warten musste und keine Kraft mehr hatte dachte ich warum nicht einfach mal hingehen, vielleicht kann ich den mal mit zu meinem Vater nehmen oder einfach nur mit ihm reden.... aber ich habe mich dann nicht getraut oder es war mir peinlich oder was auch immer... jetzt wünschte ich, ich wäre mehr meinen Impulsen gefolgt und hätte mich auch besser informiert. Aus eigener Feigheit habe ich meinem Vater immer wieder gut zugeredet obwohl mir oft der Satz in der Kehle steckte "oder willst Du nicht mehr"... er hatte lebenslangen Horror vor Ärzten und KH und vom Personal hörten wir mit der Zeit immer häufiger "er verweigert sich" bei der Pflege und weigert sich die Augen aufzumachen (wenn er denn mal wach war), und vielleicht hätte ich es ihm und mir erlauben sollen das auchmal auszusprechen. Aber ich war auch unsicher ob ich nicht IHN damit zu sehr belaste wenn er da so liegt und seine Ängste nicht mal artikulieren kann.

Ich denke jetzt man sollte sich auch als begleitender Angehöriger viel mehr Hilfe suchen: den Seelsorger ansprechen oder in einem Hospiz nachfragen wie sie einem evtl. bei der Sterbebegleitung helfen können oder eben Bücher (siehe auch die vielen Buchtipps hier im KK zu diesem Thema). Ich habe mich damit zwar auch beschäftigt, aber erst hinterher weil ich so viel gezweifelt habe was ich alles falsch gemacht habe. Ich denke man muss auch auf sich selbst achten - DAMIT man zu dem was getan werden muss auch die Kraft hat solange es eben dauert. Vielleicht kannst Du Dir auch Hilfe für Dich selbst besorgen, einen Psychologen oder eine Trauergruppe.

Es ist ein Alptraum. Man wird die Bilder an die Zeit noch lange mit sich herumtragen. Aber mir tut am meisten weh was ich NICHT getan habe. Ansonsten bin ich egal wie schwer es war jetzt froh es getan zu haben, anders als mein Bruder der "gekniffen" hat und nicht mal gekommen ist als ich anrief dass er nun im Sterben liegt. Wenn ich manchmal nicht mehr konnte dachte ich nur "ausruhen oder mich erholen kann ich auch hinterher". Mein Vter war zum zweiten Mal verheiratet, seine Frau kannte ich vorher kaum aber am Ende haben WIR zusammen gehalten, und das ist immer noch so. Die letzte schwere Entscheidung für meinen Vater habe ich seine Tochter getroffen, ich habe tränenüberströmt vor dem Arzt gestanden und gesagt "Ja tun Sie es" (Lmitierung der Intensivmassnahmen)und manchmal denke ich wie kann man sowas tun müssen, aber trotz allem bin ich froh dass ich da war. Mein Bruder hat sich bei allem gedrückt aber bitte das war seine Entscheidung. Damit muss er ja nun weiter leben. Ich hätte gern noch mehr getan, aber man weiss ja immer nicht vorher wie und wann alles passiert. Irgendwas bereuen wird man wohl immer, man kann nur versuchen im Rahmen seiner Kräfte dass man hinterher möglichst wenig zu bereuen hat... so sehe ich das jetzt. Manches geht veilleicht auch nicht. Ich bin z.B. nicht bis zum Schluss geblieben, was ich jetzt bitter bereue. Die Frau meines Vaters war schon weg (weil ihr die Ärzte schon gesagt hatten er ist nicht mehr wikrlich bei uns) und ich war schon den ganzen Tag im KH und abends um 10 konnte ich nicht mehr, die Ärzte konnten nicht sagen ob es noch die ganze Nacht oder 2 Tage dauern wird, das Herz schlug ganz schwach immer noch und immer weiter, auch nach Stunden noch, ich war total entkräftet und verheult und allein und vollkommen überfordert und so ging ich nachdem die Ärzte mir auch noch mal sagten "er ist schon nicht mehr bei uns, er kann nichts mehr hören und fühlen, es sei nur noch MEIN Abschied, nicht mehr für ihn spürbar", und am nächsten Morgen ist er dann kurz nach 8 Uhr gestorben. Ich konnte damals nicht anders ich war so allein und hatte solche Angst aber wenn ich es nochmal tun könnte würde ich sagen gebt mir eine Matratze ich bleibe hier, oder irgendwen anrufen bitte komm ich kann das nicht allein (wenn die Familie schon kneift dann wenigstens eine Freundin, ist doch egal was die im KH denken), aber so war es nunmal nicht. Es würgt mich immer noch und ich fühle mich so entsetzlich dass ich ihn allein gelassen hab, der Arzt rief dann am Sonntag früh an, er sagte er und die Schwester haben zum Schluss seine Hand gehalten. Sie haben mir später noch mal bestätigt da das Gehirn fast nicht mehr durchblutet war und er sehr stark sediert war KANN er nichts mehr gemerkt haben er war schon ganz weit weg... und trotzdem. Aber damit MUSS ICH jetzt weiter leben. Ich muss mich damit trösten dass ich getan habe was ich konnte. So war es nun mal.

Ich weiss nicht iob dir das jetzt irgendwie weiterhilft.....

Wie alt bist Du denn? Ich bin 40 J. mein Vater war 68 J. Du sagst ihr seid noch so jung? Hast Du Geschwister?

Alles Gute und viel Kraft für Dich
Kerstin
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