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Alt 08.03.2006, 13:17
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AndreaS AndreaS ist offline
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Registriert seit: 09.02.2005
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Standard AW: Ich habe gestern meine liebe Frau beerdigt!

Lieber Dieter,

ich weiß genau, was du momentan durchmachst. Die Wochen / Monate der Krankheit unserer Lieben, ließ uns gar keine Zeit, zu begreifen, was eigentlich mit uns passiert. Nun, da die meisten Verwaltungsakte abgeschlossen sind, kommt eine Ruhe, die nicht nur neu, sondern auch fürchterlich schmerzhaft ist. Jetzt erst, beginnt man ganz allmählich zu begreifen, was eigentlich geschehen ist.

Während mein Mann krank war, wollte und konnte ich nicht sehen, was mit ihm geschah. Natürlich habe ich es gesehen, habe es mir aber dennoch "schön geredet", wollte diese Erkenntnis nicht und habe sie deshalb zur Seite geschoben, habe an meiner Hoffnung auf ein Wunder, meine Hoffnung darauf, dass ausgerechnet Claus allen Statistiken zum Trotz überleben würde, festgehalten und ihm und mir weiter Mut gemacht, nicht, um Mut zu machen, sondern weil ich tatsächlich daran geglaubt habe.Erst nach seinem Tod, begann ich die Bilder immer wieder zu sehen, war entsetzt über seinen Anblick, der immer wieder in meinen Gedanken sichtbar wurde.

Das einzige, was ich dir tröstendes sagen kann, ist, dass diese Bilder bei mir - heute auf den Tag 17 Monate später - wieder an Gewicht verlieren. Ich sehe meinen Mann lachen und schäkern, lächle bei den Gedanken an eine flapsige Bemerkung, die er in dieser oder jener Situation gemacht hätte, sehe ihn als gesunden und zum Glück überwiegend glücklichen Mann an meiner Seite.

Die Nähe zu deiner Frau ist in jeder deiner Zeilen spürbar. Ihr habt euch geliebt, ihr ward glücklich miteinander und wenn alle Gedanken, alles was aufgearbeitet werden muss, sortiert ist, wirst du in deiner körperlichen Einsamkeit eure seelische Zweisamkeit wieder spüren und das wird dir neue Kraft geben. Wenn du hin und wieder mitliest, wirst du wissen, dass dies nicht immer so ist. Die Abstürze sind ganz oft, leider auch oft sehr lang, weil alles nach dem Lieben schreit und die Verzweiflung, der Verlust einfach zu groß ist, aber an den Tagen, an denen ich aus meinem Loch rausschaue, an denen es mir "gut" geht, da spüre ich Claus so nah und intensiv fast wie niemals zuvor. An diesen Tagen habe ich das Gefühl, dass wir wirklich eins sind, durch nichts getrennt. Und diese Augenblicke geben mir unglaublich viel Trost.

Vielleicht hilft es dir auch, Marina zu schreiben. Ich schreibe Claus regelmäßig Briefe, formuliere ihm meine geheimsten Gedanken und "spreche" auf diese Weise mit ihm. Auch hierbei kann ich mir eine große Nähe und Verbundenheit zu ihm erhalten, findet manchmal sogar eine kleine Zwiesprache statt, denn bei vielen Dingen hilft mir die Vergangenheit, die Vertrautheit zu meinem Mann, zu wissen, was er mir antworten würde, könnte ich seine Stimme noch hören.

Lieber Dieter, ich wünsche dir ganz viel Kraft und verlier die Hoffnung nicht, dass es dir und uns eines Tages gelingen wird, mit unserem Schicksal so umzugehen, wie der eine arme Baum in deiner wunderschönen Geschichte.

Ganz liebe Grüße

Andrea
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Που να 'σαι τώρα που κρυώνω και φοβάμαι
και δεν επέστρεψες
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