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Alt 12.07.2007, 16:21
wildhusky wildhusky ist offline
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Standard AW: Wie geht Ihr mit Prognosen um?

Hallo,

was die Prognose des Krebs anbetrifft - ich hatte nach meiner (Hodenkrebs) OP die Wahl 10-15-20% Rezidiv-Risiko (je nachdem welchen Arzt ich fragte) ohne Bestrahlung oder 1-2% mit Bestrahlung.
Ich habe mich für die Bestrahlung entschieden und bin froh, mich vor den Nachsorgeterminen immer mit der ach so kleinen Wahrscheinlichkeit selbst beruhigen zu können.

Andererseits, wenn ich mir allgemein medizinische Statistiken ansehe, dann hiess es auch
- um die Übelkeit bei Bestrahlung des Bauchraums zu vermeiden, reichen eigentlich bei allen Patienten ein paar MCP-Tropfen. Bei mir natürlich nicht. Als ich den Satz hörte "Sie sind da wie es scheint die Ausnahme..." hatte ich schon zwei Abende über der Kloschüssel hinter mir - das sündteure Medikament Zofran, das eigentlich nur bei Chemo eingesetzt wird, half dann zum Glück.
- Das Testosteron Gel das ich seitdem nehmen muss, hat als Nebenwirkung bei 1-10% der Patienten Missempfindungen (Parästhesien) - ich gehöre wie es scheint dazu.
- Nachdem ich längere Zeit Magenbeschwerden hatte, sagte ein Arzt (den ich fachlich wie menschlich für den besten halte den ich kenne) zu mir "also wenn sie <hier> (drückt an einer Stelle auf meinen Bauch) einen Schmerz verspüren, dann haben sie zu 90% ein Zwöffingerdarmgeschwür". Ergebnis der anschliessenden Magenspiegelung: Nix. Harmlose Gastritis.

Mit anderen Worten - ich weiss nicht ob es hier anderen auch so geht, aber je mehr Arzttermine ich so hinter mich bringe, desto mehr habe ich das Gefühl dass ich grundsätzlich die Ausnahme von der Regel bin, egal in welche Richtung die Regel grad tendiert.
Aber da das natürlich nicht für meine Rezidiv Prognose gelten DARF, beschliesse ich hiermit offiziell dass das dann die Ausnahme von der Ausnahme ist und ich da dann wieder zu den 98% gehöre!

Letztlich darf man folgendes nicht vergessen:
Wenn ich würfele und mache eine Statistik wie oft eine sechs kommt, dann kann ich aus dieser (beobachtenden) Statistik eine Prognose für den nächsten Wurf machen (denn der findet ja mit dem gleichen Würfel statt und verhält sich gleich). Dass dann trotzdem noch die (unwahrscheinliche) sechs kommen kann, ist auch klar.
In der Medizin ist es aber noch anders: Die Statistik (Beobachtung) beruht auf anderen Menschen, nicht auf mir. Es ist eigentlich (aus meiner Sicht, der Sicht eines Ingenieurs) unwissenschaftlich, aus einer solchen Statistik eine Prognose abzuleiten. Das könnte man erst machen, wenn man Einflussfaktoren kennt, die tatsächlich die Wahrscheinlichkeiten beeinflussen.
Wissenschaftlich haltbar wäre also eine Prognose "Sie sind ein sehr optimistischer Mensch, leben in einer glücklichen Beziehung, ernähren sich andererseits sehr ungesund, etc. etc., daraus folgern wir 57% Rezidiv Risiko". Über diese Zusammenhänge wissen die Ärzte aber nix oder verschwindend wenig! Also verstecken sie sich hinter "Also von den letzten zehn Patienten die die gleiche Diagnose hatten sind sieben noch am Leben, also 70%".

Statistiken sagen etwas über andere Leute aus. Eine Prognose müsste etwas über mich aussagen. Wenn ich aber die Prognose aus der Statistik ableite, tut sie das nicht.

Wenn ich beim Pferderennen wetten will, sollte ich mir die Pferde (das wären dann wohl wir?), die Jockeys (die Ärzte?) und das Geläuf (der Rest drum herum?) ansehen und nicht fragen, welche Rückennummer beim letzten Rennen gewonnen hat!

Gruss

Husky