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Alt 21.07.2013, 15:11
berliner-engelchen berliner-engelchen ist offline
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Standard AW: Diagnose Eierstockkrebs,welche Behandlung?

Lieber Frank,

nun war ich mal 4 Wochen weg und bin ganz entsetzt, wie unterschiedlich Realitäten in so kurzer Zeit verlaufen können - das ist so unreal.
Ihr habt eine entsetzliche Zeit hinter Euch, Carmen, die das erleiden musste und Du, der Du als Angehöriger fast schlimmer betroffen bist in Deiner Sorge um den geliebten Menschen.

Es hat mich gefreut, die kleinen Schritte der Besserung zu lesen. Und ich wünsche ich sehr, dass ihr noch viele viele Schritte in dieser Richtung machen werdet. In dieser Situation ist die Besserung so fragil, die Komplikationen lauern und warten im Hintergrund und auf eine Art kann man nur beten, sie mögen dort versteckt bleiben.
Ein dauerhafter Aufwärtstrend ist nicht selbstverständlich, aber ich wünsche ihn Euch beiden von ganzem Herzen und mit ganzer Seele.

Was auch immer ihr in Zukunft gemeinsam erleben könnt, es ist doch vor allem die Zeit der Gemeinsamkeit, die Euch nun geschnekt wird. Und nach all dem , was geschehen ist, bin ich ganz ganz sicher, dass ihr jede Kleinigkeit als GEschenk erleben werdet. Und wenn es nicht der gemeinsame Wein ist -- so what?? Alles andere ist auch ein Geschenk.

Ich möchte Dir noch aus meiner eigenen Geschichte erzählen: als ich 19 war, vor langer Zeit , da hat mich ein Mercedesfahrer "plattgefahren" (und dann Fahrerflucht begangen).
unter anderem war meine Lunge gerissen und so hatte ich ein ähnliche Situation wie Carmen. Künstliches KOma + externe Beatmung, das Zurückgeholt werden in die Realität. ... Bei mir war es so, dass der Tubus die HÖlle war, müsste er länger bleiben bei Carmen würde das auf jeden Fall für Luftröhrenschnitt sprechen. Ich hätte das damals lieber gehabt.
Durch den Tubus hat man grosse SChmerzen und ausserdem hat man dauernd das Gefühl des Erstickens irgendwie. Schmerzen im Körper von den Operationen und Verletzungen hatte ich in dem Stadium nicht heftig empfunden, der Körper schüttet grosse Hormonmengen aus + schmerzmittel, das ergibt eine Situation, in der man körperlich gar nicht so sehr leidet. Das kam dann erst später, als das Bewußtsein langsam wiederkam.

Die Erinnerung an die erste Zeit ist bruchstückhaft. Aber ich hatte immer gespürt, ob jemand da war. Da war mir unglaublich wichtig, selbst im Koma.
schwierig war die Zeit des Absetzens der Schmerzmittel, man ist häufig sehr schnell körperlich abhängig und löst mit dem Absetzen heftige, auch psychische Reaktionen aus.
Gehirnschäden hatte ich nicht (zumindest behaupte ich das mal ) obwohl da eine Mangelversorgung da war (es dauerte eine WEile, bis der Rettungshelikopter kam).
Die Reha hat dann auch noch einiges wieder gerichtet. Und irgendwann war alles wieder gut. Die Lunge hat hundertprozent Funktion wiedererlangt.

Ach, da fällt mir noch ein: ich konnte lange lange nicht sprechen. und als der Tubus dann raus war, konnte ich das immer noch nicht. Wegen offenem entzündetem Hals und so.
Meine Ma hat mir dann einen gaaaanz grossen Block Zeichenpapier mitgebracht und dort konnte ich kreuz und quer draufschreiben. Zumindest einige Worte. Das fand ich befreiend, diese Möglichkeit zur Kontaktaufnahme. Das Gefühl, jemand versteht mich wieder.
Oft steht Durst dort. Ich wollte immer diese Kühle von Wasser im Mund und die Mundhygiene. Ist ja alles entzündet dann...

Heute sehen diese Blätter aus wie das Gekrakel einer Fünfjährigen. Schief und falsch und so, als hätte ich Gehirnschäden. Aber wie Du siehst, ist das nicht geblieben

Ich hoffe, ich konnte Dir ein wenig interessantes erzählen "von der anderen Seite" aus. Ich könnte dazu noch viel zu erzählen, wie man das Koma erlebt, wie sich das alles so anfühlt. Einige eigenartige ERfahrung war es. Aber ich belasse es mal damit.

Den Mercedes-Fahrer haben sie übrigens trotz Großfahndung niemals gefasst. Ich habe mich immer gefragt, wie man mit so was weiterleben kann. Aber das ist eine andere Geschichte.

Für Euch, vor allem für Carmen wünsche ich alles Gute.
Einen komplikationslosen Verlauf, Dir viel Kraft. Du machst das wirklich sehr sehr gut. Einfühlsam, Step by Step und immer auch darauf bedacht, etwas für dich zu tun. letzteres ist wichtig: nur wenn du fit bleibst, kannst Du Carmen weiterhelfen. Denke an deinen Schlaf, deine Aus-Zeiten, regelmäßig zu essen, dich etwas abzulenken und zu entspannen. Finger weg von zu viel Alkohol, das schwächt dich langfristig. Wenn ich dich etwas "bevormunden" darf,

Alles Liebe, alles Gute wünscht
Birgit
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