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Alt 21.11.2005, 18:42
Barbara 64 Barbara 64 ist offline
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Standard AW: Zwei Jahre danach...

Die folgenden Tage war ich auf der Suche...
Ich hatte keine Ahnung von BSDK und suchte dringend nach Orientierung, und Du wolltest wissen, wie es steht, ich solle mich informieren... Google, Abfrage, Ernüchterung... tatsächlich sah es wohl so aus, wie der 'Rat' dieser sogenannten Ärztin es nahelegte... So, wie der Tumor saß, hattest Du keine Chance auf eine OP / Heilung und wahrscheinlich auch nur eine geringe Lebenserwartung... Für eine kurze Zeit hat mich das ziemlich runtergezogen, und dank wohlmeinender Freunde und Bekannte wurde ich auch immer wieder an die 'Fakten' erinnert. Doch nachhaltig beeindruckt hat mich das dann doch nicht. Jeder hat eine Chance, es gibt in jeder Statistik 'Ausreißer', warum solltest Du nicht dazugehören ? Wenn Du kämpfen wollen würdest...
Ja, was dann ? Würde ich Dich stützen und unterstützen können ? Würdest Du kämpfen wollen ? Würden wir gemeinsam gehen können ? Wieviel 'Gemeinsam' gibt es überhaupt in existentiellen Fragen ? Wir kommen allein und wir gehen allein, den ersten und den letzten Atemzug können wir nicht teilen...

Ich wußte aus der Zeit von Papas Erkrankung, daß wirkliche Unterstützung und Hilfe von außen selten ist; praktische Sachen wie Einkaufen und sowas, das ja, aber Teilnahme, Entlastung für die Seele, das hatte ich bei keinem gefunden. Eher schon wohlmeinende Ratschläge mit belastenden Nebenwirkungen.
Wenn ich Con nicht an meiner Seite gehabt hätte, wäre das alles viel schwerer gewesen. Und vermutlich hätte ich viel mehr Zeit mit Vergangenheitsbetrachtung zugebracht. Doch als ich endlich aufgehört hatte, mir all diese Gedanken zu machen, all die Für und Wider abzuwägen, wußte ich, die Frage, um die es im Grunde ging, war ganz einfach: Bin ich Mensch genug, DA zu sein ? Und die Antwort war ja.
Ich wollte Dir beistehen, Mama, und das habe ich Dir auch gesagt. Welchen Weg Du auch immer gehen würdest, ich würde an Deiner Seite sein. Mit meiner Beziehung zu Dir hatte das gar nichts zu tun, Du warst ein Mensch, ich war ein Mensch, und Du bist meine Mutter... So einfach... Und so schwer...
Im Laufe der Zeit sollten noch oft Momente des Schmerzes und des Ärgers über die Vergangenheit kommen, doch mit Cons Hilfe konnte ich selbst meine kleinen Vergeltungsphantasien in Worte fassen und mich schon darüber entlasten.

Du warst sehr gefaßt in diesen ersten Tagen nach der Diagnose, Du warst, wie ich Dich vorher nie erlebt hatte: zum ersten Mal seit ich Dich kannte hast Du nichts verdrängt und nichts dramatisiert, ja, in Anbetracht der Umstände war Dein Verhalten schon beinahe zu maßvoll und umgänglich. Du schienst irgendwie 'zufrieden' zu sein... Du hast 'Bestellungen' aufgegeben und klar und deutlich gesagt, was Du wolltest, hast Bitten direkt geäußert, hast angefangen zu sagen was Du wolltest und was nicht.
Mama, ich habe mich gefreut für Dich damals, endlich keine 'Spielchen' mehr. Und gleichzeitig war ich sehr traurig, die ewige Frage... mußte es erst so weit kommen ?


Ein Traum, ein Traum ist unser Leben
Auf Erden hier.
Wie Schatten auf den Wolken schweben
Und schwinden wir.
Und messen unsre trägen Tritte
Nach Raum und Zeit;
Und sind (und wissen's nicht) in Mitte
Der Ewigkeit...

Johann Gottfried Herder
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