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Alt 24.05.2017, 00:57
lotol lotol ist offline
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Standard AW: Meine Mama stirbt...

Liebe Catalie,

Zitat:
Ich bin hochsensibel, gehe 1:1 mit meiner Mama mit und habe das Gefühl, ich sterbe auch. Ich spüre ihre Angst, Ihre Trauer, Ihr Bedauern über nicht gewesenes und vor allem über die verlorenen Träume. Ich kann mich nicht abgrenzen!!!...
"Abgrenzen" würdest Du Dich ja nicht, wenn Du an die Ostsee fährst.
Könntest jederzeit zurückfahren.

Zitat:
Ich möchte so viel wie möglich bei meiner Mutter sein und gleichzeitig weiß ich auch, dass ich es nur sehr begrenzt schaffe. Dabei geht es nicht so sehr um die Zeit, sondern eher um die Kraft, die es mir raubt. Ich fühle mich ausgelutscht, ohne Energie, als ob ich durch Watte gehe. So bin ich seit ein paar Tagen täglich 1 1/2 bis 2 Stunden bei ihr...
Denke, die Kraft kommt aus dem Kopf.
Wenn man mal von Bier, Eiern, Essen, Kuchen, Schokolade, Süßigkeiten und Zucker (Energie pur) absieht.

Zitat:
Auch dieser "Abschied auf Raten" macht mich so fertig. Ich habe das Gefühl, ich kann nicht mehr zur Ruhe kommen, als ob es eine unaufhörliche Qual ist. Ich verabschiede mich täglich von Mama und brauche dann 6-12 Stunden, um mich wieder einigermaßen zu sammeln - und dann geht es von vorne los.
Ich weiß nun nicht, ob die 6 - 12 h die Schlafzeit beinhalten.
Ist aber eigentlich auch egal.
Das alles "treibt Dich um".
Typisch dafür ist, was Du nanntest:
Gefühl, wie in Watte gehend. => Alles irgendwie "unwirklich".

Zitat:
Jetzt war eigentlich geplant, dass ich übermorgen mit den Kindern für fünf Tage an die Ostsee fahre. Ich drehe mich jetzt hier im Kreis, weil ich nicht weiß, was ich machen soll.

Ich möchte meine Mutter so ungerne so lange alleine lassen. Meine Besuche strengen sie an, aber sie freut sich auch. Und ich kann ihre Angst spüren. Ich möchte sie nicht "im Stich lassen"... Vor allem möchte ich später nicht bereuen, dass ich nicht da war.

Ich rechne nicht damit, dass meine Mutter "vollständig" stirbt, während ich weg bin. Aber Teile von ihr wird es danach nicht mehr geben...

Auf der anderen Seite aber freuen sich die Kinder so auf die Tage. Und ich selbst könnte eine Pause gut vertragen. Meine Schwester kann in der Hälfte der Zeit für einen halben Tag zu ihr kommen. Und ich habe auch das Auto mit und könnte innerhalb weniger Stunden wieder hier sein.

Mein Kopf sagt: "Geh", aber mein Herz ist zerrissen!

Ein paar Worte würden mir sehr helfen! Ich fühle mich sehr allein!
Du befindest Dich in einer recht schwierigen Entscheidungs-Situation, in der es auch schwierig ist, Dir zu Deinem Handeln einen Rat geben zu wollen.
Dennoch will ich es versuchen.


Nehmen wir mal an, Du würdest Deine Mutter fragen, ob Du mit den Kindern an die Ostsee fahren sollst oder nicht.
Wie Mütter nun mal so "gestrickt" sind, würde sie wohl antworten:
Fahr ruhig los.

Würde Dir das irgendetwas helfen können?
Sozusagen mit "Absolution und Segen" Deiner Mutter loszufahren.
Würdest Du im Ernst glauben, daß Deine Mutter das auch wirklich so meint?
Und Dich nicht viel lieber in ihrer schwersten Zeit (bei ihrem Sterben) um sich haben würde??

Sicher sagt der Kopf:
Zitat:
Ich rechne nicht damit, dass meine Mutter "vollständig" stirbt, während ich weg bin.
Er sagt aber auch:
Zitat:
Aber Teile von ihr wird es danach nicht mehr geben...
Bestenfalls, weil Du nicht ausschließen/ermessen kannst, was geschehen könnte, während Du evtl. von der Ostsee nach einer "Alarm-Meldung" zurückfährst.

Nachdem Du Dich im 1. Zitat als hochsensibel... beschriebst, bezweifele ich, daß Du recht viel Freude an dem Kurzurlaub haben würdest.
Weil Dich all das höchstwahrscheinlich einfach nicht losläßt.

Es geht dabei m.E. nicht um die Kinder oder um den evtl. "Erholungswert" des Kurzurlaubs.
Sondern um etwas ganz anderes:
Agape. => https://de.wikipedia.org/wiki/Agape


Nehmen wir mal an, Du würdest nach einer Alarm-Meldung zurückfahren, währenddessen Deine Mutter aber stirbt.
Wie beschissen würdest Du Dich dann für den Rest Deines Lebens fühlen?
Obwohl evtl. Deine Mutter in selbstloser Liebe (=Agape) sagte:
Fahr ruhig los.

Auch wenn Du sie nicht nach ihrer Absolution fragst:
Willst Du Dir selbst so etwas ggf. wirklich antun?
Das evtl. Bewußtsein, die bedingungslose Selbstlosigkeit der Liebe Deiner Mutter zu Dir nicht adäquat "zurückgegeben" zu haben.

Sieh mal:
Deine Mutter hat Dich (aus dem Dreck) großgezogen.
In Liebe gegeben, gegeben und immer wieder gegeben.
Und nun willst Du sie allein lassen?

Du bist Mitt-Vierzigerin.
Und kannst vielleicht noch 100 Mal oder mehr nach dem Tod Deiner Mutter mitsamt Deinen Kindern an die Ostsee fahren.
Völlig unbeschwert.

Derzeit kannst Du das aber m.E. nicht tun.
Bleib besser bei Deiner Mutter.
Im beiderseitigen Interesse.


Liebe Grüße
lotol
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Krieger haben Narben.
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1. Therapie (2016): 6 Zyklen R-CHOP (Standard) => CR
Nach ca. 3 Jahren Rezidiv

2. Therapie (2019/2020): 6 Zyklen Obinutuzumab + Bendamustin => CR
Nach ca. 1 Jahr Rezidiv, räumlich begrenzt in der rechten Achsel

3. Therapie (2021): Bestrahlung
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