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Alt 02.11.2002, 14:15
Gast
 
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Standard Kübler-Ross und ihr Sterbephasen Modell

Hallo Tanja, hallo Lillebror,

also deine Ansicht bzgl. der "Enttäuschung", die Angehörige empfinden können, verstehe ich nicht, Tanja. Ich habe als Angehöriger natürlich die Hoffnung, dass der Sterbende es irgendwann schafft, in Frieden zu gehen, es also anzunehmen, dass sein Tod unabwendbar ist. Ich habe die Hoffnung, dass er zu einem neuen Lebensbewusstsein gelangt und seinem vielleicht nur noch kurzen Leben einen Sinn zu verleihen in der Lage ist. Ich habe die Hoffnung, dass er sein Sterben und seinen Tod akzeptieren kann.
Ich glaube nicht, dass ich so etwas wie Enttäuschung empfinden kann, wenn er einen anderen Weg wählt. Eher Trauer. Ich kann traurig darüber sein, wenn er anders denkt als ich es tue.

KR beschreibt in ihren Büchern ihre Erfahrungen mit Sterbenden und deren Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod. Sie beschreibt verschiedene Prozesse, die ein Sterbender durchmachen KANN, wenn er sich mit der Möglichkeit seines Sterbens auseinandersetzt.
Die "Entwicklungsrichtung" ist vorgegeben, Lillebror, das stimmt.
Das Ziel des Prozesses ist es nämlich, sein eigenes Sterben anzunehmen. Je nach Grundeinstellung eines Menschen geht es im Leben um nichts anderes. Und ich als Angehöriger wünsche mir nichts sehnlicher, als dass der Betroffene dies auch schafft (s.o.). Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod kann sehr brutal sein. Es ist eine Aufgabe für ein ganzes Leben. KR behauptet aber, dass man auch innerhalb kürzester Zeit diesen Prozess durchleben kann mit dem Ergebnis, dass man dem eigenen Tod ohne Furcht ins Auge blicken kann. Dazu aber sind verschiedene Enrwicklungsschritte notwendig. Dazu gehört auch das Verleugnen der Möglichkeit, dass man sterben könnte. Der Mensch ist nicht in der Lage, sich seinen eigenen Tod vorzustellen. Jeder weiß, dass er irgendwann sterben muss, aber keiner kann es sich wirklich vorstellen. Wir leben zeitlebens mit der Verdrängung unseres eigenen Todes. Wenn nun aber jemand eine Krankheit hat, die mit größter Wahrscheinlichkeit zum Tode führen wird, muss er sich mit dieser Möglichkeit auseinandersetzen. Er muss also einen Weg aus dieser Verleugnung finden. Jemand, der vielleicht den eigenen Tod schon immer in sein Leben mit einbezogen hat, wird diese Phase überspringen können oder schneller durchleben können. Jemand, der nie auch nur einen Gedanken daran verschwendet hat, dass er eines Tages gehen muss, wird es schwerer haben. Er braucht vielleicht sehr lange bis er akzeptieren kann, dass er bald nicht mehr sein wird. So, ich denke, bis zu diesem Punkt sind wir uns einig, oder? Wie jetzt der Angehörige damit umgeht, steht doch auf einem ganz anderen Blatt. KR zeigt auf, wie man als Angehöriger auf die symbolische verbale und nonverbale Sprache des Betroffenen reagieren kann und was sie bedeutet. Der Angehörige antizipiert dabei nicht den Tod des Betroffenen, sondern erkennt nur die "Entwicklungsstufe" des Betroffenen. Denn dieser teilt dem Angehörigen auf seine Weise den Stand seiner Entwicklung in der Auseinandersetzung mit seinem Sterben mit. Niemand außer dem Sterbenden selbst kann sagen, ob und wann dieser sterben wird. Aber der Betroffene WEIß es. Und dieses Wissen teilt er mit, mal deutlicher, mal weniger deutlich, je nachdem, wie viel sein Angehöriger ertragen kann.

Viele Grüße. Anja
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