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Alt 22.05.2010, 19:39
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Eponina Eponina ist offline
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Standard AW: Das Leben danach

Hallo, Evi!
Weisst Du, ich war "schon" 30, als es mich erwischt hat. Trotzdem hat es mich ganz schön umgeworfen. Die ganze Planung, die man sich im Kopf so macht und für die man ja noch soooooo lange Zeit haben wird, dahin. Erstmal gegen das Monster kämpfen, alles andere ist erstmal egal. Ich weiss noch, dass ich meine letzte Chemo am 9.12. hatte. Und am 10.12. sass ich bei meiner Therapeutin und hab mich gefragt "Und jetzt?!?". Für 6 Monate war mein einziges Ziel der 9.12. Und ich hatte mir null Gedanken darüber gemacht, was danach kommt. Und irgendwie erwartet, dass dann alles wieder "normal" ist. Das wird es aber nie wieder sein. Ich muss viel mehr auf mich achtgeben, meine Grenzen erkennen und auch akzeptieren. Und ich hab gespürt, dass mein Leben endlich ist. Trotzdem hatte ich "schon" einiges erreicht. Ich habe das Abi gemacht, eine Ausbildung, viele Jahre gearbeitet und mir einen Ruf in meinem Job erarbeitet. Darum habe ich es nun etwas leichter als Du.
Was ich sagen will: wenn man mit 18, wo man eigentlich den Kopf in den Wolken haben und nicht in Gedanken beim Tod sein sollte, mit so einer Krankheit konfrontiert wird, ist es glaub ich völlig normal, dass man Ängste aufbaut. Dein Körper hat Dich sozusagen "im Stich gelassen". Du konntest Dich wahrscheinlich immer auf ihn verlassen, und dann sowas. Dass Du ihm und somit auch Deiner Leistungsfähigkeit nicht mehr traust, ist ganz klar. Das geht oder ging mir ähnlich. Und Du hast, soweit ich das jetzt verstanden habe, noch keine Ausbildung. Die ja auch Kraft kostet, und Leistungsvermögen. Sicher ist sie trotzdem für Dich zu schaffen, aber dass Du zweifelst, kann ich verstehen!
Auch das mit dem Gedächtnis kenn ich. Ich war immer die, die sich alles merken kann. Und jetzt? Ohne Zettel und Kalender läuft nichts mehr. Die Zellgifte zerstören halt auch ne Menge gesunde Zellen. Das muss man wohl oder übel hinnehmen. Aber auch da hast Du vermutlich das Gefühl, Dich nicht mehr auf Dich verlassen zu können...
Hast Du schon mal Yoga gemacht? Es gibt da auch recht günstige DVD's. Vielleicht hilft Dir das, Deinen Körper mit Deinem Geist wieder ein bisschen zusammenzuführen und zu versöhnen... Das ist sehr wichtig!!! Ich weiss, er hat "versagt", aber trotzdem musst Du lieb zu ihm sein.

Mir fiel es während der Behandlung auch viel leichter, einen Galgenhumor zu behalten. Was hat man auch sonst für eine Wahl? Für mich war es nie eine Option, nur noch zu heulen. Davon wird es auch nicht besser.
Trotzdem geht mir jetzt manchmal auch die Puste aus, immer über alles zu lachen. Ich krieg meine Cortison-Kilos nicht weg, hab ein Lymphödem in den Beinen, lieg deshalb 2mal die Woche bei der Lymphdrainage, hab Schmerzen in den Gelenken und wer weiss, was da noch alles kommt.
Trotzdem bin ich glücklich, dass ich es geschafft hab. Und obwohl ich natürlich lieber ein "normales" Leben hätte, bin ich manchmal auch dankbar für die Erfahrungen, um die ich jetzt reicher bin. Ich weiss, wie stark ich bin, wieviel ich schaffen kann, dass mich so schnell nichts umhauen kann (ich wurde ja während der Therapie auch noch von meinem "Freund" belogen und betrogen). Ich hatte große Angst, dass ich mein Urvertrauen verlieren könnte, aber ich hab mich wieder aufgerappelt. Und ich sehe nach dem großen "K" vieles so viel lockerer. Was soll ich mich über ne Kleinigkeit aufregen?!? Es gibt wahrlich Schlimmeres...
Außerdem lernt man, auf sich selbst mehr zu achten, sich nicht zu überfordern (es bleibt einem ja nichts anderes übrig. ).
Für all das bin ich auch dankbar.
Aber das hätte ich ohne meine Therapeutin in dieser Form wohl nicht erreicht, da bin ich ganz ehrlich...

Was ich sagen wollte ist: dass Dich so eine Krankheit in so jungen Jahren noch mehr aus der Bahn wirft als jemanden, der schön älter ist, ist wohl völlig normal. Darum mach Dich bitte nicht selbst fertig und such Dir Hilfe. Und zwar jemanden, der nicht denkt, dass es Dir doch eigentlich gutgeht. Sondern jemanden, der versteht, wie verwundet Deine Seele ist.

Galgenhumor mag einem durch die schwere Zeit helfen, aber irgendwann muss er auch wieder der Lebensfreude Platz machen...
Und zuallererst muss man lernen, seine Ziele und Pläne zurückzustecken und auch an kleineren Dingen (Lebens-)freude zu haben.
Mir persönlich hat ein Vorfall in diesem Forum nochmal einen "Dankbarkeitsschub" gegeben. Eine liebe Mitstreiterin, die alles mit Humor ertragen hat, hat es nicht geschafft. Es macht mich unendlich traurig. Aber es erinnert mich auch daran, wie dankbar ich sein muss für das Geschenk, dass ich bekommen habe. Ich darf leben!!! Wenn auch in etwas zurückgesteckter Form...

Also, Kopf hoch, liebe Evi!!! Tu Dir und Deinem Körper Gutes, freu Dich an der Sonne, der Natur und den lieben Menschen in Deinem Leben. Und nimm alle Hilfe in Anspruch, die Dir zusteht und die Du brauchst.
Fühl Dich umarmt!!!
Tanja
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Morbus Hodgkin 2a, 8X BEACOPP von 06/08 bis 12/08
Chemos geschafft!!!!
Ab 05.02.09 Bestrahlungen (17 Stück, 30 Gy)
FERTSCH!!!!!!
Kontrolluntersuchung ergab: REMISSION!!!!!
Kontroll-CT im Januar 2010: weiterhin alles okay!!!
Vorgezogenes CT Nov 2010: alles top!!!
Kontroll-CT Nov 2011: alles bestens!!!
Kontroll-CT Nov 2012: immer noch alles gut!!!
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