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Alt 21.10.2013, 19:47
Jens73 Jens73 ist offline
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Standard Adjuvant Carboplatin bei Seminom Stadium 1

Hallo,
bei mir wurde vor gut einem Jahr ein Seminom Stadium 1 diagnostiziert. Nach der unumgänglichen OP stellte sich die Frage des weiteren Vorgehens.
1) Wait and see
2) Bestrahlung
3) Carboplatin
Da ich Arzt bin, hatte ich ungehinderten Zugang zu der aktuellen Fachliteratur. Zudem war ich bei einem sehr guten niedergelassenen Urologen und konnte so meine Entscheidung treffen.
Vorweg: zu 2) wird nicht mehr empfohlen, da man gesehen hat, dass durch eine Bestrahlung vermehrt Zweittumoren entstehen können. Zudem sind dann häufig Magen oder Bauchspeicheldrüse betroffen-und das sind schlecht zu behandelnde Krebsarten. Letztlich konnte gezeigt werden, dass die Bestrahlung, statistisch gesehen, mehr Folgetumore entstehen lässt, als dass sie Rezidive verhindert.

zu 1) Wählt bei einem Seminom im Stadium 1 eine adjuvante Therapie, ist man zu 80% überbehandelt-natürlich mit entsprechenden Neben- und Folgewirkungen. Spräche eher gegen eine adjuvante Therapie. Aber, andersherum gerechnet, dass Rezidiv Risiko von 20% erschien mir recht hoch. Jedes Mal mit der Angst zur Nachsorge zu gehen, zu dem 1/5 zu gehören - keine tolle Vorstellung. Zudem bin ich ein eher ängstlicher Mensch. Und die folgende potentielle Therapie (Bestrahlung oder Chemo mit PEB) hinterlässt doch Ihre Folgen. Im Deutschen Ärzteblatt war vor ca. 2 Jahren eine Studie erläutert, bei der Hodenkrebspatienten über Jahre weiter beobachtet worden sind. Ein nicht unerheblicher Teil der Patienten (so ca. 1/3, genau weiß ich das nicht mehr, müsste ich noch mal nachschauen) hatte nach Jahrzehnten noch gesundheitliche Probleme wie Polyneuroapthien oder ein Raynaud-Syndrom. Und vor 6 Monaten lag auf unserer Intensivstation ein Patient mit einer Lungenfibrose durch Bleomycin.

zu 3) Nach einiger Überlegung entschied ich mich daher für Carboplatin, obwohl ich mich zunächst gegen eine Chemotherapie gesträubt habe-allein das Wort klingt ja schon schrecklich und weckt alle möglichen Horrorvorstellungen. Ich hatte mich vorher noch mit der Chefin einer großen Hämato-Onkolgie kurzgeschlossen, die mir die Therapie empfahl und mir Ängste vor Nebenwirkungen und Nachwirkungen nahm. Das Rezidiv Risiko kann so doch erheblich gesenkt werden. Und ich habe alles wunderbar vertragen. Dank der guten antiemetischen Abschirmung direkt vor der Chemo hatte ich eigentlich keine Übelkeit, ich musste nur 1 mal 8 mg Ondansetron sublingual am 2. Tag nehmen. Ca. 1 Woche war ich körperlich angeschlagen und schlapp. Aber bei weitem nicht so schlimm, wie der Noro-Virusinfekt, den ich 1 Woche vor der Chemo hatte. Nur psychisch hatte es mich ganz schön runtergezogen, das hielt so knapp 2 Wochen an. Ob das eine Medikamentenwirkung war, sei mal dahingestellt. Die Haare (die restlichen die noch habe) sind mir auch geblieben.
Nach knapp 1 Monat bin ich wieder meine 1. Skitour gegangen (1500hm), nach 2 Monaten: 5-tägiger Skitourenurlaub mit täglich 1000-1500 hm (Arbeiten ging nach 2 Wochen übrigens auch wieder)
Aktuell ist alles paletti, Nachsorge bis jetzt ohne pathologischen Befund, Niere, Blutdruck, Lipide-alles im Normbereich. Ich lasse übrigens MRT-Untersuchungen als zur Nachsorge machen.

Fazit: Ich bin mir sicher, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Ich habe alles bestens vertragen und bin froh, die Prozente Rezidivrisikoreduktion mitgenommen zu haben.
Ich hoffe, mit dieser Erfahrung Betroffenen (Seminom Stadium 1) in der individuellen Entscheidungsfindung zu helfen und die Angst vor Nebenwirkungen durch die Carbo-Chemo zu nehmen.
Alle Gute und Kopf hoch
Jens

http://www.aerzteblatt.de/nachrichte...g?s=hodenkrebs
http://www.aerzteblatt.de/nachrichte...h-CT-Nachsorge

Geändert von Jens73 (21.10.2013 um 20:00 Uhr)
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