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Alt 10.06.2012, 23:34
rita2210 rita2210 ist offline
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Unglücklich AW: bronchialkarzinom endstadium kleinzellig

Liebste Dani, Liebste Micky,

entschuldigt, dass ich übers WE nicht gleich geantwortet habe. Es gab viel zu tun und ich bin ehrlich gesagt, wenn man es nach außen auch nicht so merkt, ziemlich erschöpft.

Wie lieb von dir Dani, dass du dich nach meiner Mama erkundigst. Da wird mir ganz warm ums Herz, wenn ich bedenke, wie viel du selber gerade durchmachst.

Meine Mama ist am Freitag nach Hause gekommen. Es war so weit, der für sie und irgendwo auch für mich so gefürchtete Tag, die Rückkehr an den Ort, den wir zwei Monate zuvor mit so viel Hoffnung verlassen hatten und an den wir jetzt als völlig andere Menschen wieder angekommen sind, mit trauriger Gewissheit.

Du weißt ja wie groß die Panik meiner Mama war, dass sie nicht beschützt und versorgt sein würde, dass es mehr Schmerz und Angstzustände geben würde. Aber das erste was sie gesehen hat waren ihre zwei kleinen Enkel, die sie lange zwei Monate nicht gesehen hat und sie mit einem ganz großen herzlichen und freudigen "Hallo Omi" empfangen haben. Allein das hat ihr gleich so viel Glückseligkeit verliehen, man hat es ihr angesehen. Das hat mich so glücklich gemacht. Die Kids haben sie zum Lachen gebracht, sie hat es so genossen, gleichwohl sie so abgeschlagen ist. Die Mattigkeit ist wirklich erheblich und zur Zeit ihr größtes Problem.
Sie wäre so gerne mobiler und hätte gerne die Kraft alleine aufzustehen und sich ihr Frühstück zu machen, sich im Bett besser betten zu können. All das fällt ihr so unheimlich schwer und ist z.T. momentan einfach nicht zu schaffen.

Am Freitag habe ich alle Medikamente für sie vorbereitet für die ganze Woche, meinen Vater in allem instruiert, Notfallnummern und sonstige wichtige Listen erstellt. Bin mit ihr Abläufe zu Hause durchgegangen und hab mir auch die Zeit genommen sie zu genießen und sie uns genießen zu lassen.

Die beide ersten Nächte zu Hause sind Gott sei Dank ganz ruhig und abgelaufen und morgen kommt unser Palliativarzt zum ersten Mal gemeinsam mit dem ambulanten Pflegedienst und ich bin sehr gespannt auf das Zusammentreffen und habe schon eine Liste voll Fragen, die ich morgen abklären will.

Die Ergebnisse des Hirn Cts sind für meine Mama positiv ausgefallen. Keine Hirnmetas und auch keine Anzeichen für eine Thrombose. Allerdings kann sich auch niemand erklären weshalb es vor einer Woche so schwierig mit dem Sprechen war und der Mundwinkel hing. Ich traue dem Braten noch nicht ganz, aber was will man machen...?

Ich nehme jeden halbwegs guten Tag wie ein Geschenk an und versuche trotzdem so weit wie möglich vorbereitet zu sein, wenn ein schlechter Tag kommt und mich nicht aus der Bahn werfen zu lassen und weiter richtig funktionieren zu können.

Im vergleich zu dir und auch zu Sylvia haben Mama und ich ja schon nun mehr als zwei Jahre mit diesem neuen Leben hinter uns gebracht. Und trotzdem habe ich das Gefühl überrannt zu werden, wie eine Welle im Meer, die dich einfach mitreißt und du weißt beim Überschlagen und dem Hin und Her gerissen werden durch die Wucht einfach nicht mehr wo oben und unten sind. Genauso überschlagen sich die Gedanken. Es geht alles so schnell, dass man Gedanken nicht zu Ende denkt, Gefühle aufeinander prallen...der Kopf raucht und ist plötzlich leer, um sich ohne Ruhephase sofort wieder in neue Gedanken zu stürzen. Und ich kann verstehen, wenn es bei dir und deiner Schwester alles um ein vielfaches extremer ist als bei mir.

Um so mehr bewundere ich deine Kraft, alles was du aufbringst, um an der Seite deiner Mama sein zu können. DU BIST DA, obwohl du weißt, der Schmerz wird noch schlimmer werden, DU BLEIBST DENNOCH DA, AN DER SEITE DEINER MAMA, du wirst das schaffen. Und ich kann Sylvias Worten so viel Wahrheit abgewinnen. Ich kann es mir auch noch so vorstellen und hoffe so sehr, dass es bei mir auch so sein möge, dass ich mit jedem schlimmeren Tag noch mehr an Kraft gewinnen möge.

Dani und auch Micky, ich bekommen Gänsehaut, wenn ich über das Gespräch zwischen eurer Mama und eurer Schwester lese. Es gibt wirklich keinen stärkeren Wunsch, den ich hege, als das Mama nicht alleine gehen muss. Sie hat mich seit meiner Geburt begleitet und irgendwann gab es einen fließenden Übergang und langsam habe ich sie begleitet und ich mache es so gerne und mit so viel Liebe, dass ich mir wünschte ich dürfte sie auch hierbei begleiten. Nur sicher rüberfahren an das andere Ufer. Ich würde auch noch nicht vom Boot steigen, denn ich muss ja noch für meine Familie das sein und meine drei Männer hier auf dieser Seite begleiten. Aber ich würde nur sicher gehen, dass sie gut angekommen ist ihr einen dicken Kuss aufdrücken und fest umarmen sie vorsichtig aussteigen lassen und sagen "Mama, hier wird es dir gut gehen, ich fahre jetzt wieder nach Hause und komme bald wieder, dann werden wir endlich wieder zusammen sein".

Meine Nichte (6 Jahre) ist dieses Jahr im Januar schon so jung rübergefahren. Ich denke jeden Tag an sie und bitte sie ihre Oma, wenn es soweit ist abzuholen und zu begleiten. Dieser Gedanke erleichtert mir und meiner Schwester vielleicht das Unvermeidliche.

Ich möchte euch lange lange drücken und halten und tue es auch aus der Ferne :knud del:

Ihr sollt noch einmal wissen, dass hier jemand an euch denkt und Kraft sendet.

Liebe Grüße ihr zwei

Rita
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