Einzelnen Beitrag anzeigen
  #14  
Alt 26.03.2004, 10:59
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard Weiß nicht weiter...

Ein liebes Hallo an Alle,

ich hab es gestern nicht mehr über's Herz gebracht weiterzuschreiben. Zu schreiben kostet viel Kraft und dann wird immer erst alles viel schlimmer. Aber heute denke ich, es hat geholfen - ein kleines Bisschen. Ihr helft mir alle auf so liebe Art dabei, zu verstehen, was passiert ist.

Die ersten Wochen nach dem Tod von meinem Ralfi, hab ich alles verdrängt, mich in meiner Wohnung verkrochen, den ganzen Tag an die Wand gestarrt, bin nicht ans Telefon gegangen. Jetzt merke ich, dass das vielleicht ein Fehler war, weil ich wenn ich alleine bin, in meiner Scheinwelt lebe, in der er noch da ist. Ich kann das gar nicht beschreiben, aber irgendwie streiche ich seinen Tod aus meinem Kopf, bilde mir ein, dass er noch lebt, höre unsere Lieblingsmusik, gucke unsere Lieblingsserien im Fernseher.

Erst dann, wenn ich hier schreibe oder bei meiner Mutti bin, wird die Wahrheit für mich sichtbar und schockiert mich jedes Mal auf's neue. Dann fange ich an zu zittern, zu weinen und möchte so schnell es geht wieder in meine (Schein-)Welt zurück. Er war für mich - oder nein - er ist für mich der wertvollste Mensch der Welt, von dem ich viel gelernt habe, dessen lachen, wenn sein Schwesterchen den Raum betreten hat, mir soviel gegeben hat. Das sind die Dinge, an die ich pausenlos denke.

Sein langer Kampf, seine Schmerzen, ja sogar die letzten Stunden mit ihm, als ich sah, wie nach und nach der Krebs und der Tod ihren Kampf gewonnen haben, das alles sind Bilder, die schiebe ich so oft es geht und so gut es geht weg.

Ich komme aus meiner Welt nicht raus und ich fühle mich jedes Mal wie gelähmt, wenn mich jemand "weckt".

Ich würde es gerne verstehen und ich würde auch gerne den Mut wiederfinden, aber mein Bruder hat mein Leben komplett gemacht und ich weiß nicht, wie ich das schaffen soll.

Habt ihr auch in zwei Welten gelebt? In meiner Welt, in der er noch lebt, kann ich arbeiten gehen, den Alltag bewältigen, manchmal sogar lächeln. Aber sobald ich nicht mehr alleine bin, mit jemandem spreche, jemand mich "weckt", komm ich nicht mehr zurecht, habe das Gefühl vor lauter Traurigkeit durchzudrehen. Dann wird mir schwindling und ich fange an zu zittern.

Und das schlimmste ist, dass ich mit meiner Mutti nicht reden kann, es geht einfach nicht, keine Träne kommt, ich fühle mich wie ein Roboter. Das ist nicht schlimm für mich, aber für sie glaub ich sehr. Sie denkt bestimmt, ich bin kalt und habe kein Herz.

Ich kann daran aber irgendwie auch nichts ändern, ich möchte nur in meine (Schein-)Welt, nur so kann ich irgendwie leben, weil er da ist.

Liegt das dran, dass ich ihn nicht loslassen kann? Aber wie soll ich denn...

Ich bin so verzweifelt. Wie soll das Leben nur weitergehen ohne meinen Ralfi?

Danke für die lieben Umarmungen! Ihr gebt mir mehr Kraft als ihr Euch vorstellen könnt! Vielen Dank und viele Grüße

Steffi
Mit Zitat antworten