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Alt 14.01.2012, 09:24
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Standard AW: Myxoides Liposarkom - Rezidive

2004

Im Frühjahr spürte ich einen kleinen Dippel dort, wo täglich das herauskommt, was man am Vortag gegessen hat. Wird wohl eine Hämorrhoide sein, dachte ich. Publiziert worden war, dass die Wissenschaft möglicherweise erfolgreich versucht mit Wirkstoffen den Tumoren die Blutzufuhr abzuschneiden. Man lässt sie aushungern. Eine Hämorrhoidensalbe wäre demgemäß kontraindiziert, ein Arztbesuch wohl kontraproduktiv.

Im Herbst begann dieser Bereich zu schmerzen, und wie das so ist, manche Schmerzen vergehen, manche nicht – diese blieben. Ausgestattet mit meiner Weißkittelallergie ging ich zur neuen Hausärztin, Sie überwies mich mit Metastasenverdacht auf die Onkologie des nahegelegenen KH.

Auf der Onkologie konnte, besser gesagt musste ich ein Arztgespräch mithören. Einem älteren Herrn wurde vor mir, im Warteraum, von der Ärztin mitgeteilt, dass er sich nochmals einer OP unterziehen müsse. „Warum“, fragte er, „warum haben sie nicht gleich das Ganze rausgenommen“ und die Ärztin antwortete „das machen wir immer so, wir nehmen zuerst immer nur einen kleinen Teil raus“. Ich spürte wie sich mein Körper verkrampfte. Wird wohl so eine Darmgeschichte sein, meinen Gedanken gelang es kaum mein Bauchgefühl zu beruhigen.

Dann wurde ich von einer ganz lieben Onkologin aufgerufen. Sie gab mir ohne Plastikhandschuhe die Hand, tastete ohne Plastik meinen Oberschenkel ab und erst dann, bei Betrachtung meines Hinterteils, griff sie zum Handschuhspender und zog das kalte Latex über. Ich empfand immer großes Unbehagen, wenn Ärzte nach Patientenwechsel die Handschuhe nicht wechselten, die Plastikhände nicht gewaschen wurden. Sie war sich nicht ganz sicher, möglicherweise wäre das eine Metastase, war ihre Meinung. Wie auch immer, das gehört chirurgisch saniert. Nach meiner Einwilligung informierte sie telefonisch den Oberarzt der chirurgischen Ambulanz. Als sie auflegte sagte sie: „damit nichts passiert“.

Es war bereits Mittag, Übelkeit stieg in mir auf, es war noch nicht abzusehen wann ich aufgerufen werden. So ging ich in den Parterre zum Kaffeeautomaten, holte mir einen Kaffee und ging gleich wieder zur Chirurgie. Dort angekommen wurde ich auch schon aufgerufen. Mit dem Kaffee ging ich also zum Arztgespräch. Der Arzt sah sich das Problem an, ich konnte mich wieder anziehen und niedersetzen, nahm einen Schluck Kaffee. „Trinkens nur ihren Kaffee weiter, sie sollten nämlich nüchtern sein“ sagte er. Dann rief er den Arzt an, welcher mich operieren würde und teilte ihm mit, dass eine Exzision durchzuführen sei“, legte auf und lachte, die Schwester mit ihm. Ich hinterfragte dieses Verhalten und wurde aufgeklärt, dass ich von einem „sehr guten Spezialisten, dem besten Chirurgen des KH“ operiert werden würde – und sie grinste wieder. Die Notaufnahme verweigerte ich, ich musste nochmals nach Hause, für meinen Hund einen Platz finden und mein Bett frisch überziehen. Dank des unangebrachten Kaffee trinkens wurde, ohne viele Diskussionen der Aufnahmetermin auf 15 Uhr verschoben.

Es war ein schönes 3-Bett-Zimmer welches mir zugewiesen wurde. Auf dem Einwilligungsbogen verwies ich auf meine Patientenverfügung und, dass ausschließlich eine Exzision, ggf. mit knappem Rand sollte der Schließmuskel gefährdet sein, durchzuführen sei. Nun kam eine Anästhesistin kurz vorbei, beim weggehen meinte sie „Ich gebe ihnen einen Kreuzstich“, ich rief ihr nach „warum“. Schon bei geöffneter Zimmertüre antwortete sie sehr unfreundlich , dass sie mir, mit meiner Schilddrüsenerkrankung sicher keine Vollnarkose gäbe. „Was, rief ich, das habe ich aber noch nie gehört“ und „wie siehts denn da mit den unerwünschten Nebenwirkungen aus, bin ich dann ganzkörpergelähmt oder kann ich nur die Beine nicht bewegen“ rotzte ich zurück.

Der OP-Gehilfe kam, meinte wohlwollend „das Abszesserl haben wir gleich“, ich versuchte den Irrtum aufzuklären. Dies gelang nicht, aufstehen und davonlaufen konnte ich auch nicht mehr. Im OP angekommen versuchte ich erfolglos immer wieder auf die Metastasenmöglichkeit hinzuweisen, letztendlich verlangte ich eine Spritze zum einschlafen. Kurz vor dem einschlafen hörte ich das Telefon läuten, eine Schwester sagte: „Sch., immer vor Dienstschluss“ und „Notfall nicht beatmet, nicht intubiert“ und schon lag ich alleine im OP. Das war ja wie im Film mit dem Ärtzehelikopter.....

Aufgewacht bin ich wieder im Zimmer, bei der Visite hörte ich, dass ich 3 Tage nur Flüssigkeit, u.a. Astronautennahrung zu mir nehmen dürfe. Mit danke, brauche ich nicht, ich habe genug Reserven, lehnte ich diese Ersatzkost ab. Ein Supperl, Joghurt, Wasser und Kaffee würden mir reichen. Neugierig sah ich dann mal in den Eiskasten und fand diese Astronautennahrung, las mir die Inhaltsstoffe durch und, was stand denn da? Diese Leckerchen waren bereits ein halbes Jahr abgelaufen. So nahm ich die 3 oder 4 Flaschen, brachte sie zum Stützpunkt, verwies auf das Ablaufdatum. Ein altes Joghurt nahm ich auch gleich mit.

Im Arztbrief stand dann unter Diagnose: Perinalabszess bei Liposarkom, Incision und Drainage. Nächste Kontrolle: 4 Tage später bezüglich weiterem Procedere bei bekanntem Liposarkom in der Med. Ambulanz, 5 Tage später in der chirurgischen Ambulanz. Bei der Onkologie ging ich nur kurz vorbei. Die nette junge Ärztin war schwer erkrankt, ein anderer junger Onkologe hat einen Schlaganfall erlitten, es würde längere Wartezeiten geben. Zufall? Betriebsklima? So entschloss ich mich dieses Abteilung nicht länger mit meiner Anwesenheit zu belasten.

Der Arzt der chirurgischen Ambulanz fragte mich, was ich hier wolle. Ich soll zur Kontrolle kommen. „Was? Na sie sind gut. 1992 waren sie bei uns und jetzt kommen sie zu Kontrolle?“ Ich zog den Arztbrief aus der Mappe, der Arzt erkannte, dass ihm alte Unterlagen aus 1992 vorgelegt wurden, die neuen Unterlagen waren nicht vorhanden. Er zuckte mit den Schultern, las sich den Arztbrief durch und kontrollierte die Wundheilung. Als ich fragte was die Histologie ergeben hat, fragte er zurück, welche Histologie? Jetzt wurde ich aber sehr unruhig. Der Mann stand auf, fragte die Schwestern nach der Histo, kam zurück mit der Mitteilung dass diese noch nicht vorliege, grinste und murmelte, falls eine gemacht wurde.
Bitte wurde wenigstens eine Exzision durchgeführt? Weiß ´ich nicht, war ja nicht dabei, aber ich sehe eine Incision. Und wie merke ich das wenn es eine Metastase war? Dann wächst das nicht zu, war die Antwort. Ich musste wissen, ob es sich um eine Metastase gehandelt hat. Innerhalb kurzer Zeit könnte durch eine Nach-OP gröberes verhindert werden.

Nein, es war damals nicht Zorn der in mir aufstieg, es war Hass. Zu Hause angekommen schrieb ich einen Antrag auf Patientenakteneinblick und fuhr damit ausgestattet ins KH, ging gleich in das Sekretariat und legte den Antrag vor. Die Sekretärin bekam große Augen, schluckte, suchte telefonisch den Akt in verschiedenen Abteilungen des KH, suchte dann im Computer, fand die im Blechkasten deponierten Unterlagen und druckte mir einiges – kostenlos – aus. Dann kam der, für sie wohl erlösende Anruf dass der Akt gefunden sei, ich sollte zur chir. Abteilung kommen.
Eine sehr nette Oberschwester wartete bereits, begleitete mich in ein kleines Kammerl legte den Akt vor, ich würde alles kopiert bekommen was ich brauche.

Das Entnahmedatum war der 24., die Anforderung an die Histo vom 27., die Fragestellung Sarkom. So rief ich die Histologin an und fragte, nach welchen Sarkomzellen denn gesucht wurde, nach einem Knochen oder Weichteilsarkom? Sie hat, so die nette und bemühte Frau, beim Chirurgen nachgefragt und könne sich noch genau erinnern, dass das Material auf Liposarkom geprüft wurde.
Das histol. Ergebnis: entzündliche alterierte epidermale Zyste – na ja, und den Verdacht auf Zyste kennen wir bereits, der wurde 2003 nach der MRT geäußert. Aber, die Wunde war gut und problemlos verheilt.

Das Ergebnis:
In diesem KH, im Computerprogramm, gab es für Diagnosen an diesem Körperteil nur das Kürzel K61, nämlich die Diagnose Anal/Perinalabszeß, Für die operative Therapie nur 3362, OP bei Hämmorrhoiden, Analfistel. Ein Metastasenverdacht war im Programm nicht vorgesehen.
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