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Alt 16.11.2009, 23:08
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Kerstin22 Kerstin22 ist offline
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Registriert seit: 18.07.2006
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Standard AW: Krebs und Studium

Halli Hallo!
Da bin ich wieder zurück in Berlin. Fast ein komisches Gefühl, wenn mir bewusst wird, dass man hier stundenlang meine Gedanken lesen kann. Liebe A, danke für dein Interesse an mir.
Am Wochenende habe ich mich auch während meines Seminars stark mit meinem Identitätsanteil einer Stammzelltransplantierten auseinandergesetzt. Es ging um Diskriminierung und Minderheiten. Wegen meines Mundschutzes bin ich ja aktuell mit Diskriminierungen auf Grund meiner Krankheit konfrontiert. Aber ich habe natürlich auch darüber nachgedacht, wann ich Menschen diskriminiere, auch wenn ich das natürlich nicht mit Absicht mache. Ich war gerade beim Sport. Als ich mich in der Umkleidekabine umzog, rieselten meine weißen Hautteilchen auf meine schwarze Hose. Ich erklärte einer Frau, die neben mir saß, dass dies wegen einer Stammzelltransplantation so ist. Sie hat mich gefragt, ob ich mir das gerade ausgedacht habe. Klar, ich denke mir immer so krasse Sachen aus und mache makabre Witze. Gesund aussehen und irgendwie noch krank sein ist manchmal nicht so einfach. Beim Wochenendseminar mit den anderen Stipendiaten fühlte ich mich sehr wohl. Man merkt schon, dass die über soziale Kompetenzen verfügen. Da hat kaum einer gefragt warum ich wieder Mundschutz trage, sondern mir gesagt, dass ja meine Haare voll lang geworden sind. Ein Stipendiat meinte, mir stehe mein Mundschutz. Ich sehe aus wie irgendeine Star-Trek-Figur, die sich als Prinzessin entpuppt. Das war wohl das ungewöhnlichste Kompliment, was ich bisher bekam.

Ich habe mir übrigens überlegt, ob ich vielleicht doch noch mal zur Reha fahren sollte. Bisher meinte ich, dass ich dafür keine Zeit habe. In der nächsten vorlesungsfreien Zeit muss ich zwei Hausarbeiten schreiben, aber vielleicht gelingt es mir ja eine Reha zu beantragen und sie in die vorlesungsfreie zeit im Sommer zu legen, wo ich glaube ich nicht zwei Hausarbeiten schreiben muss. Meine letzte Reha hat mir sehr viel Gelassenheit gebracht. Ich entspanne auch viel besser, wenn ich komplett weg bin, als wenn ich zu Hause hocke und doch irgendwelchen Erledigungen nachgehe.

Meine Mentorin bzw. meine Freitagsporttrainerin (das ist sie wohl bei mir in erster Linie) hat meinen Praktikumsbericht überarbeitet, worüber ich mich sehr gefreut habe. Darin habe ich auch geschrieben, dass ich mich neben ihr nahezu phlegmatisch fühlte, da sie auch besonders dynamisch ist. Mit meinem Müdigkeitssyndrom kam ich mir neben ihr echt langsam vor. Sie schrieb aber, dass ich auch dynamisch sei. Dieses Bild habe ich als Sportlerin eigentlich auch von mir, aber im Praktikum kam ich mir vor als wäre ich von Gummi und nicht von Luft umgeben. Warum musste ich mir auch meine dynamische Sporttrainerin als Vorbild und Mentorin nehmen? Nein, ich habe wohl viel von ihr gelernt. Vorbilder sind immer gut.

Eben nach dem Sport habe ich irgendwelchen Abendschulschülern, die ich bei den Fahhradständern traf, den Satz des Pythagoras erklärt. Das hat voll Spaß gemacht und da habe ich wieder gemerkt, warum ich Lehrerin werden will. Es hat gut getan ein positives Feedback für meine Erklärungen zu bekommen.

Okay, ich schlaf dann mal. Bino schläft schon.
Liebe Grüße aus der Hauptstadt
Kerstin
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Morbus Hodgkin, II B mit Riskofaktor, ED 4/06, 8x BEACOPP eskaliert,Bestrahlung, 1. Rezidiv 03/07, 2x Chemo mit DHAP, 20.06.07 SZT; Bestrahlung;Reha, 2. Rezidiv, 18.04.08 allogene SZT, 03.06.08 komplette Remission , 2019: Knoten im Brustkorb, 03/19 ED Peripherer Nerventumor, 6 Zyklen Chemo, Bestrahlung, OP, bestätigte Remission 01/20
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