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Alt 01.07.2002, 01:18
Gast
 
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Standard Forum für Angehörige UND Betroffene

Hallo Brigitte,

da hast Du viel Wahres gesagt... Ich habe mich immer schon gefragt, WARUM gibt man diese Prognosen ab?? Warum ist so was überhaupt erlaubt??? Wenigstens müsste der Arzt doch den Patienten vorher fragen, ob er seine Meinung dazu, denn das ist es letztlich AUCH, hören will oder nicht! Aber irgendwie scheint das in unserer Gesellschaft so dazu zu gehören mit diesen "Prognosen", und es wird so als richtig akzeptiert, weil das halt bei uns so üblich ist oder wie? Ehrlich, ich kann rein gar nichts Gutes daran finden. Wozu? Um "sein Leben" zu regeln? Jedem von uns kann auch plötzlich etwas Schreckliches geschehen. Gibt es im Ernst irgendeinen Patienten, dem DAS hilft?
Jaja, das Gott-spielen-wollen... ich glaube wirklich, dass manchen Ärzten das in gewisser Hinsicht auch gefällt, wenn auch vielleicht nicht in diesem krassen Zusammenhang. Ich weiß nicht, ob das hierher gehört - ich kannte mal einen Frauenarzt, der Schwangeren, die kurz vor der Entbindung standen, gerne ein bisschen "nachhalf", indem er - teilweise ungefragt! - mal den Muttermund so hin- und herdehnte (was meist nicht unblutig vonstatten ging)! Er hatte seinen Ruf dafür schon weg in der Gegend und schien richtig stolz, wenn ER mal wieder eine Geburt ausgelöst hatte! Wo bleibt da noch die Würde des Menschen?

Ich hatte die ganze Zeit Angst, dass meinem Vater schon irgendwelche Prognosen eröffnet wurden und er es mir vielleicht nicht gesagt hat. Ich denke, ich werde ihn jetzt einfach fragen (und dann versuchen, ihm das auszureden!). Das ist nämlich genau das Schlimme - dieses Herumgeiere, dieses Angst-Haben, Abwarten, welche schreckliche Nachricht nun wieder von den Ärzten kommt und dann in Panik verfallen (mein Gott, wie ist DAS dann erst für den Betroffenen?!?!?)... Ich liebe meine Rolle im Kaninchenbau (nun haben wir auch für mich ein Tier! ;-)) wirklich gar nicht mehr... zwischen Hoffen und Bangen, so geht es doch die ganze Zeit! Aber das Kaninchen wird sich auf seine Hinterbeine stellen und wird sich stark machen für den großen Hasen! Und wenn das kleine Kaninchen keine Furcht mehr hat, kann es vielleicht auch den großen Hasen überzeugen.
Ich finde diese Symbole sehr schön, auch, wenn es Dich rührselig macht, Brigitte! Mir geht es auch immer so, aber da müssen wir durch, denn daraus entstehen AUCH - die verborgenen Kräfte zum Kämpfen, oder wie hast Du so schön gesagt?? Mal rührselig kann auch gut sein, nicht nur traurig. Ich habe das nach der Geburt erlebt (ich weiß nicht, wieso ich das Thema heute dauernd vor Augen habe). Alle redeten von den Depressionen, in die man danach verfallen würde. Ich habe geheult und geheult und geheult, aber ich habe es anders gesehen. Ich war glücklich und bin immer noch der festen Überzeugung, auch wenn es in unserer Gesellschaft anders gesehen wird und sofort IN JEDEM FALL als Problem betrachtet - ich hatte verdammt noch mal auch ein Recht darauf! Und soll ich Dir noch was sagen? Ich habe es in vollen Zügen genossen und fühlte mich hinterher immer richtig stark. Einfach, weil ich es anders betrachtet habe, denke ich. Daher: Rührseligkeit = ungeahnte Kräfte, auch wenn es zunächst paradox scheint. Menschen, die Gefühle zu lassen können, SIND irgendwo stark (oder?).

Michaela, das mit dem "Wahrsager" klingt ja gruselig ;-). Ich denke schon, dass einen so etwas (selbst wenn man eigentlich nicht dran glaubt) beinflussen kann!
Bei meinem Vater sieht es übrigens genauso aus wie bei Deinem. Auch teilweise das Bemitleiden von anderen Kranken etc. Er zählt sich in gewisser Weise nicht dazu. Und vielleicht ist das auch gut so! Und vielleicht ist ja auch etwas dran, wer weiß das schon? Wie geht es Deinem Vater denn jetzt? Was wird bei ihm gemacht?
Bei meinem Vater kam jetzt endgültig die Diagnose inoperabel (zu ungünstige Lage). Außer, dass er nun Mittwoch entlassen werden soll, weiß ich nichts... Mist, ich muss ihm irgendwie helfen!

Nun werde ich erstmal eine Mütze voll Schlaf nehmen.
Gute Nacht!
Tina (das Kaninchen)
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