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Alt 03.10.2006, 17:03
Benutzerbild von Claudia Junold
Claudia Junold Claudia Junold ist offline
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Ausrufezeichen Psychotherapie bei Krebs

Nachdem doch immer wieder die gleichen Fragen auftauchen, ist es vielleicht hilfreich, die Infos mal in einem Threat zu konzentrieren. Ich wäre Euch dankbar, wenn Ihr hier auch passende Links reinkopieren würdet, die Ihr vielleicht schon in einen anderen Threat gestellt hattet. Bitte tragt auch alle Sachen bei, die noch fehlen - das sind sicher eine Menge!


Erstmal etwas Grundsätzliches:
Ein Psychiater ist nicht das Gleiche wie ein Psychologe! Viele Menschen kennen den Unterschied nicht und meinen, daß sie "verrückt" wären, weil sie zum Psychologen müssen und haben deshalb große Berührungsängste.
Der Psychiater ist ein Facharzt für Erkrankungen der Nerven, des Geistes usw. - der Psychologe ist der Fachmann für die Seele - also zwei grundlegend unterschiedliche Sachen! Manchmal kann es jedoch durchaus sinnvoll sein, wenn beide Fachrichtungen zusammenarbeiten, denn Medikamente verschreibt nur ein Psychiater, niemals ein Psychologe. Falls es sich um Menschen z.B. mit extremen Depressionen mit Suizidgefahr oder so handelt, kann es wichtig sein, eine Psychotherapie durch Medikamente zu unterstützen.
Es gibt auch Psychiater, andere Ärzte und Heilpraktiker, die Psychotherapie anbieten. Das ist etwas anderes, als eine Therapie bei einem Dipl. Psychologen! Ein Dipl. Psychologe hat einen Hochschulabschluß in Psychologie. DANACH muß er noch eine sehr ausführliche, anstrengende, teuere und aufwendige Zusatzausbildung machen, um sich als Therapeut selbstständig machen zu können. Diese Ausbildung dauert berufsbegleitend zusätzliche fünf und als Fulltimejob weitere drei Jahre. Andere Ärzte, HPs usw. haben in der Regel eine kure "Schmalspur-Zusatzausbildung", die man mit der der Psychologen weder qualitativ noch quantitativ vergleichen kann. Natürlich gibt es Ausnahmen, bei denen auch Leute mit dieser Kurzausbildung gute Therapeuten sind, dennoch meine ich, daß man einen Psychologen mit Zusatzausbildung für Psychotherapie immer vorziehen sollte, denn er ist der Spezialist.
Leider ist da aber schon der erste große Haken an der Sache. Die Kassen lassen nur eine begrenzte Menge an niedergelassenen Psychologen zu. Dadurch sind diese (zumindest die guten) heillos überlaufen und Wartezeiten zwischen einem halben und zwei Jahr/en sind keine Seltenheit. Dazu kommt, daß ein guter Psychologe in der Regel keine Massenabfertigung betreibt. Fast immer arbeiten sie völlig allein in der Praxis, haben also auch keine "Sprechstundenhilfe" , "Empfangsdame", "Telefonfee" oder ähnliches. Daraus resultiert, daß man entweder nur zu festen Telefonzeiten, die man vom AB erfährt, persönlich mit dem Therapeuten wegen eines Ersttermins sprechen kann (und auch das ist schwierig, weil zu diesen Zeiten ALLE versuchen anzurufen und man beharrlich sein muß, um durchzukommen) oder auf den AB sprechen und auf Rückruf warten muß. Weil die Therapeuten aber so völlig überlaufen und überfordert sind, kann das dauern und manchmal auch in Vergessenheit geraten. Deshalb rate ich immer: fallt den Psychos auf den Wecker! Laßt nicht locker! Ruft immer wieder an und weist darauf hin, wie WICHTIG ein Erstgespräch für Euch ist! Es ist immer auch eine Sache, wie ich mein Anliegen rüberbringe und die Dringlichkeit deutlich mache. Jeder Therapeut hat Notfalltermine frei - einen solchen zu ergattern gilt es! Und den bekommt man nicht, wennman brav mit gefalteten Händen in der Warteschleife hängt, sonden wenn man tatsächlich drum kämpft!
Manche Leute sind sauer, wenn der Therapeut spät oder manchmal auch gar nicht zurückruft und lassen es dann. Tja, das muß eben jeder für sich selbst entscheiden.... Einen Therapieplatz zu ergattern ist nicht einfach und man sollte nie vergessen, daß der Patient, bzw. Klient etwas vom Psycho will - nicht umgekehrt.
Daß man mit dem Therapeuten völlig allein in der Praxis ist, habe ich immer als besonders angenehm empfunden. Eine Therapie ist kein Sonntagsspaziergang, sondern harte, schwere Arbeit, bei der es richtig zur Sache geht. Mir wäre es unangenehm gewesen, wenn da im Zimmer nebenan jemand gesessen hätte, der evtl. das eine oder andere mitgehört oder auch Zugang zu meinem "Innersten" über eine Karteikarte oder so bekommen hätte. Außerdem bin ich mehr als einmal völlig verheult und fix und fertig aus einer Therapiestunde herausgekommen. Ich hätte ganz sicher nicht gewollt, daß mich jemand so sieht. So aber hatte ich in aller Ruhe Zeit mich etwas zu regenerieren und mich auch äußerlich wieder herzurichten, bevor ich mich wieder unter die Menschheit begeben habe.

Indikation
Jemand, der die Diagnose "Krebs" bekommen hat, wird immer in einer Ausnahmesituation sein, in der sich niemals schämen sollte, jede Hilfe anzunehmen, die er kriegenkann! Dazu gehört auch psychologische Unterstützung.
Daß ein Zusammenhang zwischen Psyche und Immunsystem besteht, ist durchaus keine brandneue Erkenntnis und wer dem Krebs etwas entgegensetzen will, braucht eine stabile Psyche.
Außerdem wird auch nicht selten ein enger Zusammenhang zwischen einer kranken Psyche und einer Krebserkrankung hergestellt. Oft gibt es schwere "Altlasten" aufzuarbeiten, ohne die eine Gesundung schwer möglich ist.


Verschiedene Therapieformen
Es gibt Therapeuten, die haben sich auf Gruppentherapie, Verhaltenstherapie, auf Suchterkrankungen, Phobien oder eben auf Psychoonkologie spezialisiert. Welche Form für den jeweiligen Menschen die richtige ist, wird man nicht immer gleich auf Anhieb sagen können. Für manche kann es durchaus besser sein, erstmal eine Gruppentherapie zu machen. Für andere, die evtl. extreme Panik wegen ihrer Krankheit haben, könnte u.U: ein Therapeut mit Erfahrung im Bereich von Phobien der richtige sein. Andersrum muß nicht unbedingt ein Psychoonkologe immer und in jedem Fall das non plus ultra sein. Das hat sicher sowohl mit persönlichen Anti- und Sympathien zu tun, als eben auch mit der Spezialisierung. Ich denke, man muß es ausprobieren.
Adressen bekommt man aus dem Telefonbuch, bei der Krankenkasse, beim Gesundheitsamt, bei Biokrebs usw.

Kosten
Bei gesetzlich Versicherten ist es in der Regel so, daß man mit seiner Chipkarte zum Erstgespräch geht. Man hat fünf Probestunden, in denen man gucken soll/kann, ob man sich mit diesem Therapeuten eine tragfähige Arbeitsbeziehung vorstellen könnte. Wenn nicht, ist es auf jeden Fall besser, sich wieder auf die Suche zu machen. Wenn man den Richtigen gefunden hat, läuft es im allgemeinen so, daß der Therapeut einen Bericht an die Kasse schickt, die die "Notwendigkeit" einer Therapie überprüfen läßt und bei einem Krebskranken sicher zustimmen wird. Dann kann es "richtig" losgehen.



Hier kommt noch ein Artikel aus "Impulse" 1/2006 Ausgabe 90

Psychotherapie am Krankenbett hilfreich

Patienten, die nach einer Kebsdiagnose psychotherapeutische Hilfe in Anspruch nehmen, leben länger. Das ist das Ergebnis einer Studie von Thomas Küchler vom Referenzzentrum Lebensqualität in der Onkologie, die auf dem Kongreß für Chirurgie in München vorgestellt. wurde. Die Studie stieß dort auf unerwartet großes Interesse. Die Ergebnisse zeigten eindeutig einen Einfluß einer psychosozialen Betreuung auf die Überlebenszeit und widersprechen damit vielen anderen Studien, die keinen solchen Effekt nachgewiesen haben.

Untersuch wurden insgesamt 271 Patenten mit Krebserkrankungen an Speiseröhre, Magen, Leber Bauchspeicheldrüse oder Darm. Die eine Hälfte erhielt - zusätzlich zur Operation - Psychotherapie. Ungewöhnlich war der Ansatz: Die psychotherapeutische Unterstützung fand ausschließlich während des stationären Aufenthalts und zu 90% bereits am Krankenbett statt. Der Autor der Studie, Thomas Küchler, wertete die Ergebnisse zweimal aus - einmal nach 2 Jahren und ein zweites Mal nach 10 Jahren. Das ist ein ungewöhnlich langer Beobachtungszeitraum. Dabei fand er eine wesentlich längere Überlebenszeit in der Gruppe der Patienten, die sofort nach der Operation Psychotherapie erhielten. Auffallend war dabei, daß die Psychotherapie - direkt nach der Operation eingesetzt - sofort Wirkung zeigte und diese auf die Verbesserung der Überlebenszeit auch nach 10 Jahren signifikant gegeben war.